LG Dortmund, Urteil vom 24.06.2016 - 3 O 430/15
Fundstelle
openJur 2019, 14478
  • Rkr:
Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von bis zu 9.000,00 € trägt der Kläger.

3.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger verlangt mit der vorliegenden Klage die Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrages nach erklärtem Widerruf.

Er schloss mit der W I eG, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, am 07.07.2006 einen Darlehensvertrag zur Darlehensnummer ... über einen Nettodarlehensbetrag von 10.750,00 € zuzüglich eines Beitrages in Höhe von 796,80 € für eine Restkreditversicherung und eines dreiprozentigen einmaligen laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelts in Höhe von 346,40 € bei einem anfänglichen effektiven Jahreszins von 11,39 % (Anlage K1 = Bl. 12-16 d.A.).

Der Darlehensvertrag enthielt in separater Anlage die nachfolgende "Widerrufsbelehrung für Verbraucherdarlehensverträge" (Anlage K2 = Bl. 17 d.A.):

An dieser Stelle befindet sich eine Widerrufsbelehrung.

Dem Kläger wurden der von beiden Parteien am 07.07.2006 unterzeichnete Darlehensvertrag sowie die von ihm am selben Tag unterzeichnete Widerrufsbelehrung zusammen ausgehändigt.

In der Folge wurde das Darlehen vertragsgemäß durch die Parteien abgewickelt und per 30.06.2010 vom Kläger getilgt.

Mit eigenem Schreiben vom 17.06.2015 (Anlage K3 = Bl. 18 d.A.) und nachfolgend mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 08.07.2015 (Anlage K4 = Bl. 19-22 d.A.) erklärte der Kläger den Widerruf des Darlehensvertrages, den die Beklagte mit Schreiben vom 20.07.2015 (Anlage K5 = Bl. 23 f. d.A.) zurückwies. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.06.2016 widerrief der Kläger außerdem die auf Abschluss des Restkreditversicherungsvertrages zum Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer ... (Anlage K1) gerichteten Willenserklärungen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspräche, weshalb der Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 8.714,54 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 21.07.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 928,80 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass der Widerruf des Klägers verfristet sei. Ferner hält die Beklagte das Widerrufsrecht für verwirkt und wendet überdies eine unzulässige Rechtsausübung bzw. Rechtsmissbrauch ein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Nutzungsersatz nach erklärtem Widerruf des Verbraucherdarlehensvertrages zu.

Der streitgegenständliche Darlehensvertrag vom 07.07.2006 hat sich nicht infolge des mit Schreiben des Klägers vom 17.06.2015 erklärten Widerrufs in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt.

Zwar stand dem Kläger im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrages ein Widerrufsrecht nach Maßgabe der §§ 495, 355 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 2 S. 1 u. S. 3 BGB a.F. zu. Der Widerruf aus dem Jahr 2015 entfaltet allerdings keine Wirkung, da die Frist des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. im Zeitpunkt der Widerrufserklärung längst abgelaufen war.

Die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten in dem Darlehensvertrag verwendete Widerrufsbelehrung genügt in ihrer optischen und inhaltlichen Gestaltung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB i.d.F. vom 08.12.2004 bis 10.06.2010, so dass es für die Entscheidung dieses Rechtsstreits nicht darauf ankam, ob das von der Beklagten verwendete Formular dem damaligen Muster (Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 u. Abs. 3 BGB-InfoV i.d.F. vom 08.12.2004 bis 31.03.2008) sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entsprach (vgl. statt vieler: BGH, Beschl. v. 10.02.2015 - II ZR 163/14 - BeckRS 2015, 07952, Rn. 8 m.w.N.).

Die vom Kläger eingewandten Bedenken inhaltlicher Art - optische Gestaltungsverstöße werden nicht gerügt - lassen die Belehrung nicht falsch erscheinen. Im Einzelnen:

a.

Im Hinblick auf den Beginn des Laufs der zweiwöchigen Widerrufsfrist ist die Belehrung entgegen der Ansicht des Klägers nicht fehlerhaft. Insoweit erweist sie sich vielmehr als umfassend, unmissverständlich und auch aus Verbrauchersicht eindeutig. Der Bundesgerichtshof hat zwar in dem vom Kläger angeführten Grundsatzurteil vom 10.03.2009 (Az.: XI ZR 33/08; NJW 2009, 3572) entschieden, dass jedenfalls dann, wenn der Darlehensnehmer nicht nur den mit einer Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensvertrag erhalten, sondern ihm zuvor bereits ein Darlehensangebot der Darlehensgeberin übermittelt worden ist, das seinerseits ebenfalls von einer Widerrufsbelehrung mit ähnlichem Wortlaut wie dem hier vorliegenden begleitet war, die Widerrufsbelehrung das unrichtige Verständnis nahelegen könne, die Widerrufsfrist beginne bereits einen Tag nach Zugang des Darlehensangebots der Darlehensgeberin. Es könne also aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden, auf den abzustellen sei, der Eindruck entstehen, die Widerrufsfrist beginne bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenen Vertragsangebots der Bank (vgl. BGH, a.a.O., S. 3573, Rn. 16). Der hier vorliegende Fall ist jedoch mit dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nicht ohne Weiteres vergleichbar. Nach dem unbestritten gebliebenen Sachvortrag der Beklagten konnte nämlich eine derartige Fehlvorstellung beim Kläger nicht aufkommen. Dieser schloss den streitgegenständlichen Darlehensvertrag am 07.07.2006 ab und erhielt im Präsenzgeschäft mit der Widerrufsbelehrung sogleich die unterzeichnete Vertragsurkunde. Aus seiner Sicht konnte es damit für den Beginn des Laufs der Frist nur auf den Tag des Vertragsschlusses ankommen. Deshalb liegen hier aufgrund der Vertragsumstände keinerlei Anhaltspunkte für einen möglichen Irrtum des Klägers bezüglich des Beginns der Widerrufsfrist vor. Kann aber festgestellt werden, dass der Verbraucherschutz in der konkreten Situation gewahrt ist, weil der mögliche abstrakte Irrtum in der konkreten Situation gar nicht aufkommen kann, ist ein unendliches Widerrufsrecht nicht gerechtfertigt. Zum Schutz des Verbrauchers soll der Darlehensgeber diesen über den Fristbeginn zutreffend belehren, damit er in die Lage versetzt wird, sein Widerrufsrecht auszuüben. Ist er dazu unter den konkreten Umständen des Einzelfalls ohne weiteres in der Lage, ist es aus Verbraucherschutzgesichtspunkten nicht geboten, dem Darlehensnehmer das Widerrufsrecht über die gesetzlich vorgesehene Frist von zwei Wochen hinaus zu erhalten (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.01.2016 - 7 U 21/15 - BeckRS 2016, 07204, Rn. 52-54; Urt. v. 27.02.2015 - 17 U 125/14 - BeckRS 2015, 09749, Rn. 6; OLG Köln, Urt. v. 24.02.2016 - 13 U 84/15 - BeckRS 2016, 06173; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 01.06.2015 - 17 U 204/14 - n.v.; LG Bonn, Urt. v. 28.09.2015 - 17 O 14/15 - BeckRS 2015, 18498; LG Münster, Urt. v. 28.01.2016 - 014 O 334/15 - BeckRS 2016, 04840; LG Arnsberg, Urt. v. 22.04.2016 - 2 O 167/15 - BeckRS 2016, 09308).

b.

Soweit der Kläger meint, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten durch den Abschnitt "Finanzierte Geschäfte" einen überflüssigen und den Verbraucher verwirrenden Bestandteil in die Widerrufsbelehrung aufgenommen habe, dringt er damit nicht durch.

Denn der Hinweis auf die Rechtsfolgen des Widerrufs für den mit dem Darlehensvertrag verbundenen Restkreditversicherungsvertrag war nach § 358 Abs. 5 a.F. BGB vom Gesetz gefordert und entsprach auch (dazu näher nachfolgend unter c.) dem Gestaltungshinweis [9] der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 u. 3 BGB-InfoV i.d.F. vom 08.12.2004 bis 31.03.2008). Der Darlehens- und der Restkreditversicherungsvertrag sind verbundene Verträge im Sinne des § 358 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2009 - XI ZR 45/09 - BKR 2010, 193, 195, Rn. 17 ff.). Der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Kläger erklärte Widerruf - auch - des Restkreditversicherungsvertrages ist damit unbehelflich.

c.

Die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung ist auch nicht deswegen fehlerhaft, weil sie unter der Überschrift "Finanzierte Geschäfte" eine "Sammelbelehrung" für verschiedene Arten von finanzierten Geschäften enthält und entgegen den Gestaltungshinweisen der Musterwiderrufsbelehrung der allgemein formulierte Satz 2 des Musters nicht durch die für den finanzierten Erwerb eines Grundstücks bestimmten Hinweise ersetzt, sondern ergänzt wurde. Auch insoweit wurde der Kläger weder verwirrt noch fehlerhaft über ihre wesentlichen Rechte und Pflichten belehrt. Es darf nämlich vorausgesetzt werden, dass der durchschnittliche Verbraucher weiß und danach unterscheiden kann, ob er ein Grundstück oder eine bewegliche Sache finanziert hat. Der Kläger konnte daher dem Text der Widerrufsbelehrung hinreichend deutlich entnehmen, dass der jeweils letzte Abschnitt der Belehrung für ihn keine Relevanz hat und unter welchen Voraussetzungen beim finanzierten Erwerb eines Grundstücks eine wirtschaftliche Einheit mit den sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen anzunehmen ist. Außerdem konnte er erkennen, dass die Belehrung insoweit nur die Frage betrifft, ob der Widerruf des Darlehensvertrages auch Konsequenzen für den finanzierten Vertrag hat. Dass der allgemein formulierte Satz 2 entgegen den Gestaltungshinweisen der Musterwiderrufsbelehrung nicht durch die Hinweise für den Erwerb eines finanzierten Grundstücks ersetzt, sondern ergänzt wurde, ist für das Verständnis der Widerrufsbelehrung unschädlich, weil der durchschnittliche Verbraucher durch die sprachliche Gestaltung ("Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes (...) ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, (...)") hinreichend klar darüber ins Bild gesetzt wird, welche besonderen Voraussetzungen für die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit bei dem finanzierten Erwerb eines Grundstücks im Unterschied zu anderen finanzierten Geschäften vorliegen müssen. Durch die - sprachlich verständliche und inhaltlich zutreffende Belehrung - über die Rechtsfolgen bei verbundenen Geschäften wurde das Verständnis der Kläger vom Bestehen und den Voraussetzungen ihres Widerrufsrechts auch nicht unzumutbar erschwert (so auch zur gleichlautenden "Sammelbelehrung" unter der Überschrift "Finanzierte Geschäfte": Urt. dieser Kammer v. 27.11.2015 - 3 O 68/15 - BeckRS 2015, 20956; Urt. dieser Kammer v. 22.01.2016 - 3 O 158/15 - BeckRS 2016, 03847; ferner: OLG München, Vfg. v. 30.04.2015 - 19 U 4833/14 - zit. nach juris, Rn. 14; Beschl. v. 20.04.2015 - 17 U 709/15 - zit. nach juris, Rn. 3; Beschl. v. 21.05.2015 - 17 U 709/15 - zit. nach juris, Rn. 5; LG Paderborn, Urt. v. 06.04.2016 - 4 O 416/15 - BeckRS 2016, 09706; LG Heidelberg, Urt. v. 21.04.2015 - 2 O 284/14 - BKR 2015, 417, 420; Urt. v. 13.01.2015 - 2 O 230/14 - NJW 2015, 1462, 1463 f., Rn. 25).

d.

Da der vom Kläger im Jahre 2015 erklärte Widerruf nicht innerhalb der Widerrufsfrist erfolgt ist, kam es für die Entscheidung dieses Rechtsstreits auf Fragen der Verwirkung und/oder des Rechtsmissbrauchs nicht an.

2.

Der Klageantrag auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist damit, da er dem Schicksal des Hauptantrages zu Ziff. 1. folgt, ebenfalls unbegründet.

II.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO festgesetzt.

III.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.