ArbG Herford, Urteil vom 15.12.2010 - 2 Ca 1114/10
Fundstelle
openJur 2019, 12367
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf 3.028,83 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Verzugslohnansprüche nach ausgebrachter, außerordentlicher, arbeitgeberseitiger Kündigung vom 22.04.2010 (siehe 2 Ca 518/10) und ordentlicher Kündigung vom 09.04.2010 zum 30.06.2010 (2 Ca 473/10).

Die Parteien stehen in einem Arbeitsverhältnis. Der Kläger verdiente 1.942,00 € in einer 39-Stunden-Woche bei 11.50 € Bruttostundenverdienst.

Am 09.04.2010 sprach die Beklagte u. a. auch gegenüber dem Kläger eine ordentliche Kündigung zum 30.06.2010 aus. Diese Kündigung war Gegenstand des Rechtsstreits 2 Ca 473/10, ArbG Herford. Mit Urteil vom 14.07.2010 wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Kündigung unwirksam war.

Am 22.04.2010 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine außerordentliche Kündigung aus. Diese Kündigung war Gegenstand des Rechtsstreits 2 Ca 518/10, ArbG Herford. Auch hier wurde rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder fristlos noch hilfsweise fristgerecht beendet worden war.

Ob der Kläger am 12.04.2010 über den Gewerkschaftssekretär N eine Arbeitsleistung anbot, ist unter den Parteien streitig. Jedenfalls erhielt der Kläger noch zusätzlich ein generelles Hausverbot.

Nach Urabstimmung am 13.04.2010 begannen die gewerkschaftlich organisierten Streiks zahlreicher Arbeitnehmer bei der Beklagten. Der Streik dauerte schlussendlich bis zum 15.07.2010.

Nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 22.04.2010 war der Kläger von Anfang bei den Streikenden anwesend.

Der Kläger meint, dass die Suspendierung von der Arbeit durch die außerordentliche Kündigung vom 22.04.2010 und das parallel laufende Hausverbot auf jeden Fall einer etwaigen Anwesenheit bei den Streikenden vorgehe. Richtig sei, dass der Kläger sich mit den Streikenden solidarisch gezeigt habe. Da die Beklagte jedoch das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung habe beenden wollen und auch das entsprechende Hausverbot ausgesprochen habe, sei die Arbeitspflicht des Klägers aufgehoben worden und suspendiert worden. Eines weiteren Angebots des Klägers betreffend seiner Arbeitskraft hätte es nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG gerade nicht mehr bedurft. Dem Streik habe er gar nicht beitreten können wegen der faktischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die arbeitgeberseitigen Kündigungen.

Daher stehe dem Kläger für den Zeitraum 24.04. bis 30.04. ein Verzugslohnanspruch von 448,50 € brutto zu, für Mai und Juni 2010 jeweils 1.942,00 € brutto und für Juli 2010 anteilig bis zum 15.07. 971,00 € brutto, hierauf lässt sich der Kläger gewährtes Arbeitslosengeld in Höhe von 2.080,50 € anrechnen sowie i.H.v. 448,50 €.

Auf eine etwaige Solidarzahlung der IG-Bau komme es im Rahmen von § 615 Abs. 2 BGB nicht an.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.855,01 € brutto abzüglich durch die Bundesagentur für Arbeit geleisteter 2.080,50 € für den Zeitraum 01.05.2010 bis 15.07.2010 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klage zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 448,50 € brutto für den Zeitraum 24.04. bis 30.04.2010 abzüglich durch die Bundesagentur für Arbeit für diesen Zeitraum geleisteter 194,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 02.12.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, nicht zu einer weiteren Leistung von Verzugslohnansprüchen im eingeklagten Zeitraum verpflichtet zu sein vor dem Hintergrund, dass der Kläger durch seine aktive Streikteilnahme hinreichend dokumentiert habe, nicht tatsächlich leistungswillig gewesen zu sein. Auch habe es kein entsprechendes Arbeitskraftangebot des Klägers gegeben.

Daher stünden dem Kläger keine Vergütungsansprüche zu.

Wegen des gesamten Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und Protokolle verwiesen, die sämtliche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

Dem Kläger stehen für den Zeitraum 24.04.2010 bis 15.07.2010 keine Verzugslohnansprüche auf der Grundlage der §§ 615 Satz 1, 296 Satz 1 BGB zu.

Nach § 297 BGB kommt der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder, im Falle des § 296 BGB, zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit, außer Stande ist, die Leistung zu bewirken. Der Annahmeverzug des Arbeitgebers ist damit ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nicht leistungsfähig oder nicht leistungswillig ist (so BAG vom 24.09.2003 in NZA 2003, Seite 1347 und BAG vom 19.05.2004 in NZA 2004, Seite 1064).

Diese Leistungswilligkeit und Leistungsfähigkeit muss während des gesamten Verzugszeitraums positiv bestehen.

Mit der Beteiligung des Klägers an den Streikmaßnahmen seit dem 13.04.2010 hat er jedoch hinreichend dokumentiert, ab diesem Zeitpunkt gar nicht mehr leistungswillig zu sein. Ein (rechtmäßiger) Streik hebt die Arbeitspflicht für die Dauer des Streiks auf. Die beiderseitigen Rechte und Pflichte aus dem Arbeitsverhältnis werden suspendiert. Insoweit geht die Ansicht des Klägers fehl, es komme nicht auf die zeitliche Abfolge der Geschehnisse an. Mit Streikbeginn und Beteiligung des Klägers an diesem Streik hat er zu erkennen gegeben, dass die für einen Verzugslohn erforderliche Leistungswilligkeit gerade nicht mehr besteht. Denn entweder man bietet seine Arbeitskraft ordnungsgemäß an und ist arbeitswillig oder man streikt. Ob der Kläger sich dabei aus seiner Sicht nur solidarisch mit den Streikenden Arbeitnehmern erklären wollte, hindert nicht den Umstand und die Feststellung, dass er am Streik beteiligt war. In seiner "Solidarisierung" hat er sich auf dieselbe Stufe wie die Streikenden gestellt. Der Kläger kann nicht erwarten, an diesem Punkt des Geschehens besser gestellt zu werden als die Streikenden selbst. Denn auch nach Ansicht des Klägers war die Kündigung vom 09.04.2010 als auch die vom 22.04.2010 von Anfang an unwirksam. Schlussendlich hat er sich hiergegen erfolgreich mit seiner Kündigungsschutzklage gewendet.

Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass die subjektive Leistungsbereitschaft als ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 297 BGB eine von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung für Verzugslohnansprüche ist. Diese Leistungswilligkeit muss während des gesamten Verzugszeitraumes vorliegen (so BAG vom 13.07.2005 in NZA 2005, Seite 1348). Der Arbeitnehmer muss also unabhängig von der den Annahmeverzug begründenden Kündigungen bereit sein, die vertraglich vereinbarte Tätigkeit überhaupt auch ausführen zu wollen. In einer nicht veröffentlichten Entscheidung des BAG vom 27.08.2008, 5 AZR 16/08, ist festgestellt worden, dass der gem. § 297 BGB für den Annahmeverzug vorausgesetzte Leistungswille von der Wirksamkeit einer Kündigung unabhängig ist. Entsprechendes muss auch für die Erteilung eines etwaigen Hausverbotes geltend.

Damit war die Klage abzuweisen; auf die Parallelentscheidung des erkennenden Gerichts vom 08.12.2010 zu 2 Ca 681/10 und vom 27.10.2010 zu 2 Ca 999/10 wird verwiesen, ebenso auf die Entscheidung des ArbG Herford vom 03.11.2010 zu 1 Ca 995/10.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die unterliegende Partei trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO unter Ansatz der saldierten Zahlungsanträge.