OLG Hamm, Beschluss vom 26.10.2017 - 1 Vollz (Ws) 421/17
Fundstelle
openJur 2019, 10245
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. IV-2 StVK 2/17

1.

Die das Recht auf Paketbezug in der Sicherungsverwahrung gewährende Regelung des § 30 StVollzG NRW befasst sich allein mit der Frage des Zugangsweges bestimmter Waren zu den Betroffenen und verhält sich nicht zu der Frage, welche Gegenstände und Waren von den Untergebrachten eingekauft bzw. in Besitz genommen werden dürfen. Das Recht zum Besitz von Gegenständen richtet sich vielmehr allein nach § 15 SVVollzG NRW.

2.

Eine seitens der Vollzugsanstalt - im Hinblick auf die Höhe und Breite dem räumlichen Fassungsvermögen einer vorhandenen Röntgenprüfanlage entsprechend - vorgegebene Beschränkung der Paketmaße auf maximal 60 × 45 × 200 cm ist im Hinblick auf die gesetzliche Reglungsbefugnis der Anstalt gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 SVVollzG NRW nicht zu beanstanden und schränkt das vom Gesetzgeber für die Sicherungsverwahrung geforderte möglichst unbeschränkte Recht zum Bezug von Pakten auch unter Berücksichtigung des Angleichungsgrundsatzes nicht unzulässig ein.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§ 121 Abs. 2 StVollzG).

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer einen Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung betreffend den von ihm begehrten und seitens der JVA X im Hinblick auf bestehende Sicherheitsbedenken und mangelnde vollzugsseitige Kontrollmöglichkeiten abgelehnten Bezug eines Gefrierschrankes (im angefochtenen Beschluss bezeichnet als „Kühl-Gefrier-Kombination“) mit den Maßen H 85 cm, B 55 cm und T 58 cm über den Versandhandel Y als unbegründet verworfen.

Dem Bezug eines entsprechenden Paketes hatte die Antragsgegnerin mit der Begründung, dass die für die Paketkontrolle vorhandene Röntgenprüfanlage nicht in der Lage sei, den vom Antragsteller begehrten Gefrierschrank zu erfassen, so dass die aus Gründen der inneren und äußeren Sicherheit notwendige Kontrolle unmöglich sei. Entsprechend den Kapazitäten der vorhandenen Röntgenprüfanlage sei der Bezug von Paketen für die Sicherungsverwahrten dahin geregelt, dass die Größe sämtlicher Pakete die Maße 60 cm x 45 cm x 200 cm nicht überschreiten dürfe.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer ausgeführt, die Antragsgegnerin habe mit nachvollziehbaren Gründen die zulässige Größe von Paketsendungen entsprechend dem Fassungsvermögen der Röntgenprüfanlage beschränkt, weil eine solche Überprüfung zweckmäßig sei, um die naheliegende Gefahr, dass ein verschlossenes und nicht ohne weiteres von außenvisuell kontrollierbares Paket Dinge enthalte, die auch nicht erst bei Aushändigung an Gefangene oder Untergebrachte eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt darstellen könnten, sondern auch bereits beim Öffnen des Pakets, welches gemäß § 30 Abs. 2 S. 1 SVVollzG NRW in Anwesenheit des Betroffenen zu erfolgen habe. Insoweit sei auf die Möglichkeit des Einbringens von Gegenständen wie Waffen, Munition oder Sprengsätze zu verweisen.

Gegen den Beschluss wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er u.a. geltend macht, seine Berechtigung zum Bezug des Gefrierschrankes sei an der die Ausstattung der Zimmer regelnden Vorschrift des § 15 SVVollzG NRW und nicht an der Vorschrift des § 30 SVVollzG NRW betreffend den Paketempfang zu messen. Die Strafvollstreckungskammer habe ihm darüber hinaus vor Erlass der Entscheidung eine weitere seitens des Gerichts eingeholte Stellungnahme der JVA X zur Frage der Möglichkeit eventueller manueller Kontrollen nicht zugeleitet, so dass er unter Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs keine Gelegenheit zur Äußerung gehabt habe.

Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen hält die Rechtsbeschwerde mangels Zulassungsgrundes für unzulässig.

II.

Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde vorliegend zu, weil eine konkretisierende obergerichtliche Rechtsprechung zur Vorschrift des § 30

Abs. 1 S. 2 SVVollzG NRW, nach welcher die Vollzugseinrichtung befugt ist, Gewicht und Größe von Sendungen festsetzen und einzelne Gegenstände vom Paketempfang ausnehmen, wenn die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung oder die Erreichung der Vollzugsziele gefährdet werden, bisher nicht vorliegt und mithin namentlich die Frage nach etwaigen Grenzen der Regelungsbefugnis gerichtlich nicht geklärt ist.

Einer Entscheidung, ob die Zulassung der Rechtsbeschwerde auch wegen einer Verletzung rechtlichen Gehörs zuzulassen gewesen wäre, bedarf es deshalb nicht.

III.

Die Rechtsbeschwerde bleibt indes ohne Erfolg, weil die seitens der JVA X getroffene Regelung betreffend die Beschränkung der zulässigen Paketmaße als rechtmäßig anzusehen ist.

Die Regelung des § 30 Abs. 1 S. 1 SVVollzG NRW räumt den Untergebrachten abweichend von der früheren Regelung gemäß der § 130, 33 StVollzG ein grundsätzlich uneingeschränktes Recht zum Paketbezug ein. Die Regelung des § 30 StVollzG NRW befasst sich indes allein mit der Frage des Zugangsweges bestimmter Waren zu den Betroffenen und verhält sich nicht zu der Frage, welche Gegenstände und Waren von den Untergebrachten eingekauft bzw. in Besitz genommen werden dürfen. Das Recht zum uneingeschränkten Paketbezug erfährt indes eine Einschränkung durch die gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 SVVollzG NRW der Vollzugsanstalt eingeräumte Befugnis, Gewicht und Größe von Sendungen festzusetzen und einzelne Gegenstände vom Paketempfang auszunehmen, wenn die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung oder die Erreichung der Vollzugsziele gefährdet werden.

Dass einzelne Paketsendungen entsprechend den Ausführungen der Strafvollstreckungskammer im angefochtenen Beschluss im Hinblick auf möglicherweise darin enthaltene gefährliche Gegenstände wie Sprengmaterialien oder Waffen zur Wahrung der Anstaltssicherheit grundsätzlich zu überprüfen sind, liegt (auch ohne Berücksichtigung der entsprechenden Ausführungen der Antragsgegnerin in der nachgereichten und dem Betroffenen in der Tat vor der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer tatsächlich nicht zugeleiteten Stellungnahme vom 05. Juli 2017) auf der Hand und bedarf dementsprechend keiner Erörterung. Dies gilt auch im Fall der Zusendung von Paketen durch nach außen vollkommen unverdächtige Absender (wie vorliegend der „Y-Versand“), da einerseits nicht auszuschließen ist, dass während des Versandweges Manipulationen an Paketinhalten vorgenommen werden können und darüber hinaus die Richtigkeit des tatsächlichen Absenders auch durch entsprechende Aufkleber auf übersandten Paketen nicht hinreichend sicher zu verifizieren ist.

Ebenso ist nicht zu beanstanden, sondern aus den im angefochtenen Beschluss mitgeteilten Erwägungen vielmehr naheliegend, dass die Vollzugsanstalt zur Überprüfung eingehender Pakete die Möglichkeit gewählt hat, diese jeweils mit einer Röntgenprüfanlage zu durchleuchten. Dass eine solche Überprüfung gerade auch vor dem anschließenden Öffnen eines Paketes sinnvoll und notwendig ist, hat die Strafvollstreckungskammer zutreffend ausgeführt.

Maßgebend ist mithin allein die Frage, ob die seitens der Vollzugsanstalt vorgegebene Beschränkung der Paketmaße auf maximal 60 × 45 × 200 cm das Paketbezugsrecht der Untergebrachten gegebenenfalls derart weitgehend einschränkt, dass das vom Gesetzgeber geforderte möglichst unbeschränkte Bezugsrecht derart in seinem Kerngehalt beeinträchtigt wird, dass es einer Rechtsvereitelung gleichkäme. Lediglich dann wäre nach Auffassung des Senats die einschränkende Regelungsbefugnis der Vollzugsanstalt überschritten. Dies ist indes ersichtlich nicht der Fall, da der regelmäßige Bedarf des täglichen Lebens auch bei Einhaltung der vorgegebenen maximalen Paketmaße nahezu ausnahmslos ohne weiteres durch den Paketbezug in der zugelassenen Größe gedeckt werden kann, so z.B. für Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemittel, Kleidung, Schuhe, Bücher und Unterhaltungselektronik u.a.; Pakete mit so genannter weißer Ware in der vom Betroffenen begehrten Größe stellen vielmehr auch bezogen auf das Leben in Freiheit bei Gesamtbetrachtung des gesamten Warenverkehrs eher seltene Ausnahmen dar.

Dementsprechend ist auch dem Angleichungsgrundsatz hinreichend genüge getan. Vorstehendes wird zudem belegt durch einen Vergleich der in der JVA X zugelassenen Paketgrößen zu den üblichen Paketgrößen im Paketdienstbereich der Bundesrepublik Deutschland:

Nach den entsprechenden Angaben in Deutschland führender Paketdienstleister im Internet befördert z.B. der Paketdienst DHL Pakete von bis zu 120 x 60 x 60 cm, die Fa. Hermes solche mit einer maximalen Summe der längsten und kürzesten Seite von 310 cm bei allerdings maximal 450 l Volumen, die Fa. GLS Pakete mit maximal 3 m Gurtmaß (= Umfang des Paketes zzgl. längste Seite - maximale Länge: 2 m, maximale Höhe: 60 cm, maximale Breite: 80 cm) und die Fa. DPD Pakete mit maximal 300 cm Gurtmaß. Lediglich die Fa. UPS befördert deutlich größere Pakete bis zu einem Gurtmaß von 419 cm bei einer maximalen Länge von 270 cm. Die in der JVA X zulässige Paketgröße von 200 x 60 x 45 cm entspricht im Vergleich dazu einem Gurtmaß von 410 cm und einem Volumen von 540 Litern. Dieser Vergleich ergibt, dass die zulässige Paketgröße zumindest bei der Betrachtung nach dem häufig verwendeten Gurtmaß und dem Volumen über die allgemein üblichen Höchstgrenzen sogar weitgehend noch hinausgeht, so dass auch unter Beachtung des Angleichungsgrundsatzes eine maßgebliche Rechtsbeeinträchtigung für den Betroffenen nicht ersichtlich ist.

Dass die von der JVA X vorgegebenen maximalen Kantenmaße den Transport des vom Betroffenen gewünschten Gefrierschrankes nicht zulassen, ist daher von ihm hinzunehmen.

Der Senat weist allerdings darauf hin, dass aus den vorstehenden Erwägungen nicht herzuleiten ist, dass Untergebrachte entsprechende Gegenstände nicht besitzen dürfen, da sich § 30 SVVollzG NRW - wie ausgeführt – allein mit dem Weg der Ware und nicht mit dem Besitzrecht der Untergebrachten befasst. Das Recht zum Besitz von Gegenständen richtet sich vielmehr allein nach § 15 SVVollzG NRW. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass unter Berücksichtigung des Angleichungsgrundsatzes und auch unter Sicherheitsaspekten zumindest nach Lage der Akten kein hinreichender Grund ersichtlich ist, dem Betroffenen den von ihm beabsichtigten Erwerb eines Gefrierschrankes in der von ihm gewünschten Größe vollständig zu versagen. Soweit die JVA in der weiteren Stellungnahme vom 05. Juli 2017 ausgeführt hat, es seien auch nachträglich manuelle Kontrollen nicht ausreichend und vielmehr regelmäßige Kontrollen von auf den Zimmern befindlichen Gegenständen und darin befindlichen Gefriergutes mittels der Röntgenprüfanlage erforderlich, ist dies zumindest auf den ersten Blick schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil entsprechende Kontrollen auch bei dem derzeit den Untergebrachten zur Verfügung gestellten Geräten nicht möglich ist. Nach dem Vorbringen der JVA stehen den Untergebrachten anstaltsseitig derzeit Kühl-/Gefriergeräte des Typs „Dometic EA 3280“ (mit einem nach Auffassung des Senats ersichtlich unzureichenden Gefrierfach von nur 6 Litern Volumen) zur Verfügung. Diese haben nach den Herstellerangaben die Maße Höhe 59,2 cm, Breite 52,5 cm und Tiefe 53,3 cm, und sind daher von den Ausmaßen ebenfalls nicht mit der Röntgenprüfanlage kontrollierbar, da sämtliche Seiten das Maß von 45 cm als kleinstem Maß der Röntgenprüfanlage überschreiten. Auch insoweit kommen mithin ersichtlich nachträglich lediglich regelmäßige manuelle Kontrollen – etwa auf die Unversehrtheit von Siegeln – in Betracht, so dass ein Unterschied zu der vom Betroffenen begehrten Größe letztlich nicht ersichtlich ist. Das Gefriergut ist zur etwaigen Überprüfung in der Röntgenanlage ohnehin jeweils kurzzeitig dem Gefrierbereich zu entnehmen. Nach vorläufiger Bewertung des Senats wird dem Betroffenen daher voraussichtlich bei entsprechendem Ansinnen die Möglichkeit einzuräumen sein, das von ihm gewünschten Gerät zu zumutbaren Bedingungen unter Vermittlung der Anstalt (§ 18 SVVollzG) aus sicherer Quelle zu erwerben.

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