OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.10.2018 - 20 U 29/18
Fundstelle
openJur 2019, 10716
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 09. Februar 2018 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I.

Die Parteien beliefern Verbraucher mit Strom im Wege von Sonderverträgen.

Die Antragstellerin belieferte Verbraucher zu einem Gesamtpreis, wobei sie sich in ihren AGB vorbehielt, diesen bei Erhöhung hoheitlicher Belastungen (EEG-Umlage, KWK-Aufschläge, NEV-Umlage, Offshore-Haftungsumlage, abLA-Umlage, Stromsteuer; Umlage nach § 19 StromNEV) entsprechend zu erhöhen, gleichzeitig aber ein Kündigungsrecht des Verbrauchers ausschloss. Nachdem ihr dies durch Urteil des BGH vom 05.07.2017 (NJW-RR 2017, 1206) wegen Verstoßes gegen § 41 Abs. 3 EnWG rechtskräftig untersagt wurde, begann sie - so ihre Erklärung vor dem Landgericht - mit der Überprüfung der AGB von Wettbewerbern. Dabei kam ihr folgende, seit 2015 verwendete AGB der Antragsgegnerin zur Kenntnis:

Die Antragsgegnerin hat Widerspruch mit der Begründung eingelegt, die Vorschrift des § 41 Abs. 3 EnWG greife deshalb nicht ein, weil die Preiserhöhung hinsichtlich der hoheitlichen Belastungen automatisch erfolge und eine Willenserklärung ihrerseits nicht notwendig sei. Dies komme in Nr. 6 ihrer AGB auch hinreichend transparent zum Ausdruck, eine AGB-Kontrolle erfolge zudem im Hinblick auf § 307 Abs. 3 BGB nicht.

Das Landgericht hat daraufhin mit dem angefochtenen Urteil - mit einer 6.7 betreffenden Ausnahme - die Beschlussverfügung aufgehoben und insoweit den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Vorschrift des § 41 Abs. 3 EnWG setze eine Vertragsänderung voraus, daran fehle es bei einer automatischen Erhöhung des Preises. Die AGB seien zwar, was die Preisanpassung betreffe, kontrollfähig, sie seien jedoch hinreichend transparent. Anderes gelte hinsichtlich der - für das Berufungsverfahren unerheblichen - Klausel 6.7; es bestehe auch ein Verfügungsgrund.

Dagegen richtet sich die Berufung der Antragstellerin. Sie macht weiterhin geltend, § 41 Abs. 3 EnWG erfasse auch automatische Preisanpassungen. Jedenfalls sei die Klausel 6 nicht hinreichend transparent. Klausel 6.1 gehe davon aus, dass der Preis lediglich aus den dort genannten Komponenten bestehe, erst aus den folgenden Nummern ergebe sich, dass dies nicht zutreffe. Sie beantragt daher - unter näherer Erläuterung im Termin vom 25. September 2018 - sinngemäß

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beschlussverfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 13. September 2017 vollständig zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie hält die Klausel für nicht kontrollfähig, weil sie die Preisbemessung betreffe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen.

II.

Die Berufung der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Der Antragstellerin stehen keine Ansprüche nach § 3a UWG i.V.m. §§ 307 ff. BGB zu.

1.

Zu Recht hat das Landgericht entschieden, dass die angegriffenen Klauseln nicht deswegen unwirksam sind, weil die Verpflichtung der Kunden zur Zahlung hoheitlicher Belastungen in ihrer jeweiligen Höhe, ohne dass zuvor den Kunden eine Erhöhung mitgeteilt werden müsste, sowie ein Ausschluss der außerordentlichen Kündigung für diesen Fall gegen § 41 Abs. 3 EnWG verstoßen.

a) Nach Nr. 6 AGB setzt sich der Gesamtpreis zusammen aus einem Grundpreis, einem verbrauchsabhängigen Energiepreis sowie hoheitlichen Belastungen zuzüglich MWSt.. Grund- und Energiepreis können nach billigem Ermessen durch einseitige Leistungsbestimmung der Antragsgegnerin angepasst werden, wobei Preisanpassungen mindestens 6 Wochen vor ihrem Wirksamwerden mitgeteilt werden müssen und dem Kunden ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt wird. Demgegenüber schuldet der Kunde hoheitlichen Belastungen "in jeweiliger Höhe", ohne dass ihm Anpassungen vorher mitgeteilt werden und ihm ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt wird. Es handelt sich damit um eine Kostenelementeklausel im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. PrKlG.

b) Nach § 41 Abs. 3 EnWG ist der Verbraucher vor einer beabsichtigten Änderung der Vertragsbedingungen vom Energieversorgungsunternehmen zu informieren; Ändert der Lieferant die Vertragsbedingungen einseitig, kann der Letztverbraucher den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.

Diese Bestimmung setzt Nr. (1) lit. b) des Anhangs I der Richtlinie 2009/72/EG um, wonach der Verbraucher

rechtzeitig über eine beabsichtigte Änderung der Vertragsbedingungen und dabei über ihr Rücktrittsrecht unterrichtet werden. Die Dienstleister teilen ihren Kunden direkt und auf transparente und verständliche Weise jede Gebührenerhöhung mit angemessener Frist mit, auf jeden Fall jedoch vor Ablauf der normalen Abrechnungsperiode, die auf die Gebührenerhöhung folgt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es den Kunden freisteht, den Vertrag zu lösen, wenn sie die neuen Bedingungen nicht akzeptieren, die ihnen ihr Elektrizitätsdienstleister mitgeteilt hat;

Der EuGH (EuZW 2015, 967) hat - für einen Telefonvertrag - die Anwendung einer vergleichbaren Vorschrift auf die Anpassung des Preises auf Grund einer Indexklausel abgelehnt. Er hat dabei nicht auf eine Automatik der Preisanpassung oder das Fehlen von Willenserklärungen für eine Vertragsänderung, sondern auf die Objektivität und die Überprüfbarkeit der Indexklausel abgestellt. Danach unterfallen Kostenelementeklauseln schon deshalb nicht der Richtlinienbestimmung, weil gegen eine Überwälzung der Kosten auf den Verbraucher in jeweiliger Höhe in der Sache nichts einzuwenden ist und die jeweilige Höhe dieser Kosten objektiv überprüfbar ist.

Der Bundesgerichtshof (NJW-RR 2017, 1206 Rn. 21) hat gemeint, diese Entscheidung betreffe "eine durch einen Anpassungsautomatismus an die Veränderungen eines objektiven Verbraucherpreisindex, der die Geldentwertung abbildet, geprägte Klausel". Der österreichische Oberste Gerichtshof geht in seinem Urteil vom 17.07.2018 - 4Ob 113/18y unter 2.3) aufgrund der genannten EuGH-Entscheidung davon aus, dass eine aufgrund einer Klausel bewirkte automatisch eintretende Preiserhöhung keine "Änderung des Vertragsbedingungen" darstelle. Die Richtlinienbestimmung wird damit dahingehend ausgelegt, dass sie eine einseitige Änderung der Vertragsbedingungen voraussetzt, wie sie bei Indexklauseln oder Kostenelementeklauseln nicht vorliegt.

Dass § 41 Abs. 3 EnWG dem Verbraucher einen weitergehenden Schutz bieten und damit über die Richtlinie hinausgehen sollte, ist aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/6072 S. 85) nicht ersichtlich. Im Gegenteil spricht § 41 Abs. 3 S. 2 EnWG davon, dass der "Lieferant die Vertragsbedingungen einseitig" ändert.

2.

Zutreffend hat das Landgericht die angegriffenen Klauseln nicht als intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB angesehen.

a) Allerdings unterliegen diese Klauseln, soweit sie die Höhe der zukünftigen Preise regeln, der Inhaltskontrolle und sind nicht nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB davon ausgenommen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin treffen die vom Landgericht in Bezug genommenen Ausführungen des Bundesgerichtshofs (NJW 2014, 2708) auch auf die vorliegenden Kostenelementeklauseln zu (vgl. auch EuGH NJW 2014, 2335 Rn. 56). Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs betraf zwar eine Spannungsklausel gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKlG. Der Bundesgerichtshof hat jedoch allgemein entschieden (a.a.O., Rn. 15), dass eine die Preisanpassung regelnde Klausel einer AGB-Kontrolle unterliegt, und zwar unabhängig davon, ob sie dem Verwender das Recht zur einseitigen Preisanpassung einräumt oder eine automatische Preisanpassung zur Folge hat. In jedem Falle weicht sie nämlich vom - dispositiven - Gesetzesrecht ab, wonach ein vereinbarter Preis für die gesamte Vertragsdauer gilt. Auch ist unerheblich, ob die Klausel gleichzeitig der Berechnung des Anfangspreises dient (a.a.O., Rn. 28 ff.). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in jüngster Zeit (NJW-RR 2017, 1206 Rn. 20) ausdrücklich aufrechterhalten.

Davon unabhängig unterliegen die angegriffenen Klauseln in jedem Fall der Transparenzkontrolle (§ 307 Abs. 3 S. 2 BGB).

b) Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist gehalten, Rechte und Pflichten möglichst klar und durchschaubar darzustellen sowie wirtschaftliche Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH NJW 2016, 2102 Rn. 28; NJW 2018, 2710 Rn. 25; vgl. auch EuGH NJW 2014, 2335 Rn. 70 ff.). § 41 Abs. 1 S. 1 EnWG konkretisiert dies dahingehend, dass die Verträge "einfach und verständlich sein" müssen. Bei der Beurteilung, ob eine Vertragsklausel den Transparenzanforderungen gerecht wird, ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders abzustellen (BGH NJW 2016, 2101 Rn. 29).

c) Diesen Anforderungen halten die angegriffenen Klauseln stand.

aa) Die Klauseln 6.1 und 6.8 sind als solche nicht angegriffen und damit nicht Gegenstand des Verfahrens. Sie sind eingeklammert und damit nach den Erläuterungen der Antragstellerin, wie sie auch im Termin vom 25. September 2018 erörtert worden sind, nicht als solche angegriffen. Die Diskussion zwischen den Parteien darüber, ob der Eingangssatz in 6.1, insbesondere der dort benutzte Begriff des "Preises", als solches hinreichend verständlich und transparent ist, stellt sich somit nicht in dieser Form.

bb) Jedenfalls aus den Eingangssätzen der Klauseln 6.2. - 6.6 (zu 6.9. s. nachfolgend unter cc)., die allein angegriffen werden, ergibt sich hinreichend deutlich, dass der in 6.1 genannten "Preis" um weitere Preisbestandteile, nämlich in Höhe bestimmter Kostenelemente, erhöht wird. Die Klauseln 6.2 - 6.6 sind jede für sich übersichtlich und befassen sich jede mit einem bestimmten Kostenelement. Sie beginnen stets mit dem Satz "Der Preis nach Ziffer 6.1 erhöht sich um ...", bezeichnen sodann das Kostenelement genau, gefolgt von dem Hinweis "in der jeweiligen Höhe" (bis auf 6.6, wo dies mit "jährlich für das jeweils folgende Kalenderjahr festgelegte Umlage" umschrieben wird) und teilt die gegenwärtige Höhe sowie die Fundstelle für die jeweilige Höhe mit. Die Klauseln sind unter der richtigen Nr. 6, die sich ausweislich der Überschrift mit "Preise[n] und Preisbestandteile[n]" befasst, eingeordnet.

Daraus, dass derartige Klauseln "unüblich" sein sollen, ergeben sich hier keine weitergehenden Folgen. Es trifft zwar im Ansatzpunkt zu, dass im Grundversorgungsverhältnis sämtliche Kosten Bestandteil des "Allgemeinen Preises" sind, der nur durch einseitige Leistungsbestimmung des Lieferanten geändert werden kann (§ 2 Abs. 3, § 5a Abs. 1 StromGVV). Ob und inwieweit Kostenelementeklauseln bei Sonderverträgen üblich geworden sind, konnte im Termin vom 25. September 2018 nicht geklärt werden. Davon unabhängig könnte ein etwaiges wegen Unüblichkeit erhöhtes Transparenzgebot allenfalls die Anforderungen an die Formulierung von 6.1 erhöhen, der jedoch isoliert nicht Gegenstand des Antrages ist.

Auch inhaltlich ist gegen eine Weitergabe hoheitlicher Belastungen auf den Verbraucher nichts einzuwenden.

cc) Vor diesem Hintergrund ist auch die Klausel 6.9 nicht zu beanstanden. Schuldet der Verbraucher die hoheitlichen Belastungen in der jeweiligen Höhe und teilt der Verwender zudem die Fundstelle mit, unter der die jeweilige Höhe ersichtlich ist, stellt die Verpflichtung zur Mitteilung der jeweiligen Höhe eher eine Verbesserung der Rechtslage zugunsten des Verbrauchers dar.

3.

Die Kostenentscheidung beruht § 97 Abs. 1 ZPO.

Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es angesichts des § 542 Abs. 2 ZPO nicht.

Streitwert: 30.000 €

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte