LG Düsseldorf, Urteil vom 08.06.2018 - 38 O 109-17
Fundstelle
openJur 2019, 13892
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 6.297,62 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. November 2017 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Anfang 2012 beanstandete der Kläger eine Anzeige der Beklagten in der Tageszeitung "Hamburger Abendblatt", in der Linienflüge und Fernreisen zu verschiedenen Reisezeilen beworben wurden. Unter dem 23. April 2012 gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung (Anlage K7) ab, in der sie sich gegenüber dem Kläger verpflichtete, "es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber dem Letztverbraucher zu werben, ohne gleichzeitig die Identität und die Anschrift des Unternehmens mit anzugeben, wenn dies geschieht wie im HAMBURGER ABENDBLATT vom 31. Dezember ...#/... Januar 2012 auf Seite 3" und für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe zu zahlen. Mit Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16. Oktober 2013 - 34 O 31/13 - wurde die Beklagte wegen eines Verstoßes gegen diese Unterlassungserklärung durch eine im Oktober 2012 bundesweit veröffentlichte Zeitungsbeilage zur Zahlung einer Vertragsstrafe von € 3.000 verurteilt.

Am 17. März 2017 erschien unter dem Titel "Beliebte Reiseziele" eine bundesweit Zeitungen beiligende Anzeige-Sonderveröffentlichung. Auf deren Seite V15 befindet sich eine Werbung der Beklagten für über sie buchbare Bausteinreisen. In dieser Werbung, wegen deren weiterer Einzelheiten auf die von dem Kläger als Anlage K9 vorgelegte Ablichtung Bezug genommen wird, ist die Beklagte mit "F FERNREISEN FRANKFURT" bezeichnet.

In dieser Werbung sieht der Kläger einen neuerlichen Verstoß gegen die Unterlassungserklärung. Er verlangte von der Beklagten vorprozessual die Zahlung einer Vertragsstrafe von € 6.000 und die Erstattung der ihm hierdurch entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. C2 ist - mit einer um die Hälfte verminderten Geschäftsgebühr - nunmehr Gegenstand seiner Klage.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 6.297,62 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage (7. November 2017) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, die beanstandete Werbung enthalte schon kein Angebot im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG, und wendet ein, jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt zu haben.

Gründe

I.

Die Klage ist begründet.

1. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung einer verwirkten Vertragsstrafe von € 6.000 aus der Unterlassungserklärung vom 23. April 2012 beanspruchen.

a) Auf Basis der Unterlassungserklärung der Beklagten vom 23. April 2012 ist zwischen den Parteien ein Unterlassungsvertrag zustande gekommen.

aa) Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe wird nicht schon durch eine einseitige Erklärung des Schuldners begründet, sondern setzt den Abschluss eines Vertrags zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner voraus, für dessen Zustandekommen die allgemeinen Vorschriften über Vertragsschlüsse gelten (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 - I ZR 208/15 - Luftentfeuchter [unter II 1 b]).

bb) Einen solchen Vertrag haben die Parteien geschlossen.

Der Gläubiger, der mit der Abmahnung die Abgabe einer bestimmten Unterlassungserklärung verlangt, macht dem Schuldner ein Vertragsangebot im Sinne von § 145 BGB, dessen Annahme der Schuldner erklärt, wenn er diese Unterlassungserklärung abgibt; weicht eine vom Schuldner formulierte Unterlassungserklärung von der vom Gläubiger geforderten Unterlassungserklärung ab, liegt darin eine Ablehnung des Angebots zum Abschluss eines strafbewehrten Unterlassungsvertrags und zugleich ein neues Angebot gemäß § 150 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 - I ZR 208/15 - Luftentfeuchter [unter II 1 b]).

Letzteres ist hier geschehen. Die von der Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung weicht in mehreren Punkten - wenn auch hinsichtlich der Nr. 1 nur unwesentlich (mit dem Einschub "ab heute" und der Verwendung des Wortes "Unternehmens" statt "Unternehmers") - von dem Entwurf ab, den der Kläger seiner Abmahnung beigelegt hatte. Damit handelt es sich um eine neues Angebot.

Dieses neue Angebot der Beklagten hat der Kläger angenommen. Unschädlich ist, dass hierzu ausdrücklicher Vortrag des Klägers fehlt. Zum einen ergibt sich aus den Geschehnissen, dass der Kläger das Angebot der Beklagten stillschweigend angenommen hat. Denn er hat die Erklärung der Beklagten zu seinen Akten genommen (was sich schon daraus ergibt, dass er sich in dem Verfahren Landgericht Düsseldorf 34 O 31/13 und in diesem Rechtsstreit auf sie beruft), und damit vom Standpunkt eines unbeteiligten objektiven Dritten aus betrachtet seinen Annahmewillen bestätigt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1999 - XI ZR 24/99, NJW 2000, 276 [unter II 2 b]; Urteil vom 14. Oktober 2003 - XI ZR 101/02 [unter II 2 a]). Einer ausdrücklichen Erklärung gegenüber der Beklagten, ihr Angebot anzunehmen, bedurfte es gemäß § 151 S. 1 BGB nicht, da die von der Beklagten abgegebene Erklärung nicht so wesentlich von der von dem Kläger verlangten Erklärung abweicht, dass ihre Übersendung nicht einen Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung beinhaltete (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2002 - I ZR 296/99 - Teilunterwerfung [unter II 2]). Zum anderen hat der Kläger im Hinblick auf die von der Beklagten abgegebene Erklärung den Rechtsstreit Landgericht Düsseldorf 34 O 11/12 für erledigt erklärt. In diesem Verhalten läge zumindest sinngemäß die Erklärung gegenüber der Beklagten, ihren Antrag auf Abschluss eines Unterlassungsvertrages anzunehmen.

b) Mit ihrer Werbung auf Seite V15 der Anzeigen-Sonderveröffentlichung "Beliebte Reiseziele" hat die Beklagte objektiv gegen die übernommene Unterlassungsverpflichtung verstoßen.

aa) Die Werbung beinhaltet ein Angebot von Dienstleistungen im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG, nämlich in einer solchen Weise, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann.

Hierfür reicht es aus, wenn eine Aufforderung zum Kauf im Sinne von Art. 7 Abs. 4 UGP-Richtlinie vorliegt, was der Fall ist, wenn der Verbraucher in einer den Mitteln der verwendeten kommerziellen Kommunikation angemessenen Weise hinreichend über die Merkmale eines Produkts und dessen Preis informiert ist, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können, ohne dass die kommerzielle Kommunikation auch eine tatsächliche Möglichkeit bieten muss, das Produkt zu kaufen, oder dass sie im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit steht, und ohne dass er die Auswahl anderer Ausführungen des Produkts aufgegeben haben muss (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 2017 - I ZR 231/14 - MeinPaket.de II [unter II 2 c aa]; Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 41/16 - Komplettküchen [unter II 4 b aa]). Um ein Angebot - und nicht um eine reine Aufmerksamkeits- oder Erinnerungswerbung oder um eine unspezifische Bewerbung einer Modellreihe - handelt es sich bereits bei einer Werbung für ein durch individualisierende Merkmale hinreichend bestimmtes und inbesondere mit einer Preisangabe versehenes Produkt, selbst wenn weitere oder gar abschließende Angaben zum Preis oder fehlende Angaben zu - auch typischerweise nachgefragten - weiteren Eigenschaften fehlen; schon aus der Erwägung, dass § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG ansonsten keinen Anwendungsbereich hätte, folgt, dass ein Angebot im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG nicht voraussetzt, dass bereits alle wesentlichen Merkmale des Produkts in dem diesem und dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Umfang angegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2017 - I ZR 84/16 - Kraftfahrzeugwerbung [unter II 2 c bb]).

Diese Anforderungen erfüllt die in Rede stehende Werbung der Beklagten. In ihr heißt es in einem kleinen Kästchen unter der Überschrift "Angebot" und der Unterüberschrift "H Inselhüpfen" weiter: "Hotels, Inlandsflüge, Transfers, ausgewählte Ausflüge. Inkl. Flug. 16 Tage Reise ab 3415 Euro p.P.". Dieser Text bezieht sich auf eine bestimmte Komplettreise und benennt den dafür zu zahlenden Preis. Er stellt mithin ein Angebot in dem beschriebenen Sinn dar, auch wenn weitere - und für manche Kunden wesentliche Angaben - zu den Einzelheiten der Reise fehlen mögen und es sich nur um einen Mindestpreis handelt, der sich - beispielsweise in Abhängigkeit von den konkreteen Reisedaten - verändern kann.

bb) In der Werbung wird die Beklagte - und damit der Vertragspartner - nicht hinreichend bezeichnet. Hierzu hätte es der Angabe des Rechtsformzusatzes (also GmbH & Co. KG) bedurft, da dieser Bestandteil der Firma und damit der mitzuteilenden Identität des Vertragspartners ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2017 - I ZR 84/16 - Kraftfahrzeugwerbung [unter II 2 d aa]). Diese Angabe fehlt in der Werbung.

c) Die Beklagte hat schuldhaft gehandelt. Insofern ist unerheblich, ob den organschaftlichen Vertretern der Beklagten ein eigenes Handlungs- oder ein Organisationsverschulden zur Last fällt.

Zwar kommt es im Rahmen der Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO allein auf das (persönliche) Verhalten des Schuldners an, wobei sich juristische Personen, die selbst nicht handlungsfähig sind sondern durch ihre Organe handeln, sich (nur) deren schuldhafte Zuwiderhandlungen nach § 31 BGB zurechnen lassen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012 - I ZB 43/11 [unter II 2 b]) mit der Folge, dass in Fällen, in denen die konkret verletzende Handlung von einem Mitarbeiter begangen worden ist, sich der gegenüber dem Unternehmen erhobene Verschuldensvorwurf auf ein Organisations- oder Überwachungsverschulden der Unternehmensleitung stützen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 - I ZB 32/06 - Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel [unter III 2 c]). Demgegenüber hat im Rahmen eines Unterlassungsvertrages, der eine Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB als schuldrechtlich vereinbarte Leistung vorsieht, der Schuldner nach § 278 BGB ohne Entlastungsmöglichkeit für seine Erfüllungsgehilfen einzustehen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2014 - I ZB 3/12 [unter III 2 a]).

Da hier keine Vollstreckung nach § 890 ZPO, sondern letzteres in Rede steht, hat die Beklagte sich das Verschulden ihres für die Gestaltung der Anzeige verantwortlichen Mitarbeiters zurechnen zu lassen. Dessen Verschulden aber steht auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht in Zweifel.

d) Die Höhe der nach den vorstehenden Ausführungen verwirkten Vertragsstrafe, die nach dem auf Basis der Unterlassungserklärung der Beklagten vom 23. April 2012 zustande gekommenen Unterlassungsvertrag der Kläger festzusetzen hat, entspricht mit dem von dem Kläger für angemessen gehaltenen Betrag von € 6.000 billigem Ermessen.

Bei der Ausfüllung des gemäß § 315 Abs. 1 BGB bestehenden Ermessenspielraums kommt es in erster Linie auf den Sanktionscharakter der Vertragsstrafe und ihre Funktion der Vermeidung weiterer Zuwiderhandlungen an, weshalb - ähnlich wie bei der Festsetzung angemessener Ordnungsmittel im Sinne des § 890 ZPO - Schwere und Ausmaß der begangenen Zuwiderhandlung, deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, das Verschulden des Verletzers und dessen - zu beseitigendes - Interesse an weiteren gleichartigen Begehungshandlungen in den Blick zu nehmen sind (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1993 - I ZR 54/91 - Vertragsstrafenbemessung, GRUR 1994, 146 [unter II 5 a]). Außerdem kann es neben dem Sanktions- und Verhütungsgesichtspunkt auf die weitere Funktion der Vertragsstrafe als pauschalierter (Mindest-)Schadensersatz ankommen (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1993 - I ZR 54/91 - Vertragsstrafenbemessung, GRUR 1994, 146 [unter II 5 b]).

Danach sind neben der zu erwartenden hohen Reichweite der bundesweit vertriebenen Anzeigenbeilage, den damit für die Beklagte verbundenen, nach den unbestrittenen Angaben des Klägers die von ihm verlangte Vertragsstrafe übersteigenden Kosten, die das Interesse der Beklagten an ihrer Werbung erkennen lassen, der Bekanntheitsgrad der bundesweit tätigen Beklagten und der Umstand zu berücksichtigen, dass es sich bereits um den zweiten Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung handelt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es mit dem beanstandeten Verhalten eine eindeutige, im Rahmen der Gestaltung von Anzeigen ohne weiteres erkennbare und leicht abzustellende Zuwiderhandlung in Rede steht. In der Gesamtschau hat der Kläger den ihm zur Verfügung stehenden, durch § 315 Abs. 3 BGB begrenzten Ermessensspielraum (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2005 - I ZR 299/02 - PRO-Verfahren [unter B I 2 b cc (1)]) nicht überschritten.

2. Den Ersatz der ihm für die vorgerichtliche Tätigkeit seines Rechtsanwalts entstandenen Kosten kann der Kläger gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 249 Abs. 1 BGB verlangen. Die beanspruchten Zinsen schuldet die Beklagte gemäß §§ 288 Abs. 1 S. 2, 291 BGB.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

Streitwert: € 6.000

Die neben der Hauptforderung geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten stellen eine im Sinne von § 4 ZPO bei der Wertberechnung unberücksichtigt bleibende Nebenforderung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2013 - III ZR 143/12 [unter II 2]; Beschluss vom 8. Mai 2012 - XI ZR 364/11).

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