OLG Hamm, Beschluss vom 11.04.2018 - 30 Sch 2/18
Fundstelle
openJur 2019, 13408
  • Rkr:
Tenor

I. Das aus den Schiedsrichtern VROLG a. D. V C, Vizepräsidenten des LSG a. D. W und RA Dr. N B bestehende Schiedsgericht erließ in dem zwischen den Antragstellern als Schiedsbeklagten und dem Antragsgegner als Schiedskläger geführten Schiedsverfahren, an dem die Gemeinschaftspraxis Dr. E und Dr. X, Fachärzte für Augenheilkunde GbR, ...str. in P, die D Klinik GmbH, ...allee in P und die D Investment GbR, ...allee in P beteiligt waren, am 03.05.2017 in Essen folgenden Schiedsspruch:

1. -3. ...

4. Der Kläger wird es unterlassen, zu behaupten, die Beklagten und/oder die weiteren Beteiligten hätten Vergütungen falsch oder nicht ordnungsgemäß abgerechnet.

5.-8. ...

II. Dieser Schiedsspruch wird hinsichtlich dessen Ziffer 4 für vollstreckbar erklärt.

III. Die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens einschließlich der durch den Aufhebungsantrag entstandenen Kosten trägt der Antragsgegner.

IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

V. Der Gegenstandswert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren die Vollstreckbarerklärung einer Ziffer aus einem aufgrund einer Schiedsvereinbarung vom 01.01.2007 am 03.05.2017 erlassenen Schiedsspruch.

Der streitgegenständliche Schiedsspruch, der den Parteien am 03.05.2017 unmittelbar im Anschluss an die Verhandlung als Erstausfertigung überreicht und darüber hinaus am 18.05.2017 förmlich zugestellt worden ist, enthält zu Ziffer 4 die folgende Regelung:

"Der Kläger wird es unterlassen, zu behaupten, die Beklagten und/oder die weiteren Beteiligten hätten Vergütungen falsch oder nicht ordnungsgemäß abgerechnet."

Die Antragsteller machen geltend, der Antragsgegner habe Patienten dahingehend zu instrumentalisieren versucht, dass diese über den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners unter anderem gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung die unrichtige Behauptung aufstellen, die Antragsteller bzw. die insoweit als Begünstigte in den Schutzbereich des Schiedsspruchs einbezogenen weiteren Beteiligten hätten Vergütungen falsch oder nicht ordnungsgemäß abgerechnet. Der Antragsgegner habe damit gegen die aus dem Schiedsspruch resultierenden Pflichten verstoßen.

Die Antragsteller beantragen,

den Schiedsspruch in folgendem Umfang für vollstreckbar zu erklären:

Der Kläger wird es unterlassen, zu behaupten, die Beklagten und/oder die weiteren Beteiligten hätten Vergütungen falsch oder nicht ordnungsgemäß abgerechnet.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Antrag sei unzulässig, da er keinen Bezug auf Ziffer 4 des Schiedsspruchs nehme.

Dem Antrag fehle überdies das Rechtsschutzinteresse. Die Antragsteller hätten ihre Abmahnung vom 05.09.2017 nicht weiterverfolgt und damit zu erkennen gegeben, dass sie daran kein Interesse mehr hätten. Den Antragstellern stehe überdies im Verhältnis zu dem jetzt eingeschlagenen Weg einer Vollstreckung aus dem Schiedsspruch ein weitaus effektiveres Mittel zur Verfügung. Sie hätten nämlich im September 2017 im Wege einer einstweiligen Verfügung gegen den Antragsgegner vorgehen können. Auf diesem Wege hätten sie einen sofort vollstreckbaren Titel erlangt und müssten nicht den langwierigen Weg einer Vollstreckung aus dem Schiedsspruch gehen. Jedenfalls könnten sie das im Antrag beschriebene Rechtsschutzziel einer Sanktion für ein Verhalten des Antragsgegners in der Vergangenheit durch eine Vollstreckung aus Ziffer 4 des Schiedsspruchs nicht erreichen, da sie keinen Androhungsbeschluss erwirkt hätten.

Ziffer 4 des Schiedsspruchs sei zu weitgehend, da sie falsche und richtige Behauptungen gleichermaßen erfasse. Dem Antragsgegner könne jedoch nicht untersagt werden, richtige Behauptungen aufzustellen. Dies hätten auch die Antragsteller bisher so gesehen. Sie hätten nämlich den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch mit Schreiben von 05.09.2017 auf der Grundlage der §§ 1004, 824 Abs. 1, 826, 823 Abs. 1 sowie 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 186, 187 StGB geltend gemacht. Aus diesem Grunde verstoße Ziffer 4 des Schiedsspruchs gegen die guten Sitten und sei nach § 138 BGB nichtig.

Überdies sei der Anspruch auf Vollstreckbarerklärung wegen des langen Zeitablaufs seit dem Schiedsspruch verwirkt.

Den mit Schriftsatz vom 01.03.2018 gestellten Antrag, den Schiedsspruch wegen Kompetenzüberschreitung des Schiedsgerichts gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c ZPO hinsichtlich dessen Ziffer 4 aufzuheben, hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 29.03.2018 zurückgenommen.

II.

Dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist stattzugeben.

1. Der Antrag ist zulässig. Die allgemeinen Prozessvoraussetzungen und die speziellen Erfordernisse eines Schiedsspruchs liegen vor.

a) Das Oberlandesgericht Hamm ist nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zuständig, weil die Stadt Essen als Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm liegt.

b) Es liegt ein Antrag einer (wenigstens teilweise siegreichen) Partei vor (vgl. § 1060 Abs. 2 ZPO und BGH WM 2007, 1051 juris Rn. 8). Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt. Der Teil des Schiedsspruchs, dessen Vollstreckbarerklärung begehrt wird, wird darin vollständig zitiert. Eine Frist ist für den Antrag nicht vorgesehen.

c) Vorgelegt ist auch der Schiedsspruch in beglaubigter Abschrift (§ 1064 Abs. 1 ZPO), dessen Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen in § 1054 Abs. 1 bis 3 ZPO entspricht. Da es sich um einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut handelt, war er nicht zu begründen, § 1054 Abs. 2 ZPO.

d) Der Schiedsspruch ist den unwidersprochenen Ausführungen des Antragstellers zufolge den Parteien unmittelbar im Anschluss an die Verhandlung am 03.05.2017 als Erstausfertigung überreicht und ihnen darüber hinaus am 18.05.2017 förmlich zugestellt worden.

e) Der Schiedsspruch ist auch vollstreckungsfähig. Soweit der Antragsgegner reklamiert, der Ausspruch dürfe nur falsche Behauptungen erfassen, und eine dahingehende Einschränkung/Korrektur des Schiedsspruchs begehrt, ist dies nicht mehr Teil der vom Senat herzustellenden Bestimmtheit. Zwar hat das Gericht, für dessen Vollstreckbarerklärung der Bestimmtheitsgrundsatz gilt, für die notwendige Konkretisierung des Schiedsspruchs zu sorgen (Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl. § 1060 Rn. 22). Eine zu weite Fassung eines Verbots - diese hierfür unterstellt - führt aber nicht dazu, dass das Verbot nicht hinreichend bestimmt wäre (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. § 253 Rn. 13b). Eine solche Korrektur stellte damit keine Konkretisierung zur Erfüllung des Bestimmtheitserfordernisses dar, sondern eine inhaltliche Veränderung, die unzulässig wäre (vgl. Voit in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl. § 1060 Rn. 14).

f) Es fehlt auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis.

Soweit der Antragsgegner rügt, ein solches fehle deswegen, weil die Antragsteller den Unterlassungsanspruch zunächst mit Schreiben vom 05.09.2017 geltend gemacht, dann aber nicht mehr weiterverfolgt hätten, trägt dies nicht. Der Verlust des Rechtsschutzinteresses folgt weder daraus, dass sich die Antragsteller zwischenzeitlich entschieden hatten, eine Abmahnung mit einer beigefügten Unterlassungsverpflichtungserklärung zu versenden, noch daraus, dass sie danach vier Monate untätig geblieben sind, bevor sie den hier gegenständlichen Antrag eingereicht haben. Einen gleichwertigen Titel wie die hier begehrte Vollstreckbarerklärung halten sie nicht in Händen.

Dass Grundlage des Schiedsspruchs gewesen wäre, dass zukünftige Verstöße zu besorgen seien und andererseits diese Grundlage aufgrund einer konkreten und nachträglichen Entwicklung weggefallen wäre, trägt der Antragsgegner nicht vor. Ob einem solchen Einwand im vorliegenden Verfahren unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses nachzugehen wäre, kann daher offen bleiben.

Dies gilt auch für den Verwirkungseinwand, der allein aufgrund eines Zeitablaufs von nicht einmal einem Jahr ersichtlich nicht durchgreift.

Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, anders als der Antragsgegner meint, auch nicht deswegen, weil mit dem hier begehrten Vollstreckungstitel noch keine Androhung nach § 890 Abs. 2 ZPO verbunden ist. Vollstreckungstitel gemäß § 794 Abs. 1 Ziffer 4a ZPO ist die hier begehrte Entscheidung, nicht hingegen der Schiedsspruch. Dass mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung nicht zugleich eine Androhung beantragt worden ist, nimmt dem Antrag nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Dies ergibt sich schon allein daraus, dass § 890 Abs. 2 ZPO für den Fall, dass die Androhung nicht in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil enthalten ist, die Möglichkeit vorsieht, dass diese auf Antrag erst später vom Prozessgericht erlassen wird.

Offen bleiben kann daher auch, ob es eines (besonderen) Rechtsschutzbedürfnisses überhaupt bedarf. Dafür spricht, dass die allgemeinen Prozessvoraussetzungen erfüllt sein müssen. Soweit vertreten wird, für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs bestehe schon deswegen (immer) ein rechtlich anzuerkennendes Interesse, weil die Vollstreckbarerklärung nicht nur dazu diene, die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen, sondern auch den Schiedsspruch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen umfassend abzusichern (vgl. OLG München, Beschluss vom 07.01.2015 - 34 Sch 12/14, juris Rn. 22), könnte nach Einführung der Frist des § 1059 Abs. 3 ZPO generell oder im Einzelfall - wie hier - nach Ablauf dieser Frist etwas anderes gelten. Darauf kommt es hier indes nicht an, weil - wie ausgeführt - ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist.

2. Der Antrag ist auch begründet im Sinne des § 1060 Abs. 2 ZPO.

Dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung steht kein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 ZPO entgegen.

a) Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (hier: die geltend gemachte Kompetenzüberschreitung nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. c ZPO) sind nicht zu prüfen, weil der Aufhebungsantrag des Antragsgegners zurückgenommen worden ist. Der (zunächst gestellte) Aufhebungsantrag war überdies unzulässig, da er die Drei-Monatsfrist des § 1059 Abs. 3 ZPO nicht einhielt. Nach Ablauf der Frist können Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dem Vollstreckbarerklärungsantrag nicht mehr entgegengesetzt werden, § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO.

b) Von Amts wegen zu prüfende Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, für die die Frist des § 1059 Abs. 3 ZPO nicht gilt (MünchKomm-ZPO/Münch, 5. Aufl. § 1060 Rn. 21), liegen im Streitfall nicht vor. Weder ist der Gegenstand des Streites nach deutschem Recht nicht schiedsfähig noch führt die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis, das der öffentlichen Ordnung widerspricht. Der vom Antragsgegner erhobene Einwand der Sittenwidrigkeit des Schiedsspruchs, der auch nach seinem Vorbringen nicht darauf beruht, dass etwa eine Zwangslage des Antragsgegners in nicht hinnehmbarer Weise ausgenutzt worden wäre, oder er sich zu einem sittlich verwerflichen Verhalten verpflichtet hätte, greift ersichtlich nicht durch.

c) Weitere Aufhebungsgründe als die genannten kommen nicht in Betracht. Die Aufzählung in § 1059 Abs. 2 ZPO ist abschließend; die Vollstreckbarerklärung ist kein Rechtsmittelverfahren (MünchKomm-ZPO/Münch, 5. Aufl. § 1060 Rn. 18). Die materielle Richtigkeit des Schiedsspruchs ist nicht zu prüfen (BGH MDR 2008, 156).

Soweit der Antragsgegner den Schiedsspruch in bestimmter Weise auslegt und auf der Grundlage dieser Auslegung eine zu weite Fassung des Verbots rügt, obliegt dies ebenfalls nicht der Überprüfung durch den Senat. Dieser weist nur ergänzend darauf hin, dass die Beteiligten gemäß Ziffer 8 des Schiedsspruchs das Schiedsgericht mit der Beseitigung von Auslegungsproblemen beauftragt haben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Erklärung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 1064 Abs. 2 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes orientiert sich am Vorschlag der Antragsteller. Soweit der Antragsgegner eingewandt hat, der Vorschlag berücksichtige nicht, dass es hier nur um eine von 8 Ziffern des Vergleichs gehe, trägt dies schon deswegen nicht, weil allein der Zahlungsausspruch zu Ziffer 1 des Schiedsspruchs einen Betrag von 650.000 € beinhaltet.

Auf den Beschluss vom 11.04.2018 ist der Ergänzungsbeschluss vom 03.072018 ergangen.