OLG Hamm, vom 23.05.2016 - 31 U 41/16
Fundstelle
openJur 2019, 13517
  • Rkr:
Tenor

beabsichtigt der Senat, die Berufung der Klägerin gegen das am 19.01.2016 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

Gründe

I. Dem Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin aus § 607 BGB a.F. BGB in Verbindung mit Art. 229 § 5 BGBEG, welchen sie auf die außerordentliche Kündigung des am 18.06.2001 geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrag mit der X AG stützt, steht die Einrede der Verjährung entgegen.

1. Auf die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus dem Darlehensvertrag findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung. Bei dem zwischen den Parteien vereinbarten Darlehensvertrag handelt es sich zwar um ein Dauerschuldverhältnis, auf das seit dem 1. Januar 2003 das Bürgerliche Gesetzbuch grundsätzlich in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden ist. Dies gilt jedoch nicht für vor dem 1. Januar 2003 beendete Dauerschuldverhältnisse und nicht für Ansprüche aus einem am 1. Januar 2003 fortbestehenden Dauerschuldverhältnis, die vor Ablauf dieses Tages zu erfüllen waren. Insoweit trifft der Sinn von Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB, das Bürgerliche Gesetzbuch in seiner Fassung durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz auf zuvor begründete Dauerschuldverhältnisse anwendbar zu machen - und den Parteien eine Frist zur Anpassung der laufenden Pflichten aus einem Dauerschuldverhältnis auf die am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs einzuräumen - nicht zu (Staudinger/Löwisch, BGB [2003], Art. 229 EGBGB Rdn. 44; BGH, Urteil vom 13. Juli 2007 - V ZR 189/06 -, Rn. 9, juris; BGH, ).

2. Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der Frage der Verjährung der Ansprüche. Diese ist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB nach den Vorschriften des BGB in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung zu beurteilen. Die Ansprüche der Klägerin aus dem Darlehensvertrag vom 18.06.2001 unterlagen damit der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren (Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB, § 195 BGB), wobei die Verjährungsfrist mit dem Schluss des jeweiligen Jahres begann. Durch die Kündigung der Klägerin vom 19.06.2002 ist der Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin fällig geworden. Die Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB hat, da die Voraussetzungen des §§ 199 Abs. 1 BGB noch vor dem 31.12.2002 vorlagen, mit Ablauf dieses Tages begonnen und endete ohne das Hinzutreten weiterer Umstände mit Ablauf des 31.12.2005.

3. Die Verjährungsfrist war nicht gemäß § 497 Abs. 3 S. 3 BGB in der vom 01.01.2002 bis 31.07.2002 gültigen Fassung gehemmt. Es kann dahinstehen, dass die Beklagte den Zugang eines Kündigungsschreibens, welches gleichzeitig eine Mahnung enthielt, bestritten und die Klägerin für ihre Behauptung, ein Schreiben entsprechend dem vorgelegten "Musterschreiben" (Bl. 88 GA) aus dem Jahre 2004 sei der Beklagten zugegangen, keinen Beweis angetreten hat.

Das von der Klägerin vorgelegte "Musterschreiben" hätte - den Vortrag der Klägerin unterstellt - bereits keine verzugsbegründende Mahnung gemäß § 284 Abs. 1 BGB a.F. (jetzt § 286 Abs. 1 BGB) enthalten. Die Mitteilung, dass die Forderung zur sofortigen Zahlung fällig ist, stellt für sich gesehen keine Mahnung dar (vgl. KG, NVwZ-RR 2004, 397 f.; OLG Frankfurt, NJW-RR 2013, 566 ff.). Gleichfalls beinhaltet nicht die Ankündigung, dass auf den Betrag künftig Verzugszinsen berechnet würden, eine eindeutige und bestimmte, an den Schuldner gerichtete Aufforderung, den bezifferten Betrag unverzüglich zu erbringen (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 2013, 566 ff.; Palandt-Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 286 Rn. 17). Zwar mag für einen juristisch vorgebildeten Darlehensnehmer erkennbar sein, dass - wird die Berechnung von Verzugszinsen angedroht - dies zwingend voraussetzt, dass eine Leistungsaufforderung im Sinne des § 284 Abs. 1 BGB a.F. bzw. jetzt § 286 Abs. 1 BGB vorausgegangen sein muss und die X AG & Co KGaA insoweit mit dem Kündigungsschreiben wohl auch die Leistung verlangen dürfte. Ein solcher Schluss von der Ankündigung einer Rechtsfolge auf eine dieser Rechtsfolge notwendig vorangegange Handlung der Gläubigerin kann aber nicht einem durchschnittlichen Verbraucher abverlangt werden. Bei einem durchschnittlichen Verbraucher ist insbesondere die Vorstellung nicht ausgeschlossen, dass bereits mit Kündigung des Darlehens - ohne weitere Voraussetzung - diese Zinsen geschuldet werden.

Darüber hinaus suggeriert die weitere in dem Schreiben enthaltene Information, dass das Konto zur "weiteren Bearbeitung unserer Inkassoabteilung übergeben" werde, dass weitere Schritte noch veranlasst werden und eine Mahnung erst von dieser Stelle erfolgen wird. Für diese Wertung spricht zudem, dass die Bank in ihrem Kündigungs- bzw. Musterschreiben keine Frist zur Zahlung bestimmt. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 286 Abs. 3 BGB darf ein Schuldner, wird eine Forderung durch Kündigung erst fällig gestellt, grundsätzlich von einer angemessenen Zahlungsfrist ausgehen, bevor Verzug eintritt; ihm ist grundsätzlich die Möglichkeit einzuräumen, die Forderung zu überprüfen (vgl. BGH, WM 1970, 1141; OLG Frankfurt, NJW-RR 2013, 566 ff.). Auch insoweit konnte und musste das Kündigungsschreiben nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 157,133 BGB) nicht bereits als Mahnung verstanden werden; die erstmals erstellte Rechnung - selbst mit Zahlungsziel - gilt im Verkehr üblicherweise nicht als Mahnung (vgl. BGH, NJW 2008, 50 ff.).

Soweit das OLG Stuttgart in seiner Entscheidung vom 12.06.2013 (9 U 236/12) ausführt, "in der Fälligstellung zu einem bestimmten Termin liegt zugleich eine Mahnung im Sinne des 286 Abs. 1 BGB" (S. 6 der UA), wäre bei Verwendung des hier vorgelegten Musterschreibens (Bl. 88 GA) der Restsaldo zwar durch Kündigung zur sofortigen Zahlung fällig gestellt worden; ein Zahlungsziel war in dem Schreiben aber nicht bestimmt worden. "Neben der Fälligstellung" (vgl. BGH, NJW 2010, 2040 f.) wäre in dem Schreiben eine zusätzliche "Mahnung" nicht enthalten gewesen.

3. Auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 05.04.2011 (BGHZ 189, 104 ff.) kann sich die Klägerin nicht erfolgreich berufen. In der von der Klägerin angeführten Entscheidung war das Darlehen nicht durch Kündigung zur Zahlung fällig gestellt worden; die Kündigung konnte in dem vom BGH entschiedenen Fall nicht zugestellt werden. Insoweit hatte der Bundesgerichtshof nicht über die Verjährung des nach Kündigung fällig werdenden Zahlungsanspruchs zu entscheiden, sondern allein über die Frage, wann der Anspruch auf Zahlung der vertraglich vereinbarten und zu einem bestimmten Zeitpunkt zu zahlenden Darlehensraten verjährt. Die Klägerin begehrt Zahlung des von ihr zum Stichtag 19.06.2002 ermittelten Restsaldos, nicht aber Zahlung von einzelnen rückständigen Darlehensraten.

Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, dass nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung vom 05.04.2011 die Verjährungsfrist von 3 Jahren nicht in der Höchstfrist des § 497 Abs. 3 S. 3 BGB enthalten ist, sondern nach Ablauf der Hemmung gemäß § 497 Abs. 3 S. 2 BGB zu laufen beginnen kann. Dies lässt sich den Ausführungen des Bundesgerichtshofs entnehmen, dass die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung der am 15. Januar 1998 fälligen Darlehensrate nebst Zinsen vom 1. Januar 2002 an bis zum 15. Januar 2008 (Ablauf der Höchstfrist von zehn Jahren ab Anspruchsentstehung) gehemmt gewesen sei und die ab dem 16. Januar 2008 wieder laufende Verjährungsfrist sodann durch die Klageerhebung am 2. Februar 2008 erneut gehemmt worden sei (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Der Senat würde insoweit an seiner vorangegangenen Rechtsauffassung, an die zehnjährige Hemmung nach § 497 Abs. 3 S. 3 BGB schließe sich die dreijährige Regelverjährung nicht an, sondern die erfassten Ansprüche verjährten spätestens in 10 Jahren (u.a. OLG Hamm, Beschluss vom 29.12.2015, 31 W 82/15), nicht mehr festhalten, soweit es auf diese Frage - was vorliegend nicht der Fall ist - ankäme.

4. Vorsorglich wird weiter darauf hingewiesen, dass eine verzugsbegründende Mahnung voraussetzt, dass der angemahnte Betrag - hier der Restsaldo - zutreffend benannt wird. Die Klägerin hat ihre Forderung aus dem Darlehensvertrag in dem Kündigungsschreiben - so ihr Vortrag gemäß dem vorgelegten Kontenverlauf - mit 15.236,98 € (Bl. 27 GA) beziffert; dieser Betrag ist nicht zutreffend errechnet. Die von der Klägerin vorgelegte Abrechnung der X verstößt - worauf bereits in zahlreichen Rechtsstreitigkeiten seitens des Senats in der Vergangenheit hingewiesen worden ist - gegen die gesetzlichen Vorgaben. Nach § 11 Abs. 1 VerbrKrG bzw. 497 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. sind geschuldete, aber nicht gezahlte Raten mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen. Die erstinstanzlich vorgelegte Kontoabrechnung zeigt, dass die X bei der Berechnung des Zinsbetrages für den jeweiligen Monat den vertraglichen Zinssatz auf den jeweiligen Saldobetrag bezieht, obwohl dieser um die vertraglichen Zinsen für den Monat erhöht worden ist. Damit setzt die Klägerin unzulässigerweise auf rückständige Raten Verzugszinsen in vertraglicher Höhe an. Das Einstellen von Verzugszinsen in den Gesamtsaldo verstößt ferner gegen § 11 Abs. 2 VerbrkrG bzw. § 497 Abs. 2 BGB a.F., weil sowohl das Gebot gesonderter Kontenführung als auch das Kontokorrentverbot nicht beachtet werden. Das Einstellen von Kosten in den Saldo und der hierauf bezogene Ansatz des Vertragszinssatzes sind ebenfalls ohne Rechtsgrundlage und widersprechen auch den einbezogenen AGB der X, wonach "Zinsen und Kosten" gesondert vom Kapital geführt werden "(kein Kontokorrent)" (Bl. 89 GA). Ohnehin dürften Erinnerung und Mahnkosten mit dem rechtlich zulässigen Ansatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz grundsätzlich abgegolten sein. Die Kontoabrechnung zeigt ferner, dass die von der Bank erhobene Bearbeitungsgebühr in den verzinslichen Saldobetrag einberechnet worden ist. Hierfür ist eine Grundlage gleichfalls nicht erkennbar, unabhängig davon, dass ein Anspruch auf Zahlung einer Bearbeitungsgebühr auch nicht bestand.

Die Forderung eines zu hohen Betrages ist nur dann eine verzugsbegründende Mahnung, wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Falles als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist. Darüber hinaus muss der Schuldner den geschuldeten Betrag trotz falscher Angabe des Gläubigers zuverlässig ermitteln können (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 286 Rn. 20 mwN). Zumindest letztere Voraussetzung liegt erkennbar nicht vor.

Soweit die Klägerin auf ihre Klageforderung schließlich Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangt, liegt ein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 S. 2 VerbrkrG bzw. § 497 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. vor, weil in der Klageforderung Verzugszinsen auf rückständige Raten enthalten sind. Abschließend sei angemerkt, dass die X Abbuchungen von dem Girokonto der Beklagten hat vornehmen lassen, die über der monatlich geschuldeten Rate von 574,- € liegen; eine Einzugsermächtigung ist in dem Kreditvertrag vom 18.06.2001 nur in Höhe von 574,- € monatlich erteilt worden.

II. Der weitere Anspruch der Klägerin aus dem gekündigten Girokonto ist gleichfalls verjährt.

Es ist bereits nicht erkennbar, dass die Vorschrift des § 497 Abs. 3 BGB, welche nur Verbraucherkreditverträge erfasst, für die Ansprüche der Klägerin aus dem Girokontoverhältnis anwendbar ist. Die Klägerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit der X ein Dispositionsrahmen vereinbart worden war, die X mithin nicht lediglich etwaige Kontoüberziehungen geduldet hatte. In dem vorgelegten "Musterschreiben vom 04.01.2002" wird gerade auf eine solche bloß geduldete Überziehung des Kontos hingewiesen. Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 11.03.2016 erstmalig vorträgt, der "Dispositionskredit" (Bl. 137 GA) aus dem Girokontovertrag sei ein Dauerschuldverhältnis, handelt es sich um eine Rechtsbehauptung, die nicht mit Tatsachen belegt ist. Insoweit kann dahinstehen, ob die Klägerin mit ihrem Vortrag zudem gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen ist.

Unabhängig davon würden die vorstehenden Ausführungen entsprechend gelten, soweit die Klägerin eine Kündigung des Kontos entsprechend ihrem "Musterschreiben vom 04.01.2002" (Bl. 90 GA) behaupten will. Durch das Musterschreiben wäre die Beklagte noch nicht in Verzug gesetzt worden. Selbst bei Annahme eines Dispositionskredites - für den allerdings keine Anhaltspunkte vorliegen - wäre die Forderung insoweit am 31.12.2005 verjährt gewesen.

Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 27.06.2016 gegeben, § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO. Innerhalb dieser Frist mag ggf. mitgeteilt werden, ob das Rechtsmittel aus Kostengründen zurückgenommen wird.

Auf das Hinweisschreiben vom 23.05.2016 wurde die Berufung zurückgenommen.