ArbG Oberhausen, Beschluss vom 21.05.2015 - 2 BV 2/15
Fundstelle
openJur 2019, 12327
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl vom 04.02.2015.

Die Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt auf dem Centro Gelände in P. das "M.". Hierbei handelt es sich um eine Indoor-Freizeitattraktion mit angeschlossener Gastronomie und Einzelhandel. Die Beteiligte zu 2. (Im Folgenden: T.) betreibt in unmittelbarer Nähe den Abenteuerpark P. und auf einem unmittelbar angrenzenden Grundstück das T. P.. Der Freizeitpark P. ist ein Freizeitpark mit diversen Fahrgeschäften und Attraktionen. Das T. eine Aquarium-Attraktion mit angeschlossener Gastronomie und Einzelhandel. Bei dem Beteiligten zu 3. (im Folgenden: Betriebsrat) handelt es sich um das gewählte Vertretungsorgan der Mitarbeiter der Arbeitgeberin.

Am 04.02.2015 fand eine Betriebsratswahl im Haus der Arbeitgeberin statt. Hierbei wurde ein fünfköpfiger Betriebsrat gewählt. Das Wahlergebnis wurde am 04.02.2015 durch den Wahlvorstand bekannt gegeben.

Im Betrieb der T. wurde am 05.05.2014 ein Betriebsrat gewählt, der aus sieben Mitgliedern besteht.

Mit einem am 18.02.2015 beim Arbeitsgericht P. eingegangenen Schriftsatz haben die Arbeitgeberin und T. die Wahl vom 04.02.2015 angefochten. Die Arbeitgeberin und T. tragen vor, dass Betriebsmittel und Räumlichkeiten gesellschaftsübergreifend genutzt worden seien. Die Arbeitsabläufe seien personell, technisch und organisatorisch miteinander verknüpft gewesen. Zudem sei der Freizeitpark, die Indoor-Freizeitattraktion und die Aquarium-Attraktion einheitlich von Herrn D. als sogenannten General Manager geleitet worden. Er habe schon damals sämtliche Befugnisse in personeller und sozialer Hinsicht ausgeübt.

Die Arbeitgeberin und T. schlossen unter dem Datum vom 13.2..2014 eine Führungsvereinbarung. Seit diesem Zeitpunkt ist Frau X. die neue General Managerin für alle drei Einrichtungen. Sie würde sämtliche Befugnisse in personeller und sozialer Hinsicht ausüben. Wegen der Einzelheiten der Führungsvereinbarung wird auf die Ablichtung Bl. 23 bis 26 d. A. Bezug genommen.

Im Kassenbereich der Arbeitgeberin kommt es zu einem Personaleinsatz der Mitarbeiter der T.. Hierbei handelt es sich um 19 Arbeitnehmer, die den Betriebsrat mit gewählt haben.

Die Arbeitgeberin und T. sind der Auffassung, die Betriebsratswahl habe unter Verkennung des Betriebsbegriffs stattgefunden. Tatsächlich würden sie einen Gemeinschaftsbetrieb bilden. Dies folge schon aus der Führungsvereinbarung vom 13.2..2014. Frau X. sei zuständig und letztverantwortlich für die Aufstellung der Personal- und Dienstplanung. Sie nehme an Mitarbeiterbesprechungen teil. Von ihr würden Mitarbeiterfeiern organisiert. Es fände ein Personalaustausch bei den sogenannten Duty-Managern statt. Die Sicherheitsauflagen von allen Attraktionen würden durch den Health- und Safetymanager Herrn O. wahrgenommen.

Die Antragsteller beantragen,

die Betriebsratswahl vom 04.02.2015 wird für unwirksam erklärt.

Der Betriebsrat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Es gebe lediglich eine gemeinsame Kassenzone, in der die Besucher jeweils an unterschiedlichen Kassen Eintrittsgelder entweder für die Arbeitgeberin oder T. entrichten würden. Ein wechselseitiger Personaleinsatz fände nicht statt. Gemeinsame Sozialräume seien nicht vorhanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist unzulässig und unbegründet.

Die Betriebsratswahl kann nach § 19 Abs. 1 BetrVG beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden sind und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Die Anfechtung kann nur binnen einer Frist von zwei Wochen ab Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgen.

Die Anfechtungsfrist ist gewahrt. Der Wahlvorstand hat das Ergebnis der Wahlen am 04.02.2015 bekannt gegeben. Die Antragsschrift ging am 18.02.2015 beim Arbeitsgericht P. ein.

Die angefochtene Wahl ist zunächst nicht nichtig im Sinne des Gesetzes.

Eine nichtige Betriebsratswahl ist nur bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts anzunehmen, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Wegen der weitreichenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders gravierenden Wahlverstößen angenommen werden. Voraussetzung ist, dass der Mangel offenkundig und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss "den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen". Dies ist bei einer Betriebsratswahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt worden ist, grundsätzlich nicht der Fall. Sie hat in der Regel nur die Anfechtbarkeit der Wahl zur Folge (zuletzt etwa BAG, Beschluss vom 13.03.2013 - 7 ABR 70/2. - AP Nr. 2. zu § 3 BetrVG 1972).

Nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen hat der Betriebsrat den Betriebsbegriff verkannt. Es habe sich um einen Gemeinschaftsbetrieb zweier Arbeitgeberinnen gehandelt. Dem Vorbringen der Antragstellerinnen lässt sich nicht entnehmen, dass die am 04.02.2015 durchgeführte Betriebsratswahl "den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn trägt".

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist im Fall der Anfechtung einer Betriebsratswahl mit der Begründung, dass in einem einheitlichen Betrieb unter Verkennung des Betriebsbegriffs mehrere Betriebsräte für jeweils unselbstständige Betriebsteile gewählt worden sind, die Wahl aller Betriebsräte anzufechten (BAG, Beschluss vom 07.12.1988 - 7 ABR 2./88 - AP Nr. 5 zu § 19 BetrVG 1972; Beschluss vom 31.05.2000 - 7 ABR 78/98 - AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972; Beschluss vom 21.09.2011 - 7 ABR 54/2. - AP Nr. 9 zu § 3 BetrVG 1972).

Die Antragstellerinnen haben die Wahl des Betriebsrats im T. vom 05.05.2014 nicht angefochten. Nach dem Vorbringen aus der Antragsschrift hat der gemeinsame Betrieb jedoch schon vor Abschluss der Führungsvereinbarung vom 13.2..2014 bestanden. Herr C. habe als General Manager einheitlich den Freizeitpark, die Indoor-Freizeitattraktion und die Aquarium-Attraktion geleitet. Er habe damals schon sämtliche Befugnisse in personeller und sozialer Hinsicht ausgeübt.

Die Antragstellerinnen wären deshalb gehalten gewesen, auch die am 05.05.2014 stattgefundene Wahl anzufechten.

Der Betriebsrat, dessen Wahl nicht ebenfalls innerhalb der Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG angefochten worden ist, bleibt aus Gründen der Rechtssicherheit bis zum Ablauf seiner regelmäßigen Amtszeit im Amt unabhängig davon, ob er unter Verkennung des Betriebsbegriffs gewählt worden ist oder nicht. Er kann während seiner regulären Wahlperiode nicht durch einen für den gesamten Betrieb zu wählenden Betriebsrat ersetzt werden. Seine Zuständigkeit erstreckt sich auch nicht automatisch auf die durch eine erfolgreiche Wahlanfechtung betriebsratslos gewordenen Arbeitnehmer des unselbständigen Betriebsteils die an seiner Wahl nicht beteiligt waren. Diese bleiben bis zur turnusgemäßen Neuwahl ohne betriebliche Interessenvertretung (BAG, Beschluss vom 07.12.1988 - 7 ABR 2./88 - a. a. O.; Beschluss vom 31.05.2000 - 7 ABR 78/98 - a. a. O.).

Diese Voraussetzungen sind im Entscheidungsfall gegeben. Der Betriebsrat von T. wird nicht automatisch zuständig für die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. Vielmehr wären diese bis zur turnusgemäßen Neuwahl in rund drei Jahren ohne eine betriebliche Interessenvertretung.

Der Antrag ist auch unbegründet.

Da die Wahl in dem Betrieb T. nicht angefochten worden ist, gilt sie - mit allen Konsequenzen - als wirksam. Der in Verkennung des Betriebsbegriffs, des Wahlrechts, der Wählbarkeit oder der Vorschriften über das Wahlverfahren gewählte Betriebsrat ist für die Dauer seiner Amtszeit das rechtmäßig fungierende betriebsverfassungsrechtliche Vertretungsorgan. Eine entsprechende kollektiv rechtliche Bindungswirkung besteht sowohl für die Belegschaft als auch für den Arbeitgeber (BAG, Urteil vom 03.06.2004 - 2 AZR 577/03 - NZA 2005, 175 f).

Nach dem Vorbringen der Antragstellerinnen lagen schon vor Abschluss der Führungsvereinbarung vom 13.2..2014 die Voraussetzungen eines Gemeinschaftsbetriebs für ihr Unternehmen vor. Sie haben vorgetragen, dass Herr C. als vorheriger General Manager den Freizeitpark, die Indoor-Freizeitattraktion und die Aquarium-Attraktion einheitlich geleitet hätte. Die Betriebsmittel und Räumlichkeiten seien gesellschaftsübergreifend genutzt und die Arbeitsabläufe wären personell, technisch und organisatorisch miteinander verknüpft gewesen. Die Antragstellerinnen hätten deshalb die Wahl im T. vom 05.05.2014 anfechten müssen. Auch diese Wahl hat nach ihrem Vortrag unter Verkennung des Betriebsbegriffs stattgefunden. Durch die Annullierung nur einer verfahrensfehlerhaften Wahl eines einzelnen Betriebsrats kann ein betriebsverfassungsgemäßer Zustand für die Zukunft nicht erreicht werden. Der Betriebsrat der T. ist auch nicht automatisch zuständig für die Mitarbeiter im Unternehmen der Arbeitgeberin. Diese bleiben bis zur turnusmäßigen Neuwahl vielmehr ohne betriebliche Interessenvertretung (BAG, Beschluss vom 31.05.2000 - 7 ABR 78/98 - a. a. O.).

Im Übrigen ist auch kein Übergangsmandat gemäß § 21 a Abs. 2, Abs. 1 Satz 3 BetrVG anzunehmen. Ein solches Übergangsmandat würde enden, sobald in den Betriebsteilen ein neuer Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekannt gegeben ist, spätestens jedoch sechs Monate nach Wirksamwerden der Spaltung, § 21 a Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung kann das Übergangsmandat um weitere sechs Monate verlängert werden, § 21 a Abs. 1 Satz 4 BetrVG. Der 6-Monats-Zeitraum ist im Zeitpunkt des Anhörungstermins vom 21.05.2015 abgelaufen. Die Führungsvereinbarung wurde am 13.2..2014 abgeschlossen. Der Zeitablauf endete dementsprechend am 13.04.2015. Eine anderweitige Kollektivvereinbarung i. S. von § 21 a Abs. 1 Satz 4 BetrVG liegt nicht vor.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen diesen Beschluss kann von der Beteiligten zu 1. und der Beteiligten zu 2. Beschwerde eingelegt werden.

Für den Betriebsrat ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.

Die Beschwerde muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Ludwig-Erhard-Allee 21

40227 Düsseldorf

Fax: 0211 7770-2199

eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Beschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1. Rechtsanwälte,

2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

S.