LG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2017 - 25 T 391/17
Fundstelle
openJur 2019, 11696
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 28. April 2017 in Gestalt des Antrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Betroffenen auferlegt.

Gründe

I.

Der Betroffene wurde am 12.12.2016 im Bereich des Düsseldorfer Hauptbahnhofs von Beamten der Bundespolizei angetroffen und kontrolliert. Er wies sich mit gefälschten bulgarischen Ausweispapieren aus und wurde daraufhin vorläufig festgenommen.

Mit Ordnungsverfügung vom 13.12.2016 (Bl. 34 ff. Ausländerakte), die dem Betroffenen am gleichen Tage übersetzt und ausgehändigt worden ist (Bl. 54 Ausländerakte), hielt der Antragsteller fest, dass der Betroffene verpflichtet ist, das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen. Er drohte die Abschiebung nach Marokko an, welche auf der Grundlage des § 59 Abs. 5 AufenthG aus der Haft heraus erfolgen solle. Sollte die Abschiebung nicht unmittelbar aus der Haft heraus erfolgen können, wurde die Abschiebung nach Marokko angedroht, sollte der Betroffene nicht innerhalb von sieben Tagen nach Haftentlassung das Bundesgebiet verlassen haben.

Auf Antrag des Antragstellers ordnete das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen mit Beschluss vom 13.12.2016 (151 A XIV (B) 47/16) an, dass der Betroffene bis längstens zum 13.03.2017 in Abschiebungshaft zu nehmen ist. Der Beschluss blieb unangefochten.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2017  (Bl. 69 ff. Ausländerakte) teilte der Antragsteller dem Betroffenen mit, dass er beabsichtige, folgende Ordnungsverfügungen zu erlassen,

- Ausweisung,

- Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisung,

- Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung,

- Befristung der Sperrwirkung der Abschiebung.

Der Betroffene konnte durch die marokkanischen Behörden identifiziert werden und Passersatzpapiere wurden ausgestellt. Zur Durchführung der Abschiebung wurde ein Flug für den 13.03.2017 gebucht.

Mit Ordnungsverfügung vom 06.03.2017 (Bl. 116 ff. Ausländerakte) wies der Antragsteller den Betroffenen aus dem Bundesgebiet aus und befristete die Wirkung der Ausweisung auf 3 Jahre ab dem Tag der Abschiebung. Die sofortige Vollziehung der Ausweisungsverfügung wurde angeordnet. Die Ordnungsverfügung wurde am 06.03.2017 an den Betroffenen zugestellt (Bl. 129 Ausländerakte).

Unter dem 06.03.2017 teilte die UfA Büren mit, dass der Betroffene seine Abschiebung mit allen Mitteln verhindern will.

Unter dem 09.03.2017 stellte der Betroffene einen Asylantrag (Bl. 134 f. Ausländerakte).

Der Antragsteller sah daraufhin von der für den 13.03.2017 geplanten Abschiebung ab und stellte unter dem 10.03.2017 bei dem Amtsgericht Düsseldorf einen Antrag auf Verlängerung der Sicherungshaft bis zum 09.06.2017.

Nach Anhörung des Betroffenen verlängerte das Amtsgericht mit Beschluss vom 10.03.2017 die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 09.06.2017 und ordnete die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung an. Der Beschluss wurde dem Betroffenen am gleichen Tage übersetzt und ausgehändigt.

Durch Bescheid vom 24. März 2017  (Gesch.-Z.: 7086501 – 252; Bl. 165 ff. Ausländerakte) erging folgende Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge:

Der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.

Der Antrag auf Asylanerkennung wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.

Der Antrag auf subsidiären Schutz wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes liegen nicht vor.

Der Antragsteller (hier: Betroffene) wird aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist  nicht einhalten, wird er nach Marokko abgeschoben. […]

Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wird auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Dieser Bescheid wurde am 01.04.2017 zugestellt und ist seit dem 11.04.2017 bestandskräftig; die Abschiebungsandrohung ist seit dem 11.04.2017 vollziehbar (Bl. 182 Ausländerakte).

Am 20.04.2017 stellte der Betroffene einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, der mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28.04.2017 (Gesch.-Z.: 7115015 – 252; Bl. 190 ff. Ausländerakte) als unzulässig abgelehnt wurde.

Am 24.04.2017 beantragte der Betroffene durch seinen jetzigen Verfahrensbevollmächtigten, gemäß § 426 Abs. 2 S. 1 FamFG die Freiheitsentziehung aufzuheben. Für den Fall der Haftentlassung wurde beantragt festzustellen, dass der Haftbeschluss den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 28.04.2017 zurückgewiesen. Der Beschluss ist an den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen am 29.05.2017 zugestellt worden.

Unter dem 28.04.2017 wurden erneut Passersatzpapiere für den Betroffenen ausgestellt (Bl. 197 Ausländerakte). Ein Flug zur Durchführung der Abschiebung wurde für den 04.05.2017 gebucht.

Am 04.05.2017 wurde der Betroffene aus der Haft entlassen und in sein Heimatland Marokko abgeschoben.

Unter dem 06.06.2017, bei Gericht eingegangen am gleichen Tage, hat der Betroffene durch seinen Bevollmächtigten Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 28.04.2017 eingelegt und diese mit Schreiben vom 19.06.2017 weiter begründet.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 26. Juni 2017 nicht abgeholfen und diese der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

Die Kammer hat die Ausländerakte beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den angefochtenen Beschluss sowie den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Betroffenen ist in der Sache nicht begründet.

1)

Es lag ein zulässiger Haftantrag in Gestalt des Schreibens des Antragstellers vom 12. Dezember 2016 in Verbindung mit dem Verlängerungsantrag vom 10. März 2017 vor.

Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 - V ZB 246/11, InfAuslR 2012, 328; vom 6. Dezember 2012 - V ZB 118/12; vom 31. Januar 2013 - V ZB 20/12, FGPrax 2013, 130, jeweils mwN).

Der Antrag wurde durch die - nach § 71 Abs. 1 AufenthG sachlich und gemäß §§ 12 Abs. 2, 4 Abs. 1 OBG NRW örtlich - zuständige Behörde gestellt (§ 417 Abs. 1 FamFG). Er lässt durch die Angabe der Haftgründe hinreichend deutlich erkennen, dass die Anordnung von Sicherungshaft nach § 62 Abs. 3 AufenthG angestrebt wird.

Der Antrag legt Voraussetzungen, Durchführbarkeit und Dauer der beabsichtigten Abschiebung nach Marokko im konkreten Fall hinreichend dar.

2)

Der Betroffene ist nach § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, da er ohne den nach § 3 Abs. 1 AufenthG erforderlichen gültigen Pass oder Passersatz und ohne den gemäß § 4 Abs. 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet einreiste. Die Einreise erfolgte gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1, 2 AufenthG unerlaubt. Gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1  Nr. 1 AufenthG ist die Ausreisepflicht vollziehbar, wenn – wie vorliegend – der Ausländer unerlaubt eingereist ist.

3)

Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Die Abschiebung wurde dem Betroffenen durch Ordnungsverfügung des Antragstellers vom 13. Dezember 2016 (Bl. 34 ff. Ausländerakte)  angedroht und der Betroffene aufgefordert, sollte die Abschiebung nicht aus der Haft heraus erfolgen, innerhalb von sieben Tagen nach Haftentlassung aus dem Bundesgebiet auszureisen. Der Bescheid wurde dem Betroffenen am 13. Dezember 2016 zugestellt  (Bl. 54 Ausländerakte). Zudem wurde ihm die Abschiebung durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. März 2017 angedroht.

4)

Die Abschiebung ist innerhalb der angeordneten Zeit möglich.

Insofern hat der Antragsteller in der Antragsschrift vom 12. Dezember 2016 vorgetragen:

Nach einem Treffen einer Expertengruppe aus Vertretern des Bundesministeriums des Inneren, der Länder (Ministerium für Inneres und Kommunales Nordrhein-Westfalen und sächsisches Staatsministerium,  des Auswärtigen Amtes sowie des marokkanischen Innen-  und Außenministeriums) am 13.10.2016 in Berlin konnten  konkrete Verbesserungen im Bereich der Passersatzpapierbeschaffung erzielt werden.

Auf dieser Grundlage wurde ein Verfahren für die Passersatzpapierbeschaffung und Rückführung nach Marokko festgelegt und für Nordrhein-Westfalen angepasst. Die Identifizierungen der Personen sollen durch die marokkanischen Behörden innerhalb einer Frist von 45 Tagen abgeschlossen sein.

Die Passersatzpapierbeschaffung für marokkanische Staatsangehörige wird in Nordrhein-Westfalen von der Zentralen Ausländerbehörde Köln durchgeführt. Es besteht ein Rückübernahmeprotokoll zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Marokko.

Das Verfahren gestaltet sich wie folgt:

Die Ausländerbehörde übersendet den ausgefüllten Passersatzpapierantrag mit  zwei Fingerabdruckbögen jeweils im Original, vier Fotos und eventuell vorliegenden Identitätsnachweisen an die Zentrale Ausländerbehörde Köln.

Die Zentrale Ausländerbehörde Köln prüft den Antrag auf Vollständigkeit, Plausibilität und zusätzlich auf das Vorliegen digitaler Fingerabdrücke und leitet beim marokkanischen Generalkonsulat in Düsseldorf das Verfahren zur Identifizierung und Ausstellung eines Passersatzpapiers ein. Sollte sich der Betroffene weigern, einen Passersatzantrag auszufüllen, ist dieser von der Ausländerbehörde nach Aktenlage auszufüllen.

Die Überprüfungen finden ausschließlich im Heimatland anhand der eingereichten Fingerabdrücke statt.

In Haftfällen stellt die Zentrale Ausländerbehörde Köln die Einleitung des Passersatzverfahrens unter Beachtung des Beschleunigungsgebotes sicher, indem der Betroffene unverzüglich zur Antragsaufnahme, Abgabe von Fingerabdrücken, Fertigung von Lichtbildern etc. in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige bzw. Justizvollzugsanstalt aufgesucht wird. Auch in diesen Fällen prüft die Zentrale Ausländerbehörde Köln das Vorliegen digitaler Fingerabdrücke. Gleichzeitig wird der Betroffene über seine Mitwirkungspflichten belehrt und aufgefordert sich Identitätsnachweise, die eine schnellere Identifizierung zulassen, zu beschaffen. Es wird sichergestellt, dass alle diese Verfahrensschritte eingeleitet werden und der Passersatzpapierantrag beim marokkanischen Generalkonsulat in Düsseldorf und das Übergabeverfahren gemäß dem neuen beschleunigten Verfahren unverzüglich eingereicht bzw. eingeleitet wird.

Parallel zum Verfahren mit dem marokkanischen Generalkonsulat prüft die Zentrale Ausländerbehörde Köln in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei, ob für den Betroffenen digitale Fingerabdrücke einliegen. Ist dies der Fall, werden die Fingerabdruckdaten der betreffenden Person über die Bundespolizei dem Verbindungsbeamten der Bundespolizei in Marokko zugeleitet. Dieser übermittelt den Datensatz in digitalisierter Form auf einem Datenträger mittels Verbalnote an das marokkanische Außenministerium und parallel an das marokkanische Innenministerium. Ab diesem Zeitpunkt läuft die mit Marokko vereinbarte Überprüfungsfrist von 45 Tagen. Marokko teilt die Überprüfungsergebnisse (Identifizierung) per Verbalnote dem Verbindungsbeamten der Bundespolizei und zugleich dem marokkanischen Generalkonsulat Düsseldorf mit. Durch beide Stellen wird die Zentrale Ausländerbehörde Köln über die eventuelle Identifizierung informiert und die Zusage zur Ausstellung des Passersatzes erteilt.

Bei erteilter Passersatzpapierzusage stellt das marokkanische Generalkonsulat Düsseldorf daraufhin ein Passersatzpapier mit einer Gültigkeit von einem Monat, ohne Angabe des Reisetages und der Flugnummer aus. Es wird jedoch hierfür eine Vorlaufzeit von drei Wochen benötigt.

Die Dauer des Passersatzbeschaffungsverfahrens hängt ganz überwiegend von folgenden Faktoren ab:

Dauer des Bearbeitungsverfahrens der Auslandsvertretung inklusive der von dieser zu beteiligten Heimatbehörden, Umfang und Korrektheit der Identitätsangaben und/oder Unterlagen, Mitwirkungsverhalten des Betroffenen.

Alle genannten Bereiche enthalten eine Vielzahl von Unwägbarkeiten, die jede für sich oder in einfacher oder mehrfacher Kombination die Dauer des Verfahrens so wesentlich beeinflussen, dass es nicht möglich ist, eine genauere Aussage über die „übliche“ Dauer des Passersatzbeschaffungsverfahrens zu treffen.

Möglich ist die Angabe einer statistisch untermauerten Zeitspanne, in der ein Passersatzpapier zu beschaffen ist, wenn der Betroffene gegenüber seiner Heimatvertretung nichts unternimmt, um die Ausstellung des Passersatzpapiers zu verhindern und seine Angaben korrekt sind.

Dass eine Passersatzbeschaffung innerhalb von ungefähr zwei Monaten möglich ist (auch dann, wenn keine Dokumente über die Identität vorliegen) und damit die Abschiebung innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann, wird bewiesen durch eine Anzahl von diesbezüglich dokumentierten Fällen in der bundesweiten Fallsammlung der Clearingstellen für Passbeschaffung.

Nach Bestätigung der Identität des Betroffenen bucht die Zentralstelle für Flugabschiebungen der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld einen Abschiebeflug in Absprache mit der Bundespolizei, wobei sicherheitsrelevante Dinge, wie z.B. Tagesanzahl der Abschüblinge insgesamt, sowie Dinge, die in der Person des Ausländers liegen - und sich durchaus erst nach Erlass des richterlichen Beschlusses ergeben können - zu berücksichtigen sind.

Darüber hinaus hat die Zentralstelle für Flugabschiebungen Bielefeld je nach Fluggesellschaft zu berücksichtigen, wie viele Abschüblinge maximal je Flugzeug an Bord sein dürfen. Sollte der Abschübling gesundheitliche Probleme geltend machen, ist er gegebenenfalls vorher einem Arzt vorzustellen, der die Flug- und Reisefähigkeit feststellen wird. Sofern eine ärztliche Begleitung erforderlich sein sollte, ist dies entsprechend bei der Flugbuchung zu berücksichtigen.

Bis ein Abschiebungsflug gebucht werden kann, ist somit ein vom Einzelfall abhängiger Zeitbedarf von wenigen Tagen bis hin zu drei Wochen einzuplanen.

5)

Die erforderliche Befristung des Wiedereinreiseverbotes ist durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. März 2017 erfolgt.

Seit dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache D. vom 19. September 2013 (Rs. C-297/12, ECLI:EU:C:2013:569) darf eine Ausweisung nur noch angeordnet werden, wenn gleichzeitig über die Befristung des Einreiseverbots entschieden wird (BVerwG, InfAuslR 2013, 141 Rn. 11 f.; BVerwGE 143, 277 Rn. 30). Die Abschiebung eines Betroffenen darf seit dem Urteil des Gerichtshofs nur erfolgen, wenn dem Betroffenen zuvor die Entscheidung über die Befristung des Einreiseverbots bekannt gemacht wird, und zwar so frühzeitig, dass er noch in Deutschland Rechtsschutz dagegen organisieren kann (VGH Mannheim, ESVGH 63, 159, 161; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. März 2014 - OVG 12 S 113.13;  VGH Kassel, InfAuslR 2015, 53, 55).

Der Betroffene darf deshalb auf Grund der Ordnungsverfügung der beteiligten Behörde vom 13. Dezember 2016 in sein Heimatland Marokko  nur abgeschoben werden, wenn das Einreiseverbot, das die Abschiebung auslösen würde, vorher nach Maßgabe des hier anzuwendenden § 11 Abs. 2 bis 7 AufenthG befristet wird. Die Befristung ist ihm auch in einem zeitlichen Abstand vor der Abschiebung bekannt zu geben, die ihm erlaubt, ihre gerichtliche Überprüfung noch im Inland in die Wege zu leiten.

Diese ausländerrechtlichen Vorgaben führen aber nicht dazu, dass Haft zur Sicherung der Abschiebung stets erst angeordnet werden dürfte, nachdem die Wirkungen der Ausweisung (Einreise- und Aufenthaltsverbot, Titelerteilungsverbot, §  11 Abs. 1 AufenthG gemäß § 11 Abs. 2 bis 7 AufenthG) befristet worden sind. Die Anordnung von Sicherungshaft ist vielmehr vorher möglich, wenn sichergestellt ist, dass diese Befristung rechtzeitig vor der Abschiebung erfolgt.

Neben der o.g. Befristung hat der Antragsteller mit Schreiben vom 14. Dezember 2017 dem Betroffenen angekündigt, Ordnungsverfügungen folgenden Inhalts zu erlassen:

- Ausweisung,

- Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisung,

- Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung,

- Befristung der Sperrwirkung der Abschiebung.

Dem Betroffenen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Unter dem 06.03.2017 ist die angekündigte Ordnungsverfügung ergangen und wurde am gleichen Tag an den Betroffenen zugestellt.

6)

Es lag auch der von dem Antragsteller angeführte Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1

Nr. 1 AufenhG vor.

Der Betroffene ist unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist, da er weder einen gültigen Pass noch einen Aufenthaltstitel bei seiner Festnahme am 12. Dezember 2016 bei sich führte (§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 2 AufenthG).

Nach § 14 Abs. 1 AufenthG ist die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet nicht nur dann unerlaubt, wenn er wegen eines Einreiseverbots nicht einreisen darf (Nummer 3 der Vorschrift), sondern auch dann, wenn er den erforderlichen Pass oder Passersatz (Nummer 1 der Vorschrift) oder das erforderliche Visum (Nummer 2 der Vorschrift) nicht besitzt, was bei sich führen bedeutet (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. Juli 2013 - V ZB 224/12).

So lag es hier. Der Betroffene führte nach den Angaben der Polizei am 12. Dezember 2016 keinen gültigen Pass oder Passersatz bei sich. Er verfügte lediglich über gefälschte bulgarische Ausweispapiere.

7)

Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft war gemäß § 72 Abs. 4 Satz 3 und 4 AufenthG entbehrlich.

8)

Der Zweck der Haft konnte nicht durch mildere Mittel erreicht werden (§ 62 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Insbesondere aufgrund der fehlenden echten Ausweisdokumente und der Vorlage gefälschter Ausweispapiere war mit Widerstand gegen die Abschiebung zu rechnen. Dem konnte nur durch eine freiheitsentziehende Maßnahme wirksam begegnet werden.

9)

Das Verfahren ist auch mit der gebotenen größtmöglichen Beschleunigung betrieben worden.

Am 14. Dezember 2016 hat der Antragsteller die Zentrale Ausländerbehörde Köln ersucht, im Wege der Amtshilfe die Abschiebung durchzuführen.

Unter dem 29.12.2016 überreichte der Betroffene über seine damaligen Bevollmächtigten einen bulgarischen Reisepass an den Antragsteller, der sich nach Überprüfung jedoch ebenfalls als Fälschung herausstellte. Bereits unter dem 05.01.2017 hatte der Antragsteller Fingerabdruckbögen an die Zentrale Ausländerbehörde übersandt.

Nach Identifizierung des Betroffenen durch die marokkanischen Behörden war für den 13.03.2017 ein Flug gebucht worden.

Die Abschiebung konnte am 13.03.2017 nur deshalb nicht durchgeführt werden, weil der Betroffene kurz zuvor einen Asylantrag und sodann einen Asylfolgeantrag gestellt hatte. Nachdem der Asylantrag durch Bescheid vom 24.03.2017 als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden und am 11.04.2017 in Bestandskraft erwachsen ist, wurde bereits für den 04.05.2017 ein neuer Flug zur Durchführung der Abschiebung gebucht. Nachdem auch der Asylfolgeantrag durch Bescheid vom 28.04.2017 als unzulässig abgelehnt worden ist wurde die Abschiebung am 04.05.2017 durchgeführt.

Eine verzögerliche Sachbearbeitung lässt sich insoweit nicht erkennen.

Darüber hinaus sind sowohl der Abschiebehaftbeschluss vom 13.12.2016 als auch der Verlängerungsbeschluss vom 10.03.2017 in Rechtskraft erwachsen.

Aufgrund dieser Rechtskraft kommt es vorliegend für den Feststellungsantrag nur darauf an, ob der Betroffene ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Aufhebungsantrags vom 24.04.2017 durch eine verzögerliche Bearbeitung und die deshalb erfolgte Aufrechterhaltung der Haft in seinen Rechten verletzt worden ist. Dies ist offenkundig nicht der Fall.

10)

Dem Akteninhalt sind keine Anhaltspunkte für eine nicht erfolgte Verständigung zwischen dem Dolmetscher und dem Betroffenen anlässlich der Anhörungen durch das Amtsgericht Düsseldorf am 13. Dezember 2016 und 10. März 2017 unter Vermittlung der Dolmetscher für die arabische Sprache zu entnehmen. Auch durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge war der Betroffene unter Vermittlung eines Dolmetschers für die arabische Sprache angehört worden (Bl. 175 Ausländerakte). Dass die Verständigung möglich war, ergibt sich aus den umfangreichen Protokollen der Akte und Ausländerakte, insbesondere den konkreten und fragebezogenen Antworten des Betroffenen.

11)

Nach § 170 Abs. 1 Satz 1 GVG sind Verhandlungen, Erörterungen und Anhörungen in Familiensachen sowie in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht öffentlich. Soweit der Betroffene die Wahrung der Nichtöffentlichkeit seiner Anhörung vor dem Amtsgericht anzweifelt, fehlt ein konkreter Vortrag des Betroffenen, der bei der Anhörung zugegen war, ob die Öffentlichkeit ausgeschlossen war oder nicht. Zudem hat der Amtsrichter in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 26. Juni 2017 ausgeführt, dass die Anhörung in der nicht öffentlich zugänglichen Haftabteilung durchgeführt worden ist.

Soweit das Amtsgericht den Haftanordnungsbeschluss ebenfalls in nicht öffentlicher Sitzung verkündet hat, beeinflusst dies die Wirksamkeit der Verkündung nicht (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. März 2015, - XII ZB 571/13).  Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass  § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG i. V. m. § 311 ZPO keine mangelfreie, sondern lediglich eine wirksame Verkündung voraussetzen (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. März 2015, - XII ZB 571/13; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. September 1993, XII ZB 49/93). Zudem erfolgte vorliegend die Verkündung „beteiligtenöffentlich“.

12)

Auf die Ausführungen des Amtsgerichts in dem Nichtabhilfebeschluss vom 26.06.2017 wird im Übrigen ergänzend Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben. Sie ist binnen einer Frist von 1 Monat nach der Zustellung des Beschlusses bei dem Bundesgerichtshof durch Einreichung einer Beschwerdeschrift einzulegen. Die Rechtsbeschwerde muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den sich die Rechtsbeschwerde richtet und die Erklärung, dass Rechtsbeschwerde eingelegt werde, enthalten. Die Rechtsbeschwerde muss von einem am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

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