LG Köln, Urteil vom 27.10.2016 - 24 O 131/16
Fundstelle
openJur 2019, 11492
  • Rkr:
Tenor

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.000,- € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2014.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Hausratversicherung auf der Grundlage des Nachtrags Nr. 99 zum Versicherungsschein vom 05.11.2013, der auch die Versicherungsbedingungen – Allgemeine Hausrat-Versicherungsbedingungen der Q – V.I.P. Intelligent, Fassung Oktober 2005 - enthält (Anlage K 3, Bl. 21 ff GA).

Nach § 3 Nr. 1 b) der VHB ist u.a. in der Deckung, wenn versicherte Sachen durch Beraubung abhanden kommen.

§ 5 Nr. 3 der VHB lauten:

Beraubung liegt vor, wenn

a)      gegen den Versicherungsnehmer Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten. Gewalt liegt nicht vor, wenn versicherte Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstandes entwendet werden (einfacher Diebstahl/Trickdiebstahl),

b)      der Versicherungsnehmer versicherte Sachen herausgibt oder sich wegnehmen lässt, weil eine Gewalttat mit Gefahr für Leib oder Leben angedroht wird, die innerhalb des Versicherungsortes (s. § 9 Nr. 2) verübt werden soll,

c)      dem Versicherungsnehmer versicherte Sachen weggenommen werden, weil sein körperlicher Zustand infolge eines Unfalls oder einer nicht verschuldeten sonstigen Ursache beeinträchtigt und dadurch seine Widerstandskraft ausgeschaltet ist.

In § 5 Ziffer 5 der VHB heißt es:

Der Versicherungsschutz gegen Beraubung (siehe § 3 Nr. 2) erstreckt sich ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Sachen, die erst auf Verlangen des Täters an den Ort der Wegnahme oder Herausgabe gebracht werden.

In § 5 Nr. 2 lit. b) ist geregelt:

Einbruchdiebstahl liegt auch dann vor, wenn jemand in einem Raum eines Gebäudes bei einem Diebstahl angetroffen wird und eines der Mittel gemäß Nr. 3 anwendet, um sich den Besitz weggenommener Sachen zu erhalten.

In § 9 heißt es zum Versicherungsort:

1.       Versicherungsschutz besteht für versicherte Sachen innerhalb des Versicherungsortes.

Diese Beschränkung gilt nicht für versicherte Sachen, die infolge eines eingetretenen oder unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalles und in zeitlichem und räumlichem Zusammenhang mit diesem Vorgang zerstört oder beschädigt werden oder abhanden kommen.

2.       Versicherungsort ist die im Versicherungsvertrag bezeichnete Wohnung des Versicherungsnehmers; zur Wohnung gehören auch Loggien, Balkone, an das Gebäude unmittelbar anschließende Terrassen sowie ausschließlich vom Versicherungsnehmer oder einer mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Person zu privaten Zwecken genutzte Räume in Nebengebäuden – einschließlich Garagen – des Grundstücks, auf dem sich die versicherte Wohnung befindet. Dies gilt auch für Garagen in der Nähe des Versicherungsortes.

In § 11 – Außenversicherung – ist geregelt:

1.

Versicherte Sachen, die Eigentum des Versicherungsnehmers oder einer mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Person sind oder die deren Gebrauch dienen, sind weltweit auch versichert, solange sie sich vorübergehend außerhalb der Wohnung befinden…

5.

Bei Beraubung (siehe § 5 Nr. 3) besteht Außenversicherungsschutz gemäß Nr. 1; in den Fällen gemäß § 5 Nr. 3 b) gilt dies nur dann, wenn die angedrohte Gewalttat an Ort und Stelle verübt werden soll.

Der Außenversicherungsschutz erstreckt sich ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Sachen, die erst auf Verlangen des Täters an den Ort der Wegnahme oder Herausgabe gebracht werden (siehe § 5 Nr. 5).

6.

Die Entschädigung im Rahmen der Außenversicherung ist insgesamt auf 10 % der Versicherungssumme (Anm.: diese beträgt vorliegend 161.900,- €), höchstens auf 15.000,- € begrenzt…

Die Klägerin wurde am 07.06.1946 geboren. Sie wohnt mit ihrem zum Zeitpunkt des Versicherungsfall achtundsiebzigjährigen Lebenspartner, dem pensionierten Lehrer H, in der S-Straße, 50935 Köln.

Die Klägerin erhielt im August 2013 einen Anruf. Im Rahmen dieses Anrufes stellte sich der Anrufer als Beamter des BKA Berlin vor. Der Anrufer bezog sich auf mehrere Diebstähle, die in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses der Klägerin verübt worden waren. Von einem dieser Diebstähle, bei dem Juwelen im Wert von über 2 Millionen € gestohlen worden sein sollen, wusste auch die Klägerin. Der Anrufer erklärte, er wolle als Sicherheitsberater der Polizei die Klägerin und alle unmittelbare Nachbarn vor künftigen Diebstählen warnen. Der Anrufer fragte sodann, ob die Klägerin auch die Wertsachen, wie Schmuck, gut versichert habe. Die vertrauensselige Klägerin antwortete, die Wertsachen in einem Safe untergebracht zu haben.

Am 31.10.2013 gegen 22:00 Uhr erhielt die Klägerin einen Anruf. Am Telefon meldeten sich ein angeblicher Herr L1 und ein Herr L2 oder L3, die angaben, Mitarbeiter des BKA zu sein. Die Herren erklärten der Klägerin, eine Betrügerbande sei unterwegs und diese sei höchst wahrscheinlich identisch mit der Bande, die den Diebstahl im Nachbarhaus im August begangen hätte. Die Diebesbande plane einen Angriff auf ihre Wohnung, um ihre Wertsachen zu stehlen. Man habe Telefonate der Bande abgehört. Ein Kölner Einsatzkommando der Polizei sei unterwegs, um das Haus S-Straße zu umstellen. Ein Zugriff auf die Bande solle nach Mitternacht gegen 01:00 Uhr erfolgen. Der Zeuge H übernahm sodann den Hörer und wollte von den angeblichen Mitarbeitern des BKA einen Identitätsnachweis haben. Ihm wurde gesagt, er könne auf dem Display die Nummer 110 sehen; dies stimmte auch, allerdings befand sich davor noch eine 0. Die Klägerin und der Zeuge H glaubten daran, es mit Mitarbeitern des BKA zu tun zu haben. Weiter hieß es dann, der Zeuge H solle auf seinem Handy ständig in Kontakt mit dem angeblichen Herrn L1 zu bleiben. Der Zeuge H wurde sodann angewiesen, dass die Klägerin die Wertsachen (Schmuck und Uhren) aus dem Safe entfernen und in einer Waschmaschine im Keller deponieren solle. Dies wurde damit begründet, die Verbrecher sollten im Safe nichts vorfinden, wenn sie versuchen sollten, in die Wohnung einzudringen.

Die Klägerin und der Zeuge H gerieten in starke Angstzustände.

Als der Zeitpunkt des angeblich von der Bande geplanten Angriffs immer näher rückte, wurde von Seiten der angeblichen Mitarbeiter des BKA in Befehlsform die „Empfehlung“ gegeben, die Wertsachen, die bereits komplett in einer Plastiktüte verstaut waren, nun in einer der im Hof stehenden Mülltonnen zu deponieren. Dies wurde damit begründet, das Einsatzkommando könne dann besser auf die Diebesbande zugreifen.

Der Zeuge H legte den Schmuck der Klägerin in die Mülltonne.

Gegen 01.05 Uhr kam die Aufforderung, das Tor zur Garageneinfahrt mit dem Türdrücker zu öffnen. Das geschah dann auch.

Der angebliche Anrufer des BKA meldete sich wieder, tat ganz aufgeregt und teilte mir, das Einsatzkommando habe versagt. Wahrscheinlich hätten die Diebe das Gespräch mit den BKA-Leuten abgehört. Die Diebesbande habe die Plastiktüte zeitlich vor dem Einsatzkommando aus der Mülltonne geholt und sei dann geflüchtet. Das Autokennzeichen sei allerdings notiert worden und man werde jetzt eine Ringfahndung einleiten. Die Verbrecher hätten keine Chance. Die Wertsachen würden wieder zurück gebracht. Der Zeuge H hörte dann noch, wie sich die angeblichen BKA-Leute wegen der verpatzten Festnahme beschimpften.

Nach einer gewissen Zeit meldete sich plötzlich über Festnetz ein Mann mit ausländischem Akzent und sagte, man könne ihn nicht für dumm verkaufen. Die Klägerin solle 100.000,- € zahlen, sonst würden sie und der Zeuge H getötet. Zuerst würde man dem Zeugen H die Finger abschneiden und ihn dann abschlachten. Die Klägerin und der Zeuge H bangten um ihr Leben und konnten keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Nach ca. einer Stunde rief der Zeuge H bei der Kölner Polizei an. Diese erschien und die Klägerin und der Zeuge H wurden darüber aufgeklärt, dass es nie ein Einsatzkommando gegeben habe.

Die Klägerin wurde um Schmuck und Uhren gebracht. Es handelte sich im Wesentlichen um Erbstücke. Diese hatten einen Wert von ca. 40.000,- €. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte vorgerichtlich wegen der Tresorklausel davon ausgegangen ist, es seien allenfalls 25.000,- € zu erstatten, macht die Klägerin einen Betrag in Höhe von 25.000,- € geltend.

Die Klägerin ist der Auffassung, vorliegend sei ein Raub im Sinne der Versicherungsbedingungen gegeben, zumal der Raubbegriff nicht strafrechtlich sondern versicherungsvertraglich auszulegen sei, so wie das OLG Köln dies auch in seiner Entscheidung vom 13.03.2007 – 9 U 26/05 – zu Recht betont habe.

Soweit die Beklagte sich auf § 5 Ziffer 5 der VHB berufe, könne sie hiermit schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klausel intransparent und damit nach § 307 BGB unwirksam sei.

Im Hinblick auf die bauliche Gestaltung - der Hof sei durch eine Mauer von einem davor befindlichen parkähnlichen Weg abgetrennt - sei davon auszugehen, dass der Hof sich innerhalb des Versicherungsortes befunden habe.

Von einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles könne angesichts der Angstzustände, in denen sich die Klägerin und ihr Partner befunden hätten, keine Rede sein.

Mit dem Antrag zu 2.) verfolgt die Klägerin die vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Klägerin hat ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten vorgerichtlich vor Eintritt des Verzuges mandatiert.

Die Klägerin beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.000,- € zu zahlen nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz auf diesen Betrag seit dem 01.03.2014;

2.

die Beklagten zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 1.242,84 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin bzw. ihr Lebensgefährte um ihr Leben gefürchtet hätten. Im vorgerichtlichen Schreiben vom 19.03.2014 (Anlage K 5, Bl. 43 f GA) hatte die Beklagte noch erklärt, es solle nicht in Abrede gestellt werden, dass die Klägerin und der Zeuge H sich während der gesamten Dauer des Telefonates ängstigten und nach eigenen Angaben um ihr Leben fürchteten.

Der Schilderung der Klägerin könne kein Raub im Sinne der Versicherungsbedingungen entnommen werden, sondern nur ein Betrug. Hierzu führt die Beklagte näher aus.

Ein Deckungsschutz sei auch unabhängig davon deshalb nicht gegeben, weil die Regelung des § 5 Ziff. 5 VHB greife.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerin habe den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, da sie auf das bloße Telefonat mit dem angeblichen BKA-Mann hin derart wertvollen Schmuck durch den Zeugen H in eine Mülltonne habe legen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht die geltend gemachte Hauptforderung als Entschädigungsanspruch aus dem streitgegenständlichen Hausratversicherungsvertrag in Verb. mit § 1 S. 1 VVG zu.

Es liegt ein Raub im Sinne des § 5 Nr. 3 a) VHB vor.

Der spätere Anruf, in dem erklärt worden ist, man werde die Klägerin und den Zeugen H töten, wenn nicht 100.000,- € gezahlt würden, ist für die rechtliche Beurteilung allerdings ohne Belang, denn diese Drohung wurde erst ausgesprochen, nachdem die Täter die Beute bereits gemacht hatten. Es liegt auch kein Fall des § 5 Ziffer 2 b) der VHB vor, der einen Fall des räuberischen Diebstahls betrifft und voraussetzt, dass der Täter in einem Raum eines Gebäudes angetroffen wird. Letzteres ist nicht der Fall.

Ob ein Fall des § 5 Ziffer 3 b) der VHB ist gegeben ist, mag zweifelhaft erscheinen. Strafrechtlich jedenfalls liegt eine Androhung einer Gewalttat mit Gefahr für Leib oder Leben nur vor, wenn der Täter vorgibt, selbst Einfluss auf den Eintritt des Übels – und sei es durch Einwirkung auf einen Dritten - zu haben (vgl. Küpper in Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltskommentar StGB, 2. Aufl., § 240 Rz 13 f). Andernfalls handelt es sich um eine Warnung (vgl. Beschluss des BGH vom 28.08.2000 – 5 StR 300/00, juris). Ob dies versicherungsrechtlich anders zu beurteilen ist, kann dahinstehen.

Denn die Täter haben Gewalt angewendet, um den erwarteten Widerstand der Klägerin gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten.

Soweit die Beklagte nunmehr bestreitet, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte sich während der gesamten Dauer des Telefonates, das am 31.10./01.11.2013 geführt worden ist, Angst um Leib und Leben gehabt haben, kann sie hiermit nicht gehört werden, nachdem sie vorgerichtlich ausdrücklich erklärt hat, dies solle nicht in Abrede gestellt werden. Da sich keine neuen Erkenntnisse ergeben haben, kann sie nunmehr nicht mehr von ihrer vorgerichtlichen Erklärung abweichen. Soweit es darauf ankommen sollte: Auch das Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen betreffend den Standort der Mülltonnen und die Gestaltung des Hofes ist unzulässig, nachdem sie selbst, wie ihrem Schreiben vom 29.01.2014 zu entnehmen ist, einen Ortstermin durchgeführt hatte.

Ein Fall des § 5 Ziffer 3 a) der VHB setzt voraus, dass gegen den Versicherungsnehmer Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten. Maßgeblich für den versicherungsrechtlichen Raubbegriff ist nicht die strafrechtliche Differenzierung sondern der allgemeine Sprachgebrauch (s. OLG Köln, Urteil vom 13.03.2007 – 9 U 26/05 -). Der BGH hat zudem in BGHSt 23, 126 ff (vgl. auch BGHSt 39, 133 ff für § 240 StGB) Gewalt im Sinne des § 255 StGB bejaht, wenn der Täter mit vorgehaltener Waffe das Opfer zwingt, die Beute herauszugeben, obgleich sowohl die körperliche Kraftentfaltung beim Täter – das Vorhalten der Waffe – als auch die körperlichen Wirkungen beim Opfer – die Entstehung körperlich zu empfindender Angstzustände – jeweils nicht ausgeprägt waren. Von daher ist versicherungsrechtlich daran anzuknüpfen, dass bei der Versicherungsnehmerin Angst um Leib und Leben ausgelöst werden sollten – immerhin stand auch die Möglichkeit im Raum, dass die Bande vor dem SEK die Wohnung stürmen könnte. Hierdurch sollte ein unwiderstehlicher Zwang auf das Opfer ausgelöst werden, der Wegnahme nichts mehr entgegen zu setzen, auch wenn die Angstverursachung mit durch eine Täuschung geprägt war. Ohne die von den Tätern beabsichtigte furchtbare Angst der Versicherungsnehmerin wäre diese nicht bereit gewesen, die Wertsachen in die Mülltonne bringen zu lassen.

Die Einschränkung in § 5 Ziff. 3 a) S. 2 der VHB greift entgegen der Ansicht der Beklagten vorliegend nicht. Soweit diese Einschränkung nur eine Abgrenzung zu den Fällen bewirken soll, in denen der Täter körperliche Kraftentfaltung walten lässt, jedoch das Überraschungsmoment im Vordergrund steht - etwa durch unerwartetes plötzliches Wegreißen eines in der Hand des Opfers befindlichen Gegenstandes - liegt der Fall vorliegend ohnehin vom Tatsächlichen her anders. Zudem ist die  Klausel wegen Intransparenz (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und als Überraschungsklausel (§ 305c Abs. 1 BGB) unwirksam: Soll der Täter, der dem arglosen Opfer von hinten auf den Kopf schlägt, so dass es ohnmächtig zu Boden geht, um sodann Sachen des Opfers an sich zu nehmen, strafrechtlich zwar ein Räuber, versicherungsrechtlich jedoch nur noch Dieb sein, weil das Opfer sich zum Zeitpunkt der Gewaltanwendung keines eigenen Widerstandes bewusst war ? Mit einer solchen Einschränkung des Versicherungsschutzes braucht nicht nur der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht zu rechnen. Der Klammerzusatz „einfacher Diebstahl/Trickdiebstahl“ führt auch zu keiner weitergehenden Klärung. Dass Anlass für die Klauselfassung die vorgenannte Entscheidung des Berufungssenates war und die Klausel deshalb möglicherweise nur eine Einschränkung des versicherungsrechtlichen Raubbegriffes in den Fällen bezweckt, in denen zwar Gewalt angewendet wird, bei der Wegnahme jedoch das Überraschungsmoment im Vordergrund steht, kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht wissen; schon gar nicht wird er auf den Gedanken kommen, in Fällen, in denen der Täter die Beute an sich reißt, ehe das Opfer sich dessen versieht, als Trickdiebstahl anzusehen. Auch die Beklagte selbst will den Anwendungsbereich der einschränkenden Raubdefinition nicht auf Fälle begrenzen, in denen es um die Ausnutzung des Überraschungsmoments geht, wie der Vortrag im vorliegenden Verfahren zeigt.

Soweit die Beklagte bestreitet, dass eine Wegnahme vorliege, weil in dem Verbringen des Schmucks in die Mülltonne die Aufgabe des Gewahrsams liege, ist dies sogar strafrechtlich nicht nachzuvollziehen, ist doch seit eh und je anerkannt, dass Gewahrsam auch an dem bekannten „Pflug auf dem Felde“ besteht.

Soweit die Beklagte sich auf § 5 Ziff. 5 VHB beruft, kann die Beklagte hiermit nicht durchdringen. Die Regelung ist zumindest unklar im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB. Denn es erschließt sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht, dass ein „Bringen an einen Ort der Wegnahme oder Herausgabe“ auch dann vorliegen soll, wenn die Sachen letztlich am Versicherungsort geblieben sind. Soll etwa Raub nicht gedeckt sein, wenn der Täter das Opfer zwingt, die Geldkassette aus dem im Schlafzimmer befindlichen Tresor in die Küche zu bringen ? Zum Versicherungsort zählt vorliegend auch der Hof, in dem die Mülltonne stand. Dies ergibt sich aus § 9 Ziff. 1 Abs. 2 der VHB.

Von einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles auszugehen, geht an dem zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt vorbei und verkennt vollständig die durch die Täter ausgelöste Notlage der Klägerin.

Zinsen sind unter dem Gesichtspunkt des Verzuges im Hinblick auf die Deckungsablehnung der Beklagten in deren Schreiben vom 29.02.2014 geschuldet.

Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin nicht verlangen, da sie ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten bereits mandatiert hatte, als die Beklagte sich noch nicht in Verzug befunden hat.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.

Streitwert: 25.000,- €