VG Köln, Beschluss vom 03.09.2018 - 23 L 2061/18
Fundstelle
openJur 2019, 11327
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Räumungsverfügung der Stadt Kerpen vom 13. September 2018 wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob mangels Angabe einer ladungsfähigen Adresse des Antragstellers eine wirksame Antragserhebung vorliegt, da der Antrag aus den nachfolgenden Gründen jedenfalls unbegründet ist.

Der Antrag richtet sich gegen die mündliche Anordnung, die den Betroffenen mittels Megafon bekannt gegeben wurde. Deren Inhalt ergibt sich aus dem Vortrag des Antragstellers sowie unter anderem aus der im Internet frei verfügbaren Videoaufnahme von dieser Ansprache. Die Antragsgegnerin hat u.a. den Antragsteller dazu aufgefordert, die im Wald errichteten Baumhäuser jeweils unverzüglich zu räumen und die weitere Nutzung zu unterlassen. Des Weiteren hat sie angedroht, die Räumung mittels unmittelbaren Zwangs durchzuführen, falls die Adressaten dieser Aufforderung nicht binnen 30 Minuten nachkommen.

Die Antragsgegnerin hat damit mündlich die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet. Dies hat der Antragsteller nach eigenem Vortrag auch so verstanden. Einer grundsätzlich nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erforderlichen, Begründung in Schriftform bedurfte es hier nicht, weil Gefahr im Verzug vorlag.

Das Gericht stellt die vorliegend nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 sowie Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW entfallende aufschiebende Wirkung der Klage dann wieder her bzw. ordnet sie an, wenn das Interesse des Antragstellers, vorerst von der Vollziehung der Ordnungsverfügung verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an deren sofortigem Vollzug überwiegt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der streitige Bescheid bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren alleine möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist. Hingegen überwiegt in der Regel das öffentliche Interesse, wenn der Bescheid offensichtlich rechtmäßig ist. Lässt sich bei summarischer Prüfung weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes feststellen, so ist dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben, wenn bei einer allgemeinen Abwägung der beiderseitigen Interessen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse überwiegt.

Ausgehend von diesen Maßstäben fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich die angegriffene, mündlich eröffnete Räumungsverfügung als rechtmäßig.

Die Antragsgegnerin durfte ihre Verfügung auf § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW stützen. Danach können die Bauaufsichtsbehörden nach pflichtgemäßen Ermessen die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, wenn bei der Errichtung, Änderung und Nutzung einer baulichen Anlage sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW die öffentlichrechtlichen Vorschriften nicht eingehalten werden. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

An der formellen Rechtmäßigkeit der Räumungsverfügung bestehen keine Bedenken. Ob eine nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW grundsätzlich erforderliche Anhörung - soweit sie nicht wegen Gefahr im Verzug entbehrlich ist - vor Bekanntgabe der Ordnungsverfügung stattgefunden hat, ist nicht bekannt. Eine fehlende Anhörung wäre aber jedenfalls durch die Möglichkeiten der Stellungnahme direkt nach der Bekanntgabe der Ordnungsverfügung, auch im nachfolgenden gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren, nach § 45 Abs. 2 VwVfG NRW geheilt worden. Auch gibt es keinen Grundsatz, dass allein die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts die Aussetzung der Vollziehung gebietet, insbesondere wenn absehbar ist, dass der Verwaltungsakt im Ergebnis nicht aufzuheben sein wird, weil der formelle Fehler geheilt werden oder gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich bleiben wird,

vgl. OVG NRW Beschluss vom 24. Juli 2013 - 16 B 718/13 -, juris Rn 4.

Vorliegend hat das Gericht keine durchgreifenden Zweifel daran, dass es sich bei den von der Räumungsverfügung betroffenen Baumhäusern - wozu auch das Baumhaus des Antragstellers zählt - um bauliche Anlagen i.S.d. § 2 Abs. 1 BauO NRW handelt. Danach sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Eine Verbindung mit dem Erdboden besteht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Erdboden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden.

Aus den dem Gericht vorliegenden Lichtbildern ergibt sich, dass einige der Baumhäuser durch Stelzen gestützt und dadurch mit dem Erdboden verbunden sind. Hinsichtlich der Baumhäuser, die nicht durch Stelzen gestützt sind, ergibt sich die Verbindung zum Erdboden mittelbar durch den das Haus tragenden Baum. Eine solche Verbindung über Drittobjekte genügt zur Annahme einer Verbindung mit dem Erdboden.

Vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 31. Mai 2001 - 2 Bf 323/98 - juris Rn 31; VG München, Beschluss vom 19. April 2004 - M 8 S 04.1983 - juris Rn 26.

Im Übrigen ergibt sich der Charakter der baulichen Anlage auch daraus, dass ein Baumhaus nach seinem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden. Dieses Merkmal ist für eine bauliche Anlage im obigen Sinne kennzeichnend und maßgeblich. Darüber hinaus spricht die Gebäudeähnlichkeit der von der Verfügung betroffenen Baumhäuser für die Annahme einer baulichen Anlage. Durch ihre Ausstattung mit teilweise Küche und Heizung sind die Baumhäuser zum dauerhaften Wohnen oder Aufenthalt bestimmt, was von den Nutzern auch seit längerer Zeit so praktiziert wird.

Die Errichtung und Nutzung des Baumhauses verstößt gegen öffentliches Baurecht. Unabhängig davon, dass keine Genehmigung für das Baumhaus vorliegt, ist es wegen Verstoßes gegen das Bauordnungsrecht materiell illegal.

Das Baumhaus verstößt gegen die brandschutzrechtlichen Vorschriften des § 17 BauO NRW. Bauliche Anlagen müssen unter Berücksichtigung u.a. der Brennbarkeit der Baustoffe so beschaffen sein, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.

Die Brandgefahr ist bereits erheblich, da die von der Räumungsverfügung betroffenen Baumhäuser ausweislich der im Verwaltungsvorgang befindlichen Lichtbilder aus leicht brennbaren Baustoffen wie unter anderem unbehandelten Holzprodukten und Plastikplanen bestehen. Die teilweise Einrichtung von Küchen in den Baumhäusern verstärkt diese Gefahr. Zusätzlich wird die Brandgefahr durch die unmittelbare Nähe zu den sie stützenden bzw. tragenden Bäumen noch potenziert. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass bei einem jederzeit möglichen Brandfall die Tragkonstruktion ihre Tragfähigkeit verlieren würde und das Feuer sich schnell auf das Baumhaus sowie den oder die Bäume in der Umgebung ausbreiten würde.

Durch die Lage der Baumhäuser im dichten Waldgebiet ist außerdem nicht gewährleistet, dass Rettungsgeräte der Feuerwehr die Baumhäuser - wenn überhaupt - ausreichend schnell erreichen können, um die Rettung von Menschen sowie wirksame Löscharbeiten durchzuführen.

Zudem müssen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW für jede Nutzungseinheit in jedem Geschoss mit einem Aufenthaltsraum zwei Rettungswege vorhanden sein. Der erste Rettungsweg muss in Nutzungseinheiten, die - wie vorliegend - nicht zu ebener Erde liegen, über mindestens eine notwendige Treppe führen. Abgesehen davon, dass die Baumhäuser ausweislich der Lichtbilder über keine Treppen verfügen, erfüllen die vorhandenen Abstiegsmöglichkeiten nicht die übrigen Voraussetzungen einer notwendigen Treppe aus § 36 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 BauO NRW. Soweit sich das streitgegenständliche Baumhaus nicht in erreichbarer Absprunghöhe befindet, fehlen überdies die nach § 17 Abs. 3 BauO NRW erforderlichen zweiten Rettungswege.

Die Behauptung, die Polizei habe in den letzten Tagen gezielt Feuerlöscher beschlagnahmt, ändert - deren Richtigkeit unterstellt - nichts an dieser Einschätzung. Denn allein das Vorhandensein von Feuerlöschern, die der Verbreitung eines bereits entstandenen Feuers entgegenwirken sollen, ändert nichts an dem Verstoß gegen die der Gefahrenabwehr dienenden, präventiv wirkenden Brandschutzvorschriften der Bauordnung.

Darüber hinaus verstoßen die Baumhäuser, zu denen auch das hier streitgegenständliche Baumhaus des Antragstellers zählt, gegen § 15 BauO NRW. Danach muss jede bauliche Anlage im Ganzen und in ihren Teilen sowie für sich alleine standsicher sein. Bereits die ungeklärte Standsicherheit einer baulichen Anlage ist mit § 15 Abs. 1 BauO NRW nicht zu vereinbaren.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Februar 1994 - 10 A 1149/91 - NWVBl 1994, 302-304; Gädtke/Johlen, BauO NRW, 11. Aufl. 2008, § 15 Rn 1.

Schon Bedenken in Bezug auf die Standsicherheit einer ungenehmigten baulichen Anlage rechtfertigen die sofortige Vollziehung einer Abbruchverfügung - und damit erst recht einer Räumungs- und Nutzungsuntersagungsverfügung -, soweit dies zur Abwendung der Gefahren, die sich aus der zweifelhaften Standsicherheit ergeben können, notwendig ist.

Vgl. Gädtke/Johlen, BauO NRW, 11. Aufl. 2008, § 15 Rn 1 mit Verweis auf Hess. VGH, Beschluss vom 25. Januar 1972 - IV TH 3/72 -.

Davon ist hier auszugehen. Bedenken an der Standsicherheit begründen sich bereits daraus, dass schon durch einen kräftigen Windstoß etwaige Stelzen vom Boden oder durch die Bewegung des Baumes tragende Teile des Hauses gelöst werden können. Bei einem vom Einsturz gefährdeten Baumhaus besteht die ständige Gefahr herabfallender Bauteile.

Überdies verstößt das Baumhaus gegen § 19 Abs. 1 BauO NRW. Danach müssen bauliche Anlagen verkehrssicher sein. Zur Verkehrssicherheit gehört u.a., dass insbesondere keine Rutsch- und Stolpergefahren bestehen, dass Flächen bei Tag und Nacht ausreichend beleuchtet sind und dass Flächen, bei denen aufgrund ihrer Höhenlage Absturzgefahr besteht, sicher umwehrt sind, vgl. auch § 41 Abs. 1 BauO NRW.

Vgl. Gädtke/Johlen, BauO NRW, 11. Aufl. 2008, § 19 Rn 4 ff.

Soweit aus den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Lichtbildern ersichtlich, verfügt keines der Baumhäuser über eine obigen Anforderungen entsprechende Verkehrssicherheit. Die fehlende Verkehrssicherheit durch nicht gegebene sichere Umwehrung belegt bereits der dem Gericht bekannte Sturz einer Waldbesetzerin aus einem der Häuser im Oktober 2014.

Im Übrigen verstößt das Baumhaus gegen § 3 Abs. 1 BauO NRW. Danach sind bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht gefährdet werden. Eine Gefahr liegt hier zum einen durch die Brandgefahr vor, die sich jederzeit durch einen auftretenden Brand realisieren kann. Darüber hinaus ist durch die mangelnde Befestigungsmöglichkeit eines Baumhauses die Gefahr herabfallender Bauteile gegeben. Die genannten Gefahren betreffen nicht nur den Antragsteller selbst, sondern insbesondere auch Dritte, u.a. andere Besucher des Waldes, Mitarbeiter der RWE Power AG und sonstige Personen, die sich im Wald aufhalten. Die bestehende Gefahr für Leib und Leben dieser Personen kann sich jederzeit realisieren. Der Einwand des Antragstellers, dass sich seit dem Zeitpunkt seines "Einzuges" in den Wald keine Gefahr realisiert hat, ist allein dem Zufall zu verdanken.

Überdies ist nicht ersichtlich, dass die Baumhäuser über eine den Anforderungen des § 4 BauO NRW gerecht werdende Erschließung verfügen.

Als Verhaltensstörer (§ 17 OBG NRW) ist der Antragsteller auch richtiger Adressat der Räumungsverfügung.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. § 114 Abs. 1 VwGO). Insbesondere ist die verfügte Räumung und Nutzungsuntersagung nicht unverhältnismäßig.

Erweist sich ein Bauvorhaben - wie hier - als formell und materiell baurechtswidrig, ist die Bauaufsichtsbehörde in aller Regel - so auch hier - gehalten, gegen den baurechtswidrigen Zustand bauaufsichtlich einzuschreiten.

Das mit der Räumung und Nutzungsuntersagung verfolgte Ziel der Gefahrenabwehr sowie der Durchsetzung des öffentlichen Baurechts steht angesichts der bestehenden, konkreten Gefahrenlage für hochrangige Rechtsgüter nicht außer Verhältnis zu den Nachteilen, die dem Antragsteller hierdurch entstehen. Ein milderes, gleich effektives Mittel ist nicht ersichtlich und wird auch vom Antragsteller nicht benannt.

Die verfügte Räumung und Nutzungsuntersagung ist nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil dem Antragsteller nach seinem pauschalen Vortrag die Obdachlosigkeit drohen würde. Sollte dem Antragsteller tatsächlich die Obdachlosigkeit drohen, so träfe den Bürgermeister der Antragsgegnerin als zuständiger Ordnungsbehörde die öffentlichrechtliche Pflicht, diese Gefahr durch geeignete Maßnahmen abzuwehren. Dafür, dass die Antragsgegnerin dieser Verpflichtung nicht nachkommen wird, ist nichts ersichtlich; es ist im Übrigen auch nicht wahrscheinlich.

Ein Ermessensfehler ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin die Nutzung bereits seit längerer Zeit geduldet und dadurch ein schutzwürdiges Vertrauen begründet hätte. Selbst unterstellt, die Antragsgegnerin habe den bestehenden Zustand geduldet, begründet allein die faktische Duldung eines illegalen Zustandes durch die zuständige Behörde durch längeres Hinnehmen keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand. Erforderlich ist vielmehr, dass die Bauaufsichtsbehörde in Kenntnis der formellen und ggf. materiellen Illegalität einer Nutzung eine vertrauensbildende Erklärung abgibt, dass sie sich auf Dauer mit diesem Zustand abzufinden gedenkt, d.h. bauaufsichtlich gegen das baurechtswidrige Vorhaben nicht (weiter) einschreitet.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Juli 2014 - 2 A 690/14; Beschluss vom 28. August 2014 - 7 B 940/14; Beschluss vom 24. Januar 2006 - 10 B 2160/05 - und Urteil vom 22. August 2005 - 10 A 4694/03 -, jeweils juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 6. März 2012 - 6 L 1402/11 - juris-Rn. 46; Gädtke/Johlen, BauO NRW, 12. Auflage, § 61 Rn. 75.

Angesichts des Ausnahmecharakters und der weitreichenden Folgen einer sogenannten aktiven Duldung - die Behörde ist auf Dauer an der Beseitigung rechtswidriger Zustände gehindert - muss den entsprechenden Erklärungen der Behörde mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und ggf. über welchen Zeitraum die Duldung der illegalen Zustände erfolgen soll. Im Übrigen spricht Vieles dafür, dass eine länger andauernde Duldung oder Duldungszusage, soll sie Vertrauensschutz vermitteln, schriftlich erfolgen muss.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. August 2005 - 10 A 4694/03 -, juris; Beschluss vom 28. August 2014 - a.a.O.; Gädtke/Johlen, BauO NRW, 12. Auflage, § 61 Rn. 75.

Dafür sind hier keine Anhaltspunkte ersichtlich. Im Übrigen kann selbst dann, wenn ein solcher Vertrauenstatbestand begründet wäre, dies im Falle drohender Gefahren für die höchstrangigen Schutzgüter Leib und Leben nicht dazu führen, dass eine sofortige Vollziehung generell ausgeschlossen ist. Bei konkreter Gefahr für diese Schutzgüter ist eine sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung vielmehr regelmäßig geboten.

Vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 22. Mai 2002 - 2 S 10.02 - juris; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, § 61 Rn. 175.

Angesichts der hier konkret bestehenden Gefahren begegnet es keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin ohne Vorwarnung die Räumung und Nutzungsuntersagung binnen einer Frist von 30 Minuten verfügt hat. Bereits bei Zweifeln an der Brandsicherheit einer baulichen Anlage darf diese schon für die Dauer eines anhängigen Hauptsacheverfahrens ohne Eingehung von Kompromissen durch geeignete Maßnahmen durchgesetzt werden.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der Einwand des Antragstellers, er sei in seinem Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt. Denn durch die Räumung der Baumhäuser und die Untersagung ihrer Nutzung wird sein Recht auf Versammlungsfreiheit nicht tangiert. Die Möglichkeit der Teilnahme an Versammlungen im Wald besteht weiterhin. Soweit der Antragsteller geltend macht, dass das Baumhaus zugleich Symbol und Teil der Versammlung sei, der nach außen hin wirken soll, verfängt dies nicht. Die hier allein streitgegenständliche Räumung und zu unterbleibende Nutzung des Baumhauses beseitigen einen etwaigen Symbolcharakter des Baumhauses nicht.

Selbst angenommen, es handelte sich bei dem streitgegenständlichen Baumhaus des Antragstellers nicht um eine bauliche Anlage, so ergibt sich die Befugnis der Antragsgegnerin zum Erlass der Räumungsverfügung aus § 14 OBG NRW. Danach können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren.

Es besteht aus den bereits oben dargestellten Gründen eine konkrete, gegenwärtige Gefahr für Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, namentlich der Unverletzlichkeit der Rechtsordnung sowie der Individualrechtsgüter der Betroffenen und auch unbeteiligter Dritter. Hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Adressaten sowie der Ermessensausübung wird vollumfänglich auf obige Ausführungen verwiesen.

Die Androhung des unmittelbaren Zwanges ist nach summarischer Prüfung ebenfalls rechtmäßig. Sie genügt den Anforderungen der §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 3, 58, 62 VwVG NRW. Soweit eine Zustellung der Androhung nach § 63 Abs. 6 VwVG NRW erforderlich gewesen wäre, kann eine gegebenenfalls fehlende Zustellung nach § 8 LZG NRW geheilt werden. Auch die Frist von 30 Minuten zur Räumung ist angemessen zur Erfüllung der aufgegebenen Verpflichtung, § 63 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW. Sie ist angemessen, wenn sie das behördliche Interesse an der Schleunigkeit der Ausführung berücksichtigt und zugleich dem Betroffenen die nach der Lebenserfahrung erforderliche Zeit gibt, seiner Pflicht nachzukommen.

Vgl. Sadler, VwVG/ VwZG, 9. Aufl. 2014, § 13 Rn 37.

Vorliegend ist es den Betroffenen unter Berücksichtigung des hier erheblichen öffentlichen Vollzugsinteresses innerhalb dieser Zeit ohne weiteres möglich, die persönlichen, in dem Baumhaus befindlichen Gegenstände einzupacken und das Baumhaus zu verlassen.

Andere Zwangsmittel versprechen angesichts der zu erwartenden Gegenwehr der Bewohner und der tatsächlichen Gegebenheiten keinen Erfolg, § 62 Abs. 1 VwVG NRW. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, bestehen nicht.

Auch eine allgemeine, d.h. vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens losgelöste Interessenabwägung fällt hier zum Nachteil des Antragstellers aus.

Für die sofortige Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung sprechen sowohl das öffentliche Interesse, die Ordnungsfunktion des öffentlichen Baurechts effektiv zu gewährleisten, als auch insbesondere Gesichtspunkte der Gefahrenabwehr. Mit dem Fehlen der erforderlichen Rettungswege ist im Brandfall eine erhebliche Gefahr für die hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Personen gegeben. Dass es bislang noch nicht zur Verwirklichung der bestehenden Gefahren, zum Beispiel zu einem Brand gekommen ist, rechtfertigt nicht die Annahme, dass eine entsprechende Gefahr nicht besteht. Dieser Umstand stellt - wie bereits erwähnt - lediglich einen Glücksfall dar, mit dessen Ende jederzeit gerechnet werden muss.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. November 2014 - 7 B 1312/14 - juris.

Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass die bestehenden Gefahren sich durch einen Fortbestand der Situation zu intensivieren drohen. Denn durch die wahrscheinliche und in öffentlichen Medien stets angekündigte Gegenwehr, zum Beispiel durch ein "Verbarrikadieren" der Bewohner der Baumhäuser, würde sich die baurechtswidrige Situation noch verfestigen und eine Eskalation drohen. Eine effektive Beseitigung der Gefahren erscheint vor dem Hintergrund der aktuellen Lage ohne ein unangekündigtes Eingreifen nicht gewährleistet werden zu können. Die Gefahren, denen auch die Einsatzkräfte ausgesetzt wären, würden sich in unverhältnismäßiger Weise intensivieren. Dies rechtfertigt insbesondere ein unmittelbares Vorgehen ohne vorherige Ankündigung, da nur so der effektive Vollzug - auch entsprechend dem Rechtsgedanken des § 55 Abs. 2 VwVG NRW - gewährleistet werden kann. Gleiches ergibt sich mit Blick auf die verfügte Räumung aus dem Rechtsgedanken des § 62a VwVG NRW. Der Zeitpunkt einer Zwangsräumung soll dem Betroffenen zwar eine angemessene Zeit vorher mitgeteilt werden. Die vorherige Ankündigung ist jedoch im Hinblick auf die Effektivität der Gefahrenabwehr nicht zwingend.

Die gegenläufigen, geltend gemachten Interessen des Antragstellers treten hinter dem dargelegten öffentlichen Vollzugsinteresse zurück. Anders als der Antragsteller vorträgt, handelt es sich nicht um einen existenzvernichtenden Eingriff. Die Räumung und Untersagung der Nutzung des Baumhauses lösen keine dauerhaften, unumkehrbaren Folgen aus. Ein schützenswertes Interesse hat der Antragsteller auch nicht aufgrund des Umstandes, dass die Antragsgegnerin den Zustand bereits über längere Zeit geduldet haben soll. Denn dadurch relativiert sich weder die bestehende Gefahr, noch kann der Antragsteller damit - wie bereits ausgeführt - eine verfestigte Rechtsposition in Anspruch nehmen. Die von ihm weiterhin geltend gemachten Interessen aus Art. 8 und Art. 13 GG führen aus bereits erwähnten Gründen nicht zu einem Überwiegen seines Aussetzungsinteresses.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen sind für erstattungsfähig zu erklären, da sie sich durch die Stellung eines Antrags einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Der Streitwert folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG und entspricht der Bedeutung der Sache für den Antragsteller. Es erscheint sachgerecht, nicht nur die Hälfte des Streitwertes der Hauptsache, sondern den vollen, in der Hauptsache maßgeblichen Streitwert anzusetzen, da das Interesse des Antragstellers an einer vorläufigen Regelung hier dem Interesse an einer endgültigen Regelung entspricht.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.

Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) erfolgen.

Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.

Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Die Beschwerde ist schriftlich, zur Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.

Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.