AG Krefeld, Urteil vom 24.06.2016 - 2 C 1/16
Fundstelle
openJur 2019, 12362
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Verbleib der Urne mit den sterblichen Überresten des X1, verstorben am 00.00.0000 zu erteilen.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Kosten der Rechtsanwälte X2 in Höhe von 83,54 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung i. H.v. 600,00 €. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i. H.v. 110 des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Auskunftserteilung über den Verbleib der Urne mit den sterblichen Überreste ihres Vaters und die Zahlung von Schmerzensgeld aufgrund der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechtes durch die Entfernung der Urne ihres Vaters aus dem Grab.

Die Klägerin ist die Tochter, die Beklagte die Ehefrau des verstorbenen X1 (gestorben am 00.00.0000). Die Beklagte ist Alleinerbin des Verstorbenen.

Herr X1 wurde auf dem Friedhof Willich durch Urnenbestattung im Familiengrab der Beklagten begraben. Die Beklagte führte eine Umbettung der Urne des Verstorbenen durch, ohne dies vorher der Klägerin mitzuteilen.

Der Verstorbene äußerte zu Lebzeiten den Wunsch nach einer anderen Bestattungsform. Die Beklagte führte dem Wunsch des Verstorbenen entsprechend eine Flussbestattung im Ausland durch.

Als die Klägerin die Beklagte im November 2015 fragte, wann mit der Anbringung eines Grabsteins oder einer Tafel gerechnet werden könnte, erfuhr sie, dass ihr Vater umgebettet wurde und verlangte Auskunft über den Verbleib von der Beklagten. Die Beklagte verweigerte die Auskunft.

Die Klägerin verlangte unter Fristsetzung bis zum 18. Dezember 2015 von der Beklagten Auskunft über den Verbleib der Urne ihres Vaters. Eine Auskunft wurde vorgerichtlich nicht erteilt.

Die Klägerin ist der Ansicht, ein alleiniges Totenfürsorgerecht stehe der Beklagten als lediglich Angeheiratete nicht zu. Sie sei als Tochter des Verstorbenen die nächstmögliche Angehörige und damit zur Totenfürsorge berechtigt. Auch das für die Beklagte bestehende Grabnutzungsrecht begründe kein alleiniges Totenfürsorgerecht, denn dieses sei eine Nachwirkung eines familienrechtlichen Verhältnisses, und ein Pflichtrecht familienrechtlicher und nicht erbrechtlicher Natur.

Eine Umbettung der Urne komme nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, weil mit ihr stets eine Störung der Totenruhe einhergehe. Der Asche eines Toten komme derselbe Schutz zu wie dem Körper eines Menschen.

Voraussetzung einer Umbettung sei ein dringlicher, sittlich gerechtfertigter Grund, der von demjenigen, der die Umbettung wünsche, nachgewiesen werden müsse und die Störung der Totenruhe rechtfertige. Dies sei nicht gegeben, da die Beklagte Streitigkeiten zwischen Angehörigen zum Anlass der Umbestattung genommen habe.

Durch die Umbettung sei ein Recht aus §§ 1004 analog, 823 Abs. 1 iVm Art. 2 Abs.1, 1 GG verletzt. Inhalt ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechtes sei auch die Möglichkeit zum angemessenen Gedenken.

Nach dem Bestattungsgesetz NRW sei der Verbleib einer Urne schriftlich nachzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über den Verbleib der Urne mit den sterblichen Überresten des X2, verstorben am 00.00.0000,

die Beklagte zu verurteilen, an sie ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, 1.000,00 € jedoch nicht unterschreiten sollte;

die Beklagte zu verurteilen, sie von außergerichtlichen Kosten der Rechtsanwälte X2 in Höhe von 201,71 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie sei die alleinige Totenfürsorgeberechtigte. Sie habe die Beerdigungskosten bezahlt und mit der Grabpflege beauftragt. Zudem sei sie Alleinerbin. Sie habe die Beerdigung in der Familiengruft veranlasst, was zu Auseinandersetzungen mit der Schwester der Beklagten führte und eine Umsetzung erforderlich machte.

Als alleinige Totenfürsorgeberechtigte sei sie berechtigt gewesen, den Bestattungswunsch des Verstorbenen umzusetzen. Hierauf hätte sie auch vertrauen dürfen, da das Friedhofsamt ihrem Antrag entsprochen habe.

Gründe

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

I.

1.

Eine Klage vor den ordentlichen Gerichten ist nach § 13 GVG zulässig. Streitigkeiten, die bei der Ausübung des Rechts zur Totenfürsorge entstehen, sind privatrechtlicher Natur und von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden (AG Lübeck, Urteil vom 25.10.2013, Az.:27 C 2316/12). Das gilt auch bei Streit um die Umbettung einer Leiche (MüKo-BGB-Küpper, 6. Aufl., § 1968 Rn. 7). Die Behandlung der Asche eines Menschen, ist der des Körpers eines Menschen gleichgestellt, weshalb hier für die Umbettung einer Urne derselbe Grundsatz gilt.

Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 32 ZPO, wegen der von der Klägerin vorgetragenen unerlaubten Handlung.

II.

Die Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung der Auskunft über den Verbleib der Urne. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht dagegen nicht.

1.

Die Klägerin kann von der Beklagten Auskunft über den genauen Verbleib der Urne und der Asche ihres verstorbenen Vaters verlangen.

a)

Ein solches Recht ist aus § 242 BGB bei einer Auslegung der vorgenannten Vorschrift im Lichte des im Grundgesetzes anzuerkennen.

Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht führt das Bundesverfassungsgericht aus:

Art. 2 Abs. 1 GG gewährt jedem das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Dieses Grundrecht umfasst neben der allgemeinen Handlungsfreiheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Letzteres ergänzt als "unbenanntes" Freiheitsrecht die speziellen ("benannten") Freiheitsrechte, die ebenfalls konstituierende Elemente der Persönlichkeit schützen (vgl. BVerfGE 54, 148 ). Eine der Aufgaben des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist es dabei, Grundbedingungen dafür zu sichern, dass die einzelne Person ihre Individualität selbstbestimmt entwickeln und wahren kann (vgl. BVerfGE 35, 202 ; 79, 256 ; 90, 263 ; 117, 202 ). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt indessen nur solche Elemente der Persönlichkeitsentfaltung, die - ohne bereits Gegenstand der besonderen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes zu sein - diesen in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen (vgl. BVerfGE 79, 256 ; 99, 185 ; 120, 274 ; stRspr). Es verbürgt also nicht Schutz gegen alles, was die selbstbestimmte Persönlichkeitsentwicklung auf irgendeine Weise beeinträchtigen könnte; ohnehin vermag kein Mensch seine Individualität unabhängig von äußeren Gegebenheiten und Zugehörigkeiten zu entwickeln. Der lückenschließende Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts greift aber dann, wenn die selbstbestimmte Entwicklung und Wahrung der Persönlichkeit spezifisch gefährdet ist (vgl. Degenhart, JuS 1992, S. 361 ; Eifert, Jura 2015, S. 1181 ; Grimm, in: Karlsruher Forum - Schutz der Persönlichkeit, 1997, S. 3 ; Kube, in: Isensee/Kirchhof, HStR VII, 3. Aufl. 2009, § 148 Rn. 29; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, 31. Aufl. 2015, Rn. 409).

BVerfG, Urteil vom 19. April 2016 - 1 BvR 3309/13 -, Rn. 32, juris

Hinsichtlich des aus § 242 BGB folgenden Auskunftsanspruchs führt der Bundesgerichtshof aus:

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebieten es Treu und Glauben, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte, der zur Durchsetzung seiner Rechte auf die Auskunft angewiesen ist, in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihm dies zumutbar ist (Senatsbeschlüsse vom 2. Juli 2014 - XII ZB 201/13 - FamRZ 2014, 1440 Rn. 13 ff. mwN und BGHZ 196, 207 = FamRZ 2013, 939 Rn. 30; Senatsurteil BGHZ 191, 259 = FamRZ 2012, 200 Rn. 20 ff.).

BGH, Urteil vom 28. Januar 2015 - XII ZR 201/13 -, BGHZ 204, 54-74, Rn. 10

Eine Sonderverbindung besteht vorliegend. Zur Sonderverbindung bei einem Auskunftsanspruch führt der Bundesgerichtshof aus:

Eine Sonderverbindung der beteiligten Personen, die eine solche Auskunftspflicht nach Treu und Glauben rechtfertigt, kann sich etwa aus einem vertraglichen oder einem gesetzlichen Schuldverhältnis (BGHZ 126, 109 = NJW 1995, 386, 387), aus einem sonstigen familienrechtlichen Verhältnis (Senatsbeschluss vom 2. Juli 2014 - XII ZB 201/13 - FamRZ 2014, 1440 Rn. 13 mwN) oder aus bestimmten erbrechtlichen Beziehungen (vgl. etwa BGHZ 97, 188 = FamRZ 1986, 569, 570; BGHZ 61, 180 = NJW 1973, 1876, 1877) ergeben.

BGH, Urteil vom 28. Januar 2015 - XII ZR 201/13 -, BGHZ 204, 54-74, Rn. 12.

Nach Ansicht des Gerichtes besteht im Verhältnis des vorrangigen Totenfürsorgeberechtigten zu dem nachrangigen Totenfürsorgeberechtigten ein sonstiges rechtliches Verhältnis, denn der nachrangige Totenfürsorgeberechtigte muss in der Lage sein, das Totenfürsorgerecht auszuüben, wenn der vorrangige Totenfürsorgeberechtigte verstirbt oder sonst ausscheidet. Aber auch zwischen den nächsten Angehörigen des Verstorbenen und dem Totenfürsorgeberechtigten besteht eine Sonderverbindung. Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass die Ausübung des Totenfürsorgerechts zwar dem Willen des Verstorbenen folgt, die Totenfürsorge aber nicht allein im Interesse des Verstorbenen durchgeführt wird, sondern sie gerade auch dazu dient, den Lebenden entsprechend den europäischen Wertvorstellungen einen Ort der Andacht und der Erinnerung an den Verstorbenen zu geben. Soweit ein Wille des Verstorbenen nicht erkennbar ist, dass er nicht wünscht, dass seine Angehörigen erfahren, wo er seine letzte Ruhe gefunden hat, so gebieten es die berechtigten Interessen der lebenden, engsten Angehörigen, dass sie eine Auskunft erhalten.

Hieraus ergibt sich auch schon, dass die weitere Anspruchsvoraussetzung vorliegt. Diese ist, dass der Auskunftsverlangende auf die Auskunft in einer Weise angewiesen ist, die einen Anspruch nach Treu und Glauben rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2015 - XII ZR 201/13 -, BGHZ 204, 54-74, Rn. 21). Zwar schließt aufgrund Gewohnheitsrecht der vorrangige Totenfürsorgeberechtigte, hier die Ehefrau, die anderen Angehörigen bei der Ausübung des Totenfürsorgerechtes aus. Aus diesen gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen folgt aber nicht, dass die Interessen der anderen Angehörigen vollständig zurücktreten müssen. Vielmehr ist gerade unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Grundgesetztes eine Abwägung der Interessen vorzunehmen. Wie sich aus der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entnehmen lässt, ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein bestimmender Grundsatz der durch das Grundgesetz konstituierten objektiven Werteordnung. Bei einer allgemeinen Betrachtung ist anzunehmen, dass eine besondere Betroffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt. Die Kenntnis vom Ort der letzten Ruhe des nächsten Angehörigen, ist für die Entfaltung und selbstbestimmte Wahrung der eigenen Persönlichkeit von besonderer Bedeutung, denn zur Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung gehört auch die Frage nach der eigenen Herkunft gerade in Bezug auf das besondere Verhältnis zu den Eltern. Dagegen ist es dem Totenfürsorgeberechtigten unschwer möglich, anhand der ihm zur Verfügung stehenden Informationen die Auskunft zu erteilen. Die Erteilung der Auskunft ist der Beklagten auch zumutbar, denn es sind keine berechtigten Interessen ersichtlich, die einer Auskunftserteilung entgegenstehen könnten. Dass Ergebnis muss daher sein, dass der Klägerin ein Recht auf Auskunftserteilung zuzubilligen ist.

b)

Dieses Recht ist auch noch nicht erfüllt worden. Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass sie die Urne an ein niederländisches Bestattungsinstitut übergeben hat und eine Flussbestattung stattgefunden hat. Aus der erteilten Auskunft folgt nicht, dass sie nicht noch weitere Angaben zum Verbleib der Urne machen kann, die für die Interessen der Klägerin von Bedeutung sind. Insbesondere erscheint die Angabe des Flusses und der Koordinaten, wo die Flussbestattung stattgefunden hat, möglich.

2.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Freistellung von dem außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 83,54 € aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB. Hinsichtlich des Auskunftsanspruches war die Beklagte in Verzug, denn die Beklagte lehnte die Auskunftserteilung ab, was nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB den Verzug auslöst. Dem Auskunftsanspruch ist ein Streitwert i.H.v. 500 € zuzumessen, so dass die Rechtsverfolgung i.H.v. 83,54 € zweckmäßig und erforderlich war.

3.

Die Klägerin hat keinen Schmerzensgeldanspruch aus §§ 823 Abs. 1 iVm Art. 2 Abs.1, 1 GG, 253 Abs. 2 BGB durch Umbettung der Urne.

a)

Mangels Rechtsgutverletzung ist der Anspruch aus § 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 nicht gegeben. Die Klägerin nicht in einem Recht aus Totenfürsorge verletzt. Das Totenfürsorgerecht ist ein Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB (Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl., vor § 1922 Rdn.12; OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 08.10.2015, Az:1 U 72/15). Die Klägerin ist nach dem Vortrag der Parteien nicht Inhaberin der Totenfürsorge über den Verstorbenen, sondern die Beklagte. Sie kann also auch nicht in ihrem Recht auf Ausübung der Totenfürsorge verletzt sein.

Wer die Totenfürsorge innehat, bestimmt sich nach dem zu Lebzeiten geäußerten Willen des Verstorbenen (BGH NJW 2012, 1648, 1649; Schwab, in: MünchKomm.-BGB, 6. Aufl., § 1896 Rdn. 104; Lohmann, in: BeckOK-BGB, Stand: 1.11.2014, § 1968 Rdn. 2, OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 08.10.2015, Az:1 U 72/15, AG Brandenburg, Urteil vom 05.07.2013, Az: 35 C 16/13, Rn 40 ff). Unerheblich ist wer Erbe nach dem Verstobenen geworden ist, denn Ort, sowie Art und Weise der Bestattung des Erblassers, die Totensorge, sind keine den Nachlass betreffenden Fragen (KG, Beschluss vom 31.05.2013, Az: 6 W 131/12). Eine Aussage über den Willen des Verstorbenen, wer totenfürsorgeberechtigt sein soll, lässt sich nicht mit Sicherheit entnehmen, was jedoch erforderlich wäre (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.1977, IV ZR 151/76, BeckRS 1977, 31117013; BGH NJW-RR 1992, 834; OLG Karlsruhe MDR 1990, 443; Schwab, § 1896 Rdn. 105; Lohmann, a.a.O. § 1968 Rdn. 2; OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 08.10.2015, Az:1 U 72/15). Ist nicht zu ermitteln, wer beauftragt wurde, so sind nach Gewohnheitsrecht die nächsten Angehörigen berechtigt, und zwar zunächst der Ehegatte, dann die Kinder usw. (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl., 2015, Einl. 1922 Rn. 10). Der überlebende Ehegatte schließt aufgrund gewohnheitsrechtlicher Grundsätze folglich also auch die Kinder von der Ausübung des Totenfürsorgerechts aus. Insoweit wird auch auf den Hinweis des Gerichts in der Terminsverfügung vom 2. April 2016 (Bl. 19 d. GA) Bezug genommen.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2016 auf das Urteil des Landgerichts Ulm vom 20. Januar 2012 - 2 O 356/11 - hinwies, führen die in dem Urteil dargelegten Grundsätze entgegen der geäußerten Ansicht nicht zu einem anderen Ergebnis im hier zu entscheidenden Fall. Im Fall den das Landgericht Ulm zu entscheiden hatte, war es so, dass beide Eltern tot waren. Daher gab es keinen Elternteil, der die Kinder von der Ausübung des Totenfürsorge Rechts ausschloss. Insbesondere kann aus dem Urteil nicht gefolgert werden, dass nach der Bestattung das Totenfürsorgerecht auch den Kindern zusteht. Das Totenfürsorgerecht umfasst auch das Recht eine Umbettung vorzunehmen (Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl., 2015, Einl. 1922 Rn. 11).

b)

Es ist kein weiteres Rechtsgut von § 823 BGB verletzt.

aa)

Die körperliche Unversehrtheit der Klägerin nicht verletzt.

Verletzung ist jeder Eingriff in die körperliche Integrität oder Befindlichkeit, der einen von den normalen körperlichen Funktionen nicht nur unerheblich abweichenden Zustand hervorruft (Palandt-Sprau, § 823, Rn.4).

Grundsätzlich fallen darunter auch medizinisch feststellbare psychisch bedingte Folgewirkungen des haftungsbegründenden Ereignisses, die von einiger Dauer sind, nach allgemeiner Lebensauffassung als Körper- oder Gesundheitsverletzung angesehen werden und deshalb über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehen (Palandt-Sprau, § 823, Rn.4).

Das ist vorliegend nicht der Fall. Eine psychische Folgewirkung, die von einiger Dauer ist, hat die Klägerin nicht hinreichend vorgetragen. Zwar ist es sicherlich schmerzhaft und belastend, nicht zu wissen, wo sich der eigene Vater befindet. Dies reicht für die Annahme einer derartigen psychischen Beeinträchtigung aber nicht aus.

bb)

Ebenso ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges Rechtsgut des § 823 Abs. 1 BGB nicht verletzt. Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt es sich um Rahmenrecht, bei dem die Rechtswidrigkeit des Eingriffs erst positiv festgestellt werden muss. Wenn die Rechtsordnung dem Totenfürsorgeberechtigten gestattet, eine Umbettung vorzunehmen, so kann darin nicht andererseits ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines anderen liegen.

c)

Unbeachtlich für die Frage eines Schmerzensgeldes ist, ob die Beklagte nach öffentlichrechtlichen Vorschriften die Umbettung vornehmen durfte, denn die öffentlichrechtlichen Vorschriften eröffnen der Klägerin kein subjektives Recht, auf das die Klägerin die Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen stützen könnte. Soweit in der Entscheidung des Amtsgericht Wiesbadens, Urt. v. 3. April 2007 - 91 C 1274/07, NJW 2562, entscheiden wurde, dass der nachrangig Totenfürsorgeberechtigte von dem vorrangigen Totenfürsorgeberichtigten, die Unterlassung von in Deutschland nicht zulässige Bestattungsmaßnahmen verlangen kann, so führt dies noch nicht dazu, dass auch ein Schmerzensgeld zu gewähren wäre. Eine Beschränkung in der Ausübung, die aus dem Willen des Verstorbenen folgt, kann insoweit nicht zum Zusprechen eines Schmerzensgeldes führen. Bei der Entscheidung des Amtsgericht Wiesbadens ist weiter zu berücksichtigen, dass es sich um eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz handelte und in einem Hauptsacheverfahren nicht wieder rückgängigzumachende Folgen verhindert werden sollten.

Es ist aber auch unabhängig davon auch davon ausgehen, dass die Umbettung rechtmäßig war.

Die Klägerin wurde auch nicht nachträglich totenfürsorgeberechtigt, durch eine unzulässige Ausübung des Rechts durch die Beklagte. Insbesondere war die Umbettung rechtmäßig.

Gem. § 11 Abs. 2 BestattG NRW bedürfen Umbettungen von Leichen und Urnen, ungeachtet sonstiger gesetzlicher Vorschriften, der vorherigen Zustimmung der Friedhofsverwaltung. Sie erfolgen nur auf schriftlichen Antrag und werden von der Friedhofsverwaltung oder ihre Beauftragten durchgeführt. Gem. § 10 Abs. 1 der Friedhofssatzung Willich kann die Zustimmung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erteilt werden. Die Beklagte hat vortragen lassen, dass sie einen Antrag gestellt hat und insoweit eine amtliche Auskunft der Friedhofsverwaltung angeboten. Soweit die Klägerin in dem selbst verfassten und in der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichten Schreiben die Existenz eines solchen Antrags in Zweifel zieht, wird der Vortrag wegen Verspätung gemäß § 296 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Nach Ansicht des Gerichtes handelt es sich um eine grobe Nachlässigkeit, wenn der unter Beweis gestellte Vortrag erst in der mündlichen Verhandlung bestritten wird, so dass sich die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme ergibt. Des Weiteren ist das überreichte Schreiben auch entgegen § 130 Nr. 6 ZPO nicht unterschrieben. Bei Umbettungen von Leichen im ersten Jahr der Ruhezeit nur bei Vorliegen eines dringenden, öffentlichen Interesses. Die Frage ob die Urne umgebettet werden soll, durfte grundsätzlich die Beklagte als Totenfürsorgeberechtigte allein treffen. Denn die Totenfürsorge umfasst nicht nur das Recht, über den Leichnam zu bestimmen und über die Art der Bestattung sowie den Ort der letzten Ruhestätte zu entscheiden, sondern auch über Fragen der Umbettung der Leiche oder Urne sowie der Exhumierung (Palandt-Edenhofer, BGB, 52. Aufl. 1993, Einl. vor § 1922 Rdnr. 19). Dabei kann die Umbettung einer einmal beigesetzten Leiche mit Rücksicht auf die auch strafrechtlich geschützte (§ 168 StGB) Achtung vor der Totenruhe nur aus ganz besonders dringlichen, sittlich gerechtfertigten Gründen verlangt werden (OLG Oldenburg FamRZ 1990, 1273, 1274, vgl. auch Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 10. Aufl. 2001, S. 219 ff), beispielsweise dann, wenn zwingende Vorschriften der Friedhofsordnung oder der Schutz der öffentlichen Sicherheit bei Gefährdung der Grundwassers infolge der Bodenbeschaffenheit der Grabstätte eine Umbettung erfordern. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass vorliegend nicht die Leiche, sondern eine Urne auf dem Grab entfernt wurde. Ein wichtiger Grund für eine Umbettung kann auch vorliegen, wenn der Verstorbene den Wunsch hatte, an einem bestimmten Ort beerdigt zu werden, die Bestattung aber an einem anderen Ort erfolgt ist (vgl. BGH FamRZ 1978, 15 = MDR 1978, 299). Vorliegend hat die Beklagte vorgetragen und unter Beweis durch Zeugenvernehmung des Zeugen X3 gestellt, dass der Verstorbene zu Lebzeiten eine andere Bestattungsform wie eine Wasserbeisetzung gewünscht hat. Soweit die Klägerin mit dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schreiben in Zweifel zieht, dass der Verstorbene eine Flussbestattung wünschte, so wird der Vortrag gemäß § 296 Abs. 2 ZPO wegen Verspätung zurückgewiesen. Auch insoweit wird besteht nach Ansicht einen grobe Nachlässigkeit den unter Beweis gestellten Vortrag nicht vor der mündlichen Verhandlung zu bestreiten, so dass sich die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme erst dann ergibt. Des Weiteren ist der überreichte Schriftsatz auch entgegen § 130 Nr. 6 ZPO nicht unterschrieben. Der Wunsch des Verstorbenen würde sich auch grundsätzlich gegen das Gebot, die Toten ruhen zu lassen, durchsetzen (vgl. der Wunsch nach einer gemeinsamen Grabstätte mit dem verstorbenen Ehemann würde sich gegen das Gebot der Totenruhe durchsetzen: BGH NJW 1954, 720, 721 a.E; OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 08.10.2015, Az:1 U 72/15).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 11 Alt. 2, 709 S. 1, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 € (Antrag zu 1) 500,00 €, Antrag zu 2) 2.000,00 € festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Krefeld, Nordwall 131, 47798 Krefeld, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Krefeld zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Krefeld durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.