VG Köln, Urteil vom 12.01.2011 - 22 K 3151/08
Fundstelle
openJur 2019, 11002
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 19 A 359/11
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand

Die Klägerin gibt einen 132 Seiten umfassenden Katalog heraus, mit dem sie unter der Bezeichnung "Sortiment des E. T. -Verlages für das Jahr 2008" ein unter anderem Bücher, Tonträger sowie Videos und DVDs umfassendes Warenangebot vertreibt. Die genannten Medien sind jeweils mit individuellen Anreißtexten versehen, mit denen für das betreffende Angebot geworben wird.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2007 beantragte das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen bei der Beklagten, den Katalog in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufzunehmen. Die im Heft angebotenen Medien hätten zum Teil kriegsverherrlichende, zum Teil den Nationalsozialismus glorifizierende bzw. verharmlosende Inhalte. Überdies begründeten einzelne im Katalog angebotene Waren auch den Verdacht der Volksverhetzung sowie des Verbreitens und Verwendens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen.

Mit Schreiben vom 18. Januar 2008 lud die Beklagte die Klägerin zu der auf den 06. März 2008 anberaumten Sitzung der Bundesprüfstelle, in der über den Antrag des LKA Sachsen entschieden werden solle. Die zunächst vorgesehene Besetzung der Bundesprüfstelle änderte sich wiederholt durch den Ausfall einzelner geladener Beisitzer und die Nachladung ihrer Vertreter. Eine diese Änderungen berücksichtigende zweite Besetzungsliste wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 12. Februar 2008 übermittelt.

Am 21. Februar 2008 nahm die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten zu dem Indizierungsverfahren Stellung. Bei dem Versandhandel über Katalog handele es sich um ihre wesentliche Werbe- und Vertriebsschiene. Der Katalog umfasse regelmäßig mehr als 100 Seiten mit ca. 2000 Artikeln. Für Bebilderung, Fertigung von Kurzbeschreibungen sowie Farbgebung sei ein mehrköpfiges redaktionelles Team zuständig. Der Antrag auf Listeneintragung sei bereits unzulässig, jedenfalls aber materiellrechtlich nicht begründet. Bei dem Katalog handele es sich nicht um ein rechtlich selbständiges Trägermedium, da er als Angebot zur Bestellung von Medien selbst nicht unmittelbar zur Einwirkung auf Jugendliche geeignet sei. Von den den angebotenen Produkten beigefügten Kurzbeschreibungen könne im übrigen auch in der Sache keine Jugendgefährdung ausgehen. Eine Listeneintragung stelle zudem einen unzulässigen Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Eine werbliche Darstellung der angebotenen Medien sei erforderlich, um Interessenten anzusprechen. Soweit die Kurzbeschreibung von Büchern, Tonträgern etc. sich nicht ausschließlich mit der Wiedergabe des Inhaltes befassten, sondern Wertungen enthielten, handele es sich um Kurzrezensionen, für die sich die Klägerin auf den Schutz ihrer Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen könne. Letztlich hielten aber auch sämtliche Einzelbeispiele der Beklagten für eine angebliche Jugendgefährdung durch die in dem Katalog getroffenen Wertungen einer sachlichen Überprüfung nicht stand.

Im Anschluss an die Sitzung der Bundesprüfstelle vom 06. März 2008 entschied die Beklagte den Katalog in Teil A der Liste der jugendgefährdenden Medien aufzunehmen. Zur Begründung verwies sie darauf, dass in dem Katalog der Nationalsozialismus verherrlicht bzw. verharmlost werde und er zudem kriegsverherrlichende Inhalte enthalte. Ausgehend von einer Reihe von Zitaten aus Anreißtexten verwies sie darauf, dass der Inhalt des Katalogs von Jugendlichen als einzige Lobpreisung des Nationalsozialismus wahrgenommen werde. Zudem fänden sich hierin ideologisch gefärbte und verfälschte Tatsachen, die ebenfalls das Ziel verfolgten, ein historisch falsches und geschöntes Bild des Nationalsozialismus zu zeichnen. Teilweise hätten Anreißtexte in dem Katalog auch kriegsverherrlichende Inhalte, soweit in ihnen unter Bezugnahme auf reale Kriegsgeschehen ein durchweg heldenhaftes, romantisches Bild des Soldatenlebens bei der Waffen-SS gezeichnet und dieser verbotenen Organisation und ihren Mitgliedern Tugenden zugeschrieben würden, die sie als ehrenhaft erscheinen lassen sollten.

Im Bundesanzeiger Nr. 48 wurde die Entscheidung der Beklagten unter der Nr. 5553 am 28. März 2008 bekannt gemacht; die Zustellung an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin erfolgte am 8. April 2008.

Am 8. Mai 2008 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung im wesentlichen auf ihre Ausführungen im Schreiben vom 21. Februar 2008 verwiesen. Zudem rügt sie die Besetzung der Bundesprüfstelle in der Sitzung vom 6. März 2008, da diese ohne nachvollziehbare Gründe gegenüber der ersten Besetzungsliste geändert worden sei. Bereits hieraus ergebe sich die Nichtigkeit der nachfolgenden Entscheidung. Zudem handele es sich bei dem Katalog nicht um ein Trägermedium in Sinne von § 1 Abs. 2 JuSchG, da ihm jedenfalls keine unmittelbare Eignung zur Jugendgefährdung zukomme. Die von der Beklagten bei ihrer Entscheidung vorrangig berücksichtigten Anreißtexte seien stets aus Werbemitteln der Fremdverlage übernommen worden. Unabhängig davon stehe der Beklagten hinsichtlich des "richtigen" Geschichtsbildes keine Interpretationshoheit zu. Die Beklagte folgere aus einer unterstellten NS-verherrlichenden Motivation der Klägerin die entsprechende Absicht bei der Verwendung der Anreißtexte; dies sei unzulässig.

Die Klägerin beantragt,

den Indizierungsbescheid der Beklagten vom 6. März 2008 - Pr 0000/00 -

aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist vorrangig auf die Begründung des angefochtenen Bescheides. Verfahrensfehler bei der Besetzung der Bundesprüfstelle lägen nicht vor, berührten aber zudem auch keine geschützten Belange der Klägerin. Zudem komme ihnen auch wegen § 46 VwVfG keine Bedeutung zu, da der Bundesprüfstelle im vorliegenden Fall weder ein Ermessensspielraum noch ein Beurteilungsspielraum zustehe. Die Indizierung sei auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden; insbesondere handele es sich bei dem Katalog um ein Trägermedium im Sinne von § 1 Abs. 2 JuSchG. Die Beklagte habe auch eine drohende Jugendgefährdung zutreffend festgestellt, da es bei unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten ausreiche, dass jedenfalls unter Berücksichtigung der Begleitumstände auch eine mehrdeutige Aussage bei entsprechend vorbelasteten jugendlichen Rezipienten in jugendgefährdender Weise verstanden werde. Auch die Abwägung mit dem der Klägerin zukommenden Grundrecht der Meinungsfreiheit sei zutreffend vorgenommen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge einschließlich eines Ansichtsexemplars des indizierten Mediums ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Indizierungsentscheidung der Beklagten vom 6. März 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-).

Rechtsgrundlage für die Entscheidung ist § 18 Abs. 1 Satz 1 Jugendschutzgesetz (JuSchG). Danach sind Träger- und Telemedien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden, in eine Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen. Zu den Träger- und Telemedien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden, zählen gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 JuSchG vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien. Darüber hinaus können nach der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle, die die Billigung der Rechtsprechung gefunden hat, auch Medien jugendgefährdend sein, die geeignet sind, Kinder und Jugendliche sozialethisch zu desorientieren. Hierzu zählen beispielsweise Medien, die die nationalsozialistische Ideologie verharmlosen, aufwerten oder rehabilitieren, weil sie hiermit Rassenhass, Kriegslüsternheit und Demokratiefeindlichkeit wecken können.

Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 11. Januar 1994 - 1 BvR 434/07 -, BVerfGE 90, 1 (19).

Erfasst werden Medien, die die Ideologie (z.B. die Rassenlehre), das Führerprinzip, die Kriegsziele, die Gewalt- und Willkürherrschaft oder die führenden Vertreter des Nationalsozialismus verteidigen oder die Verbrechen des Nationalsozialsozialismus (insbesondere den Holocaust) verharmlosen, verneinen oder rechtfertigen. Weiter werden als sozialethisch desorientierend Medien mit ausländerfeindlichen Inhalten angesehen.

Scholz/Liesching, Jugendschutz, Kommentar, 4. Auflage 2004, zu § 18 JuSchG, Rz. 21 ff.

Die in § 18 Abs. 1 Satz 2 JuSchG genannten Beispiele lassen erkennen, dass eine Indizierung erst bei einem deutlichen Gefährdungsgrad und einer erheblichen Intensität der Gefahr in Betracht kommt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 1994, a.a.O.

Allerdings verlangt § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG (früher § 1 Abs. 1 Satz 1 GjSM) mit dem Begriff der Gefährdung keine konkrete oder gar nachweisbare Wirkung im Einzelfall; eine Gefährdung ist vielmehr schon dann zu bejahen, wenn eine nicht zu vernachlässigende Wahrscheinlichkeit angenommen werden darf, dass überhaupt Kinder und/oder Jugendliche durch die dargestellten Inhalte beeinflusst werden können.

Vgl. zum inhaltsgleichen § 1 Abs. 1 Satz 1 GjSM Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 5. Dezember 2003 - 20 A 5599/98 -, zitiert nach juris.

Eine jugendgefährdende Wirkung kann auch von objektiv mehrdeutigen Medieninhalten ausgehen, sofern jedenfalls ein nennenswerter Teil der Jugendlichen die Texte in der die Jugendgefährdung begründenden Alternative verstehen oder jedenfalls erkennen kann, das in ihnen mit möglichen unterschiedlichen Deutungen gespielt wird und ihnen zugleich aufgrund der sonstigen Begleitumstände eine Deutung nahe gelegt wird, die ein Gefährdungspotential mit sich bringt, das die Maßnahme des Jugendschutzes rechtfertigt.

vgl. BVerfG, Beschl. vom 10. Juli 2007 - 1 BvR 1584/07 -

Die Beurteilung der Jugendgefährdung und deren Gewichtung unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung, auch soweit die Listenaufnahme das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) einschränkt.

Vgl. OVG NRW; Urteile vom 13. November 2003 - 20 A 1524/03 - und - 20 A 1525/03 - nicht veröffentlicht.

Dabei stellen allerdings die der Indizierungsentscheidung zugrundeliegenden Erwägungen der Bundesprüfstelle sachverständige Aussagen dar, die im Verwaltungsprozess nur mit dem gleichen Vortrag wirksam in Frage gestellt werden können, wie er erforderlich ist, um die Tragfähigkeit fachgutachtlicher Stellungnahmen zu erschüttern.

Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 28. August 1996 - 6 C 15.94 -, NJW 1997 602 und l vom 26. November 1992 - 7 C 20.92 -, BVerwGE 91, 221 (216).

Für die Einschätzung und Gewichtung der Jugendgefährdung durch die Bundesprüfstelle gelten demnach die selben Maßstäbe wie für die Verwertbarkeit eines Sachverständigengutachtens.

Vgl. zu diesen Maßstäben Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26. Juni 1992 - 4 B 1-11.92 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89.

Nach diesen Vorgaben hat die Bundesprüfstelle den Katalog "Sortiment des E. T. -Verlages für das Jahr 2008" rechtsfehlerfrei als jugendgefährdend eingestuft und ihn - nach im Ergebnis zutreffender Abwägung mit dem Grundrecht der Klägerin auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) - zu Recht in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen.

Die Entscheidung ist unter Beachtung der für Entscheidungen der Bundesprüfstelle maßgeblichen Verfahrensbestimmungen zustande gekommen. Insbesondere lagen keine Besetzungsmängel vor, durch die Rechte der Klägerin hätten verletzt werden können. Die in § 19 Abs. 5 JuSchG vorgeschriebene Besetzung der Bundesprüfstelle war bei der hier in Streit stehenden Entscheidung gewährleistet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Anforderungen, die mit dem Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) an die Besetzung von richterlichen Spruchkörpern gestellt werden, auf die Gremien der Bundesprüfstellen nicht übertragbar sind.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 1996 - 20 B 2250/95 -; bestätigt im Urteil vom 13. November 2003 - 20 A 1524 u. 1525/03 -

Trotz verhinderungs- bzw. krankheitsbedingter Absage der zunächst berufenen Beisitzer hatte die Bundesprüfstelle durch Nachladung anderer Beisitzer von den jeweiligen Besetzungslisten sichergestellt, dass alle in § 19 Abs. 5 Satz 1 JuSchG aufgeführten Gruppen mit eigenen Vertretern an der Entscheidung im vorliegenden Verfahren beteiligt waren. Zu Recht weist die Beklagte zudem darauf hin, dass selbst im Falle eines Besetzungsmangels hierin keine Rechtsverletzung der Klägerin gelegen hätte, da die Bestimmungen über die Besetzung der Bundesprüfstelle regelmäßig allein im öffentlichen Interesse der ordnungsgemäßen Funktion dieser Einrichtung liegt.

Vgl. OVG NRW, Urt. v. 13. November 2003, a.a.O.

Ob in den Fällen, in denen die Bundesprüfstelle für ein als jugendgefährdend eingestuftes Kunstwerk vor einer Indizierung eine in ihrem Beurteilungsspielraum liegende Abwägung mit der schrankenlos gewährleisteten Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 2 GG vorzunehmen hat, eine andere Beurteilung geboten ist, bedarf hier keiner abschließenden Klärung, da bereits mangels eines spezifisch künstlerischen Gestaltungswillens bei seiner Erstellung jeder ernstliche Anhaltspunkt dafür fehlt, dass es sich bei dem hier in Rede stehenden Katalog um ein Kunstwerk im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung handeln könnte,

vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschl. vom 27. November 1990 - 1 BvR 402/87 - BVerfGE 83, 130, 138 m. w. Nachw..

Der Katalog ist auch nicht einer Indizierung entzogen, weil ihm wegen fehlender durchgängigen "Lesbarkeit" und seiner angeblichen Funktion als "papierenes Schaufenster" bereits von vornherein jedwede Eignung zur Jugendgefährdung fehlte und er daher bei einer teleologischen Auslegung nicht als Trägermedium im Sinne von § 2 Abs. 2 JuSchG angesehen werden könnte. Dem steht bereits entgegen, dass die Eignung zur Jugendgefährdung gerade nicht Tatbestandsmerkmal der Definition des Trägermediums ist, sondern hiervon gesondert in § 18 JuSchG zu prüfen ist ("Träger- und Telemedien, die geeignet sind,...").

Die Beklagte hat den Katalog im Hinblick auf die in ihm enthaltene Einleitung sowie zahlreiche den einzelnen Angeboten beigefügte Beschreibungen und Bewertungen auch zutreffend als jugendgefährdend eingestuft, weil hierin der Nationalsozialismus gerechtfertigt, verharmlost oder sogar verherrlicht wird. Zudem weisen mehrere Anreißtexte im Katalog kriegsverherrlichende Tendenzen auf.

Der behaupteten Neutralität des Katalogs gegenüber dem Inhalt der darin angebotenen Medien und seiner bloßen Funktion als "papierenes Schaufenster" steht bereits das einleitende "Vorwort" des Verlagsleiters Q. entgegen, mit dem eine bestimmte Erwartungshaltung bei den Lesern geweckt wird. Mit der hierin enthaltenen Ankündigung, unter anderem warteten neben weiteren Angeboten aus dem "nationalen und völkischen Angebot" "interessante Bücher mit "Aha"-Effekt" darauf "ihre Reise zu den Deutschen anzutreten, die noch nicht vergessen haben, Deutsche zu sein", der Behauptung zunehmender "Angriffe der "Feinde der Gedankenfreiheit" ...gegen unseren Verlag als sprichwörtliches Flaggschiff der Pressefreiheit, die E. T. " und der geäußerten Hoffnung, dass "immer mehr Menschen ins Grübeln kommen, ob die von der staatlich alimentierten Lizenzpresse veröffentlichte Meinung tatsächlich der Wahrheit und der Mehrheit des deutschen Volkes entspricht...", soll erkennbar erreicht werden, die in dem Katalog beworbenen Medien als Vermittler einer "anderen" durch staatliche Stellen und die angeblich von diesen "gleichgeschaltete" Presse unterdrückten und daher glaubhafteren Wahrheit zu stilisieren. Als "wirkliche" Deutsche, die ihr Deutschtum noch nicht vergessen hätten, sollen danach nur diejenigen anzusehen sein, die letztlich aus den im Katalog angebotenen Medien ihre politischen, weltanschaulichen und geschichtlichen Überzeugungen herleiten. Weiter verdeutlicht wird diese Intention der Klägerin durch die ebenfalls im Vorwort enthaltene Beschreibung des von ihr angebotenen "Taschenkalender(s) des Nationalen Widerstandes 2008", wonach dieser als neue Ausgabe "des nationalfreiheitlichen Projektes zur Volksaufklärung ein von den etablierten Volksverdummern gefürchtetes Bollwerk gegen die geistige Beschneidung unseres Volkes und seine Berieselung mit ewigen Schuldkomplexen" darstelle.

Zutreffend hat die Beklagte diese Aussagen jedenfalls im Zusammenhang mit den von ihr hierzu überprüften weiteren wertenden Angaben in Anreißtexten zu den angebotenen Waren unter Berücksichtigung sämtlicher begleitender Gesamtumstände dahingehend verstanden, dass hiermit letztlich pauschal die unter nationalsozialistischer Herrschaft in der Zeit von 1933 bis 1945 begangenen Verbrechen geleugnet bzw. verharmlost werden sollen und damit zugleich unmittelbar eine Rehabilitierung des Nationalsozialismus als Herrschaftsform angestrebt wird. Der Einschätzung, dass sowohl die angebliche "geistige Beschneidung" der Deutschen als auch die "Berieselung mit ewigen Schuldkomplexen" jedenfalls aus der hier maßgeblichen Sicht von bereits vorgeprägten jugendlichen Rezipienten in der vorgenannten Weise aufgefasst werden wird, hat die Klägerin nichts entgegengehalten, was unter Berücksichtigung der Qualität der Einschätzung der Bundesprüfstelle als sachverständige Äußerung eine andere Bewertung erforderte.

Als jugendgefährdend durch die Verharmlosung bzw. Glorifizierung von für die nationalsozialistische Herrschaft essentieller Einrichtungen hat die Bundesprüfstelle zu Recht die von ihr aufgeführten Anreißtexte zu den Büchern "Hitlerjugend - Das kann doch nicht das Ende sein" von A. Axmann (S. 10) sowie "Die Waffen-SS" von Herbert Walther (S. 32) bewertet. Indem hierin die heute allgemeingültige negative Einschätzung der für die ideologische Vereinnahmung von Kindern und Jugendlichen für das nationalsozialistische Regime und seine Ideologie eminent wichtigen Hitlerjugend (HJ) als "Verteufelung" beschrieben und dem eine Erklärung "der Ideale einer Jugend" als "Dokumentation von bleibender Bedeutung" durch den "letzten Reichsjugendführer" gegenüber gestellt wird, ergibt sich ohne weiteres die von der Bundesprüfstelle vorgenommene Bewertung, dass hiermit eine geschichtsblinde Rehabilitation und Glorifizierung der HJ mit den daraus folgenden jugendgefährdenden Wirkungen verbunden ist. Diese Tendenz verstärken die nachfolgenden Buchbeschreibungen, die sich ebenfalls mit der Jugenderziehung im Nationalsozialismus befassen. So heißt es etwa zu dem Buch "Die Hitlerjugend" von Herbert Taege (S. 10), hierin verdeutliche der Autor bezogen auf HJ und BDM, "warum diese Organisationen die meisten Jugendlichen begeistern konnten." Für das Buch "Fahnen brennen im Wind" von Friedrich (Bl. 10) wird schließlich damit geworben, dass es dem Verfasser gelinge, bei der Schilderung der Jugenderziehung im Dritten Reich die "patriotischen und volksbewussten Motive - wie sie vor allem im Liedgut zum Ausdruck kamen - zu verdeutlichen." Auch diese Anreißtexte weisen die von der Beklagten konstatierte einseitig die nationalsozialistische Kinder- und Jugendpolitik glorifizierende Tendenz auf.

Gleiches gilt für eine Vielzahl von Katalogbeschreibungen, die sich auf Medien beziehen, die sich mit Rolle und Verhalten der Angehörigen der Waffen-SS befassen. Zwar mag insofern der von der Beklagten gewählte Anknüpfungspunkt, der Angebotstext zu dem Buch "Die Waffen-SS" von Walter Herbert (S. 32), mit der Bemerkung, deren Angehörige seien "Soldaten wie ihre Waffenbrüder der Wehrmacht" gewesen, auch einer neutralen Auslegung zugänglich sein, obwohl er zugleich die einseitig rühmende Hervorhebung enthält, diese hätten "im besten soldatischen Einsatz" gekämpft. Eindeutig verharmlosend werden Rolle und Verhalten der Waffen-SS im 2. Weltkrieg jedoch in weiteren Anreißtexten dargestellt. So heißt es etwa zu dem Buch "Die Wahrheit über Oradour" von Vincent Reynouard (S. 15):

"...kann der junge französische Wissenschaftler nachweisen, daß das ‚Massaker von Oradour‘ mit über 600 ermordeten Frauen und Kindern weder der deutschen Wehrmacht noch der Waffen-SS angelastet werden kann. In Frankreich darf der Verfasser Oradour nicht mehr betreten, sein Buch wurde verboten, er selbst zu einer hohen Strafe verurteilt. Noch kann in Deutschland die Wahrheit über Oradour veröffentlicht werden."

Hiermit werden nicht etwa hinsichtlich einzelner Umstände des Massakers Zweifel an dessen derzeitiger historischen Einschätzung geäußert, sondern jedwede Verantwortung deutscher Militäreinheiten daran rundweg abgestritten und zusätzlich der Eindruck vermittelt, diese "Wahrheit" dürfe auch in Deutschland möglicherweise bald nicht mehr verbreitet werden. Völlig unerwähnt bleibt, dass der als Autor genannte "junge Wissenschaftler" Reynouard sowohl in Frankreich als auch in Belgien wegen der Leugnung des Holocausts bereits strafrechtlich verurteilt worden ist.

Vgl. Artikel zu "Vincent Reynouard" in der französischen Wikipédia, http://fr.wikipedia.org/wiki/Vincent_Reynouard

Diese beschönigende und jegliche gegenläufige Erkenntnisse über die tiefe Verstrickung der Waffen-SS in das nationalsozialistische Unrechtssystem ignorierende Darstellung findet sich etwa auch in den Anreißtexten zu dem Buch "Die SS" von Gordon Williamson (S. 32):

" In Ergänzung zur Wehrmacht entstand die Waffen-SS - die körperlich und ideologisch geschult - heldenhaft auf fast allen Kriegsschauplätzen gekämpft hat"

und zu dem Buch "Die Ritterkreuzträger der Waffen-SS" von Ernst-Günther Krätschmer (S. 33):

"Lebensläufe aller Ritterkreuzträger der Waffen-SS. Ihr Leben, ihre soldatischen Leistungen, ihre Heldentaten. Eine umfassende Chronik, die beweist: Sie waren die Besten."

Zu Recht hat die Beklagte schließlich auch die Anreißtexte zu verschiedenen Medien über Rudolf Heß als geeignet angesehen, durch die Verherrlichung einer prominenten Person aus dem nationalsozialistischen Führungszirkel bei Jugendlichen Sympathie bzw. gar Begeisterung für nationalsozialistisches Gedankengut zu wecken. Die Deutung der Beklagten, durch die Bezeichnung der Inhaftierung von Heß als "Martyrium in Einzelhaft" in der Beschreibung der DVD "Rudolf Heß - Der Letzte von Spandau" (S.89) werde dieser als Person dargestellt, der allein wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgung und Tod erlitten habe, was vor allem im Zusammenhang mit weiteren im Katalog angeboten Produkten wie Plakate und Buttons, auf denen mit Zitaten von Heß dessen "Standfestigkeit" bezüglich seiner politischen Überzeugungen gerühmt wird, nur als völlig einseitige Glorifizierung der Person des Stellvertreters von Adolf Hitler verstanden werden könne, ist letztlich nicht zu beanstanden. Darin liegt aber zugleich eine vorbehaltslose Verherrlichung der nationalsozialistischen Zeit und der in ihr tätigen Verantwortungsträger.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 28.10.2005 - 27 K 7871/03 -.

Zutreffend und von der Klägerin letztlich nicht substantiiert in Frage gestellt leitet die Beklagte eine jugendgefährdende Wirkung des Katalogs auch aus verschiedenen von ihr näher bezeichneten Anreißtexten ab, die kriegsverherrlichende Inhalte aufweisen. Der Begriff der Kriegsverherrlichung ist weit auszulegen; er setzt insbesondere nicht eine uneingeschränkte Lobpreisung des Krieges voraus. In jugendgefährdender Form kriegsverherrlichend ist vielmehr bereits eine Darstellung, "durch welche der Krieg irgendwie qualifiziert positiv bewertet wird, durch die er als anziehend, reizvoll, als romantisches Abenteuer oder als wertvoll, oder auch nur als eine hervorragende Bewährungsprobe für männliche Tugenden und heldische Fähigkeiten oder auch nur als eine einzigartige Möglichkeit erscheint, Anerkennung, Ruhm oder Auszeichnung zu gewinnen".

Vgl. BVerwG, Urt. vom 12. Januar 1966 - V C 104.63 -; BVerwGE 23, 112-123

Ergänzend zu den aufgeführten Beispielen kann insofern auch auf die Begleittexte zu dem Buch "Kriegsgeschichte der 12. Panzerdivision ‚Hitlerjugend‘(S.35):

"Der Großverband der Waffen-SS ging aus der Hitlerjugend hervor. Als 1943 die Aufstellung der Division begann, waren die Freiwilligen 17 Jahre alt. Ein leuchtendes Beispiel für den Opfergang der Jugend."

sowie zu dem Buch "Paul Hauser - Generaloberst der Waffen-SS" (S. 36):

"Als Schöpfer der Waffen-SS entwickelte er eine soldatische Lehre, die auf den Prinzipien von Auslese, Treue, Gehorsam, Anstand und Ritterlichkeit aufgebaut war, die wilde Kühnheit der Jugend hervorrief und zwischen der revolutionären Leidenschaft und dem Ordnungsgesetz der soldatischen Welt einen Ausgleich suchte."

verwiesen werden. Auch hierin wird gerade jungen Menschen unter Bezugnahme auf Kampfverhalten und Kampfeinstellung der Waffen-SS im 2. Weltkrieg der Eindruck vom Krieg als "Charakterschule" und Quelle von Ruhm und Anerkennung vermittelt.

Die Indizierung verstößt nicht gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

Allerdings werden sowohl das Vorwort zum Katalog als auch die Anreißtexte zu den darin enthaltenen Warenangeboten vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst. Dieses Grundrecht gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten, ohne dass es darauf ankäme, ob die Äußerungen wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, emotional oder rational sind. Auch Tatsachenbehauptungen sind insoweit geschützt, als sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind, nicht aber bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen. Eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, die durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird als Meinung vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufheben oder verfälschen würde.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.1994 - 1 BvR 434/87 -, BVerfGE 90, 1(14 f.); BVerfG, Beschluss vom 13.04.1994 - 1 BvR 23/94 -, BVerfGE 90, 241 (274).

Hiervon ausgehend sind der Katalog und seine vorgenannten Inhalte, wovon auch die Indizierungsentscheidung ausgeht, vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst, da sie im wesentlichen von Werturteilen geprägte Meinungsäußerungen enthält, die sich weder auf unwahre Tatsachenbehauptungen reduzieren lassen noch ersichtlich nur auf solchen beruhen.

Allerdings wird das Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht schrankenlos gewährt, sondern findet gem. Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken unter anderen in den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend. Das hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Folge, dass Behörden und Gerichte eine fallbezogene Abwägung zwischen dem mit der Indizierung verfolgten Zweck des Jugendschutzes und dem Gewicht des Eingriffs in die Meinungsfreiheit vorzunehmen haben.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.01.1994 - 1 BvR 434/87 -, BVerfGE 90, 1(21).

Ein irgendwie gearteter Entscheidungsvorrang der Bundesprüfstelle mit der Folge etwa, dass ein Abwägungsdefizit zur Aufhebung der Indizierungsentscheidung führen müsste, besteht allerdings nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein Westfalen nicht. Vielmehr ist in diesem Falle das erkennende Gericht befugt und verpflichtet, die erforderliche Abwägung selbst vorzunehmen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13.11.2003 - 20 A 1524/03 und 20 A 1525/03 -, n.v., Abdruck S. 17 ff.

Hiervon ausgehend ist es nicht zu beanstanden, dass die Bundesprüfstelle den Belangen des Jugendschutzes den Vorrang gegenüber der Meinungsfreiheit der Klägerin eingeräumt hat.

Die Kammer teilt die Auffassung der Bundesprüfstelle, wonach den Belangen des Jugendschutzes vorliegend deshalb ein herausragendes Gewicht zukommt, weil der Katalog nicht nur den Nationalsozialismus verharmlosende oder gar glorifizierende Inhalte aufweist, sondern darüber hinaus über weite Strecken auch kriegsverherrlichende Passagen enthält. Es fällt im übrigen zu Gunsten des Jugendschutzes ins Gewicht, dass hierin in oft kaum nachvollziehbarer Weise extreme Werturteile und Tatsachenbehauptungen durchweg in einer Weise untrennbar vermischt werden, dass es schon für einen durchschnittlich gebildeten Erwachsenen nicht einfach ist, die Beiträge auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Eine objektivierte Auseinandersetzung mit der historischen Realität oder aktuellen politischen Entwicklungen und mit Gegenauffassungen wird bewusst vermieden; andere Sichtweisen werden vielmehr pauschal als "volksverdummend" und auf "geistiger Beschneidung" beruhend verunglimpft. Die Subtilität, mit der nicht oder schwer überprüfbare Tatsachenbehauptungen mit Bewertungen verquickt werden, ermöglicht es Jugendlichen nicht, sich ein differenziertes und kritisches Bild der deutschen Geschichte und aktueller politischer Zusammenhänge oder Entwicklungen zu machen. Im Gegenteil besteht eine nicht unerhebliche Gefahr, dass die Glorifizierung des NS-Systems sowie die Pseudorechtfertigung von NS-Größen und ihrer Verbrechen wie auch kriegsverherrlichendes Gedankengut von gefährdeten Jugendlichen in ihr Weltbild übernommen werden.

Demgegenüber dürfte das Gewicht der von der Klägerin hinzunehmenden Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit als weniger schwerwiegend einzustufen sein, da sie die betreffenden Bewertungen vorliegend nach eigenen Angaben in erster Hinsicht zur Ansprache ihres Kundenkreises mit dem Ziel einer möglichst weitgehenden Steigerung des Absatzes ihrer Waren und weniger zur Teilnahme am allgemeinen politischen Diskurs gemacht haben will. Für diesen Fall liegt es näher, ihren Grundrechtsschutz an den eingeschränkten Berufsausübungsmöglichkeiten zu messen. Zu Recht weist die Beklagte insofern jedoch darauf hin, dass die hierfür geltenden Beschränkungen aus Gründen des öffentlichen Wohls, nämlich des Jugendschutzes gerechtfertigt sind,

vgl. auch OVG NRW Urteil vom 13.11.2003 - 20 A 1524 und 1525/03 -.

Unabhängig davon ist der Klägerin der Vertrieb ihres Katalogs damit auch nicht unmöglich gemacht geworden; Erwachsenen darf sie ihn unter Beachtung der in § 15 Abs. 1 JuSchG enthaltenen Einschränkungen auch weiterhin zugänglich machen.

Unter diesen Umständen begegnet es auch keinen Bedenken, dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 JuSchG verneint wurden. Die Annahme einer geringen Bedeutung kommt bei einem Gefährdungsgrad von Gewicht wie im vorliegenden Fall grundsätzlich auch bei einer geringen Verbreitungswahrscheinlichkeit nicht mehr in Betracht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12. 1971 - 1 C 31.68 -, Buchholz § 436.52 zu § 1 Nr. 8, S. 11.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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