LG Köln, Urteil vom 19.09.2017 - 31 O 158/17
Fundstelle
openJur 2019, 13460
  • Rkr:
Tenor

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 11.05.2017 wird bestätigt.

Die weiteren Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer Rabattwerbung im Bereich des Möbelvertriebs, wie aus Anlage Ast. 3 ersichtlich und nachfolgend eingeblendet:

Der Antragsteller hat am 11.05.2017 eine einstweilige Verfügung der Kammer erwirkt, mit welcher der Antragsgegnerin untersagt worden ist, im geschäftlichen Verkehr handelnd, wie nachstehend wiedergegeben zu werben:

"S2

Mit folgenden Einschränkungen: Gültig nur bei Neuaufträgen, ausgenommen bereits reduzierte Ware und alle Angebote aus unseren Prospekten, Mailings und Anzeigen. Bei Inanspruchnahme keine weiteren Konditionen möglich. Ausgenommen Artikel der Hersteller

(...Es folgte eine Aufzählung der Firmen...)

wenn dies geschieht wie in dem Prospekt ... des R Einrichtungshauses in ...# Q, T-Straße, mit der Gültigkeit der Aktion bis zum 25.04.2017 (Anlage K 3).

Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 08.06.2017 (Bl. 55 ff. d.A.) Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt.

Der Antragsteller behauptet, die Antragsgegnerin habe erstmalig in der vorliegend beanstandeten Werbung mit einer Kombination dieser Einzelelemente geworben. Gegenstand früherer Abmahnungen und noch laufender Verfahrens seien abweichende Werbungen gewesen. Die konkreten Blickfangangaben unterschieden sich erheblich, daran änderten auch ähnliche Erläuterungstexte nichts. Die gewählte Werbedarstellung der Antragsgegnerin habe zur Folge, daß das Wort "FAST" übersehen werde und beim Publikum der Eindruck erweckt werde, der Rabatt gelte "Auf alles". Der Blickfang lasse eine nahezu vollständige Anwendung der Rabattankündigung auf das Gesamtsortiment der Antragsgegnerin erwarten. Der Erläuterungstext sei intransparent. Durch das Zusammenwirken der Einzelumstände löse die Blickfangangabe eine Fehlvorstellung aus, die durch die Formulierung des Erläuterungstextes nicht korrigiert werde. Der Antragsteller ist der Auffassung, es liege sowohl ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot nach § 5 UWG vor, als auch eine Irreführung durch Unterlassen im Sinne von § 5 a UWG.

Der Antragsteller beantragt,

unter Zurückweisung des Widerspruchs vom 08.06.2017 die einstweilige Verfügung der Kammer Az. 31 O 158/17 vom 11. Mai 2017 aufrecht zu erhalten.

Die Antragsgegnerin beantragt:

Die einstweilige Verfügung vom 11.05.2017 wird aufgehoben, der auf ihren Erlaß gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, der Antragsteller habe bereits über dringlichkeitsschädliche Vorkenntnisse verfügt aufgrund einer früheren Abmahnung wegen einer 25 %-Rabattaktion. Im verfahrensgegenständlichen 30 %-Rabattangebot werde die Lesbarkeit des Adverbs "fast" trotz Schrägstellung durch die feine Strichbreite und die kompakte Buchstabenfolge nicht beeinträchtigt. Die Prospekte und die darin enthaltenen Ausnahmen stellten nur einen äußerst kleinen Teil dessen dar, was die Antragsgegnerin insgesamt an Angeboten offeriere. Die 40 Möbelmarken der Ausnahmeliste verteilten sich ebenfalls auf das sehr vielfältige Sortiment des Hauses mit nur wenigen Ausnahmen im jeweiligen Sortimentsbereich. Es sei auch nicht zutreffend, daß alle angeführten Marken dem sog. Hochwertbereich zuzurechnen seien und die Antragsgegnerin sonst keine Marken im Hochwertbereich im Sortiment habe. Zum umfangreichen Polstermöbel-Markenprogramm der Antragsgegnerin gehörten zahlreiche Marken (vgl. im Einzelnen Bl. 59, 60 d.A.). hinzu komme ein umfangreiches Programm an sog. Noname-Polstermöbeln.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung war - auch nach dem weiteren Vorbringen der Verfahrensbeteiligten - zu bestätigen.

I.

Ein Verfügungsgrund liegt vor.

Der Umstand, daß die Klägerin bereits am 09.03.2017 eine sehr ähnliche Werbung, die einen Rabatt von 25 % zum Gegenstand hatte, abgemahnt hat (Anlage AG 1, Bl. 65 ff. d.A.), führt nicht dazu, daß bereits auf diesen Zeitpunkt als Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Rechtsverletzung auf Antragstellerseite abzustellen wäre. Dringlichkeitschädliche Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich. Die Vermutung nach § 12 Abs. 2 UWG ist nicht erschüttert.

II.

Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung aus §§ 3, 5 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2, 8 UWG zu.

Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 2 UWG irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, enthält.

Dazu zählt auch eine Werbung, mit der ein Rabatt in Höhe von 30 % auf eine bestimmte Anzahl von Waren zum Ausdruck gebracht wird. Für die Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung irreführend ist, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den maßgeblichen Verkehrskreisen hervorruft. Sie ist irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.2015 - I ZR 136/13, GRUR 2015, 906 - TIP der Woche).

Die Frage, ob eine Angabe irreführend ist, richtet sich nach dem Verständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und verständigen Mitglieds des angesprochenen Verkehrskreises (BGH, Urteil vom 02.10.2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250 - Marktführerschaft; Urteil vom 07.07.2005 - I ZR 253/02, GRUR 2005, 877 - Werbung mit Testergebnis). Dabei muß sich die Irreführungsgefahr nicht bei der Gesamtheit des Verkehrs realisieren. Ausreichende, aber zugleich notwendige, Voraussetzung ist vielmehr der Eintritt der Gefahr der Irreführung bei einem erheblichen Teil des von der Werbeaussage angesprochenen Verkehrskreises. Das ist im Wege einer Prognoseentscheidung anhand der normativ zu bewertenden Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2012 - I ZR 202/10, GRUR 2012, 1053 - Marktführer Sport).

Adressaten der streitgegenständlichen Werbung sind hier (potentielle) Kunden eines Möbelhauses, die Möbel etc. erwerben möchten. Zu diesen Verkehrskreisen gehören auch die Mitglieder der zur Entscheidung berufenen Kammer, so daß die Kammer die Verkehrsauffassung selbst beurteilen kann (vgl. BGH, GRUR 2012, 1053 - Marktführer Sport).

Danach ist die Werbung der Antragsgegnerin irreführend, weil der angesprochene Verkehr die Werbung so verstehen wird, daß ein Rabatt von 30 % auf das gesamte Programm der Antragsgegnerin mit lediglich wenigen Ausnahmen gemacht wird. Die unter S2 angeführten Ausnahmen bestimmter Hersteller, Produktsegmente und anderer Angebote, die nicht mit dem beworbenen Rabatt kombiniert werden können, sind so umfangreich, daß der nach dem allgemeinen Verständnis mit "fast" definierte, schmale, verbleibende Bereich bis hin zu "alles" jedenfalls überschritten ist.

Dies gilt auch, wenn man den Vortrag der Antragsgegnerin als zutreffend unterstellt, daß sich die Ausnahmeliste auf das sehr vielfältige Gesamtangebot verteilt. Zwar ist das Angebot von Möbelhäusern in diesem Bereich tatsächlich regelmäßig von beträchtlichem Umfang.

Die Antragsgegnerin trägt aber nicht präzise vor, wie groß der prozentuale Anteil, der auf die Produkte in der Ausnahmeliste entfällt, im Verhältnis zum gesamten Angebot tatsächlich ist. Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, dies zu tun hätte aufgrund der Glaubhaftmachungslast dem Antragsteller oblegen, ist dies unzutreffend. Selbst wenn es sich bei den Mitgliedern des Antragstellers (teilweise) selbst um konkurrierende Möbelvertriebshäuser handelt, die über umfassende Kenntnisse des Möbelmarktes verfügen, besitzen weder sie noch der Antragsteller Einblick in das tatsächliche Warenangebot der Antragsgegnerin oder deren Warenwirtschaftssystem. Insoweit oblag der Antragsgegnerin also eine sekundäre Darlegungslast, der sie nicht nachgekommen ist. Dazu hätte sie etwa eine Liste sämtlicher vertriebener Hersteller vorgelegen können, so daß es möglich gewesen wäre, sich ein umfassendes Bild der tatsächlichen Gewichtung der von der Rabattauslobung ausgenommenen Hersteller und Marken zu machen.

Ohne dass es darauf noch in entscheidungserheblichem Umfange ankäme, ist davon auszugehen, dass zur Rechtfertigung einer Auslobung eines Rabattes "auf fast alles" sämtliche Ausnahmetatbestände zusammengenommen jedenfalls unter 5 % sämtlicher Angebote liegen müßten, damit der Zusatz "fast" noch gerechtfertigt wäre. Dies hat die Antragsgegnerin nicht dargetan.

Auf die Frage, ob und inwieweit der "fast"-Zusatz aufgrund der schriftbildlichen Schrägstellung und Kleiner-Schreibung im Verhältnis zum Resttext überhaupt sichtbar war bzw. wahrnehmbar ist und ob der "S2"-Hinweis vom Verkehr wahrgenommen wird, da sich die Auflistung der Ausnahmen erst auf der Folgeseite befindet, kommt es im Ergebnis nicht an.

Ob neben der festgestellten Irreführung nach § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 2 UWG ebenfalls die Voraussetzungen des § 5 a Abs. 2 UWG erfüllt sind, bedarf in Anbetracht des festgestellten Verstoßes gleichfalls keiner Entscheidung.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.