VG Münster, Urteil vom 15.01.2019 - 4 K 2278/16
Fundstelle
openJur 2019, 15820
  • Rkr:

Entziehung eines Doktorgrades wegen Täuschung bei der Anfertigung einer Dissertation

Zum Vorliegen eines Plagiats bei einer experimentellen Doktorarbeit

Tenor

für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin studierte an der beklagten Universität Zahnmedizin. Sie beantragte am 20. Juli 2009 die Einleitung und Durchführung des Verfahrens zur Erlangung eines Doktorgrades. Dazu fertigte sie eine Dissertation mit dem Thema "The effects of somatostatin on spreading depression in rat neocortical tissues" an. Dabei gab sie eine Erklärung ab, dass sie die Arbeit unter anderem selbstständig und nur unter Benutzung der im Literaturverzeichnis angegebenen Literatur angefertigt habe. Erstgutachter der Arbeit war Q. . E. . H. , Zweitgutachter Q. . E. . H1. . Die Arbeit wurde mit dem Gesamtergebnis "magna cum laude" bewertet und der Klägerin wurde am 7. Oktober 2009 der Doktorgrad verliehen.

Am 13. Mai 2014 wiesen Mitarbeiter der Internetplattform W. X. die Beklagte darauf hin, dass die Dissertation zum Teil "zusammenkopiert" sei. Die Beklagte leitete daraufhin eine Überprüfung der Arbeit ein, informierte die Klägerin mit Schreiben vom 4. Juni 2014 hierüber und gab dieser Gelegenheit, Stellung zu den Vorwürfen zu nehmen.

Der Erstgutachter Q. . E. . H. wies mit Schreiben vom 25. Juni 2014 auf die selbstständige experimentelle Arbeit und den Gewinn neuer Forschungsergebnisse hin. Experimente in dieser Art seien bisher noch nie durchgeführt worden. Auch würde eine Publikation der Ergebnisse unmittelbar bevorstehen.

Die Klägerin wies mit Schreiben vom 6. Juli 2014 die Vorwürfe zurück und führte im Wesentlichen aus, dass sie alle Experimente persönlich unter Anleitung und Kontrolle ihres Doktorvaters durchgeführt habe. Die Aufgabenstellung sei eine Idee von Q. . E. . H. gewesen. Vor dem Abfassen der Dissertationsschrift habe sie Q. . E. . H. und Q. . E. . H1. hinsichtlich der Literatur befragt. Die zitierten Textstellen seien sachgerecht gekennzeichnet worden. Die Analyse von W. sei unvollständig. Die Untersuchung sei von der Klägerin weltweit erstmalig durchgeführt worden. Als Beweis für die Originalität der Dissertation verwies sie auf die bevorstehende Publikation eines Artikels in einer Fachzeitschrift.

Eine eingerichtete Untersuchungskommission der Beklagten stellte fest, dass große Teile der Dissertation Entsprechungen in anderen, früher erschienenen Veröffentlichungen aufwiesen. Mit Schreiben vom 22. April 2015 teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis der Untersuchung mit und teilte mit, dass sie beabsichtige, dem Fachbereichsrat vorzuschlagen, die Dissertation für ungültig zu erklären und die Verleihung des Doktorgrades zurückzunehmen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nahm mit Schreiben vom 16. Juni 2015 Stellung zu den Vorwürfen und trug im Wesentlichen vor, dass die Klägerin selbstständig wissenschaftlichexperimentell gearbeitet habe. Übereinstimmungen mit anderen Texten seien der Thematik, einem Spezialgebiet der Hirnforschung, geschuldet. Es gebe lediglich Stellen unkorrekter Zitierung im Bereich der Einleitung und der Diskussion. Beide Berichterstatter kannten darüber hinaus die verwendeten Texte. Die Maßnahme der Beklagten sei nicht verhältnismäßig.

Der Fachbereichsrat beschloss auf Antrag des Dekans am 12. April 2016 mit vierzehn Ja-Stimmen und einer Enthaltung, die Promotionsleistung für ungültig zu erklären und die Verleihung des Doktorgrades zurückzunehmen. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 erklärte der Dekan die Promotionsleistung für ungültig und nahm die Verleihung des Doktorgrades zurück. Zur Begründung verwies die Beklagte auf die umfangreichen und gravierenden Textübernahmen. Die Klägerin habe getäuscht, weil sie erklärt habe, die Dissertation selbstständig angefertigt zu haben. Dadurch habe sie einen Irrtum erzeugt. Der Umfang der Textübernahmen spreche für eine vorsätzliche Täuschung.

Die Klägerin hat am 9. Juni 2016 Klage erhoben. Zur Begründung verweist sie auf Ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend und vertiefend vor, dass ihre Arbeit im Wesentlichen auf eigenständiger Forschungsarbeit im Labor beruhe. Diese Forschungsarbeit bilde den Schwerpunkt ihrer Arbeit und stelle den eigentlichen wissenschaftlichen Wert dar. Sie verweist auch auf die Stellungnahme von Q. . E. . T. , welcher lediglich eine Rüge mit anschließender Korrektur empfohlen habe. Die Arbeit stelle trotz Vernachlässigung der gebotenen Zitierweise eine Bereicherung des (zahn-)ärztlichen Wissens dar, welche der Verleihung des Doktorgrades würdig sei. Die partielle Vernachlässigung der wissenschaftlichen Zitierweise stelle keine Täuschungshandlung dar. Ebenfalls liege kein Irrtum bei Q. . E. . H. oder bei Q. . E. . H1. vor. Die anderen am Promotionsverfahren beteiligten Stellen würden nur auf Grundlage der Gutachten entscheiden und seien keinem Irrtum unterlegen, welcher kausal für die Verleihung gewesen sei. Die vorgebildete Leserschaft sei ebenfalls keinem Irrtum erlegen. Auch liege kein Täuschungsvorsatz der Klägerin vor. Außerdem sei es fraglich, ob die Täuschung überhaupt ursächlich für die Verleihung des Doktorgrades gewesen sei. Der Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Die Beklagte hätte mildere Mittel wie eine Nachbesserung in Betracht ziehen müssen. Auch hätte die Beklagte Vertrauensschutzgesichtspunkte berücksichtigen müssen. Überschneidungen lägen darüber hinaus in der Natur der Sache, weil es sich um ein sehr enges Fachgebiet handele. Die Beklagte müsse sich das Wissen und Handeln von Q. . E. . H. und Q. . E. . H1. zurechnen lassen.

Sie beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid der Beklagten vom 00.00.0000, mit dem die Beklagte die Promotionsleistung der Klägerin für ungültig erklärt sowie die Verleihung des Doktorgrades an die Klägerin mit Datum vom 00.00.0000 zurücknimmt, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides. Sie trägt ergänzend und vertiefend vor, dass die Plagiate im vorliegenden Fall die Bagatellgrenze überschritten hätten. Sie seien qualitativ und quantitativ erheblich. Nur weil der Schwerpunkt der Arbeit auf der eigenen Forschung liege, bedeute dies nicht, dass die Anforderungen an das wissenschaftliche Arbeiten in anderen Teilen geringer seien. Die Klägerin habe getäuscht und einen Irrtum hervorgerufen. Das Ermessen sei fehlerfrei ausgeübt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) ist unbegründet, weil der Bescheid vom 30. Mai 2016 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

I. Rechtsgrundlage für die Entscheidung, die Promotionsleistung für ungültig zu erklären, ist § 19 Abs. 1 Satz 1 der Promotionsordnung des Fachbereiches 5 Medizinische Fakultät vom 00.00.0000, zuletzt geändert durch Beschluss des Fachbereichsrates vom 00.00.0000 (PromO). Danach ist die Promotionsleistung für ungültig zu erklären, wenn sich ergibt, dass der/die Doktorand/-in beim Erbringen der Leistung sich einer Täuschung schuldig gemacht hat.

1. Die Rechtsgrundlage ist wirksam. Die einer Entziehung eines Doktorgrades vorgelagerte Frage, ob die Prüfungsleistungen angesichts einer Täuschung noch als eine eigenständige wissenschaftliche Leistung zu qualifizieren sind, muss nicht als Ermessensnorm ausgestaltet werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 27 ff.

2. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Der Fachbereichsrat hat mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen, die Promotionsleistung für ungültig zu erklären, § 19 Abs. 1 Satz 2 PromO.

3. Der Bescheid ist materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage liegen vor. Die Klägerin hat über die Eigenständigkeit der erbrachten wissenschaftlichen Leistungen getäuscht.

a. Eine Dissertation stellt in ihrer Gesamtheit keine eigenständige wissenschaftliche Leistung dar, wenn sie quantitativ, qualitativ oder durch eine Gesamtschau von beiden Kriterien durch Plagiate geprägt ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3/16 -, juris, Rn. 44; OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 36.

aa. Sie ist quantitativ von Plagiaten geprägt, wenn die Anzahl der Plagiatsstellen angesichts des Gesamtumfanges der Arbeit überhand nehmen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3/16 -, juris, Rn. 44.

Dies ist hier der Fall, weil auf weit mehr als der Hälfte der Seiten der Arbeit Plagiate zu finden sind. Dabei bestehen die Einleitung und der Diskussionsteil der Arbeit in erheblichem Maße aus Plagiaten. In den anderen beiden Kapiteln finden sich wenige bis gar keine Plagiate. Für die genaue Auflistung der Plagiatsstellen wird auf die zutreffende und von der Klägerin nicht bestrittene Synopse der Beklagten verwiesen (Bl. 1 ff. Beiakte Heft 6).

bb. Die Plagiate sind qualitativ erheblich. Bei dieser Prüfung ist die Bedeutung der Plagiatsstellen für die wissenschaftliche Aussagekraft der Arbeit zu würdigen. Eine qualitative Prägung ist anzunehmen, wenn die restliche Dissertation den inhaltlichen Anforderungen an eine beachtliche wissenschaftliche Leistung nicht mehr genügt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 - 6 C 3/16 -, juris, Rn. 44.

Dies ist hier der Fall. Denn die Durchführung eines wissenschaftlichen Experiments ist nicht allein ausreichend für die Annahme der geforderten promotionswürdigen Prüfungsleistung. Vielmehr muss in der Dissertation als eine schriftliche Leistung das wissenschaftliche Problem und die experimentelle Lösung selbstständig bearbeitet und unter Berücksichtigung der Literatur verständlich dargestellt werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 38.

Dabei setzt die Fähigkeit zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit voraus, dass in einer schriftlichen Arbeit eigene und fremde intellektuelle Leistungen voneinander unterschieden und die fremden Leistungen durch Nachweise kenntlich gemacht werden. Der Promovend darf nicht fremde Beiträge als eigene ausgeben.

Vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 12 Juni 2018 - 6 A 102/16 -, juris, Rn. 93 m. w. N.

Die gefundenen Ergebnisse müssen eigenständig im Kontext des Standes der Wissenschaft reflektiert, in Verbindung zu anderen Forschungsergebnissen gesetzt und eingeordnet werden. An einer solchen schriftlichen wissenschaftlichen Leistung fehlt es hier.

Der Einleitungsteil der Arbeit ist nicht als wissenschaftliche Eigenleistung der Klägerin zu bewerten, weil dieser nahezu ausschließlich auf Plagiaten beruht. Dabei hat die Einleitung wissenschaftliche Aussagekraft, weil sie das Fundament der Arbeit bildet. Sie erklärt das Ziel der Arbeit, legt die Grundlage für das Verständnis der Arbeit und führt auf die Versuche der Klägerin hin. Die Klägerin erläutert in diesem Teil, was eine "spreading depression" (deutsch: Streudepolarisierung, im Folgenden: SD) ist, wie sie entsteht, zeichnet die historische Entwicklung der Forschung nach und zeigt auf, wie eine SD untersucht und reproduziert werden kann. Nahezu die gesamte Einleitung beruht auf Plagiaten. Plagiatsfrei sind im Wesentlichen die Abschnitte, in welchen die Klägerin die näheren Einzelheiten von Somatostatin beschreibt, welche therapeutischen Wirkungen Somatostatin bei Erkrankungen (insbesondere bei Epilepsie) hat sowie Einzelheiten zum konkreten Versuch. Das Gericht verweist an dieser Stelle auf die von der Beklagten erstellte Synopse, welche die Klägerin nicht angegriffen hat. Darüber hinaus hat die Klägerin im gerichtlichen Verfahren selber vorgetragen, dass ihr Textmaterial von Q. . E. . H. zur Verfügung gestellt worden sei.

Bei einem einführenden "allgemeinen Teil" sind keine minderen Ansprüche an die Wissenschaftlichkeit einer Dissertation zu stellen. Denn eine Dissertation, die den Leser ausführlich in die Problematik einführt, hat weitaus bessere Chancen, im Wissenschaftsbetrieb und der Fachöffentlichkeit wahrgenommen und rezipiert zu werden, als eine solche, deren Gegenstand sich der Leser praktisch erst selbst erarbeiten muss.

Im anschließenden Kapitel beschreibt die Klägerin das verwendete Material sowie die konkrete Versuchsdurchführung. Auch in diesem Kapitel befindet sich eine große Anzahl an Plagiaten. Auf Plagiaten beruhen dabei im Wesentlichen die Beschreibung der Versuchsdurchführung, der Ableitung der Feldpotentialen sowie der Langzeit-Potenzierung. Plagiatsfrei sind die Beschreibung, wie eine SD induziert wurde sowie die Angaben zu den Versuchsprotokollen und der statistischen Analyse der Ergebnisse.

Das sich daran anschließende Kapitel "S. " ist eine eigenständige Leistung der Klägerin. Hier findet sich nur ein Plagiat.

Dagegen weist der Diskussionsteil der Arbeit wieder eine überwiegende Anzahl an Plagiaten auf und ist nicht als eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit anzusehen. In diesem Teil fasst die Klägerin die gefundenen Ergebnisse zusammen und berichtet über die genauere Bedeutung von Somatostatin. So konnte die Klägerin eine dosisabhängige Unterdrückung der Amplituden der neokortikalen SD in Gegenwart von Somatostatin feststellen. Somatostatin sei bei der Initiierung einer neokortikalen SD beteiligt. Die Klägerin geht dabei auch auf den Zusammenhang zwischen Epilepsie und Somatostatin ein. Dabei beruhen unter anderem die genauen Einzelheiten zu Somatostatin wie dessen Wirkungsweisen und dessen Verbindung zu Epilepsie sowie die Beschreibung der Grundlagen der Ischämie und LTP auf Plagiaten. Die gefundenen Ergebnisse basieren zwar auf eigenhändiger Laborarbeit, die Herausarbeitung der genauen Bedeutung und Relevanz der Ergebnisse basieren jedoch auf Plagiaten. Der Diskussionsteil der Arbeit hat die Aufgabe, die gefundenen Ergebnisse in den wissenschaftlichen Kontext einzuordnen und die Ergebnisse zu bewerten. Damit handelt es sich um einen zentralen wissenschaftlichen Bestandteil einer Dissertation. Gerade weil das reflektierte Einordnen und Arbeiten mit den Ergebnissen ein zentraler Teil des wissenschaftlichen Gehalts der Arbeit ist, wiegt die Täuschung an dieser Stelle besonders schwer. Damit wird der Klägerin nicht abgesprochen, selbstständig eigene Arbeiten im Labor durchgeführt zu haben und das (zahn-)wissenschaftliche Wissen bereichert zu haben. Entscheidendes Merkmal einer Dissertation ist jedoch (auch) die eigenständige geistige Durchdringung der zum Thema bereits existierenden Quellen und die eigenständige sprachliche Darstellung der selbstständig gezogenen Schlussfolgerungen.

Vgl. VG Münster, Urteil vom 20. Februar 2009 - 10 K 1212/07 -, juris, Rn. 25.

Dies gilt auch für eine experimentelle Dissertation, weil andernfalls solche Arbeiten im Vergleich zu nicht experimentellen Arbeiten privilegiert werden würden. Allein die Tatsache, dass selbstständig im Labor gearbeitet wurde, kann nicht dazu führen, dass allgemeine Zitieregeln nicht mehr beachtet werden müssen. Dies ist weder mit dem Wert, den ein Doktortitel als hoher akademischer Grad besitzt, noch mit dem allgemeingültigen Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit zu vereinbaren.

Entgegen dem klägerischen Vorbringen kann auch die wissenschaftliche Relevanz der Thematik - hier ausgewiesen durch einen Artikel in einer Fachzeitschrift - keine Herabsetzung der handwerklichen Anforderungen an die Promotion rechtfertigen. Denn die wissenschaftliche Relevanz hat keinerlei Aussagekraft, ob die Dissertation Plagiate enthält oder nicht. Maßgeblich für die vorliegende Prüfung ist allein der Promotionstext selbst.

Der klägerische Vortrag, wonach es zu Überschneidungen gekommen sei, weil es sich um ein sehr spezielles Fachgebiet handele, verfängt nicht, weil dies nicht dazu führen kann, dass wissenschaftlich anerkannte Zitierregeln nicht mehr zu beachten seien. Gerade in einem solchen Fall ist das sorgfältige Zitieren besonders wichtig.

b. Über die fehlende Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Leistung hat die Klägerin getäuscht, das heißt eine Fehlvorstellung hervorgerufen, wobei es nicht erforderlich ist, dass die Täuschung kausal zu einem Irrtum geführt hat.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 50.

Denn durch die Abgabe der Erklärung, dass sie die Arbeit eigenständig und nur unter Benutzung der im Literaturverzeichnis angegebenen Literatur angefertigt hat, ist zumindest ein allgemeines Bewusstsein bei den Entscheidungsträgern aufgekommen, dass die Arbeit eigenständig von der Klägerin erstellt worden sei. Dass der Erst- sowie der Zweitgutachter von der unrichtigen Zitierung gewusst haben, ist unerheblich, weil diese nicht über die Annahme der Arbeit entschieden haben. Diese beurteilen die Arbeit lediglich und schlagen eine Benotung vor, § 6 Abs. 1 PromO. Die Entscheidung über die Annahme und Benotung wird durch den Dekan bzw. den Promotionsausschuss getroffen, § 7 PromO. Im vorliegenden Fall lag bei dem Dekan und den promovierten Fachbereichsmitgliedern eine Fehlvorstellung über die Eigenständigkeit der Arbeit vor. Denn diese mussten angesichts der abgegebenen Erklärung der Klägerin davon ausgehen, dass die Arbeit selbstständig von der Klägerin verfasst wurde. Der klägerische Vortrag, wonach sich die Beklagte das Wissen und Handeln von Q. . E. . H. und von Q. . E. . H1. voll zurechnen lassen müsse, geht daher ins Leere.

Ein etwaiges Fehlverhalten Dritter, wie es die Klägerin geltend gemacht hat, ist bereits nach dem Wortlaut der Norm unerheblich. Abzustellen ist allein auf die Täuschung über die Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Leistungen. Es widerspricht darüber hinaus dem Sinn und Zweck der normativen Grundlagen, ein etwaiges Fehlverhalten Dritter zu berücksichtigen. Denn ein Bewerber um den Doktorgrad, der den Nachweis der Befähigung zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit zu erbringen hat, ist für die Einhaltung der wissenschaftlichen Standards selbst verantwortlich. Wenn ein Bewerber fehlerhaften Vorgaben des Betreuers zu den Grundsätzen wissenschaftlicher Arbeit Folge leistet, erweist er sich gerade nicht fähig, selbstständig wissenschaftlich zu arbeiten.

Vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 12 Juni 2018 - 6 A 102/16 -, juris, Rn. 146.

Entgegen dem klägerischen Vorbringen kann auch angesichts der Zurverfügungstellung von Textmaterial durch Q. . E. . H. nicht angenommen werden, dass die Klägerin nicht getäuscht habe. Denn durch diesen Vortrag zeigt die Klägerin gerade, dass sie an dieser Stelle keine eigenständige Leistung erbracht hat. Stattdessen hat sie fremdes Textmaterial verwendet. Der Täuschungsvorwurf wird durch diesen Vortrag nur verstärkt.

Auch der klägerische Vortrag, dass die Autoren der verwendeten Texte wie bspw. Q. . E. . H1. mit der Verwendung der Texte ohne ordnungsgemäße Zitierung einverstanden gewesen seien, verfängt nicht. Denn die Pflicht, fremde Texte ordnungsgemäß zu zitieren kann nicht durch den jeweiligen Verfasser eines betroffenen Textes suspendiert werden. Sonst wäre die Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses nicht mehr sicherzustellen.

Vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 12 Juni 2018 - 6 A 102/16 -, juris, Rn. 109.

c. Angesichts des Umfangs der Plagiatsstellen und der Tatsache, dass diese systematisch in zwei Teilen der Arbeit besonders ausgeprägt sind, ist ein Zufall auszuschließen und davon auszugehen, dass die Klägerin zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hat.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 19 A 354/13 -, juris, Rn. 104; VG Hannover, Urteil vom 3. November 2016 - 6 A 6114/13 -, juris, Rn. 37

Für einen Vorsatz spricht darüber hinaus, dass die Klägerin selber vorgetragen hat, dass Q. . E. . H. Textmaterial zur Verfügung gestellt hat. Damit wusste sie, dass dieses nicht ihre eigene Leistung ist.

II. Daneben ist auch die Voraussetzung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 PromO erfüllt. § 19 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 PromO sieht vor, dass die Promotionsleistung für ungültig erklärt wird, wenn wesentliche Voraussetzungen für die Zulassung der Promotion irrigerweise angenommen worden sind. Auch dies ist hier der Fall, weil gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 PromO Voraussetzung für die Zulassung die Einreichung einer selbstständig bearbeiteten wissenschaftlichen Arbeit ist. Eine solche liegt aber - wie oben geprüft - nicht vor.

III. Rechtsgrundlage für die Entziehung des Doktorgrades ist § 48 Abs.1 VwVfG NRW. Danach kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden. Auf diese Norm kann zurückgegriffen werden, weil § 19 Abs. 2 PromO keine abschließende Regelung über die Entziehung eines Doktorgrades darstellt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, Rn. 55.

Die Verleihung des Doktorgrades war rechtswidrig, weil sie nicht aufgrund einer selbstständigen wissenschaftlichen Eigenleistung der Klägerin erfolgte (s. o.).

Die Entscheidung, den Doktortitel zu entziehen, traf der Fachbereichsrat mit der erforderlichen Mehrheit. Dies gilt selbst für den Fall, wenn die Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 PromO anzuwenden ist.

Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte die gesetzlichen Grenzen ihrer Ermessensausübung nicht überschritten, § 114 Satz 1 VwGO. Das Gericht ist bei der Prüfung, ob die Beklagte ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt. Es kann lediglich Ermessensfehler feststellen.

Vgl. Stuhlfauth in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl. 2014, § 114 Rn. 1 ff.

Weder werden Zweck noch Grenzen der Ermessensgrundlage überschritten. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte nicht verkannt, dass die Klägerin in ihrer Arbeit eigenständige wissenschaftliche Versuche durchgeführt hat, der experimentelle Kern weitestgehend frei von Plagiaten ist und dass die Klägerin einen wichtigen Beitrag für die Wissenschaft geleistet hat. Vielmehr hat die Beklagte umfassend die negativen Folgen der Entscheidung sowohl in privater, beruflicher, finanzieller und gesellschaftlicher Hinsicht berücksichtigt und ermessensfehlerfrei angesichts des Umfanges der Plagiate auf die hohe Bedeutung der Redlichkeit der Wissenschaft und des Vertrauens in die Wissenschaft insgesamt abgestellt. Die Ermessensauswahl stellt sich auch nicht als fehlerhaft dar, weil die Beklagte keine milderen Mittel ausgewählt hat. Denn bei dem Umfang der hier vorliegenden Plagiate ist die Entziehung indiziert.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Januar 2018 - 14 A 610/17 -, juris, 69 f.

IV. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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