AG Siegburg, Beschluss vom 04.12.2018 - 350 F 51/18
Fundstelle
openJur 2019, 13799
  • Rkr:
Tenor

Herr L, geboren am yy.xx.zzzz, wird von Herrn Dr. X als Kind angenommen.

Der Angenommene erhält den Geburtsnamen L-X.

Die Wirkungen der Annahme richten sich gemäß § 1772 Abs. 1 S. 1 lit. b) BGB und § 1772 Abs. 1 S. 1 lit. c) BGB nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen.

Der Angenommene erlangt mit der Adoption gemäß §§ 1772, 1754 Abs. 1 BGB die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes seiner Mutter - der Beteiligten zu 3. - und ihres Ehemannes - des Annehmenden -.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Annehmende.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Verfahrenswert: 5.000,00 EUR (§ 42 FamGKG).

Gründe

Der Annehmende lebt im Bezirk des Amtsgerichts D.

Der Annehmende und der Anzunehmende haben notariell beantragt auszusprechen, dass der Anzunehmende von ihm als Kind angenommen wird und sich die Wirkungen der Annahme nach den Wirkungen der Annahme eines Minderjährigen richten sollen.

Der Antrag ging beim Amtsgericht - Familiengericht - D am 13.09.2018 ein.

Die gesetzlich gemäß §§ 1767 Abs. 2, 1749 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgeschriebenen Einwilligungen der Beteiligten zu 3. als Mutter des Anzunehmenden und Ehefrau des Annehmenden sowie der Beteiligten zu 4. als Ehefrau des Anzunehmenden liegen in notariell beurkundeter Form vor.

Der zulässige Antrag ist begründet, weil die Adoption aufgrund des bestehenden Eltern-Kind-Verhältnisses gemäß § 1767 Abs. 1 BGB sittlich gerechtfertigt ist.

Ein solches Eltern-Kind-Verhältnis unter Erwachsenen wird wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand geprägt, wie sie bei leiblichen Eltern und Kindern typischerweise gegeben ist. Daneben können zwar auch andere, nicht familienbezogene, vor allem wirtschaftliche Motive von Bedeutung sein. Diese dürfen aber nicht ausschlaggebender Hauptzweck der Adoption sein; denn für die sittliche Berechtigung der Adoption kommt es vorwiegend auf die Herstellung eines echten Eltern-Kind-Verhältnisses, eines sozialen Familienbandes an, das seinem ganzen Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenen Band ähnelt (so u.a. OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.04.2014, Az. 11 UF 316/13, FamRZ 2015, 592). Ob zwischen den Beteiligten ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht oder ob es zu erwarten ist und ob die Adoption sittlich gerechtfertigt ist, muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen; dies ist Gegenstand der Amtsermittlung nach § 26 FamFG und soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht der freien Disposition der Beteiligten überlassen bleiben (vgl. BT-Ds. 7 / 3061, S. 52).

Aus diesem Grund darf eine Adoption nicht alleine aufgrund der subjektiven Empfindungen der Beteiligten ausgesprochen werden, solange diese zur Überzeugungsbildung des Familiengerichts nicht ausreichen. Vielmehr sind objektive Anknüpfungstatsachen zu ermitteln, aufgrund derer die Feststellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses möglich ist.

Davon ausgehend steht zur Überzeugung des Familiengerichts fest, dass sich zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden seit 1991 ein von gegenseitigem Vertrauen und wechselseitiger Verantwortung geprägtes "Vater-Kind-Verhältnis" entwickelt hat. Insoweit wird auf die Angaben der Beteiligten in dem notariellen Antrag vom 08.09.2018 und ihrer persönlichen Anhörung vom 28.11.2018 Bezug genommen.

Danach ist der damals erst 21-jährige Annehmende tatsächlich in die Rolle als "sozialer" Vater des damals 11-jährigen Anzunehmenden hinein gewachsen, nachdem er seine Mutter kennen gelernt hatte und sie seit 1991 einen gemeinsamen Haushalt führen, in dem in den Folgejahren auch der Anzunehmende als minderjähriges Kind aufgewachsen ist.

Dem steht (ausnahmsweise) nicht entgegen, dass zwischen beiden ein relativ geringer Altersabstand von noch nicht einmal 10 Jahren besteht, der keiner natürlichen Generationenfolge entspricht. Auch wenn gesetzlich kein bestimmter Altersunterschied zwischen Annehmenden und Anzunehmenden vorgeschrieben ist, kommt diesem Umstand eine wichtige Bedeutung bei der Feststellung zu, ob die Annahme sittlich gerechtfertigt ist, weil ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist oder erwartet werden kann. (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 08.02.1982, Az. 16 Wx 122/81, FamRZ 1982, 844). Ein einer natürliche Generationenfolge entsprechender Altersunterschied ist grundsätzlich Voraussetzung für die Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses und damit auch für die Adoption eines Volljährigen (vgl. KG, Beschluss vom 27.11.2013, Az. 17 UF 42/13, FamRZ 2014, 225; OLG Nürnberg, Beschluss vom 04.08.2014, Az. 9 UF 468/14, FamRZ 2015, 517). Dies schließt allerdings nicht aus, dass sich auch bei einem geringen Altersunterschied eine Eltern-Kind-Beziehung entwickeln kann.

Insbesondere in der vorliegenden Familienkonstellation, dass die damals 35-/36-jährige Kindesmutter einen rund 15 Jahren jüngeren Mann kennenlernt, mit ihm einen gemeinsamen Haushalt gründet und beide später heiraten, ist es nicht fernliegend, dass der neue Partner der Kindesmutter als erwachsener Mann die Rolle als "sozialer" Vater der minderjährigen Kinder einnimmt und sich daraus tatsächlich ein tragfähiges Eltern-Kind-Verhältnis entwickelt, ohne dass der (geringe) Altersunterschied dabei eine Rolle für die Qualität der Beziehung und Bindung zwischen dem Stiefelternteil und dem (minderjährigen) Kind spielt.

Überwiegende Interessen des Beteiligten zu 5. als leiblicher Vater des Anzunehmenden im Sinne von § 1772 Abs. 1 Satz 2 BGB stehen der Adoption nicht entgegen. Mit Schreiben vom 10.11.2018 erklärte er sein ausdrückliches Einverständnis mit der Adoption.

Überwiegende Interessen der Kinder des Anzunehmenden, die der beantragten Adoption entgegenstehen könnten, sind nach den durchgeführten Ermittlungen nicht festzustellen (§ 1769 BGB).

Die Annahme beruht auf den Vorschriften über die Volladoption eines volljährigen Kindes durch den Ehegatten eines Elternteils, soweit nicht der andere Elternteil (mit)sorgeberechtigt war und verstorben ist (§§ 1767, 1772, 1755 Abs. 2 BGB).

Die Wirkungen der Annahme richten sich nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten, weil der Anzunehmende bereits als Minderjähriger in die Familie des Annehmenden aufgenommen worden ist, § 1772 Abs. 1 S. 1 lit. b) BGB, und der Annehmende das Kind seines Ehegatten annimmt, § 1772 Abs. 1 S. 1 lit c) BGB.

Aufgrund des Antrags des Annehmenden ist dem neuen Geburtsnamen des Anzunehmenden gemäß §§ 1767 Abs. 2, 1757 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 BGB sein bisheriger Familienname voranzustellen. Durch diese geänderte Namensführung ist dem Wohl des Anzunehmenden erheblich besser gedient, da er aufgrund seines Alters persönliche und berufliche Beziehungen unter seinem bisherigen Familiennamen aufgebaut hat. Vor diesem Hintergrund ist der Namenskontinuität ausnahmsweise gegenüber dem in § 1757 Abs. 1 BGB festgelegtem Abstammungsinteresse der Vorrang einzuräumen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG.

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