ArbG Siegburg, Urteil vom 12.08.2015 - 2 Ca 739/15
Fundstelle
openJur 2019, 12408
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 11 Sa 934/15

Kein Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 15% und der Beklagte zu 85 % zu tragen.

3. Streitwert: 17.637,23 Euro

Gerichtsgebührenstreitwert: 152.246,92 Euro

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten aus einer Versorgungszusage auf Zahlung in Anspruch. Er ist am .1954 geboren und wurde zum 01.10.1985 vom Beklagten zunächst als Bildungsreferent eingestellt. Zum 01.06.1990 wurde er zum Abteilungsleiter und damit zum leitenden Angestellten befördert. Im September 1990 unterzeichneten die Parteien daher einen Dienstvertrag der auszugsweise wie folgt lautet:

§ 4 Bezüge

1) Herr erhält als Vergütung für seine Tätigkeit ein bis zum 15. jeden Monats für den laufenden Monat zu zahlendes Bruttogehalt von 5.684,- DM und ein bis zum 15. November eines jeden Jahres zu zahlendes 13. Monatsgehalt.

2) Der FVM verpflichtet sich weiterhin, die nach dem Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer in der jeweils gültigen Fassung dem Arbeitgeber obliegenden Zahlung an Herrn Neumann zu erbringen.

...

§ 5 Dienstwagen

1) Der FVM hat Herrn ein FVM-eigenes Kraftfahrzeug als Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Herr Neumann ist berechtigt, diesen Wagen auch für seine Privatfahrten zu nutzen.

2) Der FVM übernimmt die gesamten Kosten für die Unterhaltung des Fahrzeuges ... mit Ausnahme der auf privaten Urlaubsreisen anfallenden Benzin- und Ölkosten.

3) Als Gegenleistung für die private Nutzung hat Herr Neumann monatlich ein Prozent des Neuwagenpreises sachzuversteuern.

...

§ 7 Altersversorgung

...

Unter dem 20.02.1991 erteilte der Beklagte den Kläger einer Versorgungszusage. Diese lautet auszugsweise:

1. Scheiden sie nach Vollendung des 60. Lebensjahres oder wegen anerkannter Berufsunfähigkeit vorzeitig aus unseren Diensten aus, so erhalten sie eine Kapital- und Rentenleistung, wie sie in dem anliegenden Versicherungsschein näher bezeichnet ist.

2. ...

3. ...

4. ...

5. ...

6. Die Beiträge zu dieser Versorgung betragen 10 % ihres Jahres-Bruttogehaltes. Wir übernehmen 75 % des Beitrages, während sie selbst 25 % zu tragen haben. Ihr Beitragsanteil wird bei der Gehaltsabrechnung einbehalten. Bei Gehaltserhöhungen wird der Beitrag und damit die Versorgungsleistung entsprechend angepasst. Die Anpassung erfolgt im Rhythmus von zwei Jahren jeweils zum 1.7. Bei Gehaltskürzungen bleibt der Beitrag unverändert.

Sowohl der zu der Versorgungszusage gehörende Versicherungsschein der vom Beklagten bei der R+V Lebensversicherung AG abgeschlossenen Direktversicherung als auch der dem zu Grunde liegende Versicherungsantrag weisen einen monatlichen Versicherungsbeitrag i.H.v. 615,76 DM und einen Versicherungsbeginn zum 01.12.1990 aus. Der Beklagte berechnete in der Zeit bis zum Ablauf der Versicherung am 01.12.2014 die Versicherungsbeiträge, welche im Zweijahresrhythmus - wie von den Parteien in einem weiteren Schriftstück vom 05.02.1991 vorgesehen - zum 1. Dezember, also erstmals zum 01.12.1992 anzupassen waren, jeweils aus dem Barlohn, d.h. aus dem reinen Jahresbruttoentgelt ohne vermögenswirksame Leistungen sowie geldwerte Vorteile. Die Höhe der monatlichen Beiträge konnte der Kläger seinen Gehaltsabrechnungen entnehmen.

Mit Schreiben vom 03.08.2014 machte er dann gegenüber dem Beklagten geltend, dass auf seine Direktversicherung zu wenig Beiträge gezahlt worden seien. Die Versicherungssumme aus der Direktversicherung i.H.v. 132.041 € wurde mittlerweile trotz Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses von der R+V Versicherung an den Kläger ausgezahlt. Ursprünglich hat der Beklagte die Zahlung dieses Betrages an sich selbst widerklagend geltend gemacht.

Der Kläger behauptet, er habe die Höhe der Versicherungsbeiträge erst kontrolliert, als die Auszahlung der Versicherungssumme angestanden habe. Er vertritt die Ansicht, der Begriff des Jahres-Bruttogehaltes sei in der Versorgungszusage umfassend zu verstehen, so dass auch vermögenswirksame Leistungen sowie sonstige Zuschüsse, d.h. auch geldwerte Vorteile zu berücksichtigen seien.

Ursprünglich hat er auch die Auffassung vertreten, der nur zum Teil pauschal versteuerter Versicherungsbeitrag sei ebenso zu berücksichtigen und seinen Anspruch einschließlich 2,5 % Durchschnittszins mit 20.205,92 € netto beziffert. Nach der Güteverhandlung hat er dann den Beitrag zu Direktversicherung herausgerechnet und die fehlenden Versicherungsbeiträge auf 10.604,89 € sowie den Zinsanspruch auf 7.032,34 € beziffert, wobei er bis zum Jahr 2000 einem jährlichen Zinsenzinssatz von 6 %, für die Jahre 2000-2008 einen jährlicher Zinssatz von 5% Prozent und ab dem Jahr 2010 einen jährlichen Zinssatz i.H.v. 3 % berücksichtigt.

Er beantragt nunmehr noch,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 17.637,23 € brutto zum Zeitpunkt des Ausscheidens beim Beklagten zu zahlen.

Der Beklagte beantragt nach Rücknahme der Widerklage noch,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Ansicht, die sich jeweils nur aus einer Anlage zu den Schriftsätzen des Klägers ergebende Berechnung der Klagesumme sei nicht nachzuvollziehen. Im Übrigen sei der Anspruch des Klägers teilweise verjährt. Er behauptet, die Parteien hätten bei Abschluss der Direktversicherung gemeinsam den zu zahlenden Erstbeitrag berechnet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

1. Bereits die Höhe des geltend gemachten Anspruchs lässt sich seinen Schriftsätzen nicht entnehmen. Sie ergibt sich lediglich aus einer Anlage zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 04.06.2015, obwohl dieser bereits im Gütetermin vom Gericht darauf hingewiesen wurde, dass Anlagen einen Sachvortrag zwar erläutern, jedoch nicht zu ersetzen vermögen (BAG, Urteil vom 16.05.2012 - 5 AZR 347/11 - juris Rn. 29). Da sich den Schriftsätzen selbst jedoch nicht entnehmen lässt, wie der Kläger seine Berechnung im Einzelnen vorgenommen hat und welche Tatsachen seiner Berechnung zu Grunde liegen, ist die Klage bereits aus diesem Grund als unschlüssig abzuweisen.

2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch jedoch auch dem Grunde nach nicht zu. Entgegen seiner Ansicht sind bei der Berechnung bzw. der Anpassung der Versicherungsbeiträge vermögenswirksame Leistungen und geldwerte Vorteile nicht mit zu berücksichtigen. Die Versorgungszusage ist i.V.m. dem Arbeitsvertrag dahingehend auszulegen, dass mit dem Begriff des "Jahres-Bruttogehaltes" lediglich das an ihn jährlich in Geld zu entrichtende Bruttogehalt gemeint ist. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass Versorgungszusage und Arbeitsvertrag Allgemeine Geschäftsbedingungen enthalten. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeit des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen ist. Soweit auch der mit dem Vertrag verbundene Zweck einzubeziehen ist, ist auf die typischen und von redlichen Geschäftspartnern verfolgten Ziele abzustellen. Ausgangspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG, 21.08.2013 - 5 AZR 585/11 -, juris Rn. 19). Da in der Versorgungszusage selbst das Wort "Jahres-Bruttogehalt" nicht definiert ist und es sich auch nicht um einen juristischen Fachbegriff mit feststehender Bedeutung handelt, ist bei der Auslegung des Wortlauts vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Das Bundesarbeitsgericht hat insoweit bereits festgestellt, dass der Begriff "Monatsgehalt" nach allgemeinem Sprachgebrauch nur Geldleistungen, nicht geldwerte Vorteile und Sachleistungen umfasst (BAG, Urteil vom 21.01.2014 - 3 AZR 362/11 - juris Rn. 32). Bei der Frage nach dem Gehalt wird üblicherweise der Geldbetrag genannt und während etwaige Sachleistungen und geldwerte Vorteile gesondert und zusätzlich ausgewiesen werden, um die Gesamtbezüge zu umreißen. Man spricht allgemein auch nicht von einer Gehaltserhöhung, wenn zur Geldleistung noch geldwerte Vorteile oder Naturalleistungen hinzutreten. Vielmehr entspricht es allgemeinem Sprachgebrauch zu sagen, dass "statt einer Gehaltserhöhung der Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt wird" (LAG Hessen, Urteil vom 08.09.2004 - 8 Sa 2110/03 - juris Rn. 33). Auch in dem übrigen, dem Arbeitsverhältnis der Parteien zu Grunde liegenden Vertragswerk wird zwischen dem Bruttogehalt als Teil der Bezüge und den vermögenswirksamen Leistungen sowie der Gewährung des Dienstwagens zu privaten Zwecken unterschieden. Dafür, dass in der Versorgungszusage der Begriff "Bruttogehalt" nunmehr umfassender zu verstehen sein sollte, bestehen keine Anhaltspunkte. Hiergegen spricht vielmehr, dass zu den zu versteuernden Leistungen des Arbeitgebers auch sein Beitrag zu der Direktversicherung gehört. Eine umfassende Deutung des Begriffes hätte damit zur Folge, dass der Beitrag, dessen Höhe bestimmt werden soll, von seiner eigenen Höhe abhängig wäre. Es müsste daher bei ansonsten gleich bleibenden Bezügen zu einer stetigen Erhöhung kommen. Es spricht aber nichts dafür, dass dies gewollt war. Andererseits aber lässt sich auch wiederum nicht begründen, warum vermögenswirksame Leistungen und geldwerte Vorteile durch private Nutzung des Pkws zu berücksichtigen sein sollen, die vom Arbeitgeber zu leistenden Versicherungsbeiträge jedoch nicht.

Schließlich konnte der Kläger nach dem Wortlaut der Versorgungszusage nur davon ausgehen, dass ihm eine Direktversicherung zu den der Versorgungszusage beigefügten Konditionen der Versicherung zugesagt werden sollte. Hierin war jedoch ein Monatsbeitrag i.H.v. 615,76 DM ausdrücklich angegeben, wobei Ziffer 6 der Versorgungszusage gerade der Erläuterung dieses Betrages diente. Dieser entspricht jedoch auf das Jahr gerechnet exakt einem Zehntel des 13 fachen damals gezahlten Bruttogehaltes i.H.v. 5.684 DM. Stand aber für die ersten zwei Jahre fest, dass der Beitrag nicht höher liegen würde, als bei Berechnung unter Zugrundelegung des in Geld zu zahlenden Gehaltes, konnte der Kläger auch für die Folgezeit nicht mit dem Einbezug der anderweitigen Bestandteile seiner Bezüge rechnen. Für die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB bleibt bei dieser Sachlage kein Raum. Die Klage war daher abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 92 Abs. 1 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO festgesetzt.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

Landesarbeitsgericht Köln

Blumenthalstraße 33

50670 Köln

Fax: 0221-7740 356

eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1. Rechtsanwälte,

2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.