LG Dortmund, Urteil vom 26.02.2016 - 3 O 250/15
Fundstelle
openJur 2019, 14412
  • Rkr:
Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 22.000,00 € trägt die Klägerin.

3.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen Prospektfehlern und der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Beitritt der Klägerin vom 11.10.2005 zu dem Schiffsfonds E2 Nr. ...# E3 und E GmbH & Co. B KG (im Folgenden: Fondsgesellschaft).

Die Klägerin begehrt Rückzahlung ihrer geleisteten Kommanditeinlage in Höhe von 40.000,00 € zuzüglich 5 % Agio (= 2.000,00 €) abzüglich unstreitig „von dritter Seite“ gezahlter 20.000,00 € (S. 10 der Klageschrift). Die an sie am 07.12. und 27.12.2006 geflossenen Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 4.160,00 € zahlte die Klägerin in voller Höhe an die Beklagte zurück. Bei der Beklagten handelt es sich um die Gründungsgesellschafterin und Prospektherausgeberin. Der streitgegenständliche, am 26.08.2005 herausgegebene Emissionsprospekt (Anlage K1) lag der Klägerin zum Zeitpunkt der Zeichnung unstreitig rechtzeitig vor.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Emissionsprospekt enthalte die nachfolgend dargestellten Prospektfehler:

(1)              kein Hinweis auf Haftungsrisiko gemäß den §§ 30, 31 GmbHG,

(2)              keine Aufklärung über Wiederaufleben der Haftung nach § 172 HGB,

(3)              kein Hinweis auf fehlende Fungibilität der Beteiligung.

Sie behauptet ferner, dass sie bei ordnungsgemäßer Aufklärung dem Fonds nicht beigetreten wäre.

Die Klägerin beantragt:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 22.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 1,5 % p.a. vom 11.10.2005 bis Rechtshängigkeit sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte aus ihrer Beteiligung an der „E2 Nr. ...# E3 und E GmbH & Co. B KG“ in Höhe von nominal 40.000,00 €.

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Annahme der Abtretung zu Ziffer 1 in Verzug ist.

3.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen wirtschaftlichen Nachteilen, insbesondere auch von einer etwaigen Pflicht zur Rückzahlung von Ausschüttungen und steuerlichen Nachforderungen, freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der in Ziff. 1 genannten Gesellschaft resultieren und die ohne Zeichnung nicht eingetreten wären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Emissionsprospekt sei fehlerfrei. Eine etwaige Aufklärungspflichtverletzung sei zudem für die Anlageentscheidung der Klägerin nicht kausal gewesen. Die Beklagte erhebt schließlich die Einrede der Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte aus keinem Rechtsgrund zu.

1.

Gegen die Beklagte scheiden Schadensersatzansprüche gemäß §§ 311 Abs. 2, 3, 241 Abs. 2 BGB wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) aus uneigentlicher Prospekthaftung aus, weil das Gericht eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten nicht feststellen kann.

Die Beklagte gehört als Gründungsgesellschafterin zunächst zu dem Personenkreis, der nach den Grundsätzen der uneigentlichen Prospekthaftung bei einem Aufklärungsmangel haftet. Die aus dem Aspekt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (c.i.c.) abgeleitete Prospekthaftung im weiteren Sinne zielt auf eine Haftung der Gründungsgesellschafter – namentlich der Gründungskommanditisten und der Treuhandkommanditisten – einer Publikumskommanditgesellschaft (BGH, Urt. v. 06.10.1980 – II ZR 60/80 Rn. 15 ff.; BGH, Urt. v. 29.05.2008 – III ZR 59/07 Rn. 7 ff.; BGH, Urt. v. 12.02.2009 – III ZR 90/08 Rn. 8 ff.; OLG Hamm, Urt. v. 05.03.2012 – I-8 U 256/11 Rn. 36 ff.). Grundlage ist, dass die Gründungsgesellschafter wegen eines regelmäßigen Wissensvorsprungs gegenüber den Anlegern eine Aufklärungspflicht trifft (OLG Hamm, Urt. v. 08.09.2008 – 8 U 161/07 Rn. 198). Neben einer vollständigen Aufklärung in Bezug auf alle anlagerelevanten Umstände müssen insbesondere unrichtige Prospektangaben richtiggestellt werden (BGH, Urt. v. 29.05.2008 – III ZR 59/07; BGH, Urt. v. 12.02.2009 – III ZR 90/08).

Nach diesen Grundsätzen sind die Verantwortlichen im Sinne der uneigentlichen Prospekthaftung verpflichtet, über alle wesentlichen Gesichtspunkte aufzuklären, die für die Entscheidung des Interessenten von Bedeutung sind. Sie kommen ihr regelmäßig dadurch nach, dass dem Interessenten rechtzeitig ein vollständiger und richtiger Prospekt übergeben wird (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2013, III ZR 404/12; BGH, Urt. v. 11.05.2006 – III ZR 205/05; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Auf. 2015, § 311 Rn. 70).

Der der Klägerin rechtzeitig vor der Zeichnung übermittelte Prospekt vom 26.08.2005 ist richtig und vollständig (vgl. Urteile dieser Kammer vom 03.07.2015 – 3 O 431/13 –; vom 14.08.2015 – 3 O 482/13BeckRS 2015, 15092; vom 08.01.2016 – 3 O 486/14 – und vom 15.01.2016 – 3 O 46/14 –). Die folgenden, von der Klägerin reklamierten Prospektfehler sind nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht feststellbar:

(1)              kein Hinweis auf Haftungsrisiko gemäß den §§ 30, 31 GmbHG

Der Prospekt enthält ausdrückliche und unmissverständliche Hinweise zu der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB sowie der Einordnung der Ausschüttungen als Darlehen bzw. der Pflicht zur Rückzahlung der Ausschüttungen. Hinsichtlich des Wiederauflebens der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB oder nach §§ 30 und 31 GmbHG ist ein bloßer Hinweis auf die Kommanditistenhaftung ausreichend. Nicht notwendig ist hingegen eine darüberhinausgehende Erklärung der Regelung des § 172 Abs. 4 HGB oder der §§ 30 und 31 GmbHG in abstrakter Hinsicht (BGH, Beschluss vom 09.11.2009, II ZR 16/09 = WM 2009, 2387).

Bei dem streitgegenständlichen Emissionsprospekt stellt es sich auch so dar, dass das Wiederaufleben der Haftung ausdrücklich beschrieben wird. Dort heißt es (S. 39): „Sollte jedoch infolge von Auszahlungen (= Entnahmen) das Eigenkapitalkonto herabgesetzt werden, lebt gemäß § 172 HGB die Haftung in Höhe der Auszahlungen wieder auf. Die Auszahlungen werden nach den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag als Darlehen gegenüber dem Kommanditisten/Treugeber behandelt und können gegebenenfalls von der Gesellschaft im Bedarfsfall einer Liquiditätsenge zurückgefordert werden.“ Weitere Erläuterungen finden sich auf S. 57 und 80 f. des Prospekts. Auch die Ausführungen im Gesellschaftsvertrag unter § 4 Ziff. 5 (S. 110 des Prospekts) und § 11 Ziff. 5 (S. 120 des Prospekts) stellen einen integralen Bestandteil des Prospekts dar und dürfen bei der Einschätzung nicht vernachlässigt werden (OLG Hamm, Urt. v. 09.03.2011 – 8 U 132/10; OLG Hamm, Urt. v. 05.03.2012 – 8 U 256/11; OLG Hamm, Urt. v. 18.04.2012 – 8 U 233/11).

Darüber, dass die Auszahlungen gewinnunabhängig und als Darlehen erfolgen, wird in dem Prospekt ebenfalls mehrfach hingewiesen. Wie bereits dargelegt, heißt es auf S. 39 des Prospekts: „Die Auszahlungen werden nach den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag als Darlehen gegenüber dem Kommanditisten/Treugeber behandelt und können gegebenenfalls von der Gesellschaft im Bedarfsfall einer Liquiditätsenge zurückgefordert werden.“ Dazu, dass infolge der prospektierten Anlaufverluste das Kapitalkonto von Anfang an planmäßig unter den Betrag der Hafteinlage gemindert war mit der Folge, dass bis zu einer eventuellen Auffüllung durch zugeschriebene Gewinne jede Ausschüttung zum Wiederaufleben der Haftung führt, bedurfte es keiner weitergehenden Hinweise (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 15.05.2014 – 34 U 16/14 –; Hinweisbeschl. v. 30.04.2015 – 34 U 155/14BeckRS 2015, 14457, Rn. 69-73; Beschl. v. 06.08.2015 – 34 U 155/14BeckRS 2015, 14409, Rn. 4-6).

Mit einem gegen das gesetzliche Verbot des § 30 GmbHG verstoßenden und strafrechtlich relevanten Verhalten der Fondskomplementärin bzw. ihres Geschäftsführers muss nicht gerechnet und daraus resultierende Risiken nicht dargestellt werden. Anders als gewinnunabhängige Auszahlungen, die die Haftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB wiederaufleben lassen, kann ein Verstoß gegen § 30 GmbHG nicht zulässig im Gesellschaftsverhältnis vereinbart werden und ist hier auch nicht vereinbart worden (vgl. nur Weipert, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Auflage 2014, § 169 Rn. 18 ff. m.w.N.). Der Prospekt betont mehrfach, dass die prospektierten Ausschüttungen von der Liquidität der Gesellschaft abhängig sein sollten und gerade kein unbedingter, gegebenenfalls das Stammkapital der Komplementärin berührender Auszahlungsanspruch begründet werden sollte. Auf Risiken, die aus einem unzulässigen Verhalten drohen, muss nicht ohne konkreten Anlass hingewiesen werden (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 03.02.2015 – I-34 U 149/14 – zit. nach juris, Rn. 67). Das OLG Hamm hat damit der gegenteiligen, von der Klägerin auf S. 10 der Klageschrift zitierten Auffassung des LG München I (Urt. v. 19.12.2014 – 3 O 7105/14 – zit. nach juris) widersprochen (vgl. zum Ganzen auch: Grys, BB 2015, 1620).

(2)              keine Aufklärung über Wiederaufleben der Haftung nach § 172 HGB

Insoweit wird auf die vorstehend gemachten Ausführungen Bezug genommen.

(3)              kein Hinweis auf fehlende Fungibilität der Beteiligung

Der Emissionsprospekt weist deutlich auf die nur eingeschränkte Fungibilitätder Beteiligung hin. Bei einer nur eingeschränkten Fungibilität handelt es sich um einen grundsätzlich aufklärungsbedürftigen Umstand (BGH Urt. v. 18.01.2007, III ZR 44/06 = WM 2007, 542; BGH Urt. v. 12.07.2007, III ZR 83/06 = WM 2007, 1608).

Der Prospekt weist auf S. 39 hinreichend deutlich auf die nur eingeschränkte Fungibilität und das damit verbundene Risiko hin. Das Fungibilitätsrisiko wird transparent an markanter Stelle, in dem Kapitel „Risiken der Beteiligung“ unter „Fungibilität und Kündigung der Beteiligung“ erörtert:

„Ein Engagement im Seeschiffsbereich sollte immer unter langfristigen Aspekten erfolgen. Gleichwohl ist eine Übertragung oder der Verkauf einer Beteiligung mit Zustimmung der Komplementärin (…) grundsätzlich jederzeit möglich. Die Fungibilität von Fondsanteilen steigt mit dem Erfolg der Beteiligung. Jedoch sollten die Anleger berücksichtigen, dass ein vorzeitiger Verkauf der Beteiligung bei nicht planmäßiger Entwicklung und unter Berücksichtigung der bisherigen steuerlichen Ergebnisse nur mit Preisabschlägen auf den Nominalwert der Beteiligung oder unter Umständen überhaupt nicht zu realisieren ist. Wirtschaftlich sinnvoller und profitabler dürfte grundsätzlich das Warten auf den späteren Verkauf des Fondsobjektes sein.“

Eine weitergehende Aufklärungspflicht besteht insofern nicht (vgl. zum selben Fonds: Kammerurteil vom 14.08.2015 – 3 O 482/13BeckRS 2015, 15092).

Fragen zu Kausalität, Verschulden und Schaden können mangels Aufklärungspflichtverletzung dahinstehen.

2.

Ansprüche aus § 280 i.V.m. § 675 BGB sowie deliktische Ansprüche gegen die Beklagte scheiden nach den vorstehenden Ausführungen aus.

Eine gesetzliche Prospekthaftung nach dem zum Zeitpunkt der Zeichnungen maßgeblichen § 13 Abs. 1 VerkProspG entfällt, da es sich – wie bereits erörtert – um einen richtigen und vollständigen Prospekt handelt. Darüber hinaus sind die Ansprüche gemäß §§ 44, 45 BörsG a.F. mittlerweile verjährt. Denn seit Veröffentlichung des Prospektes sind mehr als drei Jahre vergangen.

3.

Da eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht festgestellt werden kann, sind auch die Feststellunganträge zu Ziff. 2. und 3. unbegründet.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf 22.000,00 € festgesetzt.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.