LG Köln, Urteil vom 10.06.2015 - 33 O 267/14
Fundstelle
openJur 2019, 13718
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, die nachfolgende oder dieser inhaltsgleiche Bestimmungen in Bezug auf Schlüsseldienstverträge zu verwenden sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträgen, geschlossen ab dem 1.4.1977 zu berufen, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständig beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

a.) "Mit vorstehender Abrechnung bin ich einverstanden."

b.) "Die Arbeiten wurden ordnungsgemäß ausgeführt und werden hiermit als mangelfrei angenommen."

jeweils wie nachstehend wiedergegeben:

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich des Unterlassungstenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2000 €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein, nach dessen Satzung es zu seinen Aufgaben gehört, die Rechte der Verbraucher wahrzunehmen und bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht, das AGB-Recht und andere Gesetze, soweit hierdurch Verbraucherinteressen berührt sind, erforderlichenfalls auch gerichtlich durchzusetzen. Er ist durch Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 25.9.2000 als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG anerkannt und wird in der beim Bundesjustizamt geführten Liste der qualifizierten Einrichtungen gem. § 4 UKlaG unter der laufenden Nummer 75 geführt.

Der Beklagte betreibt einen Schlüsselnotdienst und verwendet Formulare, in denen im unteren Teil zwischen den Datumszeilen die im Tenor wiedergegebenen Angaben enthalten sind. Die Formulare enthalten keine Widerrufsbelehrung. Es wird eine solche auch unstreitig nicht auf einem separaten Formular erteilt.

Unter dem 17.5.2014 mahnte der Kläger den Beklagten ab. Wegen des Inhalts der Abmahnung wird auf die Anl. 3 Bezug genommen. Der Beklagte gab daraufhin per Fax eine strafbewehrte Teilunterlassungserklärung hinsichtlich des Klageantrags 1b ab, jedoch ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Obwohl der Kläger ein Original der Teilunterlassungserklärung anforderte, übermittelte der Beklagte ein solches nicht. Die Abmahnungspauschale wurde hingegen gezahlt.

Der Kläger behauptet, dass der Beklagte zwar einen Schlüsselnotdienst betreibe, in diesem Zusammenhang aber auch Verträge mit Verbrauchern schließe über den Verkauf von weiteren Waren wie Profilzylindern und Mehrfachverriegelungseinsteckschlössern.

Mit seinem Formular verwende der Beklagte AGB-Klauseln, die gegen § 309 Nr. 12b BGB sowie gegen § 305c BGB verstießen, indem er sich vom Verbraucher Tatsachen bestätigen lasse. Auch seien die Klauseln überraschend, weil sie an einer versteckten Stelle, in extrem kleiner Schrift verfasst seien.

Der Kläger ist der Ansicht, dass der Beklagte eine Widerrufsbelehrung zu erteilen habe, die in dem von ihm verwendeten Formular fehle. Da der Beklagte meist telefonisch gerufen werde, würden die Verträge außerhalb von Geschäftsräumen zustandekommen. Das Öffnen einer zugefallenen Tür stelle jedoch keine Reparatur dar, so dass eine Widerufsbelehrung zu erfolgen habe. Selbst wenn man bei der Türöffnung fälschlicherweise von einer Reparatur ausgehen wollte, biete der Beklagte - wie die Zwischenüberschrift "Nachstehende Leistungen sind nicht Bestandteil einer Türöffnung" in seinem Formular zeige - auch Teile zum Verkauf an, die nicht zur Durchführung einer Türöffnung erforderlich seien bzw. sein könnten. Soweit es um den Verkauf etwa von Profilzylindern gehe, liege jedenfalls keine dringende Reparatur im Sinne der Ausnahmevorschrift des § 312g Abs.1 Nr. 11 BGB vor.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

1. die nachfolgende oder dieser inhaltsgleiche Bestimmungen in Bezug auf Schlüsseldienstverträge zu verwenden sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen ab dem 1.4.1977 zu berufen, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

a) "Mit vorstehender Abrechnung bin ich einverstanden."

b) "Die Arbeiten wurden ordnungsgemäß ausgeführt und werden hiermit als mangelfrei angenommen."

2. im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern

a) bei einem Vertrag über die Erbringung von Schlüsseldienstleistungen, der zwischen dem Beklagten und einem Verbraucher ab dem 13.6.2014 unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wurde, den Verbraucher nicht wie gemäß § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Artikel 246a Abs. 2 EGBGB geboten über sein Widerrufsrecht zu belehren,

b) bei einem Vertrag über die Erbringung von Schlüsseldienstleistungen oder über den Kauf von Türschlössern und Zubehör zwischen dem Beklagten und einem Verbraucher, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat und der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Beklagten ab dem 13.6.2014 an einem Ort geschlossen wurde, der kein Geschäftsraum des Unterzeichnenden ist, dem Verbraucher nicht wie gemäß § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a Abs. 2 EGBGB geboten über sein Widerrufsrecht zu belehren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage bereits für unzulässig, weil die Höhe des Ordnungsmittels ursprünglich nicht beschränkt worden war und weil seiner Ansicht nach der Antrag zu 1 (inhaltsgleiche Bestimmungen) zu unbestimmt sei.

Er hält die Klausel gemäß dem Antrag zu 1 für zulässig. Diese würden nicht "bei Abschluss des Vertrages" gestellt, sondern erkennbar erst nach Ausführung der Arbeiten. Dabei stehe es dem Kunden frei, ob er die Erklärung abgeben wolle oder nicht. Die Erklärung über das Einverständnis mit der Abrechnung sei schon keine Erklärung über Tatsachen, sondern ein Angebot sich zu verständigen. Die Abrechnung werde auch in jedem Fall individuell eingetragen, so dass es sich um eine Individualvereinbarung handele.

Die Klausel sei nicht überraschend, auch wenn die Schrift klein sei.

Der Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass bezüglich der Klausel der mangelfreien Annahme, dem Kläger kein Unterlassungsanspruch mehr zustehe, weil er sich bereits vorgerichtlich zur Unterlassung verpflichtet habe.

Schließlich ist er der Ansicht, dass er nicht über ein Widerrufsrecht zu belehren habe, weil ein Ausnahmefall des § 312g Abs. 2 Nr. 11 BGB vorliege. Die notfallmäßige Öffnung einer zugefallenen Tür lasse sich unproblematisch unter den Begriff "Reparatur" fassen. Es entspreche dem Sinn der Norm gerade die Fälle zu erfassen, in denen ein Verbraucher selbst einen Handwerker rufe, um eine kurzfristig erforderliche dringende Arbeit zu verrichten. Auch der Verkauf von Waren, die zur Reparatur gegebenenfalls erforderlich seien, fiele unter die Norm. Wenn die Klägerin der Meinung sei, dass der Beklagte darüber hinaus Waren verkauft habe, habe sie dieses darzulegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist nur hinsichtlich des Antrags zu 1 zulässig und begründet, im Übrigen unbegründet.

1. Die Klageanträge zu 1 mit der Formulierung bezüglich inhaltsgleicher Bestimmungen ist nicht unbestimmt. Diese Formulierung stellt vielmehr klar, dass auch kerngleiche Bestimmungen unter das Verbot fallen sollen.

2. Die Klageanträge sind auch begründet gemäß den §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG iVm § 309 Nr. 12 BGB.

a. Soweit der Beklagte in seinem Formular die Klausel "Mit vorstehender Abrechnung bin ich einverstanden" verwendet, verstößt diese Klausel gegen § 309 Nr. 12 BGB.

Hinsichtlich dieser Klausel, sind die §§ 305 ff. BGB anwendbar.

Die Formulare sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. Dass es innerhalb des Formulars Leerzeilen gibt, die im Nachhinein ausgefüllt werden, ändert nichts an dem Charakter der Vorformulierung, da diese Leerzeilen einseitig vom Beklagten ausgefüllt und nicht mit den Kunden ausgehandelt werden.

Auch wenn es sich bei der vorformulierten Erklärung des Kunden nicht um Vertragsbedingungen handelt, die unmittelbar den Vertrag betreffen, greifen die §§ 305 ff. BGB dennoch ein. Das zeigen die §§ 308 Nr. 1 und 309 Nr. 12 b BGB, die vom Verwender vorformulierte Kundenerklärungen betreffen oder miterfassen, und rechtfertigt sich aus dem Schutzzweck der §§ 305 ff. BGB. Der Verwender, der eine einseitige Erklärung des Kunden vorformuliert, greift er in dessen rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit noch stärker ein als bei der Vorformulierung von Vertragsbedingungen (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 74. Aufl. § 305 Rn. 5).

Mit dieser vorformulierten Kundenerklärung, dass der Kunde mit der Abrechnung einverstanden sei, wird unzulässigerweise eine innere Tatsache bestätigt. Dadurch wird die Beweislast bei im Nachhinein auftretenden Problemen mit der Abrechnung zum Nachteil des Kunden zu dessen Lasten erschwert. Wenn Tatsachengeschehen bestätigt werden und dies faktisch zum Nachteil des Kunden führt, sind solche Tatsachenbestätigungen unzulässig (vgl. Grüneberg a.a.O. § 309 Rn. 108).

Bei einem Verstoß gegen § 309 Nr. 12 BGB liegt ein Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG vor, die die Verwendung der Klausel als unlauter erscheinen lässt.

3. Gleiches gilt auch für die weitere vorformulierte Kundenerklärung bzgl. der mangelfreien Annahme der Leistung.

Dass der Beklagte vorgerichtlich diesbezüglich eine strafbewehrte Teilunterlassungserklärung abgegeben hat, ändert nichts an der Berechtigung des Klägers, diesen Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend zu machen. Zwar dürfte der Beklagte Kaufmann im Sinne des §§ 1 HGB sein, so dass das Schriftformerfordernis nicht gilt (vgl. Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. § 12 Rn. 1.104). Der Gläubiger einer - wie vorliegend - per Fax übermittelten Unterlassungserklärung kann aber nach § 127 Abs. 2 S. 2 BGB eine mit verbindlicher Unterschrift versehene Bestätigung verlangen. Da eine solche Bestätigung nicht erteilt worden ist, ist die Unterlassungserklärung wegen Fehlens ernsthafter Unterwerfungsbereitschaft wirkungslos (vgl. Bornkamm, a.a.O.)

4. Die Klageanträge zu 2 sind unbegründet.

a. Grundsätzlich muss zwar bei unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossenen Verträgen oder bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, eine Widerrufsbelehrung erfolgen, § 312d Abs. 1 BGB iVm Art. 246a Abs. 2 EGBGB.

Eine Widerrufsbelehrung musste vorliegend jedoch nicht erfolgen, weil den Kunden des Beklagten bereits kein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zusteht gem. § 312g Abs. 2 Nr. 11 BGB.

Nach dieser Ausnahmevorschrift steht dem Verbraucher kein Widerrufsrecht zu, wenn er einen Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparaturoder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen. Dringend sind dabei Reparaturarbeiten dann, wenn sie zur sofortigen Wiederherstellung der Funktionstauglichkeit erforderlich sind und der Verbraucher darauf angewiesen ist (Grüneberg, a.a.O. § 312g Rn. 14). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Bei einem Schlüsselnotdienst wird der Unternehmer stets auf ausdrückliches Auffordern des Kunden diesen aufsuchen und entsprechend tätig werden.

Soweit der Kläger darauf verweist, dass etwa das Öffnen einer zugefallenen Tür keine Reparatur darstelle, ist einzuräumen, dass eine zugefallene Tür in der Regel nicht beschädigt sein dürfte. Jedoch ist der Kunde trotzdem dringend auf die Dienstleistung des Schlüsselnotdienstes angewiesen, um die Tür öffnen zu können. Die Funktion der Tür, den Zugang zu einer Räumlichkeit zu ermöglichen, ist auch bei einer lediglich zugefallenen Tür nicht mehr gegeben. Der Kunde ist daher auf die Dienste des Schlüsselnotdienstes angewiesen, um sich wieder Zutritt zu verschaffen.

Weder der der Ausnahmevorschrift zugrundeliegenden Richtlinie 2011/83 EU noch der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/13951) lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sich der Begriff der Reparatur- oder Instandhaltungsmaßnahme nicht auf die Wiederherstellung der Funktion einer Tür beziehen soll.

b. Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, dass jedenfalls die im Formular aufgeführten Zubehör- und Ersatzteile nicht zwingend für die Durchführung einer Türöffnung erforderlich sind, und daher dem Kunden hinsichtlich des Erwerbs dieser zusätzlichen Teile ein Widerrufsrecht zustehe, so ist nicht ausgeschlossen, dass Grund für die Inanspruchnahme der Dienstleistung des Schlüsseldienstes gerade ein beschädigter Zylinder sein kann oder dass bei der Öffnung der Tür ein Zylinder beschädigt wird, so dass auch die im Formular aufgeführten Zubehör- und Ersatzteile möglicherweise nicht zur Türöffnung, aber evtl. zur anschließenden Wiederherstellung der Funktionstauglichkeit erforderlich sein können.

c. Dafür, dass der Beklagte die aufgeführten Zubehör- und Ersatzteile verkauft, ohne dass ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Notöffnung besteht, bestehen keine Anhaltspunkte. Da der Beklagte unter "B Schlüsselnotdienst" auftritt und gerade keinen gewöhnlichen Schlossereibetrieb/ -handel betreibt, ist schon nicht ersichtlich, dass er auch unabhängig von Notfällen an Kunden herantritt und diesen unabhängig von dringenden Reparatur- und/oder Instandhaltungsmaßnahmen die im Formular aufgeführten Teile anbietet. Der Kläger hat weder näher dazu vorgetragen, dass der Beklagte überhaupt außerhalb von Notfällen Kunden betreut, noch sonst substantiiert zu Verkaufshandlungen außerhalb der erforderlichen Reparaturen vorgetragen. Sein Schluss, dass die angeführten Teile auch unabhängig von einer Notöffnung angeboten werden, ist nicht hinreichend dargetan. Die Angabe, dass die aufgeführten Teile nicht Bestandteil einer Türöffnung sind, muss nicht bedeuten, dass sie losgelöst von einer Notöffnung angeboten werden, sondern soll dem Kunden zum einen verdeutlichen, dass die Zubehörteile gesondert zu vergüten sind und nicht in der Einsatzpauschale enthalten sind. Zum anderen weisen gerade diese Angabe und die Bezeichnung als "B Schlüsselnotdienst" darauf hin, dass in der Regel Türöffnungen das Hauptgeschäft des Beklagten ausmachen. Vor diesem Hintergrund wäre es Sache des Klägers gewesen, näher dazu vorzutragen, bei welcher Gelegenheit der Beklagte Kunden gegenüber unabhängig von einer Nottüröffnung Produkte angeboten haben soll.

5. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt.