FG Köln, Urteil vom 11.05.2016 - 2 K 2123/13
Fundstelle
openJur 2019, 12539
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. XI R 25/16
Tenor

Die Bescheide vom 07.09.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 07.06.2013 werden dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verpflichtet wird, für den Zeitraum Juli bis Dezember 2011 Vorsteuern i. H.v. 1747,64 € zu vergüten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 10 %, der Beklagte zu 90 %.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 1915 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Vorsteuern für den Zeitraum Juli bis Dezember 2011 i.H.v. 1915,01 €.

Die Klägerin ist ein in der Tschechischen Republik ansässiges Unternehmen.

Am 10.11.2011 stellte sie einen Antrag auf Vergütung von Vorsteuern i.H.v. 1861,71 € für den Zeitraum Juli bis September 2011. Dem Antrag waren teilweise Rechnungen in elektronischer Form beigefügt, die den Aufdruck "Copy" trugen.

Daraufhin vergütete der Beklagte mit Bescheid vom 07.09.2012 829,66 € und lehnte den Antrag im Übrigen ab, da die Rechnungen der laufenden Nr. 4-7 der Anlage zum Antrag nur als Kopie in elektronischer Form vorgelegt worden seien. Die Rechnung zu Nr. 2 sei unvollständig vorgelegt worden.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 01.10.2012 und übersandte die Originalrechnungen der Nr. 2, 4-7 der Anlage in Papierform.

Mit Einspruchsentscheidung vom 07.06.2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Innerhalb der Antragsfrist seien die Originalrechnungen nicht auf elektronischem Weg vollständig vorgelegt worden.

Am 01.03.2012 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Vorsteuervergütung für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2011 i.H.v. 2937,85 €, dem teilweise wiederum Rechnungen elektronisch beigefügt waren, die den Aufdruck "Copy" trugen.

Mit Bescheid vom 07.09.2012 vergütete der Beklagte Vorsteuern i.H.v. 2054,89 € und lehnte den Antrag im Übrigen ab, da die Rechnungen der Nr. 4, 5, 7 und 8 der Anlage zum Antrag nicht als eingescannte Originale vorgelegt worden seien.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 01.10.2012 und legte die Originalrechnungen in Papierform vor.

Mit Einspruchsentscheidung vom 07.06.2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da innerhalb der Ausschlussfrist keine Scans der Originalrechnungen eingereicht worden seien.

Gegen die Einspruchsentscheidungen richtet sich die Klage vom 10.07.2013.

Es sei ausreichend, dass die Klägerin nach Erlass der Ablehnungsbescheide die streitgegenständlichen Rechnungen im Original in Papierform vorgelegt habe.

Soweit im Hinblick auf die Rechnung mit der Nr. ... (Nr. 2 der Anlage zum ersten Antrag) mitgeteilt worden sei, dass im Rahmen der Antragstellung eine der vier Rechnungsseiten gefehlt habe, so könne dies nicht nachvollzogen werden. Die Rechnung sei vollständig eingereicht worden.

Soweit die elektronisch übersandten Rechnungen den Aufdruck "Copy" getragen hätten, sei dies unschädlich, da es sich in allen Fällen um ein vom Rechnungsaussteller selbst erstelltes Rechnungsdoppel gehandelt habe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 07.09.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.06.2013 für den Zeitraum Juli bis September 2011 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verpflichtet wird, weitere Vorsteuern in Höhe von 1032,05 € zu vergüten,

den Bescheid vom 07.09.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.06.2013 für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2011 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verpflichtet wird, weitere Vorsteuern i.H.v. 882,96 € zu vergüten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, dass Rechnungen mit dem Vergütungsantrag nur auf elektronischem Wege vorzulegen seien. Eine Einreichung von Originaldokumenten in Papierform stünde dem Zweck der Regelung des § 61 Abs. 2 UStDV entgegen, die eine effektive Arbeitsweise der Verwaltung sicherstellen soll. Die Verwaltung sei auch nicht verpflichtet, die Originalrechnungen in Papierform anzufordern.

Weiterhin sei es nicht ausreichend, Kopien der Rechnungen auf elektronischem Weg vorzulegen. Eine Echtheitsprüfung könne nur vorgenommen werden, wenn eine elektronische Kopie des Originaldokuments vorgelegt werde und nicht wenn eine Kopie des Originaldokuments elektronisch übersandt werde.

Das Gericht hat in der Sache einen Gerichtsbescheid erlassen, der dem Beklagten am 05.04.2016 zugestellt wurde, woraufhin dieser am 15.04.2016 die mündliche Verhandlung beantragt hat.

Gründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Soweit der Beklagte die elektronisch übersandten Dokumente mit dem Aufdruck "Copy" nicht berücksichtigt hat, sind die angefochtenen Verwaltungsakte rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (dazu unter 1.)

Soweit der Beklagte die Rechnung mit der Nr. ... nicht berücksichtigt hat, ist der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (dazu unter 2.)

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Vergütung der begehrten Vorsteuern für den Zeitraum Juli bis Dezember 2011 i.H.v. 1747,64 €.

Die elektronisch übersandten Dokumente stellen "Kopien der Rechnungen" im Sinne der im Streitjahr maßgeblichen Vorschriften dar, welche einen Anspruch auf Vorsteuervergütung begründen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. FG Köln, Urteil vom 20. Januar 2016 - 2 K 2807/12, EFG 2016, 419 m. Anm. Hennigfeld).

a. Gemäß Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG vom 12.2.2008 kann ein Mitgliedstaat vor Erstattung verlangen, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstattungsantrag auf elektronischem Wege eine "Kopie der Rechnung" oder des Einfuhrdokuments einreicht.

Die Gesetzesbegründung zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht enthält folgende Erläuterungen:

"Die Vorlage von Originalrechnungen bzw. Einfuhrdokumenten ist nicht mehr zwingend materiellrechtliche Voraussetzung für die Vorsteuer-Vergütung. Der Vergütungsmitgliedstaat kann (in allen Fällen) verlangen, dass der Antragsteller zusammen mit dem Vergütungsantrag auf elektronischem Wege eine Kopie der Rechnung oder des Einfuhrdokuments einreicht, falls die Steuerbemessungsgrundlage sich auf mindestens 1.000 Euro (für Kraftstoffe auf 250 Euro) beläuft." (BT Drucksache 16/11108, Seite 40).

Das Verfahren zur Vergütung von Vorsteuern an im Ausland ansässige Unternehmen ist gemäß § 18 Abs. 9 UStG in den §§ 59-62 UStDV geregelt.

Gemäß § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung sind dem Vergütungsantrag auf elektronischem Weg die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen.

Gemäß § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV in der ab 30.12.2014 maßgeblichen Fassung sind dem Vergütungsantrag auf elektronischem Wege die Rechnungen und Einzelbelege als eingescannte Originale beizufügen.

Zur Begründung der Änderung führte der Gesetzgeber folgendes aus:

61 Abs. 2 S. 3 UStDV regelt, dass unter bestimmten Voraussetzungen dem Vorsteuer-Vergütungsantrag Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen sind. Da diese Belege zusammen mit dem Antrag auf Vorsteuervergütung auf elektronischem Weg zu übermitteln sind, ist eine Übermittlung als Kopie nicht möglich. Durch die Änderung wird klargestellt, dass mit dem Antrag die eingescannten Originalrechnungen und -einfuhrbelege zu übermitteln sind." (BR-Drucksache 535/14).

b. Die Klägerin hat unstreitig vom Rechnungsaussteller selbst erstellte Kopien der Rechnungen elektronisch übersandt.

Somit hat sie die vom Wortlaut der einschlägigen Richtlinie sowie der nationalen Umsetzungsvorschrift vorgegebenen Voraussetzungen für eine Antragstellung erfüllt. Danach sind dem Vergütungsantrag auf elektronischem Weg die Rechnungen in Kopie beizufügen.

Soweit der Beklagte hingegen die Auffassung vertritt, dass nicht eine Rechnungskopie, sondern nur das Original der Rechnung unmittelbarer Ausgangspunkt der elektronischen Übersendung sein dürfe, da durch die Neugestaltung des Antragsverfahrens im Hinblick auf die elektronische Abwicklung keine Änderung hinsichtlich der vorzulegenden Dokumente erfolgen sollte und diese Auffassung auch in der - für den Streitzeitraum nicht maßgeblichen - Neufassung von § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV deutlich werde, ist dem nicht zu folgen.

In der Vergangenheit waren mit dem (in Papierform) zu stellenden Vergütungsantrag die maßgeblichen Rechnungen als Originale in Papierform vorzulegen. Hierdurch konnte der Beklagte auf den Originalrechnungen Markierungen anbringen, die eine wiederholte missbräuchliche Nutzung einer Rechnung zu Vergütungszwecken verhinderte und zugleich sicherstellte, dass der Antragsteller im Besitz der Originaldokumente war. Weiterhin konnte er prüfen, ob an dem Original Manipulationen vorgenommen wurden.

Mit Umstellung des Verfahrens sollen Originalrechnungen jedoch nur noch bei begründeten Zweifeln in Papierform angefordert werden (§ 61 Abs. 2 S. 4 UStDV). In den übrigen Fällen verzichtet die Verwaltung aus verfahrensökonomischen Gründen darauf, die Originalrechnungen hinsichtlich ihrer Authentizität zu überprüfen und im Hinblick auf eine künftige Verwendung zu markieren.

Vor diesem Hintergrund folgt der Senat nicht der Auffassung des Beklagten, dass die Richtlinie sowie die nationale Umsetzungsvorschrift einschränkend entgegen ihrem ausdrücklichen Wortlaut dahingehend auszulegen wären, dass es für eine Antragstellung nicht ausreicht, wenn nur eine Kopie einer Rechnung elektronisch übersandt wird. Eine Kopie stellt danach ein Abbild eines Originaldokumentes dar. In diesem Fall bedeutet es aber keinen Unterschied, ob das Originaldokument verwendet wird, um es elektronisch an den Beklagten zu übertragen oder ob das Originaldokument zuvor kopiert wird und nur die Kopie Ausgangspunkt der elektronischen Übertragung ist. In beiden Fällen kann der Beklagte weder das Originaldokument im Hinblick auf seine Authentizität prüfen noch hieran Markierungen anbringen. Damit kann er aber auch eine missbräuchliche Verwendung einer Originalrechnung in einem anderen Verfahren zu Vorsteuererstattungszwecken nicht wirksam verhindern. Ebenfalls ist durch das vom Beklagten geforderte Verfahren nicht sichergestellt, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der elektronischen Übersendung noch im Besitz der Originalrechnung ist, da er die Rechnung auch zeitlich vor dem Versenden bereits elektronisch erfassen und die Rechnung anschließend weitergeben kann. Vor diesem Hintergrund reicht es aus, wenn eine Kopie des Originaldokuments Ausgangspunkt der elektronischen Übersendung ist (so ebenfalls Sölch/Ringleb/Treiber UStG § 18 Rn. 205).

Dann kann es aber auch keinen Unterschied bedeuten, ob die Kopie durch den Antragsteller vom Originaldokument selbst erstellt wird oder ob der Rechnungsaussteller bereits zwei inhaltlich identische Dokumente erstellt und eines davon als Kopie ausweist. Auch in diesem Fall gelangt im regulären Antragsverfahren das Originalrechnungsdokument physisch nicht in den Bereich des Beklagten. Soweit der Beklagte Zweifel hat, ob das übersandte Dokument zur Vorsteuervergütung berechtigt, ist es ihm unbenommen, die Originalrechnung in Papierform anzufordern. (vgl. FG Köln, Urteil vom 20. Januar 2016 - 2 K 2807/12, EFG 2016, 419 m. Anm. Hennigfeld).

Vor diesem Hintergrund begründen die von der Klägerin vorgelegten Dokumente einen Anspruch auf Vergütung der ausgewiesenen Vorsteuer.

2. Im Hinblick auf die Rechnung mit der Nr. ... hat die Klage keinen Erfolg, da diese Rechnung nicht innerhalb der Antragsfrist vollständig in elektronischer Form bei dem Beklagten vorgelegen hat.

a. Ausweislich der im Verfahren vorgelegten Verwaltungsakte zum Vorsteuervergütungsantrag vom 10.11.2011 fehlte hinsichtlich der vorgelegten Rechnung Nr. ... der Firma A vom 31.08.2011 die erste Seite.

Nach den allgemeinen Grundsätzen ist die Klägerin im Hinblick auf die anspruchsbegründenden Tatsachen der Vorsteuervergütung - hier im Besonderen der Vollständigkeit ihres Antrags - darlegungs- und beweisbelastet. Dass tatsächlich die Rechnung vollständig beim Beklagten vorgelegen hätte, hat sie nur unsubstantiiert behauptet, jedoch nicht belegt. Vor diesem Hintergrund geht das Gericht davon aus, dass der Inhalt der Verwaltungsakte vollständig und richtig ist und die Rechnung nicht vollständig elektronisch übersandt wurde.

Die Klägerin hat auch - unstreitig - nicht innerhalb der Antragsfrist von neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist (§ 61 Abs. 2 S. 3 UStDV) die streitgegenständliche Rechnung in elektronischer Form beim Beklagten eingereicht.

Dass sie mit Einspruch vom 01.10.2012 die Rechnung im Original in Papierform vorlegte, reicht - unabhängig von der Frage, ob die Vorlage überhaupt rechtzeitig erfolgte - zur Fristwahrung nicht aus, da im elektronischen Antragsverfahren die Rechnungen in elektronischer und gerade nicht in Papierform vorzulegen sind. Dass der Beklagte bei begründeten Zweifeln die Originalrechnungen in Papierform anfordern kann, ändert nichts daran, dass ein Antrag nur dann wirksam ist, wenn innerhalb der Antragsfrist die Rechnungen in elektronischer Form vollständig vorgelegt werden. Dies ergibt sich sowohl aus § 61 Abs. 2 UStDV als auch aus Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG vom 12.02.2008, wonach ein Mitgliedstaat verlangen kann, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstattungsantrag auf elektronischem Weg eine Kopie der Rechnung vorlegt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. FG Köln, Urteil vom 16.09.2015 - 2 K 3594/11, EFG 2015, 2247; FG Köln, Urteil vom 15.04.2015 - 2 K 2705/12, EFG 2015,1401)

b. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 110 Abs. 1 Satz 1 AO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 110 Abs. 2 Satz 3 AO).

Spätestens seit Kenntnis des Ablehnungsbescheides vom 07.09.2012 und dem Hinweisschreiben des Beklagten vom 17.12.2012 war der Klägerin bekannt, dass sie die Rechnungen in elektronischer Form vorzulegen hatte. Die Klägerin hat die Rechnungen jedenfalls nicht innerhalb eines Monats seit Kenntnis der Rechtslage vorgelegt, so dass eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht kommt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

5. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf den §§ 52, 63 GKG.