LG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2014 - 2a O 55/14
Fundstelle
openJur 2019, 13356
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union Webstoffe und Textilwaren, insbesondere Handtücher herzustellen, einzuführen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu bewerben, die das Zeichen

tragen, insbesondere, wenn dies in der nachstehend eingeblendeten Form

erfolgt, wenn diese Waren nicht von der Klägerin oder nicht mit deren Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden sind.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin all jenen Schaden zu ersetzen haben, der ihr seit dem 02.07.2008 aus den Handlungen gemäß I. entstanden ist oder zukünftig noch entstehen wird.

III. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu I. bezeichneten Handlungen seit dem 02.07.2008 begangen haben, und zwar unter Angabe

1. der Herstellungsmengen und -zeiten, der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen und/oder Artikelnummern sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen und/oder Artikelnummern sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Herstellungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

hinsichtlich der Angaben zu 1. und 2. die entsprechenden Rechnungen in Ablichtung vorzulegen sind,

und

es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger und Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu benennenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, der seinen Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

IV. Die Widerklage wird abgewiesen.

V. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar hinsichtlich Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 80.000,00 Euro, hinsichtlich Ziffer III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 Euro und hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Bei der Klägerin und Widerbeklagten (im Folgenden: Klägerin) handelt es sich um einen wirtschaftlichen Verein kraft staatlicher Verleihung, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben insbesondere die Wahrung und Förderung der Interessen aller mit der Verarbeitung und der Veredelung von Baumwolle und Baumwollprodukten sowie sonstigen Textilfasern und Textilfaserprodukten Beteiligten gehört.

Die Klägerin ist Inhaberin der der am 22.06.2007 angemeldeten und am 22.05.2008 in das Markenregister eingetragenen Gemeinschaftsbildmarke Nr. ...#/... (im Folgenden: Klagemarke):

Die Klagemarke genießt unter anderem Schutz für die folgenden Waren:

Klasse 23: „Garne und Fäden für textile Zwecke, insbesondere Baumwollgarne und fäden.“

Klasse 24: „Webstoffe und Textilwaren, soweit nicht in anderen Klassen enthalten; Bett- und Tischdecken; alle vorbezeichneten Waren auch aus oder unter Verwendung von Baumwolle hergestellt; Baumwollstoffe.“

Klasse 25: „Bekleidungsstücke; insbesondere Bekleidungsstücke, soweit aus oder unter Verwendung von Baumwolle hergestellt.“

Klasse 27: „Teppiche, Fußmatten, Matten und andere Bodenbeläge; alle vorbezeichneten Waren auch aus oder unter Verwendung von Baumwolle hergestellt.“

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den als Anlage K1 eingereichten Registerauszug des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt Bezug genommen.

Die Klagemarke wird mit Zustimmung der Klägerin durch ihre Lizenznehmer zur Kennzeichnung von Baumwollerzeugnissen benutzt.

Die Beklagte und Widerklägerin zu 1) (im Folgenden: Beklagte zu 1) ist im Bereich der Textilproduktion und -veredelung tätig. Insbesondere fertigt die Beklagte zu 1) Handtücher. Der Beklagte und Widerkläger zu 2) (im Folgenden: Beklagter zu 2) ist Geschäftsführer der Beklagten zu 1) (vgl. Handelsregisterauszug, Anlage K8).

Die Beklagte zu 1) bietet Handtücher an, die mit einem Hängeetikett versehen sind, auf dem die Klagemarke wie nachstehend wiedergegeben abgebildet ist:

Mit Schreiben vom 07.05.2013 (Anlage K12) und anwaltlichem Schreiben vom 02.09.2013 (Anlage K13) wies die Klägerin die Beklagte zu 1) auf ihre Markenrechte hin und forderte sie auf, einen Lizenzvertrag abzuschließen. Dies lehnte die Beklagte zu 1) ab.

Die Klägerin behauptet, weltweit in einem Verbund mit 17 weiteren Baumwollorganisationen für die vertragsgemäße Abwicklung des Baumwollgeschäfts zu sorgen. Weiterhin behauptet sie, auf der Grundlage der in ihrer Ausgangsfassung bereits seit 1872 geltenden „Bedingungen für den Bremer Baumwollhandel“ die Rahmenbedingungen für den Handel mit Rohbaumwolle, Baumwollfasern und Fasermischungen zu stellen. Überdies behauptet die Klägerin, sich der Etablierung eines internationalen Baumwollzeichens zu widmen und die Klagemarke für reine Baumwolle und für aus qualitativ hochwertigen Baumwollfasern als Vorprodukt hergestellte Endprodukte im Markt zu etablieren. Schließlich behauptet die Klägerin unter Vorlage eines Registerauszugs des Deutschen Patent- und Markenamtes (Anlage K17), das internationale Baumwollzeichen sei bereits seit dem 04.01.1966 als internationale Marke Nr. 307 247 für die B, unter anderem mit Schutzwirkung für Deutschland, eingetragen gewesen, aber inzwischen verfallen. Die B habe sich im Jahre 1994 aufgelöst. Sämtliche Versuche, die Weiterführung des internationalen Baumwollzeichens durch eine internationale Körperschaft zu ermöglichen, seien gescheitert.

Die Klägerin ist der Ansicht, durch die Verwendung des streitgegenständlichen Zeichens verletzte die Beklagte zu 1) die Klagemarke.

Nachdem die Klägerin die Klageanträge zu Ziffern II. und III. auf gewerbliche Abnehmer und Angebotsempfänger sowie auf den Zeitraum ab dem 02.07.2008 beschränkt hat, beantragt sie nunmehr,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragen sie,

die Gemeinschaftsmarke Nr. 6029111 für nichtig, hilfsweise mit Wirkung zum 23.05.2013 für verfallen zu erklären.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Sie sind der Ansicht, eine Markenverletzung sei nicht gegeben. Es fehle bereits an einer markenmäßigen Benutzung, da das von der Beklagten zu 1) verwendete Symbol von den angesprochenen Verkehrskreisen als beschreibender Hinweis auf die Inhaltsstoffe der Waren verstanden würde. Überdies erheben die Beklagten die Einrede der Nichtbenutzung, da die Klagemarke rein beschreibend verwendet würde. Schließlich sind sie der Ansicht, eine Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben. Insbesondere liege keine Waren-/Dienstleitungsähnlichkeit oder gar -identität vor. Die Beklagten behaupten, im Betrieb der Beklagten zu 1) sei eine stilisierte Baumwollblüte spätestens seit Mitte der 60er Jahre für verschiedene Textilien aus reiner Baumwolle verwendet worden. Beispielhaft für die umfangreiche Benutzung durch die Beklagte zu 1) vor Anmeldung der Klagemarke legen sie Auszüge aus den Preislisten 2003 bis 2005, Produkteinleger und Artikelbeschreibungen (Anlagen B1 bis B7, B13) vor. Auch andere deutsche und ausländische Betriebe würden das Zeichen in identischer oder ähnlicher Form seit langer Zeit zur Beschreibung des Ausgangsstoffes ihrer Waren, der Baumwolle, benutzen. So benutze die K das streitgegenständliche Zeichen seit 1988 auf ihren Verpackungen in Deutschland und Europa; die E GmbH aus S2, die seit 1948 Frottierwaren und Bettwäsche in Deutschland produziere, verwende das streitgegenständliche Zeichen ebenfalls lange vor der Markenanmeldung durch die Klägerin in Deutschland und im europäischen Ausland; die Wilh. X2 GmbH & Co. KG aus C2 benutze das streitgegenständliche Zeichen in erheblichem Umfang, zum Beispiel in den Jahre 2001 bis 2003, in den Einlegern von Spannbetttüchern (Anlagen B14 bis B16.4).

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Widerklage ist zulässig, hat aber in der Sache selbst keinen Erfolg.

I. 1.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten zu, Art. 9 Abs. 1 lit. b, Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Art. 102 GMV.

Nach Art. 9 Abs. 1 lit. b GMV kann der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke einem Dritten verbieten, ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Gemeinschaftsmarke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Gemeinschaftsmarke und das Zeichen erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

a.

Die Klägerin ist Inhaberin der Gemeinschaftsbildmarke Nr. ...#/... mit Priorität vom 22.06.2007.

b.

Das Vorliegen der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Diese umfassende Beurteilung impliziert eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, so kann ein geringerer Grad an Warenähnlichkeit durch einen höheren Grad der Zeichenähnlichkeit ausgeglichen werden und umgekehrt.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend eine Verwechslungsgefahr zwischen der Klagemarke und dem angegriffenen Zeichen zu bejahen.

aa.

Es kann dahinstehen, ob die Kennzeichnungskraft, wie von den Beklagten geltend gemacht, wegen beschreibender Bedeutung verringert ist. Auch bei Unterstellung einer nur geringen Kennzeichnungskraft liegt aufgrund der hochgradigen Zeichenähnlichkeit Verwechslungsgefahr zwischen der Gemeinschaftsbildmarke und dem angegriffenen Zeichen vor.

bb.

Zwischen der Klagemarke und dem von der Beklagten zu 1) zur Kennzeichnung der von ihr vertriebenen Handtücher verwendeten Zeichen besteht hochgradige Zeichenähnlichkeit. Die Beklagte zu 1) verwendet auf dem an den Produkten angebrachten Hängeetikett ein mit der Klagemarke identisches Zeichen. Der Schutzbereich der Klagemarke erfasst alle farbigen Wiedergaben, da es sich um eine schwarzweiße Eintragung handelt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, § 9 Rn. 203). Soweit auf dem Hängeetikett neben der Klagemarke weitere Wort- und Bildelemente enthalten sind, stehen diese einer Zeichenähnlichkeit nicht entgegen. Bei der Aufschrift „100 % Baumwolle cotton coton katoen algadón Xnonok“ handelt es sich um die Angabe des Rohstoffs der angebotenen Produkte sowie deren Übersetzung in andere Sprachen, die als rein beschreibender Bestandteil hinter der Klagemarke zurücktritt. Auch die Wortelemente des Prüfsiegels „CONFIDENCE IN TEXTILES“ treten als beschreibend im Gesamteindruck des Hängeetiketts zurück. Die im Rahmen des Prüfsiegels verwendete stilisierte Blüte schließt eine Zeichenähnlichkeit ebenfalls nicht aus, da sie zum einen in räumlichem Abstand zu der Klagemarke abgebildet ist und zum anderen als Bestandteil des Prüfsiegels wahrgenommen wird.

cc.

Zwischen den vom Schutzbereich der Klagemarke erfassten „Textilwaren“ und den von der Beklagten zu 1) vertriebenen Handtüchern besteht Warenidentität, zumindest aber hochgradige Warenähnlichkeit.

c.

Die Beklagte zu 1) hat das Zeichen auch markenmäßig benutzt.

Eine Verletzungshandlung nach Art. 9 Abs. 1 lit. b. GMV kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn die angegriffene Bezeichnung markenmäßig verwendet wird. Eine markenmäßige Verwendung setzt voraus, dass das Zeichen im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen dient (vgl. nur Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage, § 14 Rn. 132 m.w.N.). Die Rechte aus der Marke nach Art. 9 Abs. 1 lit. b GMV sind daher auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen Dritten die Hauptfunktion, das heißt die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber dem Verbraucher, beeinträchtigt oder immerhin beeinträchtigen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2010, I ZR 17/05, juris Rn. 25 – Pralinenform II).

Maßgeblich für die Frage, ob ein Zeichen als Herkunftshinweis verstanden wird, sind die Verkehrskreise, die von den Waren oder Dienstleistungen angesprochen werden, die von dem das fragliche Zeichen verwendenden Dritten vertrieben werden (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage, § 14 Rn. 138 unter Hinweis auf EuGH GRUR 2007, 318 – Adam Opel; EuGH GRUR 2007, 971 – Céline).

Der verständige Durchschnittsverbraucher – so auch die Mitglieder der hiesigen Kammer – versteht das von der Beklagten zu 1) verwendete Zeichen als Herkunftshinweis. Insbesondere wird das Zeichen nicht als beschreibende Angabe des Rohstoffs der Handtücher, der Baumwolle, verstanden, da es zumindest nicht ohne Weiteres als Abbildung einer Baumwollblüte oder -kapsel erkennbar ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das von der Beklagten zu 1) verwendete Hängeetikett neben der Klagemarke die Aufschrift „100 % Baumwolle“ nebst Übersetzung in andere Sprachen enthält. Die Klagemarke und die Aufschrift „100 % Baumwolle“ werden bereits deshalb nicht unmittelbar miteinander in Verbindung gebracht, da sie nicht als einheitliches Zeichen, sondern räumlich getrennt voneinander wahrgenommen werden. Überdies ist die Klagemarke in der Farbe Grün abgebildet, die Worte „100 % Baumwolle“ hingegen in schwarzer Schrift. Dass das streitgegenständliche Zeichen auf einem Hängeetikett und nicht unmittelbar auf dem Produkt verwendet wird, steht einer markenmäßigen Benutzung ebenfalls nicht entgegen.

Aus dem gleichen Grund greift auch der Einwand des Art. 12 lit. b GMV nicht durch.

d.

Die von den Beklagten erhobene Einrede der Nichtbenutzung der Klagemarke gemäß Art. 15 Abs. 1, Art. 99 Abs. 3 hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat unter Vorlage von Lizenzverträgen und Benutzungsmustern (Anlagen K2 bis K6, K32 bis K 44) dargelegt, dass die Klagemarke mit ihrer Zustimmung durch zahlreiche Lizenznehmer zur Kennzeichnung von Baumwollerzeugnissen benutzt wird. Dies wird von den Beklagten auch nicht in Abrede gestellt. Die Benutzung des Zeichens  stellt nach Ansicht der Kammer eine rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke für die vom Schutzbereich der Klagemarke erfassten „Textilwaren“ dar, da das Zeichen – wie ausgeführt – von den angesprochenen Verkehrskreisen herkunftshinweisend verstanden wird.

e.

Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Klägerin sei es wegen Rechtsmissbrauchs versagt, Ansprüche aus der Klagemarke nach Art. 9 Abs. 1 lit. b) GMV geltend zu machen. Insbesondere liegt keine bösgläubige Markenanmeldung seitens der Klägerin vor.

Eine bösgläubige Markenanmeldung liegt vor, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen (BGH, Beschluss vom 20.05.2009 – I ZB 53/08, Schuhverzierung, juris Rn. 16 m.w.N.; vgl. EuGH GRUR 2009, 763 – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli, juris Rn. 40).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Insoweit kann dahinstehen, ob eine Vorbenutzung der Klagemarke seitens der Beklagten zu 1) bereits seit Mitte der 60er Jahre oder zu einem späteren Zeitpunkt gegeben ist. Jedenfalls fehlt es an den für eine bösgläubige Markenanmeldung erforderlichen besonderen Umständen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Klagemarke ausschließlich oder überwiegend mit dem Ziel angemeldet hat, Dritte rechtsmissbräuchlich zu behindern. Vielmehr bestand ein zureichender sachlicher Grund für die Anmeldung der Klagemarke als Gemeinschaftsmarke. Unstreitig umfassen die satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin insbesondere die Wahrung und Förderung der Interessen aller mit der Verarbeitung und der Veredelung von Baumwolle und Baumwollprodukten sowie sonstigen Textilfasern und Textilfaserprodukten Beteiligten. Ihre Lizenznehmer benutzen die Klagemarke mit Zustimmung der Klägerin zur Kennzeichnung von Baumwollerzeugnissen.

f.

Der Beklagte zu 2) haftet als Geschäftsführer persönlich für die in dem von ihm geleiteten Unternehmen begangene Kennzeichenverletzung.

Nach der kürzlich zum Wettbewerbsrecht ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Geschäftsführerhaftung“ (Urteil vom 18.06.2014, Az.: I ZR 242/12) ist eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft zu bejahen, wenn der Wettbewerbsverstoß auf einem Verhalten beruht, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen dem Geschäftsführer anzulasten ist. Dies sei etwa bei der rechtsverletzenden Benutzung einer bestimmten Firmierung und dem allgemeinen Werbeauftritt eines Unternehmens, über die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird, anzunehmen (BGH aaO, juris Rn. 19 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabs sind die Voraussetzungen für eine persönliche Haftung des Beklagten zu 2) vorliegend gegeben. Bei den von der Beklagten zu 1) verwendeten Hängeetiketten handelt es sich um ein allgemeines Konzept des Unternehmens zur Kennzeichnung der von ihr vertriebenen Produkte, über welches typischerweise vom Geschäftsführer des Unternehmens entschieden wird. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass  es sich bei dem Beklagten zu 2) um den alleinigen Geschäftsführer und Namensgeber der Beklagten zu 1) handelt. Dass die Kennzeichenverletzung auf anderer Ebene des Unternehmens zu verantworten ist, wird von den Beklagten nicht geltend gemacht.

2.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten folgt aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Art. 102 GMV i. V. m. § 125b Nr. 2, § 14 Abs. 6 MarkenG. Den Beklagten ist zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen, da sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Die Beklagten hätten, um eine Haftung wegen Fahrlässigkeit auszuschließen, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachten, mithin die Rechtslage gründlich prüfen müssen. Dass sie dies getan haben, etwa durch Einholung anwaltlicher Beratung, haben die Beklagten nicht vorgetragen.

3.

Der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten folgt aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Art. 102 GMV i. V. m. § 125b Nr. 2, § 19 Abs. 1 und 3 MarkenG.

II.

Die zulässige Widerklage hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit gemäß Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 52 Abs. 1 GMV ist unbegründet.

a.

Die Klagemarke ist nicht wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 52 Abs. 1 lit. a. i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. b. GMV für nichtig zu erklären.

Unterscheidungskraft im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. b der Markenrichtlinie ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, die von der Markenanmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden sowie deren Ursprungsidentität zu gewährleisten (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage, § 8 Rn. 56 mit Hinweisen zur Rechtsprechung des EuGH).

Nach Ansicht der Kammer fehlt der Klagemarke nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. b der Markenrichtlinie. Insbesondere handelt es sich bei der Klagemarke nicht um die übliche Darstellung einer Baumwollkapsel. Vielmehr weist die Klagemarke charakteristische Merkmale auf. Dem angesprochenen Verbraucher mag zwar das Bild einer realen Baumwollblüte geläufig sein. Gleichwohl handelt es sich bei der Klagemarke um eine Abbildung, die Raum für anderweitige Interpretationsmöglichkeiten lässt. Beispielsweise kann das Zeichen auch als stilisierte Darstellung eines Baumes interpretiert werden. Dass eine Baumwollkapsel auch in abweichenden graphischen Ausgestaltungen dargestellt werden kann, ergibt sich aus dem als Anlage K18 eingereichten Rechercheergebnis aus dem Gemeinschaftsmarkenregister.

Eine andere rechtliche Bewertung lässt auch nicht aus dem von den Beklagten als Anlage B17.1 vorgelegten Beschluss des Bundespatentgerichts vom 30.07.1996 (Az.: 27 W (Pat) 86/95) herleiten. Zwar hat das Bundespatentgericht in dieser Entscheidung ausgeführt, der dort angemeldeten Marke, einer stilisierten Abbildung der Baumwollkapsel bzw. -blüte in Verbindung mit den Begriffen „Naturfaser Baumwolle“, fehle das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Gleichwohl hat es dies damit begründet, die Verwendung einer völlig oder ganz weitgehend entsprechenden Abbildung einer Baumwollblüte in der Werbung für Bekleidungsstücke aus Baumwolle, regelmäßig zusammen mit beschreibenden Begriffen wie „reine Baumwolle“ sei gang und gäbe. Bei der vorliegend zu betrachtenden Klagemarke handelt es sich hingegen um ein stilistisches Zeichen ohne beschreibende Wortbestandteile.

b.

Ein absoluter Nichtigkeitsgrund gemäß Art. 52 Abs. 1 lit. a. i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. c. GMV ist ebenfalls nicht gegeben. Danach ist eine Gemeinschaftsmarke für nichtig zu erklären, wenn sie ausschließlich aus Zeichen oder Angaben besteht, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware dienen können.

Die Klagemarke wird von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als beschreibende Angabe des Rohstoffs der Produkte verstanden. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Ziffer II.1.a. Bezug genommen.

c.

Die Klagemarke ist auch nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 52 Abs. 1 lit. a. i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. d. GMV für nichtig zu erklären. Es handelt sich nicht um eine Marke, die ausschließlich aus einem Zeichen zur Bezeichnung der Ware besteht, das in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten üblich geworden ist. Zu den beteiligten Verkehrskreisen gehören alle Personen, an die sich die von der Gemeinschaftsmarke erfassten Produkte wenden (Eisenführ/Schennen, GMV, 4. Auflage, Art. 7 Rn. 204). Für die beteiligten Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der hiesigen Kammer gehören, stellt die Klagemarke kein übliches Zeichen für den Rohstoff „Baumwolle“ dar. Vielmehr sind die Verbraucher daran gewöhnt, dass die Angabe des Rohstoffs von Textilwaren in Schriftform wie beispielsweise „100 % Baumwolle“ erfolgt.

d.

Es liegt auch kein Fall einer bösgläubigen Markenanmeldung gemäß Art. 52 Abs. 1 lit. b. GMV vor, da die Klägerin die Klagemarke jedenfalls nicht ausschließlich oder überwiegend mit dem Ziel angemeldet hat, Dritte rechtsmissbräuchlich zu behindern. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen.

2.

Die Beklagten können ihre Widerklage auch nicht mit Erfolg auf einen Verfall der Klagemarke wegen Nichtbenutzung gemäß Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 51 Abs. 1 lit. a. GMV stützen.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Widerklage auf Löschung der Klagemarke wegen Verfalls obliegt vorliegend den Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 10.04.2008, I ZR 167/05 – LOTTOCARD, juris Rn. 19 m.w.N.). Die Klägerin ist erst im Rahmen der ihr möglicherweise zukommenden sekundären Darlegungslast gehalten, näher zur Benutzung vorzutragen (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage, § 55, Rn. 12).

Die Benutzung der Klagemarke an sich wird von den Beklagten nicht in Abrede gestellt. Insoweit bedurfte es keiner Überprüfung, ob die Klagemarke im maßgeblichen Zeitraum für die einzelnen im Warenverzeichnis enthaltenen Waren benutzt wurde. Ihr Vortrag bezieht sich allein darauf, dass die Klagemarke nicht markenmäßig, sondern rein beschreibend verwendet werde. Dem kann nicht zugestimmt werden. Vielmehr stellt die Benutzung des Zeichens nach Ansicht der Kammer eine rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke für Textilwaren dar, da das Zeichen - wie bereits oben unter Ziffer I.1.c. ausgeführt - von den angesprochenen Verkehrskreisen herkunftshinweisend verstanden wird.

III.

Die Kostenscheidung folgt aus §§ 91, 100 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 269 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird auf 150.000,00 Euro festgesetzt. Hiervon entfallen auf die Klage 100.000,00 Euro (Klageantrag zu Ziffer I.: 80.000,00 Euro; Klageantrag zu Ziffer II.: 16.000,00 Euro; Klageantrag zu Ziffer III.: 4.000,00 Euro) und auf die Widerklage 50.000,00 Euro.

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