AG Lennestadt, Urteil vom 18.08.2016 - 3 C 460/15
Fundstelle
openJur 2019, 13977
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, die im Obergeschoss des Hauses der Klägerin                gelegene Wohnung, bestehend aus vier Zimmern, einer Abstellkammer, einer Küche, einer Diele, einer Toilette mit Dusche/WC, einem Balkon sowie die mitvermietete Garage zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 15.11.2016 eingeräumt.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 306,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 22,00 € seit dem 04.10.2015, aus weiteren 142,00 € seit dem 05.11.2015 und aus weiteren 142,00 € seit dem 04.12.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreit trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt jeweils nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu zahlenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien schlossen am 21.12.2012 einen Mietvertrag über die Wohnung im Obergeschoss des Hauses ... . Vereinbarter Mietbeginn war der 01.02.2013. Die Parteien vereinbarten eine Kaltmiete in Höhe von 300,00 € sowie eine Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 100,00 €. Die von der Beklagten angemietete Wohnung weist eine Größe von ca. 80 bis 89 qm² auf. An dem Besichtigungstermin kurz vor Abschluss des Mietvertrages nahmen die Parteien sowie die Tochter der Klägerin, Frau ... teil.

Die Tochter ... litt an einer schweren Herzerkrankung. Seit Februar 2009 war die Tochter der Klägerin in das Transplantationsprogramm des Herz- und Diabeteszentrums NRW in Bad Oeynhausen aufgenommen worden. Bereits im Januar 2013 wurde der Tochter der Klägerin die Möglichkeit gegeben, überhaupt auf ein Spenderherz zu warten, mithin wurde ein erster Listungsversuch unternommen. Eine sogenannte „High urgend Meldung“ erfolgte am 25.07.2014 aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes der Tochter der Klägerin. Die Transplantation erfolgte am 25.11.2014. Es schloss sich eine mehrere Monate dauernde Nachbehandlung zunächst stationär und dann ambulant an.

Die Klägerin bewohnt die mittlere Wohnung in dem Haus ... in ... zusammen mit ihrer Tochter ... . Diese Wohnung hat eine Größe von ca. 118 qm².

Im Untergeschoss des Hauses befindet sich eine weitere Wohnung. Am 11.04.2014 vermietete die Klägerin die im Untergeschoss des Hauses befindliche Wohnung einer Größe von 93 qm² neu, nachdem die vorherigen Mieter ausgezogen waren. Vertraglich vereinbarte die Klägerin mit der neuen Mieterin eine monatliche Grundmiete in Höhe von 372,00 €.

Seit Frühjahr 2015 hat sich der Gesundheitszustand der Tochter der Klägerin stabilisiert. Mit Schreiben vom 01.03.2015 kündigte die Klägerin ohne weitere Begründung den Mietvertrag mit der Beklagten zum 30.06.2015. Da eine Reaktion der Beklagten auf diese Kündigung nicht erfolgte, kündigte die Klägerin diesmal anwaltlich vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 18.06.2015 nochmals zum 30.06.2015, hilfsweise zum 30.09.2015. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Wohnung für die Tochter der Klägerin benötigt wird. In dem Schreiben heißt es: „Wie Sie wissen, hat die Tochter der Auftraggeberin kürzlich ein Herz implantiert bekommen. Aus diesem Grund bedarf sie täglicher Überwachung und gesundheitlicher Pflege durch die Auftraggeberin“ (Blattt 12 R d.A.). Hinsichtlich des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf Blatt 12 ff. d.A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 30.06.2015 kündigte die Klägerin mit eigenem Schreiben das Mietverhältnis erneut. In diesem Schreiben heißt es: „Zwischenzeitlich wurde Ihnen bekannt, dass ich die derzeit von Ihnen genutzte Wohnung für meine Tochter ... benötigte, da meine Tochter im Anschluss an eine lebensbedrohliche Erkrankung weiterhin besonderer Pflege und Obhut bedarf.“ ´

Weiter heißt es: „Bei der Anfang 2013 erfolgten Vermietung der Mietsache waren die kürzlich bekanntgewordenen Umstände für den Eigenbedarf der Wohnung nicht absehbar.“

In beiden Schreiben wurde die Beklagte auf die Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen. Eine Rückmeldung der Beklagten erfolgte zunächst nicht. Mit Schreiben vom 28.09.2015 wandte sich die Beklagte vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin und wies die Kündigung als unbegründet zurück. Hinsichtlich des genauen Inhalts dieses Schreibens wird auf Blatt 16 ff. d.A. Bezug genommen.

Bereits mit Schreiben vom 28.09.2015 forderte die Beklagte die Klägerin auf, Mängel an den Jalousien in der angemieteten Wohnung zu beseitigen. Im Oktober 2015 zahlte die Beklagte lediglich eine Miete in Höhe von 378,00 €, in den Monaten November und Dezember 2015 lediglich in Höhe von 258,00 €. Da eine Mängelbeseitigung nicht erfolgte, minderte die Beklagte die Miete in Höhe von 10 % ausgehend von der Warmmiete in Höhe von 420,00 € in der Zeit von Oktober bis Dezember 2015.

Mit Schreiben vom 09.10.2015 forderte die Beklagte vertreten durch den Mieterschutzbund zum wiederholten Male die Klägerin auf, wegen der Nebenkostenabrechnung die entsprechenden Auskünfte unter Hinzufügung der rechnungsmäßigen Belege in Kopie gegen Kostenerstattung zu erteilen unter Fristsetzung bis zum 26.10.2015 und kündigte an, bis zur Vorlage der Unterlagen die Vorauszahlung auf die Nebenkosten einzustellen. Deshalb minderte die Beklagte in den Monaten November und Dezember 2015 die Miete um die Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 120,00 €.

Ausweislich des Schreibens vom 10.10.2015 teilte die Firma ... mit, dass eine Kontrolle der Wohnzimmerfenster in der von der Beklagten bewohnten Wohnung keine Mängel ergeben habe. Eine Reparatur der Jalousien lehnte die Beklagte ab.

Die Klägerin behauptet, dass bereits vor der Eingehung des Mietverhältnisses im Rahmen der Besichtigung der Beklagten mitgeteilt worden sei, dass nach der zeitlich zwar noch nicht abzusehenden aber irgendwann bevorstehenden Herzoperation der Tochter der Klägerin diese in die von der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt noch anzumietende Wohnung einziehen werde, man nur eben noch den Zeitraum nicht abschätzen könne. Die Beklagte habe daraufhin erwidert, dass dies für sie unproblematisch sei, da sie die Wohnung ohnehin nur für ca. ein Jahr nutzen wolle. Die Beklagte habe erklärt, dass sie die in der Wohnung vorhandene Küche, die Waschmaschine, den Trockner und eine Essgarnitur übernehmen wolle, Kosten habe die Klägerin dafür nicht verlangt. Vor der (Neu-)Vermietung der Wohnung im Untergeschoss sei diese von der Klägerin der Beklagten zur Anmietung angeboten worden. Dies hätte die Beklagte aber abgelehnt, da die Wohnung noch größer und dementsprechend teurer als die jetzt von ihr angemietete Wohnung sei. Die Tochter der Klägerin bewohne derzeit in der Wohnung der Klägerin ein ca. 10 m² großes Zimmer. Ein weiteres Kinderzimmer würde für die Schwester der Betroffenen, die zwar eigentlich in Dortmund wohnt, gelegentlich aber zu Besuch kommt und auch für mehrere Tage dort wohnt, benutzt. Die Tochter der Klägerin sei aufgrund ihres verbesserten Gesundheitszustandes in der Lage, grundsätzlich alleine in der Wohnung zu wohnen, bedürfe aber trotzdem noch der gelegentlichen Pflege und insbesondere der Kontrolle. Grundsätzlich sei die Tochter der Betroffenen aber gesund, eine Pflegebedürftigkeit bestehe nicht mehr. Sie sei belastbar und erwerbsfähig. Zur Begründung wird auf die ärztlichen Bescheinigungen des Universitätsklinikum der Ruhr-Unversität Bochum vom 04.04.2016 (Blatt 75 d.A.) sowie des Hausarztes ... vom 06.04.2016 Bezug genommen. Es sei auf jeden Fall erforderlich, dass die Klägerin für eventuelle Hilfestellungen in unmittelbarer Nähe der Tochter der Klägerin ist.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine ordnungsgemäße Kündigung wegen Eigenbedarfs vorliegt. Des Weiteren sei ein Zahlungsrückstand jedenfalls in Höhe von 306,00 € bezogen auf den ursprünglichen Inhalt des Mietvertrages aufgetreten, so dass auch eine Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 Abs. 2 Ziffer 3 a des Mietvertrages möglich sei. Ein Minderungsanspruch stehe der Beklagten nicht zu, da die Beklagte eine Beseitigung der Mängel abgelehnt habe. Ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Nebenkostenabrechnung stehe ihr ebenfalls nicht zu, da die Klägerin zwischenzeitlich ein Angebot auf Einsicht in die Belege unterbreitet hat.

Ausweislich des Urteils des Amtsgerichts Lennestadt vom 03.08.2016 zum Aktenzeichen 3 C 107/16 ist der Beklagten von der Klägerin ordnungsgemäß ein Angebot auf Belegeinsicht gewährt worden.

Die Klägerin beantragt:

I.                   

Die Beklagte wird verurteilt, die im Obergeschoss des Hauses der Klägerin, ..., ... gelegene Wohnung, bestehend aus vier Zimmern, einer Abstellkammer, einer Küche, einer Diele, einer Toilette mit Dusche/WC, einem Balkon sowie die mitvermietete Garage zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

II.                

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 306,00 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 22,00 € seit dem 04.10.2015, aus weiteren 142,00 € seit dem 05.11.2015 und aus weiteren 142,00 € seit dem 04.12.2015 zu zahlen.

III.              

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit der Klage freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise beantragt die Beklagte:

Der Beklagten wird eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Räumungsfrist bewilligt.

Die Beklagte behauptet, dass sie vor Abschluss des Mietvertrages die Klägerin gefragt habe, ob ein Eigenbedarf „zu befürchten“ sei. Dies sei von der Klägerin ausdrücklich zurückgewiesen worden. Die Tochter der Klägerin sei gesundheitlich gar nicht in der Lage, in die Wohnung in das Obergeschoss zu gelangen, auch die Klägerin selbst habe kein Interesse, an der streitgegenständlichen Wohnung da ihre Knie kaputt seien, wie die Klägerin der Beklagten selbst mitgeteilt habe. Die Beklagte habe insbesondere deshalb nach der Gefahr der Eigenbedarfskündigung gefragt, da sie nahezu ihr gesamtes Mobiliar, insbesondere eine neuwertige Küche, vor Einzug in die Mietwohnung habe veräußern müssen, da die Wohnung, was unstreitig ist, bereits über eine Küche, eine Waschmaschine, einen Trockner und eine Essgarnitur verfügte, die nach Aussage der Klägerin in der Wohnung hätten verbleiben müssen. Die Klägerin hätte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages wie sich aus dem Listungsversuch Anfang 2013 ergibt, Kenntnis von der bevorstehenden Transplantation bei der Tochter der Klägerin gehabt.

Die Klägerin und ihre Tochter würden keinesfalls in beengten Verhältnissen leben, der Tochter ständen zwei Zimmer in der insgesamt 118 qm² großen Wohnung zu, außerdem verfüge die Tochter der Klägerin über ein eigenes Badezimmer. Die Tochter der Betroffenen sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes gar nicht in der Lage, die Wohnung im Obergeschoss alleine zu bewohnen. Darüber hinaus könne die Klägerin den finanziellen Ausfall durch den Auszug der Beklagten aus der Wohnung nicht kompensieren, die Tochter der Klägerin verfüge schließlich über kein eigenes Einkommen. Die Klägerin hätte von der Beklagten verlangt, dass diese auf ihre Kosten die Jalousien in der Wohnung reparieren lasse, deshalb sei die Mängelbeseitigung abgelehnt worden.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Kündigung wegen Eigenbedarfs unwirksam sei. Jedenfalls hätte sie vor Abschluss des Mietvertrages aufgrund der Vorhersehbarkeit von der Klägerin auf den im Raum stehenden Eigenbedarf hingewiesen werden müssen, dieser sei aber konkret abgelehnt worden. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs sei deshalb erst nach 5 Jahren nach Beginn des Mietverhältnisses möglich.

Aufgrund der vorliegenden Mängel sei die Beklagte zur Mietminderung berechtigt. Da die Belege für die Nebenkosten nicht vorgelegt worden wären, sei sie auch dazu berechtigt gewesen, ein entsprechendes Zurückbehaltungsrecht auszuüben. Insofern lägen auch die Voraussetzungen für eine Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 Ziffer 2 Ziffer 3 a nicht vor. Im Übrigen belaufe sich der Mietrückstand nicht auf eine Gesamtmiete, da sich diese auf 420,00 € belaufe.

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages wird auf die wechselseitig eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Tochter der Klägerin, Frau ... . Des Weiteren hat das Gericht die Parteien persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der persönlichen Anhörung sowie der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2016, Blatt 121 d.A., Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und im Wesentlichen begründet.

Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist aufgrund der ordentlichen Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Ziffer 2 BGB vom 18.06.2015 mit Wirkung zum 30.09.2015 gemäß § 573 c BGB beendet worden. Die Klägerin hat vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten das Mietverhältnis wirksam gekündigt.

Eine Kündigung durch das Schreiben vom 01.03.2015 konnte nicht wirksam erfolgen, da es bei dieser Kündigung an der Einhaltung jeglicher Formerfordernisse fehlt.

Diese sind bei der Kündigung vom 18.06.2015 jedoch eingehalten. Der Klägerin steht ein Eigenbedarf zu. Nach Durchführung der Beweisaufnahme bestehen für das Gericht keine Zweifel, dass die Tochter der Klägerin nach der im November 2014 erfolgten Herztransplantation sich zwischenzeitlich in einem solchen guten gesundheitlichen Zustand befindet, dass diese in der Lage ist, eine eigene Wohnung zu bewohnen. Auf die Frage, ob die Klägerin selbst aufgrund ihres Gesundheitszustandes für eine sofortige Hilfestellung in der über ihrer Wohnung gelegenen Wohnung in der Lage ist, kommt es nicht an. Die Tochter der Klägerin ist zweifelsohne ein Familienmitglied. Der Entschluss des Vermieters, ihm gehörenden Wohnraum selbst oder durch einen enggezogenen Kreis bestimmter Dritter nutzen zu lassen ist grundsätzlich zu akzeptieren und der Rechtsfindung zugrunde zu legen (BVerfG NJW 89, 970). Die Tochter der Klägerin ist 30 Jahre alt, hat, nachdem sich ihr Gesundheitszustand stabilisiert hat, ein Studium an der Universität in Siegen aufgenommen. Es ist nachvollziehbar, dass die Tochter der Klägerin nach ihrer langen und schweren Erkrankung einen neuen Lebensabschnitt beginnen möchte und dafür auch zur Steigerung ihrer Selbstständigkeit in eine eigene Wohnung ziehen möchte. Insbesondere erwachsene Kinder können nicht dazu verpflichtet werden, auf Dauer mit ihren Eltern bzw. der Mutter in einer Wohnung zu leben, dafür kommt es auch nicht darauf an, ob der Tochter der Klägerin ein Zimmer (wie ursprünglich das Kinderzimmer) oder zwei kleine Zimmer zur Verfügung stehen. Das Vorhandensein von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen genügt (BGH NJW 2010, 3775). Eine Grenze wäre nur dann zu ziehen, wenn die Wohnung, die wegen Eigenbedarf gekündigt wird, überdimensioniert wäre. Dies ist bei einer Wohnungsgröße von ca. 80 bis 89 qm² jedoch noch nicht anzunehmen, insbesondere da die Wohnung in ... liegt und nicht in einem teuren Stadtteil einer Großstadt, so dass auch für die Angemessenheit des Wohnraums die allgemeinen sauerländischen Verhältnisse abzustellen ist. Im Übrigen ist auch dieses Kriterium nur bedingt durch das Gericht überprüfbar aufgrund des grundsätzlichen Vorrangs des Rechts des Eigentümers, eigenen Wohnraum für sich und/oder seine Familie zu nutzen. Die andere Wohnung im Hause wäre zudem noch größer. Grundsätzlich steht es dem Vermieter frei, welchem von mehreren Mieter er kündigt (Palandt/Weidenkaff, § 573 Rn 23).

Ob die Klägerin finanziell den Verlust kompensieren kann ist kein Kriterium für die Frage, ob die Voraussetzungen für den Eigenbedarf vorliegen. Auch aufgrund der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung bestehen an dem derzeit stabilen und recht guten Gesundheitszustand der Tochter der Klägerin keine Zweifel.

Die Kündigung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich und insbesondere zum derzeitigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen wegen der vorherigen Erkennbarkeit des Eigenbedarfs. Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass sowohl die Klägerin als auch die bei der Wohnungsbesichtigung anwesende Tochter der Klägerin schon bei der Besichtigung deutlich gemacht haben, dass schon immer beabsichtigt war und auch in der Zukunft irgendwann so sein soll, dass die Tochter der Klägerin bei entsprechender Gesundheit in die Wohnung im Obergeschoss, die von der Beklagten angemietet wurde, ziehen soll. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Tochter der Klägerin schon aus familiären Gründen im Lager der Klägerin steht und natürlich ein eigenes Interesse an dem Ausgang dieses Rechtsstreits hat, da sie ja in die Wohnung ziehen möchte. Trotzdem vermittelte die Tochter der Klägerin, die Zeugin ..., einen glaubhaften Eindruck. Insbesondere vermittelte sie den Eindruck, dass ihre Erkrankung und die bevorstehende Herztransplantation damals und für viele Jahre ihr absolut präsentes Thema war. Es ist letztendlich unstreitig, dass die Erkrankung der Tochter auch Thema bei dem Besichtigungstermin war. Die Zeugin konnte schlüssig erklären, warum nicht die Wohnung im Untergeschoss als Alternative für sie in Betracht kam. Ihre Aussage, dass schon immer geplant war, dass sie irgendwann in die Wohnung im Obergeschoss zieht, ist für das Gericht überzeugend. Ebenso ist nachvollziehbar, dass die Klägerin und ihre Tochter zu diesem Zeitpunkt noch keine konkreten Angaben dazu machen konnten, wann eine solche Transplantation erfolgt und wann überhaupt der Zustand der Tochter der Klägerin so ist, dass sie in die Wohnung ziehen kann. Dies dürfte letztendlich auch ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass die Beklagte trotzdem die Wohnung genommen hat. Hinsichtlich der ersten Listung ist zu berücksichtigen, dass diese nach dem Abschluss des Mietvertrages im Dezember 2012 erfolgte.

Anders als von der Beklagten behauptet, hat diese auch nicht ihren gesamten Hausstand veräußern müssen, bevor sie in die Wohnung zog, sondern im Wesentlichen die Küche. Dieser Umstand alleine, der im Übrigen recht unsubstantiiert bleibt, lässt es nicht ausschließen, dass die Beklagte trotzdem in die Wohnung zieht, da eben zeitlich noch überhaupt nicht absehbar war, wann die Klägerin tatsächlich wegen Eigenbedarf kündigt. Die Zeugin ... konnte nicht bestätigen, dass wegen der beabsichtigten Baupläne der Familie die im Untergeschoss wohnte, der Beklagten mitgeteilt wurde, dass man sich über Eigenbedarf keine Gedanken machen solle. Die Zeugin hat schlüssig erklärt, dass diese Wohnung im Untergeschoss aufgrund der baulichen Gegebenheiten ohnehin nicht in Betracht kommt, da einfach für kurzfristige Hilfestellung der Weg von der Wohnung, die die Mutter, also die Klägerin, bewohnt, zu weit ist.

Die Ausführungen der Beklagten sind selbst wenn man sie gleichgewichten würde mit der Aussage der Zeugin indes nicht so überzeugend und bleiben im Ungefähren. Insbesondere hinsichtlich einiger Details wie z.B. der Aussage, dass die Beklagte sich eine Nacht Bedenkzeit ausgebeten hat oder sich im Rahmen der Besichtigung darüber beschwerte, dass keine Badewanne in der Wohnung ist, stimmen die Behauptungen der Klägerin und die Aussage der Zeugin überein, so dass das Gericht auch davon überzeugt ist, dass hinsichtlich des Details des Eigenbedarfs die Angaben der Klägerin zutreffend sind.

Die Wirksamkeit der Kündigung entfällt auch nicht deshalb, weil die Klägerin der Beklagten keinen alternativen Wohnraum angeboten hat. Grundsätzlich ist die Klägerin dazu verpflichtet, wenn im Rahmen der Kündigungsfrist oder wenn absehbar ist, dass es zu einer Eigenbedarfskündigung kommt, der zu kündigenden Mieterin alternativen Wohnraum anzubieten im Eigentum, wenn er frei wird. Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist auch hier das Gericht davon überzeugt, dass ein solches Angebot erfolgte, die Beklagte dieses aber aufgrund der höheren Kosten ablehnte. Tatsächlich ist es so, dass alleine die Grundmiete der Wohnung im Untergeschoss um 72,00 € oder fast 25 % höher liegt als die vereinbarte Miete für die Wohnung im Obergeschoss. Soweit die Beklagte vorträgt, dass die ehemaligen Mieter beweisen können, dass ein Gespräch nicht erfolgte, in dem die Wohnung im Untergeschoss der Beklagten angeboten wurde, ist dieses Beweisangebot untauglich. Es handelt sich um eine sogenannte Nichttatsache. Dass die Eheleute ... bei dem Gespräch bzw. bei allen Gesprächen zwischen den Parteien dabei gewesen sind, trägt die Beklagte nicht vor. Auch hier ist das Vorbringen der Klägerin schlüssig. Es handelt sich um eine erhebliche Preissteigerung.

Das Kündigungsschreiben vom 18.06.2015 genügt auch gerade noch den formellen Anforderungen. Zwar fehlen Angaben zu den derzeitigen Wohnverhältnissen der Tochter der Klägerin. Diese sind grundsätzlich erforderlich. Allerdings ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Parteien in einem Haus wohnen. Die Parteien waren bereits vor Beginn des Mietverhältnisses flüchtig persönlich bekannt. Jedenfalls die Krankheitsgeschichte der Tochter der Klägerin war der Beklagten die ganze Zeit bekannt und dementsprechend auch die Wohnverhältnisse. Die Beklagte nimmt bereits in der ersten Stellungnahme auf die Kündigung, nämlich in dem Schreiben vom 28.09.2015 detailliert zu den Wohnverhältnissen der Klägerin und ihrer Tochter Stellung zur Begründung, warum sie die Kündigung als unverhältnismäßig erachtet. Auch in dem Rechtsstreit wird durch den Beklagtenvertreter detailliert zu den Wohnverhältnissen Stellung genommen. Insofern waren und sind die Wohnverhältnisse der Klägerin und ihrer Tochter der Beklagten bekannt, so dass die formellen Voraussetzungen für die Kündigungserklärung gerade noch als gegeben angesehen werden können. Die formellen Voraussetzungen sind zum einen nicht zu hoch anzusetzen, zum anderen sollen sie der zu kündigenden Mietpartei die Möglichkeit geben, einzuschätzen, ob sie sich gegen eine Eigenbedarfskündigung wehren können oder nicht. Gerade diese Umstände waren der Beklagten jedoch bereits aus eigener Kenntnis in Zusammenschau mit dem Inhalt der Kündigung bekannt.

Der Beklagten ist jedoch aufgrund des Antrages gem. § 721 ZPO eine angemessen Räumungsfrist zu gewähren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass seit der wirksamen Kündigung bereits 14 Monate vergangen sind, so dass der Beklagten – auch mangels weiteren Vortrages, eine Räumungsfrist von knapp 3 Monaten einzuräumen ist, zumal die Beklagte wieder die vollständige Miete zahlt und ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden der Klägerin nicht droht.

Auch hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungsansprüche aus dem Mietverhältnis ist die Klage begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte jedenfalls einen Anspruch auf Zahlung des Mietzinses gemäß § 535 BGB in Höhe der ursprünglich vertraglichen Vereinbarung, mithin auf eine Grundmiete in Höhe von 300,00 € und einer Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 100,00 € auch für die Monate Oktober bis Dezember 2015. Ein Mietminderungsanspruch steht der Beklagten nicht zu. Selbst wenn es wenn es die von der Beklagten im Rechtsstreit vollkommen unschlüssig dargestellten Mietmängel gegeben hat oder gibt, so steht nach Durchführung der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, auch aufgrund der eigenen Einlassung der Beklagten, dass diese eine Beseitigung der Mängel verweigert hat. Aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung des Glasers wäre zu erwarten gewesen, dass die Beklagte substantiiert zu den Mängeln vorträgt. Dies ist nicht geschehen. Die Behauptung, dass die Klägerin von der Beklagten verlangt hat, die Kosten für die Reparatur der Jalousien zu übernehmen, hat die Beklagte nicht bewiesen. Im Übrigen enthält der Mietvertrag eine Kleinreparaturklausel (§ 10 Abs. 6 des Mietvertrages).

Auch ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Nebenkostenabrechnungen besteht ausweislich des im Tatbestand erwähnten Urteils des Amtsgerichts Lennestadt nicht, so dass die Beklagte zur Zahlung des ausstehenden Mietzinses einschließlich der Nebenkostenvorauszahlung verpflichtet ist. Da der Abrechnungszeitraum für das Jahr 2015 noch nicht abgelaufen ist und nicht vorgetragen ist, dass eine Abrechnung über die Nebenkostenvorauszahlungen für das Jahr 2015 erfolgte, ist die Klägerin grundsätzlich auch zur vollen Zahlung der vertraglich vereinbarten Nebenkostenvorauszahlung verpflichtet.

Allerdings sind durch die zurückgehaltenen bzw. geminderten Zahlungen der Beklagten die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung gemäß § 543 BGB nicht erfüllt, da jedenfalls selbst nach dem klägerischen Vortrag der Betrag nicht eine Höhe wie die vertraglich vereinbarte Gesamtmiete in Höhe von 400,00 € erreicht.

Unter dem Gesichtspunkt des Verzuges ist die Beklagte gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 verpflichtet, ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt die noch ausstehenden Mietzahlungen zu verzinsen. Die Höhe der Verzugszinsen ergibt sich aus § 288 BGB.

Hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten ist die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten für die Erklärung der Eigenbedarfskündigung. Die Beklagte befand sich nicht in Verzug aufgrund der ursprünglichen von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung. Diese Kündigung ist offensichtlich unwirksam. Es war von der Beklagten deshalb nicht zu erwarten, dass sie auf diese Kündigung überhaupt reagiert oder auszieht. Zudem erfolgte die anwaltliche Kündigung durch das Schreiben vom 15.06.2015 vor Ablauf der Kündigungsfrist aus der Kündigung vom 01.03.2016. Die Beklagte befand sich somit zu diesem Zeitpunkt nicht in Verzug. Der weitere Schriftverkehr zwischen den Parteien insbesondere das von der Klägerseite vorgelegte Schreiben vom 08.10.2015 bezieht sich nur ganz am Rande auf die Kündigungserklärung. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Klägerin selbst am 30.06.2015 nochmals gekündigt hat und der Auffassung ist, dass diese Kündigung wirksam ist. Eine Auseinandersetzung mit der Frage der Wirksamkeit der Kündigung erfolgt in diesem Schreiben nicht. Ansonsten geht es aber um die Mängel und sonstige Streitigkeiten zwischen den Parteien. Darauf beziehen sich aber ersichtlich nicht die geltend gemachten Anwaltskosten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Soweit die Klägerin unterliegt, handelt es sich bei der Freistellung von den Anwaltskosten um eine nichtstreitwerterhöhende Nebenforderung, so dass das entsprechende Unterliegen auch nicht zu einem Unterliegen in der Form führte, dass die Klägerin an den Kosten des Rechtsstreits zu beteiligen ist.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 7, 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.