OLG Hamm, Urteil vom 04.06.2014 - 3 U 63/13
Fundstelle
openJur 2019, 14639
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 O 23/10
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 14.02.2013 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger stellte sich am 30.05.2007 wegen des Verdachts auf einen Leistenbruch in der unter anderem von dem Beklagten zu 2. betriebenen Gemeinschaftspraxis "A und Partner" (ambulantes Operationszentrum) vor. Nach klinischer und sonografischer Untersuchung des Klägers diagnostizierte der Beklagte zu 2. einen beidseitigen Leistenbruch. Der Kläger unterzeichnete für die für den 21.06.2007 geplante Operation an der rechten Leiste einen auf den 30.05.2007 datierten

proCompliance- Aufklärungsbogen "Schenkelbruchoperation in offener Technik rechts" (Bl. 71 f.d.A.). Einzelheiten des am 30.05.2007 zwischen den Parteien geführten Aufklärungsgesprächs sind zwischen den Parteien streitig.

Am 21.06.2007 erfolgte die ambulante Operation der rechten Leiste durch den Beklagten zu 2. mit Implantation eines Netzes nach der Lichtensteinmethode. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den in Kopie zu den Akten gereichten Operationsbericht vom 21.06.2007 (Bl. 151 d.A.) Bezug genommen

Mit Datum vom 04.07.2007 unterzeichnete der Kläger einen proCompliance- Aufklärungsbogen "Leistenbruchoperation in offener Technik links" (Bl. 73 f.d.A.) bezüglich der für den 17.07.2007 geplanten Operation an der linken Seite.

Am 17.07.2007 operierte der Beklagte zu 2. in derselben Technik die linke Seite. Wegen der Einzelheiten wird auf den in Kopie zu den Akten gereichten Operationsbericht vom 17.07.2007 Bezug genommen.

Auch nach Beendigung der ambulanten Behandlung in der Praxis des Beklagten zu 2. am 20.08.2007 litt der Kläger unter Schmerzen mit Schwellneigung insbesondere in der rechten Leiste.

Nach einer zwischenzeitlichen Kernspintomographie vom 06.03.2008, die keinen auffälligen Befund ergab, erfolgte am 28.05.2008 im Haus der Beklagten zu 1. u.a. eine klinische Untersuchung durch den Zeugen Prof. Dr. C, der dem Kläger sodann eine Revisionsoperation der rechten Leiste empfahl. Mit Datum desselben Tages unterzeichnete der Kläger einen proCompliance- Aufklärungsbogen "Leistenbruchoperation in minimalinvasiver Technik rechts" (KU II 33 f.).

Am 10.06.2008 führte der Zeuge Prof. Dr. C die Operation in offener Technik unter stationären Bedingungen durch. Wegen der Einzelheiten wird auf den in den Originalbehandlungsunterlagen befindlichen Operationsbericht vom 10.06.2008 (KU 30) Bezug genommen.

Nachdem der Kläger ausweislich des Arztbriefes am 13.06.2008 beschwerdefrei aus der stationären Behandlung im Haus der Beklagten zu 1. entlassen worden war, diagnostizierte der Hausarzt bei der Vorstellung am 16.06.2008 eine deutliche Schwellung der rechten Leiste und eine erhöhte Körpertemperatur. Eine Vorstellung in der urologischen Praxis Dres. O pp. ergab den Verdacht auf eine Hodenathropie rechts und führte zur Einleitung einer konservativen Behandlung. Dennoch bestanden Druckgefühl und Schmerzen im rechten Leistenbereich fort. Am 09.06.2009 schließlich führte der Chirurg Dr. P unter der Diagnose "Hodenathropie in Folge mehrfacher Leistenbruchoperationen rechts und Ilioinguinalissyndrom" die Orchiektomie sowie die Resektion des Nervus Ilioinguinalis durch.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Behandlung durch den Beklagten zu 2. sowie im Haus der Beklagten zu 1.sei fehlerhaft erfolgt. So habe die Einnähung des Netzes durch den Beklagten zu 2. zu einer Entzündung geführt. Der Zeuge Prof. Dr. C habe im Zuge der Operation vom 10.06.2008 einen Nervenstrang eingeklemmt. Auch der Verlust des Hodens sei Folge dieser fehlerhaften Behandlungen. Zudem sei den Beklagten zu 1. und 2. eine unzureichende Risikoaufklärung anzulasten. Eine Aufklärung über alternative Behandlungsmethoden sei gänzlich unterblieben. Der Kläger macht geltend, dass er über zwei Jahre an erheblichen Beschwerden gelitten habe. Dies sowie der Umstand, dass er mittlerweile einen Hoden verloren habe und noch mit weiteren Behandlungen zu rechnen sei, rechtfertige ein Schmerzensgeld von 30.000,00 €.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger angemessenes Schmerzensgeld, dessen Festsetzung der Höhe nach in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche aus der fehlerhaften Behandlung resultierenden weiteren materiellen Schäden für die Vergangenheit und die Zukunft sowie die nicht vorhersehbaren immateriellen Zukunftsschäden zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger die nach dem RVG konsumierten außergerichtlichen Kosten des Klägers beim Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.170,56 € im Wege der Nebenforderung zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben geltend gemacht, die Operationen seien indiziert gewesen und behandlungsfehlerfrei durchgeführt worden. Die später eingetretene Hodenathropie beruhe auf einem schicksalhaften Verlauf, nicht auf einer fehlerhaften Behandlung. Darüber hinaus sei der Kläger am 30.05.2007 uns 28.05.2008 vollumfänglich über die Eingriffe und die damit verbundenen Risiken aufgeklärt worden.

Wegen des weitergehenden erstinstanzlichen Sachvortrags wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung des Zeugen Prof. Dr. C und Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. F nebst mündlicher Erläuterung abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Operationen vom 21.06. 2007 und 10.06.2008 seien indiziert gewesen und fachgerecht durchgeführt worden. Dass bei letzterer Operation bereits eine Hodenathropie vorgelegen habe, sei nicht nachweisbar. Weitere Diagnostik zum Zustand des Hodens sei bei dieser Operation ebenso wenig wie bei dem anschließenden stationären Aufenthalt geboten gewesen. Darüber hinaus sei die Kammer nach Anhörung des Beklagten zu 1. und Vernehmung des Zeugen Prof. Dr. C überzeugt, dass jeweils eine zutreffende und inhaltlich ausreichende Risikoaufklärung über die geplanten Eingriffe erfolgt sei.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers. Hinsichtlich des Beklagten zu 2. macht er geltend, dass die von ihm für den Eingriff vom 21.06.2007 gewählte offene Operationstechnik behandlungsfehlerhaft gewesen sei. Zudem liege eine Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten zu 2. vor der Operation vom 21.06.2007 darin, dass er nicht über die Behandlungsalternative des minimalinvasiven Vorgehens aufgeklärt habe. Neben der Minimierung der Risiken hätte, so macht der Kläger geltend, damit die Möglichkeit bestanden, den beidseitigen Leistenbruch mit einem Zugang zu operieren. Auf diese Weise hätte es nur einer Operation bedurft. Die Nervschädigung und die Hodenathropie wären nicht eingetreten. Hinsichtlich der Beklagten zu 1. macht der Kläger geltend, dass ein Befunderhebungsfehler vorliege, da im Vorfeld der Operation vom 10.06.2008 lediglich unklare Leistenschmerzen vorgelegen hätten, die mit weiterer Befunderhebung hätten lokalisiert werden können und zur Vermeidung der Operation geführt hätten. Dazu behauptet er, dass das mit weiterer Befunderhebung auffindbare Ilioinguinalis-Syndrom mit konservativer Infiltrationstherapie oder einer kleineren Operation hätte behandelt werden können. Eine Indikation für die Revisionsoperation habe es mangels eines Rezidivs nicht gegeben. Darüber hinaus seien intra- und postoperative Kontrollpflichten im Hinblick auf erhöhtes Risiko einer Hodenschädigung verletzt worden. So habe es der Kontrolle der Blutzufuhr durch eine Doppleruntersuchung bedurft, aus der die Unterbindung der Blutzufuhr durch eine intraoperative Verletzung oder ein postoperatives Hämatom erkennbar geworden wäre. Schließlich rügt der Kläger eine Aufklärungspflichtverletzung durch den Zeugen Prof. C vor Operation vom 10.06.2008, da sich der Aufklärungsbogen auf einen minimalinvasiven Eingriff beziehe, obwohl - unstreitig - in offener Technik operiert worden sei. Daher habe der Kläger keinen ausreichenden Eindruck über die beim offenen Verfahren größeren Risiken gewinnen können.

Nicht mehr mit der Berufung weiterverfolgt wird betreffend den Beklagten zu 2. der Vorwurf, dass es eine Operationsindikation "beidseitiger Leistenbruch" betreffend die Operationen vom 21.06. und 17.07.2007 nicht gegeben habe, eine präoperative Voruntersuchung hinsichtlich des verwendeten Netzes erforderlich gewesen und die Operation vom 21.06.2007 als solche nebst medizinischer Nachsorge in Gestalt der Infiltrationstherapie nicht fachgerecht durchgeführt worden sei. Zudem wendet die Berufung sich nicht gegen die Feststellungen des Landgerichts, nach denen durch den Beklagten zu 2. eine hinreichende Risikoaufklärung betreffend die Operationen vom 21.06.2007 und 17.07.2007 erfolgt ist bzw. bei Unterstellen einer etwaig defizitärer Risikoaufklärung jedenfalls die Grundsätze der hypothetischen Einwilligung greifen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 14.02.2013 (Az: 4 O 23/10),

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger angemessenes Schmerzensgeld, dessen Festsetzung der Höhe nach in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche aus der fehlerhaften Behandlung resultierenden weiteren materiellen Schäden für die Vergangenheit und die Zukunft sowie die nicht vorhersehbaren immateriellen Zukunftsschäden zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger die nach dem RVG konsumierten außergerichtlichen Kosten des Klägers beim Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.170,56 € im Wege der Nebenforderung zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholen und vertiefen im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Der Beklagte zu 2. macht ferner geltend, dass die endoskopische Verfahrensweise mangels unterschiedlicher Risiken und Erfolgschancen keine echte aufklärungspflichtige Behandlungsalternative dargestellt habe. Ungeachtet dessen kläre der Beklagte zu 2., der alle denkbaren Operationsverfahren beherrsche, stets über sämtliche in Betracht kommende Operationsverfahren auf. Im Ergebnis habe er dem Kläger zu der für ihn in der konkreten Situation optimalen Operationsweise der offenen Technik geraten.

Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch mündliche Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. F. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin am 04.06.2014 Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Dem Kläger stehen gegen die Beklagten aus den streitgegenständlichen Behandlungen weder vertragliche Schadensersatzansprüche nach §§ 280 Ab. 1, 611 BGB noch deliktische Haftungsansprüche gemäß §§ 823 ff. BGB zu.

I.

Die gegen den Beklagten zu 2. im Zusammenhang mit den Operationen vom 21.06.2007 und 17.07.2007 erhobenen Vorwürfe greifen nicht durch.

1.

Ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen des Beklagten zu 2. hat der Kläger nicht beweisen können. Soweit er mit der Berufung diesbezüglich nur noch geltend macht, die angewendete Methode der offenen Operationstechnik (mit Netz) sei fehlerhaft gewählt, greift der Einwand nicht durch. Der Sachverständige hat bereits in seinem schriftlichen Gutachten, in der Erläuterung desselben vor dem Landgericht und erneut im Senatstermin bestätigt, dass das vom Beklagten zu 2. in der sogenannten Lichtenstein-Technik angewendete Verfahren der offenen Operation mit Netzimplantation bereits in 2007 und auch noch aktuell als etablierte Methode für die Versorgung eines Leistenbruch gilt. Diese Methode durfte nach der zweifelsfreien Bewertung des Sachverständigen auch unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten des Klägers bei den Operationen vom 21.06.2007 und 17.07.2007 zur Anwendung kommen. Ebenso durfte der Beklagte zu 2. dem Kläger diese Methode als die aus seiner Sicht am besten geeignete Operationstechnik empfehlen.

2.

Die in II. Instanz nur noch auf den Vorwurf der fehlenden Aufklärung über die Behandlungsalternative einer endoskopischen Vorgehensweise gestützte Aufklärungsrüge greift ebenfalls nicht durch. Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass seine Einwilligung in die Operationen von 21.06.2007 und 17.07.2007 mangels Aufklärung über ein endoskopisches Vorgehen als alternative Operationsmethode nicht wirksam zustande gekommen ist. Zwar gehört zum Aufklärungsumfang neben der hier mit der Berufung nicht mehr in Zweifel gezogenen vollständigen Aufklärung über die mit dem Eingriff verbundenen Belastungen und Risiken auch, dass der Arzt dem Patienten Kenntnis von Behandlungsalternativen verschaffen muss, wenn gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten begründen. Denn auch wenn die Wahl der Behandlungsmethode grundsätzlich primär Sache des Arztes ist, erfordert die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten eine Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils wesentlich unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten. (vgl. BGHZ 102, 17, 22; BGH NJW 2005, 1718; BGH NJW 2006, 2477, 2478 jeweils m.w.N.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 10. Aufl., Rn. 381; Laufs in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl., § 60 Rn. 4; vgl. auch § 630 e Abs. 1 BGB). Eine echte aufklärungspflichtige Behandlungsalternative mit wesentlich unterschiedlichen Belastungen oder unterschiedlichen Risiken oder Erfolgschancen lag im konkreten Fall des Klägers allerdings nicht vor. Vielmehr hat der Sachverständige im Senatstermin eingehend und mehrfach erläutert, dass die einzelnen Risiken je nach individuellen Gegebenheiten des Patienten zwar unterschiedlich groß sein können. Betont hat er aber, dass sich bei Zusammenfassen der Gesamtheit der Risiken hier für den Kläger keine wesentlichen Unterschiede zwischen der offenen und der endoskopischen Methode ergeben, sondern etwaig etwas unterschiedliche Gewichtungen einzelner Komplikationen, die sich aus den unterschiedlichen Zugängen ergeben, weitgehend nivelliert sind. Hervorgehoben hat er, dass ein wesentlicher Unterschied auch nicht hinsichtlich der für einen Patienten maßgeblichen Rezidivrate besteht. Bei genauer Betrachtung liegt in dieser Bewertung des Sachverständigen auch kein Widerspruch zu den Ausführungen in der Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 15.07.2010 - 12 U 232/09 (ablehnend Martis/Winkhart-Martis, MDR 2013, 759 ff. (760)), das - gestützt auf den dort beauftragten Sachverständigen - bei der Leistenbruchoperation eine Aufklärungspflicht über die verschiedenen Operationsmöglichkeiten mit der Begründung angenommen hat, dass es sich um "unterschiedliche Standardmethoden handele, die im Hinblick auf die Möglichkeit des Auftretens eines Rezidivs sowie die auftretenden speziellen Risiken unterschiedlich seien". Abgesehen davon, dass diese Ausführungen offenbar nicht entscheidungsrelevant waren, sondern das Oberlandesgericht Brandenburg wegen verspäteter und unter Medikamenteneinfluss des Patienten erfolgter Aufklärung davon ausging, dass keine wirksame Einwilligung in den konkret durchgeführten (minimalinvasiven) Eingriff vorgelegen habe, führt nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen nicht allein das Vorhandensein jedweden und gegebenenfalls nur marginalen Unterschieds bei Chancen, Risiken und Belastungen einzelner Operationsmethoden zu einer Aufklärungspflicht über sämtliche in Betracht kommende Methoden. Dieses würde den Grundsatz, dass die Methodenwahl grundsätzlich Sache des Arztes ist, faktisch aushöhlen. Maßgeblich für das Vorhandensein aufklärungspflichtiger Behandlungsalternativen ist vielmehr - wie es auch in § 630 e Abs. 1 BGB formuliert ist - das Bestehen "wesentlicher" Unterschiede. Hierauf hat der hiesige Sachverständige Prof. Dr. F bei seiner Bewertung korrekt und explizit abgestellt und danach jedenfalls im konkreten Fall des Klägers solche wesentlichen Unterschiede betreffend Chancen und Risiken der offenen Operationsmethode gegenüber dem endoskopischen Vorgehen nicht bestätigen können. Die diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen stehen auch nicht etwa in Widerspruch zu seiner bereits im schriftlichen Gutachten enthaltenen und im Senatstermin wiederholten Anmerkung, dass er eine Aufklärung des Patienten über die endoskopische Methode der Vollständigkeit halber für wünschenswert halte und selbst auch durchführen würde. Denn dies wertet er ausdrücklich nicht als medizinische Pflicht, um die Entscheidungsbefugnis für die Wahl einer Methode dem Patienten zu überlassen, sondern mehr als Vervollständigung von Informationen für den Patienten. Dies wird besonders dadurch deutlich, dass der Sachverständige zugleich unmissverständlich erklärt hat, dass er es selbst bei vorhandenen Behandlungsalternativen nicht für geboten hält, dem Patienten nach Aufklärung über die verschiedenen Alternativen die Entscheidungsbefugnis über das anzuwendende Verfahren zu überlassen. Gegebenenfalls habe der Operateur einen Wunsch des Patienten abzulehnen.

Kann aufgrund vorstehender Ausführungen dahinstehen, ob der Beklagte zu 2. den Kläger vor der ersten Operation vom 21.06.2007 über die in dem Aufklärungsbogen erwähnten offenen Techniken der Leistenbruchoperation hinausgehend auch über die endoskopische/minimalinvasive Methode aufgeklärt hat, bedurfte es nicht der Vernehmung der seitens des Beklagten zu 2. benannten Zeugen. Dementsprechend bedarf auch der Einwand der hypothetischen Einwilligung keiner Vertiefung.

II.

Auch die gegen die Beklagte zu 1. betreffend die Operation vom 10.06.2008 und die stationäre Behandlung des Klägers im Haus der Beklagten zu 1. mit der Berufung weiter verfolgten Vorwürfe greifen nicht durch.

1.

Behandlungsfehler im Zusammenhang mit diesem Geschehen hat der Kläger nicht beweisen können.

a)

Soweit er mit der Berufung geltend gemacht hat, die Revisionsoperation sei mangels nicht vorhandenem Rezidiv nicht indiziert gewesen, sondern die tatsächliche Ursache eines Ilioinguinalis-Syndroms hätte mit weiterer Befunderhebung herausgefunden werden können, hat der Sachverständige diesen Vorwurf plausibel entkräftet. So hat er unter Verweis auf die Vorgaben der Fachgesellschaften darauf verwiesen, dass die auch im Fall des Klägers mit der Fragestellung "Rezidiv oder Ilioninguinalis" getroffene Entscheidung zur Operation vor dem Hintergrund des Ergebnisses der klinischen Untersuchung des Klägers zu Recht erfolgt ist. Das Bestehen der Indikation hat der Sachverständige als zweifelsfrei bewertet. Dies hat er damit untermauert, dass die präoperative Ungewissheit über die tatsächliche Irritation durch weitere Bildgebung nicht sicher hätte ausgeräumt werden können, da diese nicht zwingend aussagefähig ist. Die Operation war daher die geeignete und notwendige Methode, um Klarheit über die Ursache der fortdauernden Beschwerden des Klägers zu erlangen.

b)

Hinsichtlich der Hodenathropie, bezüglich derer der Sachverständige bereits in I. Instanz ausführlich und insoweit von der Berufung nicht angegriffen dargelegt hat, dass nicht zu klären sei, ob diese zum Zeitpunkt der Revisionsoperation bestanden habe oder erst nach der Operation eingetreten sei, hat der Sachverständige im Senatstermin klargestellt, dass im konkreten Fall weder präoperativ noch intraoperativ oder postoperativ Anlass bestanden habe, eine Diagnostik hinsichtlich der Durchblutungssituation des Hodens zu betreiben. Eine intraoperative Diagnostik sehen die Fachgesellschaften ohnehin nicht vor. Eine postoperative Kontrolle und damit auch die vom Kläger geforderte Doppleruntersuchung war mangels Anzeichen für eine Läsion nicht geboten. Zudem hat der Sachverständige klargestellt, dass angesichts des meist chronischen Verlaufs mit einem nur allmählichen Abbinden der Blutzufuhr eine solche postoperative Untersuchung kaum einen auffälligen Befund gezeigt hätte.

2.

Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz zunächst die Aufklärungsrüge mit dem Argument weiter verfolgt hat, er sei über die fehlende Indikation der Revisionsoperation nicht aufgeklärt worden, hat er im Senatstermin klargestellt, dass er diesbezüglich die fehlende Indikation rügen wolle. Hierzu verhalten sich vorstehende Ausführungen unter 1. a). Ferner hat der Kläger im Senatstermin klargestellt, dass auch dem in der Berufungsschrift enthaltenen Vorwurf, der Kläger sei ausweislich des Aufklärungsbogens vom 28.05.2008 entgegen der tatsächlicham 10.06.2008 erfolgten offenen Operation über einen minimalinvasiven Eingriff aufgeklärt worden, nicht weiter nachzugehen ist. Der Kläger hat dazu ausdrücklich erklärt, dass ihm klar gewesen sei, dass die Operation vom 10.06.2008 als offener Eingriff in stationärer Behandlung durchgeführt werden sollte; von einem minimalinvasiven Eingriff sei nie die Rede gewesen. Zudem hat er eingeräumt, ausdrücklich über das auch handschriftlich in dem Aufklärungsformular eingetragene Risiko der Hodenschädigung aufgeklärt worden zu sein. Damit ist dem Aufklärungserfordernis, wie es der Sachverständige für die Revisionsoperation beschrieben hat, genüge getan worden.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

D.

Die Revision war nicht zuzulassen. Der Rechtssache, bei der es sich um eine nach den Umständen des konkreten Falles zu treffende Einzelfallentscheidung handelt, kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts wegen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 543 Abs. 2 ZPO.

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