AG Langenfeld, Urteil vom 06.07.2007 - 31 C 194/06
Fundstelle
openJur 2019, 13435
  • Rkr:

Die Kosten eines vom Geschädigten eingeholten Gutachtens sind grundsätzlich auch dann zu ersetzen, wenn das Gutachten - hier: infolge nachgewiesener Manipulation des Kilometerstands eines Unfallfahrzeugs - objektiv mangelhaft und unbrauchbar ist.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vorher Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckbaren Betrages leisten.

Tatbestand

Die Parteien sind durch einen Verkehrsunfall am 18.02.2006 gegen 0:30 Uhr in M. miteinander verbunden. Die Klägerin ist Eigentümerin und Halterin des PKW Mercedes Benz mit dem amtlichen Kennzeichen xxxxx xx, welcher von dem Zeugen N gefahren wurde. Der Beklagte zu 1) ist Fahrer des PKW Ford Ka mit dem amtlichen Kennzeichen yy yyyy, welcher bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war.

Zum Unfallzeitpunkt bremste der Zeuge N das Klägerfahrzeug an einer roten Ampel ab. Als er fast zum Stillstand gekommen war, fuhr der nachfahrende Beklagte zu 1) auf das Klägerfahrzeug auf. Die Haftung der Beklagten zu 100 % dem Grunde nach steht zwischen den Parteien außer Streit.

Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug durch den Sachverständigen I begutachten. Mit Gutachten vom 03.03.2006 (Bl. 5 ff. GA) ermittelte er erforderliche Reparaturkosten an dem Fahrzeug in Höhe von 6.218,72 Euro. Des Weiteren gab er einen Wiederbeschaffungswert für das streitgegenständliche Fahrzeug von 13.100,00 Euro sowie einen Rest von 5.160,00 Euro an. Diese Angaben basierten auf der vom Tachometer angezeigten Laufleistung von 198.498 km. Nach der durchgeführten Besichtigung am 21.02.2006 veräußerte die Klägerin noch am selben Tag das Fahrzeug.

Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten zu 2) die vorgenannten Reparaturkosten sowie die Gutachterkosten in Höhe von 750,98 Euro geltend. Ferner begehrte sie die Erstattung einer Nutzungsausfallentschädigung von 10 x 79,00 Euro sowie der Kostenpauschale von 25,00 Euro.

Die Beklagte zu 2) zahlte an die Klägerin einen Vorschuss in Höhe von 3.000,00 Euro. Eine weitere Regulierung lehnte sie ab und berief sich dazu auf zwei Gutachten, die anlässlich zweier Vorschäden des streitgegenständlichen Fahrzeugs angefertigt worden sind. Ausweislich des Gutachtens der Sachverständigen B F vom 23.06.2003 (Anlage G 2, Bl. 25 ff. GA) wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 191.348 km auf; das Gutachten ebenfalls des Sachverständigen I (Anlage G 1, Bl. 24 GA) gibt am 21.10.2003 einen abgelesenen Kilometerstand von 202.323 km an. Die Beklagte zu 2) verwies darauf, dass bereits im Oktober 2003 der Tachometerstand höher war als beim streitgegenständlichen Unfall im Februar 2006 und damit das Gutachten des Sachverständigen I zur Schadenhöhe ungeeignet sei.

Die Klägerin behauptet, sie habe das Fahrzeug am 18.04.2004 mit einem Tachostand von etwa 149.000 km gekauft, sei also bis zum Unfall etwa 50.000,00 km gefahren. Zwischen der Begutachtung im Oktober 2003 und dem Erwerb sei für das Fahrzeug von einer Laufleistung von nicht über 20.000 km auszugehen, so dass es beim Verkauf etwa 220.000 km zurückgelegt hätte. Ausgehend von diesen Zahlen ergebe sich für den Zeitpunkt des Unfalls eine ungefähre Laufleistung von 270.000 km. Ihrer Ansicht nach seien diese Angaben ausreichend, um die Schadenhöhe zu bestimmen.

Sie beantragt daher,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 4.784,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2006 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten die Richtigkeit der Angaben in dem Gutachten des Sachverständigen I. Ihrer Ansicht nach habe die Klägerin den ihr entstandenen Schaden nicht substantiiert dargelegt, daher seien sie auch nicht zur Schadenbegleichung auf Gutachtenbasis verpflichtet.

Bezüglich des weiteren Parteivortrages wird auf den Inhalt der vorbereitend eingereichten Schriftsätze sowie der Entscheidungsgründe verwiesen.

Gründe

I.

Die Klage ist unbegründet.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der im Gutachten angegebenen Reparaturkosten in Höhe von 6.218,72 Euro. Die tatsächliche Schadenhöhe ist durch die Klägerin nicht schlüssig dargelegt worden.

Ausweislich des Gutachtens ging der Sachverständige bei seinen Kalkulationen von einer Laufleistung des Fahrzeuges von etwa 198.500 km aus. Unstreitig ist, dass diese Angabe deutlich von der tatsächlichen Laufleistung abwich. So wie der PKW bereits vor der Veräußerung an die Klägerin einen Kilometerstand von über 202.000 km auf. Zu der Laufleistung in der Zeit bis zur Veräußerung an die Klägerin konnte diese keine substantiierten Angaben machen. Hinzu kommen noch die bereits von der Klägerin eingeräumten knapp 50.000 km, welche der PKW in der Zeit nach ihrem Erwerb zurückgelegt hat. Aufgrund dieser starken Abweichungen der tatsächlichen von der im Gutachten zugrunde gelegten Laufleistung sind die dort ermittelten Werte nicht geeignet, um den Schaden substantiiert darzulegen.

Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens ist ebenfalls nicht geeignet, um die tatsächliche Schadenhöhe zu ermitteln. Dies wäre nur möglich, wenn die tatsächliche Laufleistung zumindest annähernd bestimmbar wäre. Hierauf ist die Klägerin auch hingewiesen worden. Die unter Beweis gestellte Behauptung, das Fahrzeug habe beim Kauf etwa 149.000 km angezeigt, genügt nicht, da zu diesem Zeitpunkt der Tachometer unzweifelhaft bereits manipuliert worden ist. Soweit die Verkäuferin des Fahrzeugs, die Zeugin X, als Zeugin für die tatsächliche Laufleistung beim Verkauf genannt worden ist, ist zu berücksichtigen, dass ihre Befragung eine Ausforschung darstellen würde. Es obliegt der Partei eines Zivilprozesses, im Vorfeld die Tatsachen zu ermitteln, zu denen ein Zeuge befragt werden soll. Dies ist jedoch auch dann nicht geschehen, als die Zweifel an der Richtigkeit des Tachometerstandes offensichtlich wurden.

2.

Aus den vorgenannten Gründen kommt auch eine Erstattung einer Nutzungsausfallentschädigung nicht in Betracht.

3.

Die Klägerin kann zwar trotz der objektiven Ungeeignetheit des Sachverständigengutachtens zur Darlegung der Schadenhöhe den Ersatz der hierdurch entstandenen Kosten verlangen. Die Kosten eines vom Geschädigten eingeholten Gutachtens sind grundsätzlich vom Schädiger auch dann zu ersetzen, wenn das Gutachten unvertretbar objektiv mangelhaft oder unbrauchbar ist (vgl. Palandt/Heinrichs, § 249 Rn. 40 m.w.N.). Zu berücksichtigen ist nämlich, dass diese Unbrauchbarkeit nicht auf einem von der Klägerin zu vertretenen Umstand beruht, es ist nicht vorgetragen worden, dass sie positive Kenntnis über den geänderten Kilometerstand hatte. In einem solchen Fall ist jedoch auch die Ursache für das fehlerhafte Gutachten durch den Beklagten zu 1) als Schädiger gesetzt worden.

Allerdings hat die Beklagte zu 2) bereits eine Zahlung in Höhe von 3.000,00 Euro geleistet, ohne eine bestimmte Tilgungsbestimmung anzugeben. Demnach ist der Schadenersatzanspruch in Höhe von 750,98 Euro durch Erfüllung untergegangen.

4.

Die Aufwandspauschale in Höhe von 25,00 Euro ist ebenfalls zu ersetzen, da Aufwendungen unabhängig von der Richtigkeit des Gutachtens angefallen sind; insoweit gilt jedoch das zu den Gutachterkosten Gesagte.

5.

Mangels (noch) bestehender Hauptforderung scheidet auch ein Zinsanspruch aus.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

Streitwert: 4.784,70 Euro.