VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.01.2017 - 22 L 4285/16.A
Fundstelle
openJur 2019, 11062
  • Rkr:

Die Ersuchensfrist nach Art. 23 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO beginnt frühestens in dem Zeitpunkt, in dem ein förmlicher Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO bei der nach nationalem Recht zuständigen Behörde erstmals gestellt wird oder ihr anderweitig zugeht

Tenor

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 15147/16. A gegen Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. Dezember 2016 anzuordnen, wird abgelehnt.

Das mit einer Abschiebung verbundene gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wird im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren auf 0 Tage ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Gründe

Der am 16. Dezember 2016 sinngemäß gestellte Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 15147/16.A gegen Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. Dezember 2016 anzuordnen,

hilfsweise im Wege der einstweiligen Anordnung das mit einer Abschiebung verbundene gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren auf 0 Tage ab dem Tag der Abschiebung zu befristen,

hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

I. Der Hauptantrag ist zulässig, aber unbegründet.

Der Antrag ist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG zulässig, insbesondere ist die dort bestimmte Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) an den Antragsteller gewahrt. Der Bescheid ist dem Antragsteller ordnungsgemäß am 14. Dezember 2016 durch Niederlegung gemäß § 41 Abs. 1 und 5 VwVfG, 3 Abs. 2 VwZG, § 181 Abs. 1 ZPO zugestellt und damit bekanntgegeben worden.

Gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 ZPO, §§ 187 ff. BGB begann damit die einwöchige Antragsfrist am 15. Dezember 2016 zu laufen und endete mit Ablauf des 21. Dezember 2016. Der am 16. Dezember 2016 bei Gericht eingegangene Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz war damit fristgerecht gestellt.

Der Antrag ist aber unbegründet. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das bezüglich der Abschiebungsanordnung durch § 75 AsylG gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus. Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides begegnet bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Greifbare Anhaltspunkte, aufgrund derer das Suspensivinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen könnte, sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.

Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Verordnung findet gemäß ihres Art. 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, mithin auch auf den Asylantrag des Antragstellers, der jedenfalls nicht vor seiner erstmaligen Äußerung seines Schutzbegehrens im Oktober 2015 erfolgte.

Nach Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO ist Bulgarien für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers zuständig. Nach dieser Norm ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, in den der betreffende Ausländer ausweislich der in dieser Norm genannten Erkenntnismittel aus einem Drittstaat kommend illegal eingereist ist, wenn der Tag des illegalen Grenzübertritts zum maßgeblichen Zeitpunkt der erstmaligen Beantragung internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO) noch nicht länger als zwölf Monate zurückliegt. Die Anfrage im EURODAC-Verzeichnis hat ergeben, dass sich der Antragsteller vor seiner Einreise in das Bundesgebiet zunächst in Bulgarien aufgehalten und dort am 12. September 2015 ein Schutzgesuch gestellt hat. Es liegen damit hinreichende Indizien dafür vor, dass der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal nach Bulgarien eingereist ist und diese Einreise zum Zeitpunkt der erstmaligen Beantragung internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat noch nicht länger als ein Jahr zurücklag.

Die damit nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für Bulgarien anzunehmende Zuständigkeit ist auch nicht nachträglich entfallen. Insbesondere ist die Zuständigkeit nicht gemäß Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen. Nach dieser Vorschrift ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags zuständig, wenn das Gesuch um Wiederaufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der in Art. 23 Abs. 2 Unterabsätzen 1 und 2 Dublin III-VO geregelten Fristen gestellt wurde. Die in Bezug genommenen Fristen betragen drei Monate nach Antragstellung im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO (Unterabsatz 2) bzw. im Fall einer Eurodac-Treffermeldung zwei Monate nach Erhalt der Treffermeldung (Unterabsatz 1).

Die hier maßgebliche Frist von zwei Monaten nach Erhalt der Eurodac-Treffermeldung ist nicht verstrichen. Die Antragsgegnerin hat innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Eurodac-Treffermeldung vom 22. Juni 2016 am 8. Juli 2016 ein Wiederaufnahmegesuch an Bulgarien gerichtet, das ausweislich des dem Verwaltungsvorgang des Bundesamtes zu entnehmenden Faxprotokolls dort am gleichen Tag eingegangen ist.

Es kann vorliegend offen bleiben, in welchem Verhältnis die beiden in Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO genannten Fristen zueinander stehen, etwa ob die in Unterabsatz 2 genannte Frist eine äußerste Frist vorschreibt, innerhalb derer im Falle einer Eurodac-Treffermeldung eine verkürzte Frist nach Unterabsatz 1 gilt.

Vgl. dazu: VG Köln, Beschluss vom 16. August 2016 - 20 L 1609/16.A -, juris, Rdn. 9 f.; VG Minden, Beschluss vom 22. Dezember 2016 - 10 K 5476/16.A -, juris, Rdn. 87 ff. (zu Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO),

Denn die Antragsgegnerin hat die Frist des Art. 23 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO auch dann nicht versäumt, wenn drei Monate nach dem Antrag auf internationalen Schutz nicht nur ein Wiederaufnahmegesuch mit sonstigen Beweismitteln, sondern jedes Wiederaufnahmegesuch verspätet wäre.

Die Frist nach Art. 23 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO endete drei Monate nach der im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO erfolgten Asylantragstellung. Gemeint ist die förmliche Antragstellung auf internationalen Schutz bei der nach nationalem Recht zuständigen Behörde. Denn nach Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO gilt ein Antrag auf internationalen Schutz als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Die zuständige (Asyl-)Behörde ist das Bundesamt (vgl. §§ 5 Abs. 1, 14 Abs. 1 AsylG), was sich aus dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO ergibt, der zwischen der "zuständigen Behörde" und sonstigen Behörden ("behördliches Protokoll") differenziert,

vgl. VG Münster, Beschluss vom 11. Januar 2017 - 8 L 1597/16.A -, juris, Rdn. 12; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23. November 2016 - 6a L 2587/16.A -, juris, Rdn. 17; Bruns, in: Hofmann (Hrsg.), Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 27a AsylVfG/AsylG, Rdn. 6; Funke-Kaiser, in: GK-Asyl II, § 27a, Rdn. 193 (entsprechend für die Frist nach Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO).

Auf den Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (Büma) - hier der 19. Oktober 2015 - stellt Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO nicht ab. Denn die Vorschrift geht nicht schon von einer Antragstellung aus, wenn eine Behörde ein Protokoll erstellt hat. Der Antrag auf internationalen Schutz gilt nach der Vorschrift erst als gestellt, wenn ein Protokoll der zuständigen Behörde zugegangen ist. Indem die Vorschrift auf den Zugang des Protokolls abstellt, setzt sie voraus, dass das Protokoll einer anderen als der für die Erstellung des Protokolls zuständigen Behörde zugegangen ist,

VG Münster, Beschluss vom 11. Januar 2017 - 8 L 1597/16.A -, juris, Rdn. 15.

Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO stellt auch nicht auf den Zeitpunkt ab, in dem der Antragsteller von Gesetzes wegen als Asylantragsteller hätte registriert werden müssen. Dies folgt insbesondere nicht aus Art. 6 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (im Folgenden: Asylverfahrensrichtlinie). Zum einen ist in Bezug auf die dort geregelten Fristen keine Überschreitung festzustellen; zum anderen ist der Zeitpunkt der Registrierung nicht mit dem Zeitpunkt der förmlichen Asylantragstellung gleichzusetzen.

Vorliegend sind keine Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Frist zwischen Äußerung des Asylgesuchs und der Registrierung als Asylsuchender ersichtlich. Die Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 und 5 der Asylverfahrensrichtlinie sieht eine Frist von drei, sechs bzw. zehn Tagen zwischen der Äußerung eines Asylgesuchs und der Registrierung des Asylsuchenden vor. Mit der Aufnahme der von dem Antragsteller bei Äußerung seines Schutzgesuches am 19. Oktober 2015 angegebenen Personalien, Aushändigung einer Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender und seiner Zuweisung in eine Aufnahmeeinrichtung ist die Registrierung in diesem Sinne erfolgt. Denn damit sind die Rechte des Antragstellers, die unmittelbar aus seinem Asylgesuch folgen (insb. Bleiberecht, Versorgung mit Unterkunft und Grundleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, Information über den Fortgang seines Asylgesuchs) gewährleistet.

Ferner ist die Registrierung des Antragstellers als Asylsuchender nicht mit der förmlichen Asylantragstellung gleichzusetzen. Art. 6 Abs. 1 und 5 der Asylverfahrensrichtlinie begründet keine Pflicht des Bundesamtes - und damit keinen Anspruch des Antragstellers - auch den förmlichen Asylantrag innerhalb der genannten Fristen anzunehmen. Diese Norm regelt nach ihrem eindeutigen Wortlaut ausschließlich die Registrierung eines Antragstellers nach Äußerung eines materiellen Schutzersuchens. Die Registrierung eines Antragstellers ist jedoch, wie sich aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift ergibt, zu unterscheiden von der förmlichen Antragstellung. Denn die förmliche Antragstellung ist in den Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2 bis 4 der Asylverfahrensrichtlinie gesondert geregelt. Dies belegt, dass nach der Konzeption der Asylverfahrensrichtlinie die Registrierung einerseits und die förmliche Antragstellung andererseits zwei unterschiedliche Verfahrensschritte sind.

VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 26. Juli 2016 - 6 L 2019/16.A -, juris, und vom 28. September 2016 - 13 L 1014/16.A -, juris, Rdn. 27.

Für die Zeit zwischen der Registrierung eines Ausländers als Asylsuchendem und der Stellung eines förmlichen Asylantrags beim Bundesamt als zuständiger Asylbehörde (vgl. Art. 2 Buchst. f) und Art. 4 Abs. 1 der Asylverfahrensrichtlinie) ist keine nach Tagen oder Monaten bemessene Frist vorgesehen. Vielmehr sind die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der Asylverfahrensrichtlinie lediglich verpflichtet sicherzustellen, dass eine Person, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, tatsächlich die Möglichkeit hat, diesen sobald wie möglich förmlich zu stellen.

Vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 26. Juli 2016 - 6 L 2019/16.A -, juris und vom 28. September 2016 - 13 L 1014/16.A -, Rdn. 27, juris.

Unabhängig von der Frage, ob sich der Antragsteller auf diese Bestimmung unmittelbar berufen kann, lässt sich ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie nicht feststellen. Denn die Vorschrift fordert - wie dargelegt - lediglich, dass ein Antragsteller tatsächlich die Möglichkeit hat, den Antrag "sobald wie möglich" förmlich zu stellen. Dieser Wortlaut stellt gerade auf die tatsächlichen Verhältnisse ab und berücksichtigt, dass diese der Einhaltung bestimmter Fristen zur förmlichen Antragstellung ggf. entgegenstehen können, wie z.B. eine starke Zunahme von Schutzersuchen in kurzer Zeit und die damit einhergehende (vorübergehende) Kapazitätsauslastung der zuständigen Asylbehörde, bevor diese durch geeignete Maßnahmen für eine hinreichende Erhöhung ihrer Kapazitäten zur Aufnahme förmlicher Asylanträge sorgen kann. Angesichts der allgemein bekannten Entwicklung der Asylantragstellerzahlen im Sommer 2015 und der damit einhergehenden vorübergehenden erheblichen Arbeitsüberlastung des Bundesamtes bei der Entgegennahme förmlicher Asylanträge lässt sich nicht feststellen, dass eine frühere Aufnahme eines förmlichen Asylgesuches des Antragstellers nach dessen Registrierung im Oktober 2015 im vorgenannten Sinne möglich war.

Im Ergebnis ebenso: VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 26. Juli 2016 - 6 L 2019/16.A -, juris, und vom 28. September 2016 - 13 L 1014/16.A -, juris, Rdn. 27.

Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Antragsteller frühestens am 18. April 2016 einen förmlichen Asylantrag im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO gestellt. Zwar hat er das Formblatt über den förmlichen Asylantrag erst am 22. Juni 2016 unterschrieben. Jedoch ist dem Bundesamt schon vor diesem Zeitpunkt die Büma des Antragstellers zugegangen.

Es kann offen bleiben, ob es sich bei der Büma um ein behördliches Protokoll im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO handelt.

So VG Minden, Beschluss vom 22. Dezember 2016 - 10 K 5476/16.A -, juris, Rdn. 92 ff.

Denn die Ersuchensfrist gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO ist auch ausgehend von dem Zeitpunkt des Zugangs der Büma bei dem Bundesamt jedenfalls nicht abgelaufen. Die am 19. Oktober 2015 ausgestellte Büma ist dem für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Bundesamt am 18. April 2016 im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens des erkennenden Gerichts (Az. 17 K 5118/16.A) erstmals zugegangen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Bundesamt anderweitig beziehungsweise zu einem früheren Zeitpunkt von dem Asylgesuch des Antragstellers Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können, so dass die Übersendung der Büma als frühestmöglicher Zeitpunkt der Asylantragstellung anzusehen ist. Davon ausgehend endete die Ersuchensfrist nach Art. 23 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO am 18. Juli 2016. Das Wiederaufnahmegesuch wurde demnach fristgerecht am 8. Juli 2016 an Bulgarien gerichtet.

Bulgarien hat hierauf nicht reagiert, so dass gemäß Art. 25 Abs. 2 der Dublin III-VO seit Ablauf des 22. Juli 2016 davon auszugehen ist, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung Bulgariens zur Wiederaufnahme des Antragstellers begründet. Davon abgesehen haben die bulgarischen Behörden der Mitteilung des Bundesamtes vom 8. September 2016 (in Bulgarien eingegangen am gleichen Tag), dass trotz unterbliebener Annahme des Wiederaufnahmegesuchs von einem Zuständigkeitsübergang ausgegangen werde, nicht widersprochen.

Die Zuständigkeit Bulgariens ist ferner nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Antragsgegnerin übergegangen. Die fingierte Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Bulgarien erfolgte gemäß Art. 25 Abs. 2 der Dublin III-VO zwar bereits mit Ablauf des 22. Juli 2016 und liegt damit mehr als sechs Monate zurück. Der Lauf der Überstellungfrist wurde jedoch durch die Einlegung des zulässigen Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz unterbrochen.

Vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss zum EuGH vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 -, juris, Rdn. 22, und Urteil vom 26. Mai 2016 - 1 C 15.15 -, juris, Rdn. 11 f.

Darüber hinaus kann sich der Antragsteller auch nicht erfolgreich darauf berufen, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO Gebrauch zu machen, weil seiner Überstellung nach Bulgarien rechtliche Hindernisse entgegenstünden. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert nur die Überstellung dorthin, begründet aber kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,

vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 - C 394/12 -, juris, Rdn. 60, 62, und vom 14. November 2013 - C 4/11 -, juris, Rdn. 37; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6/14 -, juris, Rdn. 7.

Ferner hat die Antragsgegnerin durch die am 31. Oktober 2016 erfolgte Anhörung nicht stillschweigend ihre Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers erklärt. Dies setzt nämlich voraus, dass jedenfalls eine umfassend angelegte inhaltliche Anhörung zu den eigentlichen Fluchtgründen erfolgt ist, die nicht in engerem Zusammenhang mit der Ermittlung des Fluchtweges stand, das Verhalten des Mitgliedstaates zweifelsfrei den Entschluss verdeutlicht, das Asylverfahren in eigener Verantwortung durchzuführen, und der Antragsteller daher nach seinem Verständnishorizont von der Ausübung des Selbsteintrittsrechts ausgehen durfte.

Vgl. zu der Möglichkeit des konkludenten Selbsteintritts: Marx, AsylG, 9. Auflage, 2017, § 29 Rdn. 3; Funke-Kaiser, GK-AsylG II, § 27a Rdn. 177, m.w.N.; aus der Rechtsprechung vgl. nur: OVG NRW, Urteil vom 10. Mai 2011 - 3 A 133/10.A -, juris; Bayerischer VGH, Beschluss vom 3. März 2010 - 15 ZB 10.30005 -, juris, Rdn. 3 ff.; VG Hamburg, Urteil vom 27. Mai 2013 - 19 A 172/11 -, juris; VG Münster, Beschluss vom 4. März 2009 - 9 L 77/09.A -, juris, Rdn. 15.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Auf Grund der Gesamtumstände musste der Antragsteller vielmehr von der Durchführung eines Dublin-Verfahrens ausgehen. Er wurde mit Schreiben vom 8. Juli 2016 - und damit noch vor seiner Anhörung - von dem Bundesamt darüber informiert, dass in seinem Fall ein Dublin-Verfahren eingeleitet worden sei. Darüber hinaus wurde er mit Schreiben vom 11. August 2016 aufgefordert, dem Bundesamt Gründe zu nennen, die einer Überstellung nach Bulgarien entgegenstünden. Ferner hat auch der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers vor dessen persönlicher Anhörung bereits am 13. Oktober 2016 Einsicht in die elektronische Akte des Bundesamtes erhalten, der er alle relevanten Informationen in Bezug auf die Einleitung des Dublin-Verfahrens, einschließlich des an Bulgarien gerichteten Wiederaufnahmegesuchs, entnehmen konnte. Obwohl der Antragsteller anschließend am 31. Oktober 2016 zu seinen Fluchtgründen angehört wurde, erfolgte damit keine zweifelsfrei erkennbare Abkehr der Antragsgegnerin von der Durchführung des Dublin-Verfahrens. Dafür spricht insbesondere, dass der ursprünglich anberaumte Termin zur persönlichen Anhörung des Antragstellers am 31. Oktober 2016 mit an seinen Prozessbevollmächtigten gerichtetem Schreiben vom 24. Oktober 2016 wegen einer noch ausstehenden Prüfung eines eventuell vorliegenden Dublin-Verfahrens aufgehoben worden war. Dass die Anhörung ungeachtet dessen stattfand, dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass das Schreiben seinen Adressaten nicht rechtzeitig erreicht hat. Darüber hinaus dürfte die Anhörung vorrangig dazu gedient haben, der weiterhin anhängigen Untätigkeitsklage (Az. 17 K 5118/16.A) abzuhelfen und den asylrechtsrelevanten Sachverhalt vollumfänglich und im Sinne einer zügigen Erledigung des Asylverfahrens mehrgleisig aufzuklären. Eine eindeutige Erklärung, das Asylverfahren des Antragstellers nunmehr in eigener Verantwortung durchzuführen, lässt sich dem nicht entnehmen.

Die Antragsgegnerin ist auch nicht - unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO - nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, den Antragsteller nach Bulgarien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die für den Antragsteller eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,

EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413,

der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.

Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 94.

Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,

EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 86.

Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rdn. 6 ff. m.w.N.

Nach diesen Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Bulgarien mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr begründen, dass ein - wie hier der Antragsteller - nicht ernsthaft erkrankter, alleinstehender Asylbewerber im Falle seiner Überstellung nach Bulgarien unmenschlicher Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh, Art. 3 EMRK ausgesetzt würde,

vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 10. November 2014 - A 11 S 1778/14 -, Rdn. 42 ff,. juris und vom 18. März 2015 - A 11 S 2042/14 -, juris, Rdn. 57; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. März 2016 - 3 L 47/16 -, juris, Rdn. 30 ff.; Bayerischer VGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -, juris, Rdn. 29, und Beschluss vom 15. November 2016 - 13a ZB 16.50064 -, juris; VG Minden, Urteil vom 10. Februar 2015 - 10 K 1660/14.A -, juris, Rdn. 57; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. Februar 2016 - 2a K 3697/15.A -, juris, Rdn. 38; VG Regensburg, Beschluss vom 23. Februar 2016 - RN 1 S 16.50036 -, juris, Rdn. 21 ff.; VG München, Beschlüsse vom 11. März 2016 - M 12 S 16.50118 -, juris, Rdn. 29, und vom 25. August 2016 - M 12 K 16.50117 -, juris, Rdn. 33 ff.; VG Köln, Beschluss vom 29. April 2016 - 2 L 917/16.A -, juris, Rdn. 29; VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 17. Juni 2016 - 22 L 1913/16.A -, juris, Rdn. 24 ff., und vom 23. September 2016 - 12 L 1965/16.A - (bisher soweit ersichtlich nicht veröffentlicht); sowie die in den Entscheidungen jeweils zitierten Erkenntnisse und Auskünfte.

Soweit mit Blick auf die derzeitige Erkenntnislage,

insbesondere unter Auswertung des AIDA-Länderreports Bulgarien, Stand Oktober 2015,

teilweise ein relevantes Risiko für Dublin-Rückkehrer angenommen wird, ohne sachliche Prüfung ihres Asylbegehrens als Folgeantragsteller behandelt zu werden und in eine Hafteinrichtung zu gelangen, wo sie mit unzureichenden Versorgungsbedingungen konfrontiert wären,

vgl. VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 4. Februar 2016 - A 6 K 1356/14 -, juris, Rdn. 24,

ist dies auf die Situation, in der sich der Antragsteller befindet, nicht übertragbar. Denn diese Gefahr zeigt der AIDA-Report ausdrücklich für diejenigen Dublin-Rückkehrer auf, deren Asylgesuch in Abwesenheit abgelehnt wurde, was (gerade bei einem Aufenthalt des Asylbewerbers in Bulgarien in der kritischen Periode von Ende 2013 bis Anfang 2014) sogar bei solchen Asylbewerbern der Fall sein könne, deren Wiederaufnahme Bulgarien nach Art. 13 Dublin III-VO akzeptiert habe,

AIDA-Länderreport Bulgarien, Stand Oktober 2015, S. 29.

Bezogen auf den Antragsteller liegt der Fall anders: Zum einen hat das Bundesamt ein auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Bulgarien gerichtet. Dieses ist zwar unbeantwortet geblieben; jedoch haben die bulgarischen Behörden der am 8. September 2016 an sie gerichteten Feststellung des Bundesamtes, dass gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO von einer Annahme des Wiederaufnahmegesuchs ausgegangen werde, nicht widersprochen. Zum anderen deutet nichts darauf hin, dass das Asylverfahren des Antragstellers in Bulgarien bereits negativ abgeschlossen worden ist.

Desgleichen fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass im Falle des Antragstellers die Gefahr besteht, dass er sein Recht auf Versorgung und Unterbringung verwirkt hätte,

vgl. hierzu: VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 4. Februar 2016 - A 6 K 1356/14 -, juris, Rdn. 24.

Zwar dürfte es auf Dublin-Rückkehrer - wie den Antragsteller - häufig zutreffen, dass sie die Aufnahmeeinrichtung mehr als drei Tage lang ohne erforderliche Erlaubnis verlassen haben, was den Verlust des Rechts auf Versorgung und Unterbringung nach sich ziehen kann,

AIDA-Länderreport Bulgarien, Stand Oktober 2015, S. 29, 30.

Zur Vorgehensweise der bulgarischen Behörden bei der Rücküberstellung von Dublin-Rückkehrern wird aber zuvor ausgeführt, dass Dublin-Rückkehrer, deren Asylverfahren noch anhängig ist, nach Empfangnahme durch die bulgarische Grenzpolizei zu einer Aufnahmeeinrichtung transferiert werden,

AIDA-Länderreport Bulgarien, Stand Oktober 2015, S. 29.

Angesichts der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse, dass die Kapazitäten in den bulgarischen Aufnahmeeinrichtungen ausreichen, um alle im Anerkennungsverfahren befindlichen Schutzsuchenden aufzunehmen und die Belegungsrate durchschnittlich bei 50 % liegt,

vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg vom 30. November 2015 zum dortigen Verfahren 11 A 4488/15, Az. 508-9-516.80/48591; zur entsprechenden Belegungsrate des Aufnahmezentrums Ovcha Kupel nahe Sofia: Meldung der Zeitung TAZ "Eine Menschenrechtsorganisation aus Serbiens Hauptstadt Belgrad erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörden eines EU-Mitgliedstaats" vom 16. Dezember 2015,

fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung nach Bulgarien die Aufnahme in einer Asylbewerberunterkunft tatsächlich verweigert werden würde.

Soweit Erkenntnisse darüber vorliegen, dass nach Bulgarien einreisende Schutzsuchende unverhältnismäßiger Gewalt seitens der bulgarischen Grenzpolizei ausgesetzt sind und unter Verletzung rechtlicher Vorgaben gezwungen werden, in die Türkei bzw. nach Serbien zurückzukehren,

vgl. ecre-Meldung "Asylum seekers in Bulgaria subject to violence, abuse and pushbacks” vom 22. Januar 2016, abrufbar unter: http://www.ecre.org/asylumseekersinbulgariasubjecttoviolenceabuseandpushbacks/, m.w.N.; Meldung der Zeitung TAZ "Eine Menschenrechtsorganisation aus Serbiens Hauptstadt Belgrad erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörden eines EU-Mitgliedstaats" vom 16. Dezember 2015,

und die Bedingungen in bulgarischen Hafteinrichtungen von Gewalt sowie unzureichender Versorgung geprägt sind,

vgl. ecre-Meldungen "Asylum seekers in Bulgaria subject to violence, abuse and pushbacks” vom 22. Januar 2016, abrufbar unter: http://www.ecre.org/asylumseekersinbulgariasubjecttoviolenceabuseandpushbacks/, sowie "Refugees in Serbia report physical violence and abuses by the Bulgarian police” vom 20. November 2015, abrufbar unter: http://www.ecre.org/refugeesinserbiareportphysicalviolenceandabusesbythebulgarianpolice/, jeweils m.w.N.; Meldung der Zeitung TAZ "Eine Menschenrechtsorganisation aus Serbiens Hauptstadt Belgrad erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörden eines EU-Mitgliedstaats" vom 16. Dezember 2015,

fehlen ebenfalls hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller als Dublin-Rückkehrer, dessen Asylantrag in Bulgarien anhängig ist, hiervon betroffen sein wird.

Soweit überdies in Bulgarien erhebliche Defizite bei der Versorgung anerkannter Schutzberechtigter bestehen mögen,

vgl. hierzu im Einzelnen: VG Düsseldorf, Urteile vom 14. November 2016 - 12 K 5984/16.A -, juris, und vom 6. April 2016 - 13 K 4468/15.A -, juris, und Beschluss vom 16. Dezember 2016 - 22 L 3414/16.A -, juris,

ist der Antragsteller hiervon - bei seinem derzeitigen Status - ebenfalls nicht betroffen.

Individuelle, in der Person des gesunden, 24-jährigen Antragstellers liegende besondere Gründe, die eine Überstellung als menschenrechtswidrig erscheinen lassen, sind weder vorgetragen noch im Übrigen ersichtlich. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Zeitablauf zwischen der Meldung des Antragstellers als Asylsuchender bzw. der Ausstellung der Büma am 19. Oktober 2015 und der förmlichen Asylantragstellung im 18. April 2016.

Unter diesen Umständen steht gegenwärtig auch im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat nach dieser gesetzlichen Maßgabe neben zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen auch zu prüfen, ob der Abschiebung inlandsbezogene Vollzugshindernisse entgegenstehen. Für eine insoweit eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde verbleibt daneben kein Raum,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rdn. 4; OVG Niedersachsen, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, juris, Rdn. 41; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris, Rdn. 4 ff.; VGH Bayern, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rdn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rdn. 7; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, juris, Rdn. 4 ff.

Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -, juris, m.w.N.

Derartige zielstaats- oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sind nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller geltend macht, er habe begonnen, sich in Deutschland zu integrieren, arbeite ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe und verliere im Falle einer Überstellung nach Bulgarien seine gewachsenen sozialen Kontakte, führt dies nicht auf ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. Er hat damit nicht - insbesondere auch nicht unter Beachtung des Schutzes des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK - hinreichend dargetan, dass seine Integration ein Maß erreicht hätte, dass sie einer Überstellung nach Bulgarien entgegenstehen würde.

Sonstige Gründe für ein Überwiegen des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung der Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse sind nicht erkennbar.

II. Das Gericht legt den uneingeschränkt auf den streitgegenständlichen Bescheid bezogenen Antrag des anwaltlich vertretenen Antragstellers dahingehend aus, dass er sich mit dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hilfsweise gegen die in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides bestimmte Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots einer Abschiebung wendet. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist im Zweifel anzunehmen, dass der Antragsteller alle in Betracht kommenden Rechtsbehelfe einlegen wollte,

vgl. Kopp, VwGO, 22. Auflage 2016, § 88, Rdn. 3, m.w.N.

Dies gilt erst Recht angesichts der nunmehr in § 34a Abs. 2 Satz 3 AsylG geregelten Antragsfrist für einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots. Eine Auslegung des uneingeschränkt auf den streitgegenständlichen Bescheid bezogenen Antrages dahingehend, dass er Ziffer 4 des Bescheides nicht erfasse, würde zum Verlust dieser Rechtsschutzmöglichkeit führen.

Der Ziffer 4 des Bescheides betreffende Antrag kann sinnvollerweise lediglich als Hilfsantrag gestellt werden, da im Falle einer mit dem Hauptantrag erstrebten Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides eine Abschiebung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht erfolgen dürfte und der Antragsteller daher kein Rechtsschutzbedürfnis für die vorläufige Regelung eventueller Wirkungen seiner Abschiebung nach § 11 AufenthG hätte.

Ferner wird der Antrag - entgegen seinem Wortlaut - als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO ausgelegt. Denn in der Hauptsache wäre allein eine Verpflichtungsklage zulässig mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf eine bestimmte (kürzere) Frist zu befristen. Eine Anfechtungsklage gegen die Befristungsentscheidung wäre mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig, da eine Aufhebung der Befristungsentscheidung dazu führen würde, dass das in § 11 Abs. 1 AufenthG gesetzlich bestimmte Einreise- und Aufenthaltsverbot unbefristet gelten würde.

Der somit hilfsweise sinngemäß gestellte Antrag,

im Wege der einstweiligen Anordnung das mit einer Abschiebung verbundene gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren auf 0 Tage ab dem Tag der Abschiebung zu befristen,

hat Erfolg.

Er ist zulässig und begründet.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und ein Recht auf das begehrte Verwaltungshandeln (Anordnungsanspruch) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 3, 294 ZPO).

Ausgehend davon, dass die Abschiebung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auslöst,

vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - BVerwG 1 C 26.14 -, juris, Rdn. 27,

hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Dass dem Antragsteller ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG entgegengehalten werden kann, ist hier ohne Hinzutreten eventueller konkreter Auswirkungen auf seinen Einzelfall als wesentlicher Nachteil im Sinne des § 123 Abs. 3 Satz 2 VwGO anzusehen.

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die streitgegenständliche Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots ist nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand zu seinem Nachteil rechtswidrig. Denn jedenfalls ist sein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Befristung nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand verletzt.

Bei der Entscheidung über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG, die von Amts wegen zu erfolgen hat (§ 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Diese ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich nur darauf, ob die Behörde das Ermessen in seiner Reichweite erkannt, ihre Erwägungen am Zweck der Ermessensermächtigung ausgerichtet und die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten hat, § 114 Satz 1 VwGO, § 40 VwVfG.

Die Befristungsentscheidung der Antragsgegnerin begegnet nach diesen Maßstäben gegenwärtig durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar hat die Antragsgegnerin mit einer Befristung auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung im Ergebnis die Reichweite ihres Ermessens nicht überschritten. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass sie ihre Erwägungen am Zweck der Ermessensermächtigung ausgerichtet hat. Die Begründung der Befristungsentscheidung erschöpft sich in der Wiedergabe des Gesetzeswortlauts und dem Hinweis darauf, dass Gründe für eine "weitere Reduzierung" der Frist nicht vorlägen, bei dem Antragsteller besonders schutzwürdige Belange nicht gegeben und auch sonst keine Umstände ersichtlich seien, die im Rahmen des Ermessens zu seinen Gunsten berücksichtigt werden könnten. Es ist damit nicht ansatzweise erkennbar, mit welchen Erwägungen und mit welchem Ergebnis die Antragsgegnerin zu einer im Ausgangspunkt anzunehmenden Frist gelangt ist, von der aus sie eine "weitere Reduzierung" ablehnt. Die in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG genannte Frist von fünf Jahren, die nur in hier nicht vorliegenden Fällen überschritten werden darf, stellt jedenfalls eine Höchstfrist dar und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für eine im Regelfall anzusetzende Frist aus,

vgl. im Einzelnen: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. November 2016 - 7 A 11058/15 -, juris, Rdn. 38 f.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, §§ 83b, 83c AsylG. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens werden insgesamt dem Antragsteller auferlegt, weil er nur mit seinem Hilfsantrag obsiegt und dieser Teil des Streitgegenstandes im Verhältnis zum Gegenstand des Verfahrens insgesamt als gering einzustufen ist. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Hilfsantrag nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen ist, da Haupt- und Hilfsantrag auf dasselbe Interesse gerichtet sind, nämlich die Verhinderung einer Abschiebung und der damit einhergehenden gesetzlichen Rechtsfolge nach § 11 Abs. 1 AufenthG,

vgl. zum Streitwert im Falle einer Klage, die sich mit dem Hauptantrag gegen eine Ausweisung richtet und mit dem Hilfsantrag auf die Verpflichtung der Behörde zu einer (weitergehenden) Befristung der Wirkungen der Ausweisung zielt: OVG NRW, Beschluss vom 25. März 2013 - 18 E 1241/12 -, juris, Rdn. 8 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. August 2013 - OVG 7 B 24.13 -, juris, Rdn. 92; OVG Lüneburg, Beschluss vom 12. November 2013 - 8 LA 176/13 -, juris.

Bei der Gewichtung des (erfolgreichen) Hilfsantrages im Verhältnis zu dem (erfolglosen) Hauptantrag ist vorliegend von einem verhältnismäßig geringen Gewicht des Hilfsantrags auszugehen. Dem Antragsteller geht es erkennbar im Wesentlichen um eine Durchführung seines Asylverfahrens in Deutschland. Demgegenüber ist gegenwärtig nicht ersichtlich, dass ihn das an eine etwaige Abschiebung anknüpfende Einreise- und Aufenthaltsverbot konkret an der Wahrnehmung eigener Interessen hindert.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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