VG Düsseldorf, Beschluss vom 25.01.2016 - 21 L 4034/15
Fundstelle
openJur 2019, 10878
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 21 K 8472/15 (Aussetzung der sofortigen Vollziehung) gegen die Hausverbotsverfügung der Antragsgegnerin vom 14.12.2015 wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg.

1.Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung des Bescheides formell ordnungsgemäß angeordnet und hinreichend begründet (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO). Der Hinweis darauf, dass seitens des Antragstellers angesichts seines bisherigen Verhaltens (schwere Verstöße gegen bisherige Hausverbote und akute Wiederholungsgefahr) während der Dauer des Klageverfahrens weitere massive Störung des Betriebes durch massive Belästigung von Bediensteten und Besuchern zu erwarten seien, wenn das Hausverbot nicht mit sofortiger Wirkung ausgestattet würde, trägt die getroffene Anordnung.

2.Die bei der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO anzustellende Abwägung zwischen dem Vollzugsinteresse und den Belangen der Antragsteller fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus, weil sich der angegriffene Bescheid als rechtmäßig darstellt.

Die getroffene Maßnahme findet ihre Ermächtigungsgrundlage in dem Hausrecht, das der Behördenleiter der Antragsgegnerin im Rahmen eines notwendigen Annexes zu der zugrundeliegenden Sachkompetenz in Verbindung mit der ihm zustehenden Organisationsgewalt ausübt.

Vgl. st. Rspr. der Kammer: vgl. nur Beschluss vom 13.10.2015 - 21 L 2172/15 - m.w.N.

a)Die formelle Rechtmäßigkeit des erteilten Hausverbots wird - jedenfalls nicht in vorliegendem Eilverfahren - nicht dadurch berührt, dass der Antragsteller - soweit aus dem Verwaltungsvorgang erkennbar - vor Erlass des Bescheides nicht gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört worden ist. Dieser Verfahrensfehler kann nachträglich gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW i.V.m. § 45 Abs. 2 VwVfG NRW geheilt werden. Nach dieser Vorschrift kann eine Anhörung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Hierbei ist dem Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich - schriftlich oder mündlich - zu den für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen zu äußern. Eine Anhörung durch das Gericht selbst reicht nicht aus. Deshalb muss die Verwaltungsbehörde dem Betroffenen eine vollwertige Gelegenheit zur Stellungnahme geben und nach Prüfung des Vorbringens zu erkennen geben, ob sie nach erneuter Prüfung an dem angefochtenen Verwaltungsakt festhält.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17.08.1982 - 1 C 22/81 -, BVerwGE 66, 111; BSG, Urteil vom 13.12.2001 - B 13 RJ 67/99 R -, BSGE 89, 111; zu den Anforderungen an das Verfahren der nachgeholten Anhörung siehe auch OVG NRW, Beschluss vom 11.02.2014 - 15 B 69/14 -, juris; Beschluss der Kammer vom 14. November 2014 - 21 L 1993/14 -.

Soweit die Antragsgegnerin im Klageverfahren die Anhörung nachholen will, wird sie die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien einzuhalten haben. Nach dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),

Beschluss vom 11.02.2014 - 15 B 69/14 -, juris,

ist die Nachholung auch im gerichtlichen Verfahren möglich, wenn die Behörde den Vortrag des Betroffenen zum Anlass nimmt, ihre Entscheidung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und zu erwägen, ob sie unter Berücksichtigung der nunmehr vorgebrachten Tatsachen und rechtlichen Erwägungen an ihrer Entscheidung mit diesem konkreten Inhalt festhalten will und das Ergebnis der Überprüfung mitteilt.

Vgl. aber auch Urteil der Kammer vom 19.07.2011 - 21 K 36/10 -: strenge Kriterien (formelles Verfahren neben / außerhalb des Gerichtsverfahrens; Berücksichtigung der vorgetragenen Einwendungen; Dokumentation des Anhörungsverfahrens), insbesondere unter Beachtung der Tatsache, dass ein Widerspruchsverfahren der Klageerhebung nicht vorangegangen ist.Siehe auch VG Oldenburg, Urteil vom 14.01.2011 - 7 A 1212/09 -; VG Saarlouis, Urteil vom 21.06.2006 - 5 K 85/05 -;Kopp / Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 28 Rdnr. 80 f.;geringere Anforderungen für das Eilverfahren: VG Augsburg, Beschluss vom 09.08.2010 - Au 7 S 10.936 -, alle juris.

Ob darüber hinaus vorliegend die Voraussetzungen nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW gegeben sind, kann deshalb offen bleiben. Danach kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, vorliegend eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Dazu hat die Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid nichts ausgeführt.

b)Das Hausverbot ist auch materiell rechtmäßig.

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Hausverbotes liegen vor. Der Ausspruch eines Hausverbots hat präventiven Charakter, indem die Maßnahme darauf abzielt, zukünftige Störungen des Betriebsablaufs in der Einrichtung zu vermeiden; es dient dem öffentlichen Interesse an einem ungestörten Ablauf des Dienstbetriebes. Dieses Interesse richtet sich nicht nur darauf, die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung in dem Sinne zu gewährleisten, dass Störungen der Tätigkeit des Hoheitsträgers selbst unterbleiben. Die Sicherstellung des ungestörten Ablaufs des Beratungs- und Dienstleistungsbetriebes in den Gebäuden der Verwaltung dient darüber hinaus auch der Wahrung der Rechte der Mitarbeiter aus Gründen der dienstrechtlichen Fürsorgepflicht und der Wahrung der Rechte der übrigen Kunden. Diese Rechte stehen den Rechten des Betroffenen, gegenüber dem ein Hausverbot ausgesprochen wird, nicht nach;

vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2011 - 21 L 1077/11 -, juris; Urteil vom 20.03.2009 - 21 K 8601/08 -; Urteil vom 30. November 2007 - 21 K 1367/07 -.

Das verfügte Hausverbot hat grundsätzlich die Tatsachen zu benennen, die in vorangegangener Zeit den Hausfrieden gestört haben. Des Weiteren ist erforderlich, dass in Zukunft wieder mit Störungen zu rechnen ist und daraus folgend das Hausverbot nötig ist, entsprechende erneute Vorfälle zu verhindern. Allerdings muss eine Behörde auch mit aus ihrer Sicht schwierigen Besuchern zurechtkommen und sie ihr Anliegen ungehindert vortragen lassen. Sie kann nicht sogleich auf ein Hausverbot zurückgreifen. Diese Möglichkeit ist dann eröffnet, wenn der Dienstablauf nachhaltig gestört wird, z. B. weil Bedienstete beleidigt oder bedroht worden sind oder der Besucher in nicht hinnehmbarer Weise aggressiv reagiert und mit einer Wiederholung derartiger Vorfälle zu rechnen ist;

vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.2009 - 21 K 8601/08 -; VG Neustadt an der Weinstraße, Beschluss vom 23.11.2006 - 4 L 1746/06.NW -, juris.

Es bedarf für die Verfügung eines Hausverbotes aber nicht notwendigerweise eines strafrechtlich relevanten Verhaltens, insbesondere von Bedrohungen und Beleidigungen oder gar des Einsatzes körperlicher Gewalt. Auch die Verletzung einer Hausordnung oder - auch für Dritte ohne weiteres erkennbare - Verhaltensweisen, die den Dienstbetrieb nachhaltig stören, können dafür ausreichen. Dies gilt insbesondere in Fällen der Abwicklung von Verfahren der Massenverwaltung mit hohem Kundenaufkommen. In diesen Fällen ist ein geordneter Dienstbetrieb dauerhaft nur dann sicherzustellen, wenn sich alle Beteiligten an die durch die Verkehrssitte geprägten Verhaltensweisen der gegenseitigen Rücksichtnahme halten, insbesondere an aufgestellte oder allgemein gültige Regeln zur Sicherung des Hausfriedens.

Vgl. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 05.01.2007 - 21 K 4835/06 -, Beschluss vom 14.11.2014 - 21 L 1993/14 -.

Nach diesen Grundsätzen war der Antragsgegner zum Erlass eines gegen den Antragsteller gerichteten Hausverbotes berechtigt. Der Antragsteller ist der Darstellung des die Maßnahme auslösenden Geschehens, welche die Behörde auf der Grundlage hierüber gefertigter Aktenvermerke in dem angefochtenen Bescheid gegeben hat, in keiner Weise inhaltlich entgegengetreten. Er hat sich zur Begründung seines Antrages ausschließlich auf ein bisheriges Vorbringen berufen, das sich aus den Verwaltungsvorgängen ergeben soll. Dort ist jedoch nicht ansatzweise erkennbar, aus welchen sachlichen Gründen der Antragsteller die Maßnahme des Antragsgegners nicht akzeptieren will. Das Gericht geht daher davon aus, das sich die Vorgänge, auf die sich die Behörde stützt, so zugetragen haben, wie sie geschildert werden.

Damit legt das Gericht den Sachverhalt zugrunde, wie er im Einzelnen im angegriffenen Bescheid dokumentiert ist

- seit 2009 wiederholte Vorsprache in verschiedenen Dienststellen mit verbal und körperlich aggressivem Auftreten, Umherbrüllen, heftigem Gestikulieren und körperlichem Bedrängen;Hausverbote vom 06.10.2009, erweiterte mit Schreiben vom 26.11.2009, vom 20.12.2011, von 26.06.2013, erweiterte mit Schreiben vom 04.07.2013;nach Ablauf des letzten Hausverbots mit Wirkung zum 30.06.2015 erneut störendes Auftreten am 15.09.2015 mit anschließendem Hausverweis durch Polizeibedienstete; wiederholte Störungen mit lautem und aggressivem Auftreten im Oktober 2015, am 27.11.2015, 01.12.2015, 07.12.2015 und am 11.12.2015, in der Ausländerstelle S. teilweise sogar täglich mit zweifachem Hinzuziehen der Polizei -

und der vom Antragsteller nicht bestritten wird. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit den früheren Hausverboten. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den angegriffenen Bescheid verwiesen.

Dieses Verhalten stellt eine massive Störung des geordneten Dienstbetriebes des Antragsgegners dar. Da der Antragsteller sein Verhalten in der Vergangenheit nicht erkennbar verändert hat, muss auch in Zukunft mit ähnlichen Beeinträchtigungen gerechnet werden. Der Behördenleiter der Antragsgegnerin war daher berechtigt, ein befristetes Hausverbot zu erlassen, um einen funktionierenden Ablauf des Dienstbetriebes sicherzustellen.

Ob der öffentlichrechtliche Hausrechtsinhaber der Gefahr einer Beeinträchtigung der ihm obliegenden Aufgabenerfüllung im Einzelfall mit der Erteilung eines Hausverbots begegnet, liegt ebenso wie die Frage der konkreten Ausgestaltung des Hausverbots in dessen pflichtgemäßen Ermessen. Der Behördenleiter der Antragsgegnerin hat bei seiner Entscheidung das ihm obliegende Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Die Entscheidung beruht weder auf sachfremden Erwägungen noch auf Fehleinschätzungen.

Bei der Entscheidung wurde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet. Das ausgesprochene Hausverbot ist geeignet, den angestrebten Zweck zu erreichen, nämlich den Hausfrieden in den Gebäuden des Beklagten zu sichern und einen reibungslosen Dienstbetrieb zu gewährleisten. Der Erlass des Hausverbotes war auch erforderlich, denn eine den Antragsteller weniger belastende Maßnahme zur Verhinderung der von ihm ausgehenden Störungen ist nicht erkennbar. Schließlich entspricht das ausgesprochene Hausverbot dem Gebot der Angemessenheit. Auch die Dauer des Verbots von einem Jahres erscheint gerechtfertigt. Hierbei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsteller sich auch durch mehrere in der Vergangenheit seit 2009 ausgesprochene Hausverbote von offenbar nicht hat dazu bewegen lassen, sein Verhalten den Normen eines respektvollen Umgangs mit anderen Menschen anzupassen. Wenngleich eine Maßnahme der hier ergriffenen Art keine Sanktion darstellt, sondern dem Schutz der Mitarbeiter, der anderen Kunden und des Dienstbetriebes zu dienen bestimmt ist, wird man auch unter diesem Gesichtspunkt der Prävention ein nunmehr längeres Fernhalten des Antragstellers aus den Diensträumen als gerechtfertigt ansehen müssen. Im übrigen hat die Antragsgegnerin den Antragsteller im angegriffenen Bescheid auf die Möglichkeit verwiesen, sich zur Beantragung von Leistungen oder in sonstigen Angelegenheit in der Zuständigkeit der Antragsgegnerin schriftlich oder durch einen bevollmächtigten Vertreter an die Dienststelle zu wenden.

3.Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertfestsetzung: §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG in Höhe der Hälfte des für ein Klageverfahren festzusetzenden Betrages.