OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.11.2017 - 4 B 1058/17
Fundstelle
openJur 2019, 15410
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 19 L 2158/17
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 3.8.2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Verfügungen der Antragsgegnerin vom 23.6.2017 und vom 27.6.2017 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,

und

die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller bis zur abschließenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts den Betrieb der Schankwirtschaft C. , T.--------straße , E. , zu gestatten und von Betriebseinstellungsmaßnahmen Abstand zu nehmen,

im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, er sei unzulässig, soweit er gegen die von der Antragsgegnerin bereits aufgehobene Festsetzungsverfügung vom 23.6.2017 sowie sinngemäß auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet sei. Hinsichtlich der Verfügung vom 27.6.2017 sei der Antrag unbegründet. Der Widerruf der Gaststättenerlaubnis sei gemäß § 15 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG offensichtlich rechtmäßig. Der Antragsteller sei aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheids gaststättenrechtlich unzuverlässig. Angesichts in der Sache nicht zu bestreitender Drogenfunde, Berichte über die Duldung von Drogenkonsum und vielfach dokumentierter Verstöße gegen Regelungen zum Nichtraucherschutz berufe sich der Antragsteller erfolglos letztlich allein darauf, wegen des schwierigen sozialen Umfelds in der E1. Nordstadt keine effektive Möglichkeit zu sehen, Rechtsverstöße verlässlich zu unterbinden. Ein zuverlässiger Gastwirt müsse seinen Betrieb schließen, wenn er nach eigener Einschätzung die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmung im Rahmen des bestehenden Betriebskonzepts nicht sicherstellen könne. Dies gelte umso mehr, als die Gaststätte nach Polizeiberichten Anlaufstelle und Rückzugsraum einer Gruppe sei, die in der Vergangenheit an gewaltsamen Auseinandersetzungen rivalisierender Vereinigungen mit Bezug zur Betäubungsmittelkriminalität beteiligt gewesen sei. Es sei nicht in Ansätzen erkennbar, dass der Antragsteller geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Gesetzesverstößen in seiner Gaststätte auch nur versucht habe. Die von ihm angebotene Installation von Kameras sei offenkundig ungeeignet, da es ihm ersichtlich an der Bereitschaft fehle, Erkenntnisse über Gesetzesverstöße auch konsequent gegenüber Besuchern der Gaststätte zu sanktionieren.

Diese Einschätzung des Verwaltungsgerichts wird durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht durchgreifend in Frage gestellt.

Ohne Erfolg wendet der Antragsteller ein, die von Antragsgegnerin und Verwaltungsgericht an die Zuverlässigkeit eines Gastwirts in Bezug auf die Unterbindung eines unzulässigen Umgangs mit Betäubungsmitteln in seinem Betrieb gestellten Anforderungen seien "zu hoch angesiedelt". Sowohl der angefochtenen Ordnungsverfügung als auch der Entscheidung des Verwaltungsgerichts liegt die zutreffende Auffassung zugrunde, dass den Betreiber einer Gaststätte eine Aufsichtspflicht über sein Lokal trifft, sodass er insbesondere willens und in der Lage sein muss, etwaigen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz entgegenzutreten. Er ist auch zur Zusammenarbeit mit der Polizei verpflichtet, um einen unzulässigen Umgang mit Betäubungsmitteln in seiner Gaststätte zu unterbinden. Art und Umfang der zu treffenden Maßnahmen bestimmen sich nach der jeweiligen Gefahrenlage und hängen daher auch von dem Betriebskonzept und der Gestaltung der Betriebsräume ab, die erforderlichenfalls verändert werden müssen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4.3.2016 - 4 E 138/16 -, juris, Rn. 4 ff., m. w. N.

Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers sind die insoweit zu stellenden Anforderungen vorliegend nicht etwa deshalb geringer, weil sich sein Betrieb in der E1. Nordstadt und damit in einem sozialen Brennpunkt befindet. Richtig ist vielmehr - im Gegenteil -, dass derjenige, der ein Lokal in einer Umgebung betreibt, in der bekanntermaßen häufig Handel oder sonstiger unzulässiger Umgang mit Betäubungsmitteln stattfindet, die Gewähr dafür bieten muss, dass er in der Lage und willens ist, den Missbrauch seiner Räumlichkeiten durch die Drogenszene zu verhindern. Wer das nicht leisten kann oder will, hat nicht die für die Gewerbeausübung erforderliche Zuverlässigkeit.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.12.2015 - 4 A 593/15 -, juris, Rn. 10 f., m. w. N.

Unter Berücksichtigung auch der zahlreichen dokumentierten Verstöße gegen die gesetzlichen Vorschriften zum Nichtraucherschutz rechtfertigen danach die aktenkundigen und von dem Antragsteller der Sache nach nicht bestrittenen wiederholten Drogenfunde in seiner Gaststätte sowie der Umstand, dass er Drogenkonsum dort geduldet hat, den Schluss auf seine gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht insoweit auch dem Umstand entscheidende Bedeutung beigemessen, dass der Antragsteller sich nach seinem eigenen Vorbringen insbesondere wegen der örtlichen Lage seiner Gaststätte nicht dazu in der Lage sieht, Drogendelikte wirksam zu unterbinden, ohne eine Änderung des Betriebskonzepts auch nur in Erwägung zu ziehen. Ebenso zutreffend hat es die - negative - Zuverlässigkeitsprognose auch darauf gestützt, dass die Gaststätte nach Polizeiberichten Anlaufstelle und Rückzugsraum für Personen ist, die in der Vergangenheit an gewaltsamen Auseinandersetzungen rivalisierender Gruppen mit Bezug zur Betäubungsmittelkriminalität beteiligt gewesen sind.

Ebenfalls zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, es sei nicht ansatzweise erkennbar, dass der Antragsteller auch nur den Versuch unternommen habe, durch geeignete Maßnahmen Gesetzesverstöße in seiner Gaststätte zu verhindern, und dass ihm ersichtlich die Bereitschaft fehle, erkannte Gesetzesverstöße konsequent zu sanktionieren. Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen, in der Vergangenheit mögen "Probleme" bestanden haben, zuletzt sei dies aber nicht mehr der Fall gewesen und werde es auch in Zukunft nicht sein, da Überwachungskameras installiert würden, der Antragsteller gegen Gesetzesverstöße einschreite und zu einer Kooperation mit der Polizei bereit sei, greift nicht durch. Der Antragsteller ist bereits in einem Gespräch am 6.6.2016 von der Antragsgegnerin auf seine Pflichten als Gastwirt hingewiesen worden. Wegen Verstößen gegen das Nichtraucherschutzgesetz sind sowohl gegenüber ihm als auch gegenüber seinen Mitarbeitern Bußgeldbescheide ergangen. Gleichwohl kam es in der Folge zu weiteren Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie das Nichtraucherschutzgesetz. Dies alles deutet darauf hin, dass der Antragsteller nicht willens oder in der Lage ist, Gesetzesverstöße in seiner Gaststätte wirksam zu unterbinden. Sein nunmehr unter dem Eindruck des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis verlautbartes gegenteiliges Bekunden ist nicht geeignet, diesen Eindruck zu zerstreuen.

Deshalb rechtfertigt es das Beschwerdevorbringen auch nicht, dem Antragsteller deshalb vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, weil ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung nur anzunehmen ist, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass sich die mit dem Widerruf der Gaststättenerlaubnis bekämpfte Gefahr schon in der Zeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren kann. Zwar ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Begründetheit dieser Besorgnis unter Berücksichtigung auch solcher Umstände zu beurteilen, die erst nach dem Erlass der Ordnungsverfügung eingetreten sind.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.10.2016 - 4 B 852/16 -, juris, Rn. 19 f., m. w. N.

Indes ist nach dem zuvor Gesagten zu befürchten, dass der Antragsteller seinen Pflichten als Gastwirt auch künftig nicht nachkommen wird und es deshalb bei Fortführung des Gaststättenbetriebs während des Klageverfahrens zu weiteren Gesetzesverstößen kommen wird.

Schließlich stellen der Widerruf der Gaststättenerlaubnis und die Anordnung seiner sofortigen Vollziehung auch dann keine unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffe dar, wenn damit für den Antragsteller der Verlust seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage verbunden sein sollte. Ist - wie hier - der Widerruf zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich, so ist es nicht unverhältnismäßig, dem Schutzzweck des § 15 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen zu geben, seine Existenzgrundlage beibehalten zu können.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.10.2016 - 4 B 852/16 -, juris, Rn. 22; zur vergleichbaren Interessenlage bei einer Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.8.2016 - 4 B 460/16 -, juris, Rn. 21 f., m. w. N.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).