AG Bocholt, Urteil vom 29.08.2017 - 3 Ds-540 Js 100/16-581/16
Fundstelle
openJur 2019, 14047
  • Rkr:

Der Besitzer eines Computers hat mangels Funktionsherrschaft keinen Besitz an den im Browser-Cache gespeicherten Bildern.

Allein die Tatsache, dass kinderpornographische Bilder im Browser-Cache des Computers gespeichert sind lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass diese Bilder willentlich aufgerufen wurden.

Technisch gesehen ist eine solche Speicherung auch möglich, ohne dass der Angeklagte die Bilder überhaupt gesehen bzw. willentlich abgerufen hat.

Tenor

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Der am 23.01.1960 in Bocholt geborene Angeklagte ist nicht verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er hat den Hauptschulabschluss gemacht und danach eine Lehre als KFZ-Mechaniker. In diesem Beruf verdient er 1.600,00 €. Strafrechtlich ist er bislang nicht in Erscheinung getreten.

II.

Der Angeklagte war vorliegend aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, da ein Tatnachweis nicht möglich ist. Auch ein Angeklagter, dem der Tatvorwurf des Besitzes kinder- bzw. jugendpornographischer Schriften gemacht wird, hat Anspruch auf ein rechtstaatliches Verfahren. Hierzu gehört der Grundsatz, dass im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu entscheiden ist. Derartige Zweifel können nicht durch Verweise auf Kommentarstellen bzw. Gerichtsentscheidungen ausgeräumt werden, insbesondere, wie im Folgenden noch darzulegen sein wird, wenn diese aus dem Zusammenhang gerissen sind. Desgleichen können solche Zweifel nicht durch Unterstellungen von Tatsachen ausgeräumt werden. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Ausführungen war der Angeklagte freizusprechen. Hierbei sind für die Begründung vier Gruppen von Bildern zu differenzieren.

Auf dem iPad bzw. iPhone des Angeklagten wurden eine Vielzahl an Nacktbildern gefunden. Bei all diesen Bildern ist das Alter der dort dargestellten jungen Frau bzw. Jugendlichen nicht bekannt. Von daher kann nicht unterstellt werden, dass die dort abgebildete junge Frau oder Jugendliche, wie die Staatsanwaltschaft annimmt, 16 Jahre alt ist. Weder anhand der körperlichen Merkmale noch eine Analyse der Gesichtszüge ermöglicht mit hinreichender Zuverlässigkeit die Feststellung, ob eine auf einem Bild dargestellte Person 16 oder 17 Jahre oder schon 18 Jahre alt ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass allein vom optischen Eindruck her eine Unterscheidungsmöglichkeit nicht besteht. Eine Strafbarkeit ist deshalb nur dann gegeben, wenn die dargestellte Person ganz offensichtlich nicht volljährig ist, etwa dann, wenn sie fast noch kindlich wirkt und somit in die Nähe des Straftatbestandes des § 184b StGB fällt (Vergleiche Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 06.12.2008 - 2 BVR 2369, 2380/08 zitiert nach Beck RS 2009). Unter Zugrundelegung dieser Kriterien können die auf dem iPad bzw. iPhone zusehenden jungen Frauen bzw. junge Frau jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit als Jugendliche erkannt werden, sodass insoweit der Vorwurf des Besitzes jugendpornographischer Schriften nicht erhoben werden kann.

Die zweite Gruppe sind die Bilder, die auf der externen Festplatte, dem PC, dem Laptop Packardbell und Laptop Toshiba sowie dem USB-Stick zu finden sind mit Ausnahme des Bildes mit der Bezeichnung ich.jpg welches im Pfad "Microsoft/OutlookExpress/gelöscht" gespeichert ist. Soweit sich in diesem Bereich kinder- und jugendpornographische Bilder befinden, sind diese ausnahmslos unter dem Pfad: "Windows/TemporaryInternetFiles/Content.IE5/S9XBEPVM"bzw. "User/ManfredWelling/AppData/Local/Microsoft/Windows/TemporaryInternetFiles/Low/ContentIE5/" folgend eine Zahlen und Buchstaben Kombination gespeichert. Nach Auffassung des Gerichts hatte der Angeklagte an diesen Bildern keinen Besitz. Grundsätzlich ist ein Besitz im Sinne von § 854 Abs. I BGB an elektronischen Daten, wie beispielsweise gespeicherten Bildern nicht möglich, da es sich nicht um körperliche Gegenstände handelt. Der Besitzbegriff im StGB ist deshalb dahingehend auszulegen, dass ein Täter dann Besitz hat, wenn er jederzeit wie ein Besitzer von körperlichen Gegenständen Einwirkungsmöglichkeiten auf die entsprechenden Daten, hier als Bilder hat. Letztendlich kommt es darauf an, ob der Angeklagte die Funktionsherrschaft über die Daten inne hat (Vergleiche BGH NJW 2016 1094, 1095).

Genau diese Funktionshoheit hatte der Angeklagte nicht. Denn die vorgenannten Bilder sind in einem Bereich abgespeichert, zu dem der normale Nutzer keinen Zugriff hat. Aus dem Pfad, der jeweils unter jedem Foto angegeben ist, ergibt sich, dass die Dateien jeweils unter dem Pfad App Data Local Microsoft Local Windows Local Temporay Internet Files /... bzw. /Windows/Temporary Internet Files/Contents gespeichert wurden. Diese Bereiche der Festplatte sind dem normalen Nutzer verborgen. Es ist vielmehr so, dass das Betriebssystem Microsoft bzw. der Internetbrowser dort Daten automatisch unter anderem deshalb abspeichert, damit Websites bei erneutem Zugriff schneller geladen werden können (Vergleiche Aschermann: Ordner für temporäre Internetdateien finden, http://praxistipps.chip.de/ordnerfuertemporaereinternetdateienfinden_9506 , abgerufen am 20.09.2017). Auf diesen Bereich der Festplatte hat der normale Nutzer keinen Zugriff, im Gegenteil wie der Name Cache schon sagt sollen, diese Bereiche vor dem Nutzer "versteckt" werden und erscheinen somit nicht in der normale Verzeichnisstruktur von Windows. Erst wenn der Nutzer bewusst die Funktion "geschützte Systemdateien ausblenden" deaktiviert und dafür die Funktion "verstecke Dateien und Ordner anzeigen" aktiviert, werden diese Daten gezeigt (Vergleiche AG Bocholt, MMR 2017 568 ff.).

Der Nutzer hat keine Möglichkeit, die Speicherung dieser Daten in welcher Form auch immer zu beeinflussen, sie läuft vollautomatisch. Die Speicherung erfolgt zum einen dann, wenn der Nutzer bewusst eine Bilddatei mit kinderpornographischem Inhalt im Internet aufruft. Dies ist jedoch nicht zwingend. Ausreichend ist, dass eine Internetseite aufgerufen wird, in der ein kinderpornographisches Bild enthalten ist. Dies ergibt sich daraus, dass Bilder in Internetseiten nicht physikalisch eingebunden werden, sondern isoliert unter einer bestimmten URL (Internetadresse) gespeichert werden. Beim Programmieren einer Internetseite wird nur einen Link in diese eingefügt ein, der die Adresse enthält, unter der das Bild gespeichert ist, sowie den HTML-Befehl, an welche Stelle der Seite das Bild zu integrieren ist und in welcher Größe. (Vergleiche:, Hilgert/Greth: Urheberrechtsverletzungen im Internet, 1. Auflage München 2014, Rdn. 278; Hilgert: Anmerkung zum Urteil des LG Köln vom 30.01.2014 - 14 O 427/13, MMR 2014 265, 266). Dies hat zur Folge, dass wenn eine Internetseite mit beispielsweise zehn Bildern aufgerufen wird, alle zehn Bilder einzeln vom Computer aufgerufen und als Einzelbilder im Cache gespeichert werden. Für den Fall bedeutet dies, dass wenn der Angeklagte, der von sich selbst behauptet, pornographische Informationen im Internet zu nutzen, beispielsweise eine Internetseite mit zehn Bildern aufgerufen hätte, von denen eins kinderpornographisch ist, dann wäre auch dieses 10 im Cache gespeichert worden. Der Angeklagte muss dieses Bild nicht einmal gesehen haben, geschweige denn persönlich aufgerufen haben. Je nach Konfiguration der Seite ist es durchaus denkbar, dass diese so groß ist, dass diese nicht auf dem Bildschirm dargestellt werden kann und erst durch herunterscrollen sämtliche Bilder zu erkennen sind. Der Anbieter solcher pornographischen Seiten wird im Zweifel ein möglichst breites Spektrum an sexueller Vorlieben abdecken wollen, umso die Nutzerzahl zu erhöhen. Im Zweifel werden daher viele Anbieter ganz unterschiedliche sexuelle Praktiken darstellen. Wenn der Angeklagte dann eine bestimmte Vorliebe für eine legale pornographische Darstellung hat, dann muss er nicht mitbekommen haben, dass auch illegale Pornographie auf der entsprechenden Seite dargestellt ist.

Technisch gesehen muss der Angeklagte nicht einmal die Seite aufgerufen haben, auf der die kinderpornographischen Bilder zu sehen sind. Denn es besteht die Möglichkeit, Internetseiten so zu programmieren, dass sich nicht nur eine Seite öffnet, sondern gleich eine Vielzahl an Seiten. Hätte der Angeklagte zum Beispiel eine Internetseite aufgerufen mit beispielsweise zehn Bildern und hätten sich dann automatisch zehn weitere Fenster geöffnet in denen beispielsweise zehn oder mehr weitere Internetseiten zu sehen sind, dann wären sämtliche Bilder von sämtlichen Seiten, in unserem Beispiel also einhundert Bilder im Cache gespeichert worden. Derartige Tricks, um das Öffnen von Internetseiten zu erzwingen, sind gerade in Bereichen der nicht oder wenig seriösen Anbieter keine Ausnahme.

Letztendlich müsste der Angeklagte nicht einmal auf einer pornographischen Seite gewesen sein, damit in seinem Cache kinderpornographische Bilder gefunden werden. Wie oben dargelegt, wird bei der Programmierung einer Internetseite festgelegt, wo und in welcher Größe ein Bild gespeichert wird. Ein Straftäter hat damit die Möglichkeit, auf einer X-beliebigen Seite, die sich beispielsweise mit Sport oder anderen Dingen beschäftigt, die vor allen Dingen für Männer interessant sind, ein Bild zu implementieren und den HTML-Befehl zu geben, dass dies so zu verkleinern ist, dass es nur noch Stecknadelkopf groß ist und damit nicht mehr erkennbar. Würde diese Seite aufgerufen, dann würde das kinderpornographische Bild, welches auf der Originalseite praktisch nicht zu erkennen ist, trotzdem in voller Größe im Cache gespeichert werden. Dies ist technisch natürlich auch mit mehreren Bildern möglich. Sinn würde eine solche Vorgehensweise machen, wenn man sich weiter mit der Frage beschäftigt, welche Möglichkeiten ein Straftäter hat, zu beobachten, wer die von ihm mit einem oder mehreren solchen Bildern infizierte Seite aufruft. Das Stichwort heißt hier Tracking. Wer Internetseiten aufruft, der hinterlässt Spuren und spezielle Programme spionieren aus, welche anderen Internetseiten der Nutzer zuvor aufgerufen hat. Es ist so möglich, ein Persönlichkeitsprofil von Nutzern zu erstellen. Gelingt es, diese Nutzungsdaten, die zunächst einmal anonym sind, mit den Personendaten zu verknüpfen, so ist auf diese Weise eine Erpressung möglich. Dieses hier beschriebene Szenario ist nicht nur theoretischer Natur, die Stiftung Warentest hat in ihrer aktuellen Ausgabe der Zeitschrift test noch einmal auf dieses Problem hingewiesen (Vergleiche: Verfolgt im Netz, test 8/2017 Seite 38, 39). Dem steht nicht entgegen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Angeklagte erpresst worden ist. Hierauf kommt es jedoch nicht an, da der Angeklagte kein interessantes Opfer wäre, sondern eher "Beifang". Ein Straftäter könnte zum Beispiel schauen, ob der Nutzer der eben beschriebenen infizierten Seite beispielsweise auch auf die Seiten von Beck Online und Juris nutzt, um so herauszubekommen, ob ein weiterer Nutzer Anwalt, Richter oder Staatsanwalt ist. Eine solche Person wäre dann sicherlich aus Sicht des Straftäters ein "interessantes" Opfer.

Zusammenfassend war somit festzustellen, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, den Cache eines Computers mit kinderpornographischen Inhalten "zu infizieren", ohne dass der Nutzer hieran auch nur die geringste Schuld trägt.

Auch die Verwaltung der im Browser Cache gespeicherten Daten obliegt nicht dem Nutzer, der im Zweifel darauf gar kein Einfluss hat, sondern es gibt einen eigener Algorithmus, der bestimmt, welche Daten im Browser Cache verbleiben und welche gelöscht werden, ansonsten würden die Ressourcen der Festplatte schnell überschritten werden. Der Algorithmus selbst wird bestimmt durch den Programmierer des entsprechenden Browsers und ist von Browser zu Browser unterschiedlich. Hierzu zählt neben anderen Kriterien das sogenannte fifo Prinzip(first in first out). Darüber hinaus hat auch der Programmierer der Internetseite die Möglichkeit, die Verweildauer von Daten (hier Bildern) im Browser Cache über ein sogenanntes Verfallsdatum zu steuern. Derjenige, der eigentlich am wenigsten Möglichkeit hat, auf die Daten im Browsercache Einfluss zu nehmen, ist der Nutzer selber. Dieser hat ohne spezielle Kenntnisse und ggf. spezieller Programme (z.B. CCleaner) nicht mal die Möglichkeit, die Daten zu löschen, da nicht einmal die Funktion Datenträgerbereinigung zur Löschung sämtliche Daten im Browser Cache führt (Vergleiche: Saumweber-Göpfer: Windows 7/8/10 temporäre Dateien löschen, PC Magazin, http://www.pcmagazin.de/ratgeber/windowsdatentraegerbereinigentemporaeredateienentfernentempordner-2378264.html abgerufen am 20.09.2017). Bei dieser Konstellation geht das Gericht davon aus, dass der Nutzer gerade nicht die Hoheit über diese Daten hat oder sein Besitz nicht angenommen werden kann.

Hinsichtlich der vorgenannten Spezifikationen bedurfte es nicht der Einholung eines Sachverständigen, da das Gericht über eigene Sachkunde verfügt. Dies ist zum einen dokumentiert durch die langjährige aktive Mitgliedschaft im EDV-Gerichtstag (Vergleiche www.edvgt.de/Mitglieder/MitGL-List), und zum anderen durch eine Vielzahl von Publikationen in den einschlägigen juristischen Fachverlagen, die sich mit technischen und juristischen Fragen der Internetnutzung beschäftigen und die z.T. zitiert wurden.

Den vorgenannten Ausführungen steht die Rechtsprechung des BGH nicht entgegen. Denn zum einen kommt der Besitz an den im Cache gespeicherten Daten nach der Rechtsprechung nur in Betracht, sofern sich der Nutzer des Vorhandenseins dieser Daten bewusst ist und die Daten nicht automatisch gelöscht werden (Vergleiche BGH, Urteil vom 18.01.2012 - 2 str151/11 zitiert nach Beck RS 2012). Wenn jedoch nicht festgestellt werden kann, dass der Angeklagte bewusst kinderpornographisches Material aufgerufen hat, kann auch nicht festgestellt werden, dass er sich deenr Existenz bewusst war. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Daten des Cache jedenfalls bei der Grundeinstellung des Betriebssystems Windows automatisch regelmäßig nach einem eigenen Algorithmus gelöscht werden. Des Weiteren verlangt der BGH, dass der Nutzer bewusst nach kinderpornographischen Inhalten gesucht und dieses auch aufgerufen hat (Vergleiche BGH, NSTZ 2007, 95). Auch dies konnte nicht festgestellt werden. Auch die hochumstrittene Entscheidung des OLG Hamburg steht den vorgenannten Ausführungen nicht entgegen (MMR 2010 342). Denn auch in dieser Entscheidung wird davon ausgegangen, dass ein Täter gezielt solche Dateien im Internet aufruft. Genau dies kann vorliegend jedoch gar nicht festgestellt werden. Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass nach der Auffassung des Gerichts ein Besitz nicht vorliegt.

Selbst wenn man entgegen der obengenannten Darstellung davon ausgeht, dass ein Besitz des Angeklagten gegeben wäre, so reicht allein dieser Umstand nicht aus, den Besitzwillen des Angeklagten festzustellen (Vergleiche Gercke in Spindler/Schuster: Rechte der elektronischen Medien, dritte Auflage 2015 § 184b StGB Randnummer 52). Denn § 184b ist kein Unternehmensdelikt. Vielmehr muss der Täter ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über die Bilder haben und die Möglichkeit, die Bilder für sich und andere zugänglich zu machen. Dies muss vorsätzlich geschehen, wobei der Vorsatz als direkter oder bedingter Vorsatz gegeben sein muss. Wusste der Angeklagte nicht, dass Bilder im Cache gespeichert werden, so setzt die Strafbarkeit erst dann ein, sobald der Angeklagte erkennen konnte oder billigend in Kauf nahm, dass er kinderpornographische Inhalte besitzt und deren Besitz gleichwohl fortsetzt (Vergleiche OLG Oldenburg Urteil vom 29.11.2010 - 1SS166/10 zitiert nach Beck RS2010, Püschel: Hohe Anforderungen an die Strafbarkeit wegen Besitzes jugend- oder kinderpornographischer Schriften FD-StrafR 2017, 390509, beckonline). Entsprechend verlangt auch die von der Staatsanwaltschaft zitierte Entscheidung des OLG Hamburg, dass der Angeklagte muss somit zumindest gewusst habe, dass Bilder beim Aufruf von Internetseiten gespeichert werden. Der Argumentation der Staatsanwaltschaft, dass ein Konsument pornographischer Abbildungen im Internet üblicherweise von derartigen Dingen weiß, ist so nicht nachvollziehbar. Es ist nicht nachvollziehbar warum ein Konsument pornographischer Inhalte tiefgreifendere IT-Kenntnisse haben soll als jegliche andere Bevölkerungsgruppe. Dies mag vor 15 bis 20 Jahren einmal anders gewesen sein, zu einer Zeit, als das Internet langsam war mit Bandbreiten in der Größenordnungen von 64 kbit/s. Der Aufbau von Multimediaseiten egal welchen Inhalts, also auch z.B. die Internetseite der "Sendung mit der Maus" nahm damals Minuten in Anspruch (vergl: Hilgert: Schneckentempo vs. Highspeed-Internet - die Datenautomatik in Mobilfunkverträgen, jM 2017, 366). Damals merkte man auch, dass bei wiederholtem Aufrufen von Internetseiten der Seitenaufbau wesentlich schneller ging. Diese Dinge sind längst Vergangenheit. In Zeiten des High Speed Internets ist es nicht mehr erkennbar, ob die Daten aus dem Netz aufgerufen werden oder von der Festplatte, beides ist ähnlich schnell. Angesichts der Tatsache, dass zunehmend gerade auch Multimediadateien wie Bilddateien in der Cloud gespeichert werden, dürfte der normale Nutzer keine Kenntnisse mehr davon haben, dass Daten auch im sogenannten Browser Cache gespeichert werden. Heutzutage weiß der durchschnittliche Nutzer im Zweifel nicht mehr, dass schon beim Betrachten von Bilddateien oder sogar Internetseiten Daten im Cache gespeichert werden (Vergleiche OLG Zweibrücken MMR 2016, 831, 832 folgende). Dass der Angeklagte darüber hinaus tiefgreifendere Kenntnisse in der Internetnutzung hat, konnte nicht festgestellt werden. Er selbst bestreitet solche Kenntnisse. Zudem ist davon auszugehen, dass ein erfahrener Nutzer dafür sorgt, dass Daten gerade nicht im Cache gespeichert werden beispielsweise durch den sogenannten in Privat Modus, umgangssprachlich auch Pornomodus genannt. Über diese Funktion, die seit vielen Jahren jeder Browser hat, werden am Ende jeder Session sämtliche Daten im Cache gelöscht, sodass ein Nachweis des Besuches beispielsweise kinderpornographischer Seiten auf diesem Wege nicht möglich ist. Richtig erfahrene Nutzer würden darüber hinaus wenn sie verbotene Bilddateien speichern, die Dateien verschlüsseln was mit Freeware Programmen heute problemlos möglich ist. Die Entschlüsselung fällt dann teilweise auch der Polizei relativ schwer. Zumindest mangels Vorsatz war der Angeklagte hinsichtlich der obengenannten Bilddateien freizusprechen.

Verbleibt noch die Bilddatei mit dem Namen ich.jpg. Diese ist im Bereich Windows/Anwenderdateien/Identitys/d8481e41-a980-48b99/8afbf-53c1b081971a9/microsoft/outlookexpress/gelöschteobjektedbx gespeichert ist. Ob dieses Bild kinderpornographisch oder jugendpornographisch ist mag dahin stehen. Auch hier jedenfalls kann man letztendlich nicht nachweisen, dass es dem Angeklagten bewusst war, dass dieses Bild gespeichert wurde. Aus der Pfadbezeichnung Outlook Express ergibt sich, dass dem Angeklagten dieses Bild per Mail zugesandt wurde. Das Programm Outlook Express ist ein altes Mailprogramm, welches etwa bis 2007 auf dem Markt war und durch das Programm Windows Live Mail abgelöst wurde. Aus dem Pfad ergibt sich, dass dieses Bild dem Angeklagten als Dateianhang zugeschickt wurde. Es ist daher nicht sicher, ob der Angeklagte diesen Dateianhang auch geöffnet hat. Möglicherweise hat er das Bild als Dateianhang bekommen und die Mail mit dem anhängenden Bild sofort gelöscht, ohne das Bild zu betrachten. Bei modernen Mailprogrammen wäre es auch möglich, dass der Angeklagte nicht einmal die Mail gelesen hat, beispielsweise wenn das Programm automatisch die E-Mail als Junk-Mail identifiziert hätte und dann in den Ordner gelöschte Dateien verschoben hätte. Ob diese Funktion bereits bei Outlook Express vorhanden war, ist jedoch nicht bekannt. Letztendlich kann nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte überhaupt wusste, dass dieses Bild kinderpornographischen Inhalt hat. Aus dem Namen jedenfalls der dem Angeklagten angezeigt wurde, als die Mail auf seinem Rechner war, lässt sich dies nicht ohne weiteres erkennen. Verbleibt letztendlich noch das Bild, welches der Angeklagte über Skype empfangen hat. Auch hier ist unklar, ob der Angeklagte dieses Bild überhaupt gesehen hat. Klar ist nur, dass es ihm per Skype von einem Dritten übersandt wurde.

Alles in allem ist daher festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen des Besitzes kinder- oder jugendpornographischer Schriften nicht gegeben ist, sodass der Angeklagte freizusprechen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO.

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