VG Düsseldorf, Urteil vom 14.01.2015 - 21 K 4713/13
Fundstelle
openJur 2019, 10829
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 25. April 2013 wird insoweit aufgehoben, als er einen Erstattungsbetrag über den Betrag von 266,00 Euro hinaus festsetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Klägerin zu 94 % und die Beklagte zu 6%.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung überzahlter Leistungen nach dem Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder –ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz - UVG -).

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 4. Februar 2010 ab dem 1. Februar 2010 für ihren am 00.00.2009 geborenen Sohn Leistungen nach dem UVG. Da die Klägerin laut Antragsformular vom 28. Januar 2010 Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz in voller Höhe bezog, legte die Beklagte bei der Ermittlung der Höhe des Unterhaltsvorschusses den Mindestunterhalt in Höhe von 317,00 Euro abzüglich des gesamten Erstkindergeldbetrages in Höhe von 184,00 Euro zugrunde und gewährte sodann fortlaufend Unterhaltsvorschuss in Höhe von 133,00 Euro.

Am 15. Januar 2013 schlossen die Klägerin und der Kindesvater vor dem Amtsgericht – Familiengericht – N.               -S.      (17 F 239/12) einen Vergleich, in dem sich der Kindesvater verpflichtete, für seinen Sohn zu Händen der Klägerin einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.000,00 Euro für den Zeitraum bis einschließlich Januar 2013 zahlen. Die Tilgung der Rückstände solle mit monatlichen Raten von 50,00 Euro beginnend ab dem 1. Februar 2013 erfolgen. Ferner wurde festgelegt, dass der Kindesvater ab Februar 2013 für seinen Sohn laufenden Unterhalt in Höhe von monatlich 92,00 Euro zahlen werde. Nach Ziff. 4) ist „Grundlage dieses Vergleichs (…) ein monatliches Nettoeinkommen des Antragsgegners in Höhe von 1032,89 Euro, sowie der Umstand, dass der Antragsteller Leistungen von der Unterhaltsvorschusskasse erhält.“

Der Kindesvater überwies auf das Konto der Kindesmutter für seinen Sohn sowohl am 18. Februar 2013 als auch am 18. März 2013 jeweils 142,00 Euro Unterhalt, zeigte die Zahlungen gegenüber der Beklagten an und legte entsprechende Buchungsbelege vor.

Mit Schreiben vom 15. April 2013 teilte die Klägerin der Beklagten unter Vorlage einer Ablichtung des familiengerichtlichen Vergleichs mit, der Kindesvater sei inzwischen verpflichtet worden, monatlichen Unterhalt in Höhe von 92,00 Euro für ihr gemeinsames Kind zu zahlen; der Zahlungspflicht sei er allerdings widerwillig nachgegangen. Ob er zukünftig in der Lage sei, regelmäßige Unterhaltszahlungen an sie zu leisten, sei aufgrund früherer Erfahrungen ungewiss.

Unter dem 17. April 2013 hörte die Beklagte die Klägerin dahingehend an, dass ihr Sohn  in den Monaten Februar und März 2013 jeweils 142,00 Euro Unterhaltsleistungen des Vaters erhalten habe, so dass die Anspruchsvoraussetzungen für eine Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen in diesem Zeitraum nicht vorgelegen hätten und bereits zu Unrecht ausgezahlte Beträge von der Klägerin zurück zu erstatten seien.

Daraufhin entgegnete die Klägerin am 23. April 2013, der Kindesvater zahle keine 142,00 Euro monatlichen Unterhalt, sondern lediglich 92,00 Euro laufenden Unterhalt. Diese bildeten den Differenzbetrag zwischen den Unterhaltsvorschussleistungen der Beklagten und dem vollen Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des hälftigen Kindergeldes (225,00 Euro). Dieser nicht von der Unterhaltsvorschusskasse gedeckte zusätzliche Unterhaltsanspruch sei nicht auf die Unterhaltsvorschussleistungen anzurechnen und könne daher von dem Kindesvater direkt an sie, und zwar anrechnungsfrei, ausgezahlt werden. Die darüber hinausgehenden 50,00 Euro beträfen Tilgungsraten zur Begleichung von Unterhaltsrückständen der letzten drei Jahre, die ihrem Sohn aufgrund des gerichtlichen Vergleiches ebenfalls zustünden.

Durch Bescheid vom 25. April 2013, mittels Postzustellungsurkunde am 3. Mai 2013 zugestellt, forderte die Beklagte die Klägerin zu einer Rückzahlung überzahlter Leistungen nach dem UVG für den Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis zum 31. März 2013 in Höhe von 284,00 Euro auf. Zur Begründung führte sie aus, die für die Monate Februar und März 2013 geleisteten rückständigen Unterhaltsleistungen in Höhe von jeweils 50,00 Euro seien auf die Beklagte im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs übergegangen; diese Beträge seien von der Klägerin nunmehr an die Beklagte in voller Höhe zu erstatten. Ferner seien die laufenden Unterhaltszahlungen in Höhe von jeweils 92,00 Euro an die Beklagte zurückzuzahlen. Daraus errechne sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 284,00 Euro.

Dagegen hat die Klägerin am 27. Mai 2013 Klage erhoben.

Zu Begründung macht sie geltend, die Voraussetzungen für eine Zahlungspflicht lägen nicht vor. Bei den im familiengerichtlichen Vergleich titulierten Beträgen handele es sich nicht um gemäß § 7 UVG übergegangene Ansprüche, sondern vielmehr um die Differenz zwischen dem von einem Unterhaltsschuldner zu zahlenden Mindestbetrag und der gewährten Unterhaltsvorschussleistung. Da die eingeklagten Zahlungen ausschließlich den Teil des Unterhaltsanspruches des Kindes betroffen hätten, der über die bewilligten UVG-Leistungen hinausgehe, stelle der Zahlungseingang bei der Klägerin kein Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG dar. Denn wegen des Abzuges des Kindergeldes entsprechend der Vorschrift des § 2 Abs. 2 UVG seien diejenigen Beträge isoliert eingeklagt worden, die nicht von der Unterhaltsvorschusskasse gezahlt werden. Derartige Unterhaltsteile, die von den Zahlungen der Unterhaltsvorschusskasse nicht umfasst seien, könnten aber auch nicht gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG auf die jeweiligen Unterhaltsvorschusskassen übergehen. Bei Abschluss des familiengerichtlichen Vergleiches sei auch allen Beteiligten klar gewesen, dass der dortige Streitgegenstand gerade nicht die auf den Beklagten übergegangenen Ansprüche umfassen solle, sondern lediglich die Zahlung des sogenannten Differenzunterhalts. Unterfiele dieser Differenzbetrag der Anrechnungsregel des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG, bestünde für ein Kind, das im Bezug von Unterhaltsvorschussleistungen stehe, nie die Möglichkeit, den vollen Unterhalt zu realisieren.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25. April 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie unter Bezugnahme auf den angegriffenen Bescheid ergänzend aus, es handele sich bei den im Vergleich titulierten Beträgen um gemäß § 7 UVG auf das Land NRW übergegangene Ansprüche, die nunmehr mittels Leistungsbescheides von der Klägerin in Höhe von 284,00 Euro zurückgefordert werden. Im Übrigen seien die Leistungen in Höhe von jeweils 142,00 Euro als laufender Unterhalt anzurechnen, d.h. bei der Berechnung der Unterhaltsvorschussleistung des Monats, in dem die Zahlung eingehe. Dies gelte unabhängig davon, ob die Zahlungen den laufenden Unterhalt oder Unterhaltsrückstände beträfen. Da die beigetriebenen Zahlungen erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geworden seien, bestehe nunmehr eine Rückzahlungspflicht nach § 5 Abs. 2 UVG, es wären also zumindest für Februar und März 2013 die Leistungen in Höhe von monatlich 133,00 Euro, also in Höhe von 266,00 Euro, zurückzufordern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Die Klage ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin zu einer Erstattung von Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 266,00 Euro verpflichtet wird. Insoweit ist der Bescheid vom 25. April 2013 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden 18,00 Euro ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Richtige Rechtsgrundlage für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gegenüber der Klägerin, die hier sowohl Inhalts- als auch Bekanntgabeadressatin des angefochtenen Bescheides ist, ist die Regelung in § 5 Abs. 1 UVG. Diese Vorschrift setzt als spezieller öffentlichrechtlicher Schadensersatzanspruch nicht die (teilweise) Aufhebung des an das Kind gerichteten Bewilligungsbescheides voraus.

BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2006 - 5 B 42/06 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juni 2014 - 21 K 5374/13 -; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 11. November 2010 - 12 E 701/10 -. Siehe zum Ganzen ebenfalls VG Freiburg, Urteil vom 4. Februar 2010 - 4 K 1627/08 -, juris; Helmbrecht, Unterhaltsvorschussgesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 5 Rn. 4; Grube, Unterhaltsvorschussrecht, Kommentar, 2009, § 5, Rn. 4.

Die Voraussetzungen der Ersatzzahlungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 UVG sind erfüllt. Danach gilt: Haben die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht oder nicht durchgehend vorgelegen, so hat der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, oder der gesetzliche Vertreter des Berechtigten den geleisteten Betrag insoweit zu ersetzen, als er die Zahlung der Unterhaltsleistung dadurch herbeigeführt hat, dass er vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 6 UVG unterlassen hat (Nr. 1) oder gewusst oder infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt waren (Nr. 2).

Die Leistungsvoraussetzungen haben in dem Zeitraum vom 1. Februar 2013 bis zum 31. März 2013 nicht vorgelegen. Denn der Sohn der Klägerin hat hier anrechenbare Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG erzielt. Nach dieser Regelung werden auf die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in demselben Monat geleistete Unterhaltszahlungen des Elternteils, bei dem der Berechtigte nicht lebt, als Einkünfte des Berechtigten angerechnet. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG sind ebenfalls erfüllt, denn die Unterhaltszahlungen des barunterhaltspflichtigen Kindesvaters an die Klägerin am 18. Februar 2013 und am 18. März 2013 jeweils in Höhe von 142,00 sind im jeweiligen Monat des Zahlungseingangs Einkünfte des berechtigen Kindes. Diese Zahlungen sind auch in voller Höhe anzurechnen. Da die Unterhaltszahlung in Höhe von 142,00 Euro jeweils den Betrag des gewährten Unterhaltsvorschusses in Höhe von 133,00 Euro überstieg, errechnet sich für diese zwei Monate kein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 UVG sind demnach in Höhe von 266,00 Euro (zwei Monate x 133,00 Euro) erfüllt.

Den von der Klägerin dagegen erhobenen Einwänden kann nicht gefolgt werden. Die von ihr zunächst vorgebrachte Differenzierung zwischen dem Zahlbetrag in Höhe von 50,00 Euro aufgrund von Unterhaltsrückständen sowie dem laufenden Unterhalt in Höhe von 92,00 Euro ist im Rahmen von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG nicht von Belang. Denn auch Zahlungen, mit denen alte Unterhaltsrückstände beglichen werden sollen, sind bei der Ermittlung der Höhe des Unterhaltsvorschusses gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG anzurechnen. Allerdings gibt das Gericht mit Blick auf den familiengerichtlichen Vergleich zu bedenken, dass in Höhe der bereits in der Vergangenheit gewährten Unterhaltsvorschussleistungen der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den anderen Elternteil auf das Land übergegangen sein dürfte; mit der Folge, dass der andere Elternteil bei der Begleichung von Schulden aus rückständigem Kindesunterhalt in aller Regel insoweit nicht mehr befreiend an das Kind leisten kann.

Vgl. dazu Grube, a.a.O., § 2 Rn. 24, 27. Zur Begleichung rückständigen Kindesunterhaltes näher VG Gera, Urteil vom 7. April 2003 - 6 K 983/00. GE -, juris.

Im Übrigen gibt der klare und eindeutige Wortlaut des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG für Differenzierungen von Unterhaltszahlungen in einzelne (anrechnungsfreie) Bestandteile nichts her. Vielmehr ist danach zwingend jegliche Unterhaltszahlung des Unterhaltspflichtigen als Einkommen des Berechtigten anzurechnen, und zwar unabhängig davon, ob der Unterhaltspflichtige laufenden oder rückständigen Unterhalt zahlen will. Dabei ist auf den tatsächlichen Zufluss abzustellen, wie sich auch aus der Formulierung „in demselben Monat erzielte Einkünfte“ ergibt. Im Übrigen hat der von dem barunterhaltspflichtigen Vater an das Kind gezahlte Betrag diesem in den Monaten Februar und März 2013 tatsächlich zur Verfügung gestanden. Dies verdeutlicht, dass der gleichzeitige Bezug (rückständiger) Unterhaltsleistungen aufgrund eines Unterhaltstitels neben Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz auch dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG, die Nachrangigkeit der Hilfeleistung zu sichern, widersprechen würde. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz sind nämlich nur dann zu gewähren, wenn der Berechtigte keine anderweitige Möglichkeit hat, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Vgl. dazu die Fallkonstellationen in den Entscheidungen des OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2010 - 6 B 10.09 -, juris, und VGH München, Urteil vom 15. Januar 2008 - 12 BV 06.80 -, juris.

In diesem Zusammenhang ist daher einerseits von Bedeutung, dass das Unterhaltsvorschussgesetz den gegenwärtigen Unterhaltsanspruch eines berechtigten Kindes absichern will. Andererseits zeichnet das UVG aber auch nicht die nach bürgerlichem Recht bestehenden unterhaltsrechtlichen Regelungen in allen Einzelheiten nach, sondern beschränkt sich auf eine vereinfachte Typisierung. Mit der Anrechnung allein von „Unterhaltszahlungen“, die nach Zeitpunkt und Höhe eindeutig und einfach nachvollziehbar sind, wird sichergestellt, dass die typisierten öffentlichrechtlichen Unterhaltsleistungen bewilligt werden können, ohne die Unterhaltsvorschussbehörden mit der Aufklärung sonstiger unterhaltsrechtlich etwa beachtlicher Leistungen des barunterhaltspflichtigen Elternteils an den Berechtigten und die Bestimmung von deren Bedeutung für den Kindesunterhalt zu belasten.

Zitiert nach VGH München, Urteil vom 15. Januar 2008 - 12 BV 80/06 -, juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2005 - 5 C 17.04 -, juris.

Daraus folgt, dass die von der Klägerin vorgebrachten Zahlungsbestimmungen, die sich aus dem familiengerichtlichen Vergleich ergeben sollen, unterhaltsvorschussrechtlich unbeachtlich sind.

Dies gilt auch für das weitere Vorbringen der Klägerin, der vom familiengerichtlichen Vergleich umfasste Anspruch auf rückständigen Kindesunterhalt habe schon deshalb nicht auf das Land übergehen können, da wegen der Berechnung der Unterhaltsvorschusskasse nach den Vorgaben des § 2 Abs. 2 UVG (pauschaler Abzug des Erstkindergeldes) die Beträge isoliert eingeklagt worden seien, die nicht von der Unterhaltsvorschusskasse gezahlt werden; derartige Unterhaltsteile, die nicht vom Unterhaltsvorschuss umfasst seien, könnten auch nicht gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG „auf die jeweiligen Unterhaltsvorschusskassen übergehen“ und müssten daher von der Anrechnung befreit bleiben.

Mit Blick auf vorstehende Erwägungen kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Unabhängig davon, dass der Vergleich lediglich von „Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.000,00 Euro spricht“, der an die Kindesmutter auszukehren sei, verkennt diese Argumentation, dass der gesetzliche Forderungsübergang ausschließlich nach den Regelungen des § 7 Abs. 1 UVG erfolgt und allein im Verhältnis zwischen barunterhaltspflichtigem Elternteil und Unterhaltsvorschusskasse abzuwickeln ist. Dieses Rückabwicklungsverhältnis ist einer Vergleichsregelung im familiengerichtlichen Verfahren schlicht nicht zugänglich. Auch insoweit gilt daher, dass bei Anwendung der Vorschrift des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG im Verhältnis zwischen Unterhaltsvorschusskasse und berechtigtem Kind allein der Gesetzeswortlaut maßgeblich ist und nicht etwa die Höhe übergegangener Ansprüche oder etwaige Tilgungsbestimmungen des barunterhaltspflichtigen Kindesvaters.

Vgl. dazu näher Grube, a.a.O., § 2 Rn. 24 unter Bezugnahme auf VG Gera, Urteil vom 7. April 2003 - 6 K 983/00 GE -, juris.

Zwar mag der dahingehende Einwand der Klägerin zutreffend sein, dass die Forderung des Landes gegenüber dem Kindesvater nur in Höhe der gewährten Unterhaltsvorschussleistungen entstehen könne. Für die Prüfung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 UVG sind diese Erwägungen jedoch ohne Relevanz, denn § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG bestimmt insoweit (lediglich): Hat der Berechtigte für die Zeit, für die ihm die Unterhaltsleistung nach dem UVG gezahlt wird, einen Unterhaltsanspruch gegen den Elternteil, bei dem er nicht lebt, oder einen Anspruch auf eine sonstige Leistung, die bei rechtzeitiger Gewährung nach § 2 Abs. 3 als Einkommen anzurechnen wäre, so geht dieser Anspruch in Höhe der Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf das Land über. Die Norm bezweckt, der öffentlichen Hand die Möglichkeit zu geben, sich bis zur Höhe der von ihr im Einzelfall erbrachten Leistung bei dem zahlungspflichtigen Elternteil schadlos zu halten. Sie bezweckt dagegen nicht, den Berechtigten von Rückzahlungspflichten nach § 5 Abs. 2 UVG oder den Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, von Ersatzzahlungspflichten nach § 5 Abs. 1 UVG freizustellen. Beide Zahlungspflichten, also diejenige nach § 5 UVG einerseits und diejenige nach § 7 UVG andererseits, können vielmehr grundsätzlich selbstständig nebeneinander bestehen.

So ausdrücklich, OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2010 - 6 B 10.09 -, juris; ebenso BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2006 - 5 B 42.06 -, juris. Vgl. Grube, UVG, 2009, § 2 Rn. 30 und § 5 Rn. 3.

Soweit die Klägerin schließlich einwendet, sowohl die Zahlungen aufgrund der Unterhaltsrückstände in Höhe von 50,00 Euro als auch die laufenden Unterhaltszahlungen in Höhe von 92,00 Euro unterfielen bereits aus dem Grund nicht der Anrechnung nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG, weil es sich um die Differenz zwischen den Unterhaltsvorschussleistungen und dem gesetzlich geschuldeten Mindestunterhalt handele, die die Klägerin für das Kind unabhängig von dem Regelungssystem des Unterhaltsvorschusses habe einklagen können, vermag das Gericht dem ebenfalls nicht zu folgen.

Mit Blick auf die eindeutige Regelung des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG und unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen, wonach die Unterhaltsvorschusskasse gerade keine nähere Prüfung der eingegangen Unterhaltszahlungen vornehmen soll, ist kein Raum für eine derartige Differenzierung, die zudem das Zusammenspiel der gesetzlichen Vorgaben in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 UVG einerseits und § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG andererseits in Frage stellt. Unabhängig davon, dass die Anrechnung des vollen Erstkindergeldes entsprechend der Vorgaben des § 2 Abs. 2 Satz 1 UVG auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden ist,

vgl. dazu nur OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - 12 A 1269/10 - , juris,

kann auch den weiteren Ausführungen der Klägerin nicht gefolgt werden, gerade der Gesetzeswortlaut regele insoweit, dass die Differenz zwischen den Unterhaltsvorschussleistungen und dem zivilrechtlich geschuldeten Unterhalt des Kindes in Höhe von 92,00 Euro nicht der Anrechnungspflicht nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG unterliege.

Allenfalls in der Fallkonstellation, dass die Unterhaltsleistung nach dem UVG geringer ist als der Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber dem barunterhaltspflichtigem Elternteil,  ist der überschießende Teil des bereits gewährten Unterhaltsanspruchs nicht auf das Land übergegangen. Dies wird im Regelfall – sollte der barunterhaltspflichtige Elternteil insoweit leistungsfähig sein – zutreffen, da das Kindergeld unterhaltsrechtlich nur mit der Hälfte auf den Mindestunterhalt angerechnet wird und daher zumindest in Höhe des halben Kindergeldes noch ein nicht übergegangener Unterhaltsanspruch bestehen kann. Diese Fallkonstellation ist vorliegend jedoch gerade nicht gegeben. Hier hat die Klägerin ausschließlich den Differenzbetrag in Höhe von 92,00 Euro in der rechtsirrigen Annahme eingeklagt, dieser unterfiele sowohl hinsichtlich des rückständigen Unterhaltes als auch zukünftig nicht der Anrechnung im Rahmen des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG. Vor dem Hintergrund der im Wortlaut klaren Regelung des § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG ist die Realisierung eines rückständigen oder laufenden Unterhalts-Spitzbetrages und der gleichzeitige Bezug der vollen Unterhaltsvorschussleistungen allerdings nicht möglich.

Vgl. auch Grube, a.a.O., § 2 Rn. 29 unter Hinweis auf die insoweit missverständlichen Ausführungen in Peschel-Gutzeit, Unterhaltsrecht aktuell, Die Auswirkungen der Unterhaltsreform auf die Beratungspraxis, Rn. 347 (Dort allerdings ohne die Anrechnungsproblematik des § 2 Abs. 3 UVG zu berücksichtigen); Hußmann, Die Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes, FPR 2008, S. 93, 94 (mit dem Hinweis darauf, dass die unterhaltsberechtigten Kinder selbst ihre Mindestunterhaltsansprüche realisieren müssen). Im Ergebnis wie hier: VG Freiburg, Urteil vom 4. Februar 2010 - 4 K 1627/08 -, juris. Wie hier den Differenzbetrag in Höhe des hälftigen Kindergeldes betreffend: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 24. Januar 2012 - 1 O 6/11 -, juris.

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 UVG sind erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin entsprechend dem Erfordernis in § 5 Abs. 1 Nr. 1 die Zahlung der Unterhaltsvorschussleistungen durch eine unterlassene Anzeige der erfolgten Zahlungen des Vaters der Kinder nach § 6 UVG (zumindest soweit der Monat März 2013 betroffen ist) „herbeigeführt“ hat. Jedenfalls hat sie im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 UVG – bezogen auf die Monate Februar und März 2013 – gewusst oder zumindest infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsvorschussleistungen nicht erfüllt waren. Die Klägerin war mit Bewilligungsbescheid vom 4. Februar 2010 darüber belehrt worden, dass eine Ersatzzahlungspflicht besteht, wenn für einen bestimmten Zeitraum der Leistungsgewährung gleichzeitig Leistungen durch den Unterhaltspflichtigen eingehen, und ihr war jedenfalls bekannt, dass ihr Sohn gleichzeitig Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und Unterhaltsleistungen vom Vater erhalten hat. Dass sie hinsichtlich der eingegangenen Zahlungen eine andere Rechtsansicht vertreten hat, ist unerheblich. Dies entbindet sich keinesfalls von der Anzeigepflicht geänderter Umstände.

Allerdings kann die Beklagte von der Klägerin gemäß § 5 Abs. 1 UVG lediglich die tatsächlich gewährten Unterhaltsvorschussleistungen in voller Höhe (d.h. zwei Mal 133,00 Euro = 266,00 Euro) verlangen. Eine „Abschöpfung“ gegenüber der Kindesmutter von darüber hinausgehenden Leistungen des barunterhaltspflichtigen Vaters in Höhe von monatlich 9,00 Euro (insgesamt 18,00 Euro) unter Berufung auf übergegangene Ansprüche im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs ist in diesem Verhältnis dagegen ausgeschlossen. Die Beklagte hat sich insoweit an die Vorgaben des § 7 UVG zu halten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und berücksichtigt das jeweilige Unterliegen der Beteiligten. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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