LG Bonn, Urteil vom 07.10.2015 - 1 O 82/15
Fundstelle
openJur 2019, 9960
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden und fälligen Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, sich von Versicherungsnehmern der Klägerin, denen sie aufgrund eines Auftrages eines Dritten Pannen- oder Abschlepphilfe leistet, einen Auftrag für diese Pannen- oder Abschlepphilfe erteilen zu lassen und/oder sich deren Erstattungsansprüche aus einem Versicherungsverhältnis zur Klägerin abtreten zu lassen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden und fälligen Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, gegenüber der Klägerin Pannen- oder Abschlepphilfeleistungen für deren Versicherungsnehmer abzurechnen, wenn und soweit die Beklagte diese aufgrund eines Auftrages eines Dritten erbracht hat.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.480,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.712,19 € seit dem 18.10.2014 sowie aus weiteren 2.768,07 € seit dem 09.07.2015 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.822,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 18.10.2014 an die Klägerin zu zahlen.

5. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

6. Das Urteil ist hinsichtlich der Ziffern 1. und 2. des Tenors gegen Sicherheitsleistung von jeweils 10.000 € und hinsichtlich der Ziffern 3. und 4. des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin bietet als Versicherung u. a. Schutzbriefe mit Mobilitätsgarantien für Autofahrer an, auf deren Grundlage sie entsprechend den Versicherungsbedingungen u. a. die Kosten für vom jeweiligen Versicherungsnehmer beauftragte Pannenhilfeleistungen ersetzt. Die Beklagte ist ein Abschleppunternehmen, das u. a. im Rahmen der B-Pannenhilfe im Raum C tätig wird. Rufen Autofahrer die B-Pannen-Hotline an, wird die Beklagte darüber informiert und begibt sich mit einem Abschleppwagen zu dem Anrufer.

Die Beklagte ließ sich von Autofahrern, die als B-Mitglieder die B-Pannenhilfe riefen, vor Ort zwei Formulare unterzeichnen. Eines davon war mit "Zahlungsanweisung, Abtretung und Schadenmeldung" überschrieben und enthielt in den Abschnitten "A) Zahlungsanweisung" und "B) Abtretung" die Erklärung, dass die Beklagte beauftragt werde und Ansprüche gegen die eigene Versicherung erfüllungshalber an die Beklagte abgetreten würden. Wegen des genauen Inhalts wird auf Anlage K4, Bl. ... d. A., verwiesen. Zusätzlich ließ sich die Beklagte von den Autofahrern ein als "Auftrag und Rechnung" überschriebenes Formular unterschreiben. Das Formular trug oben rechts den Schriftzug "B", links daneben die Angabe "Leistungsempfänger: B e. V. Straßendienste ...# N", ferner ein Feld "Plus-/Mitgliedsnummer" und unten links eine Durchschriftanweisung: "Verteiler: gelb B, grün Partner, weiß Mitglied". Das Berechnungsfeld auf der rechten Seite enthielt die Abzugsposition "B Leistung". Das Unterschriftsfeld befand sich unter der Erklärung: "Anstelle der Zahlung trete ich meine Ansprüche gegen die B.-AG auf Erstattung der Abschlepp-/Pannenhilfekosten aus diesem Schaden [...] unwiderruflich und erfüllungshalber zur Sicherheit an den Straßendienstpartner ab." Wegen des genauen Inhalts wird auf Anlage B2, Bl. ... d. A., verwiesen.

Die Beklagte wandte sich ab dem Jahr 2012 in insgesamt 26 Fällen dieser Art, in denen Autofahrer über die B-Hotline (bzw. in einem Fall, Anl. K17, über den Herstellerservice) Pannenhilfe anforderten, anschließend an die Klägerin und machte ihre Abschleppkosten aus abgetretenem Recht aus dem von den Autofahrern bei der Klägerin abgeschlossenen Schutzbrief geltend, worauf die Beklagte insgesamt 4.480,26 € an die Klägerin zahlte. Wegen der einzelnen Abrechnungsfälle wird auf die Aufstellungen Anl. K11 (Bl. ...) und K30 sowie auf die Erklärungen in Anl. K3 - K10 und K15 - K29 verwiesen. Durch die vorgenommene Abrechnung gegenüber der Klägerin erzielte die Beklagte höhere Erlöse als im Falle einer Abrechnung gegenüber dem B.

Mit Schreiben vom 09.10.2014 mahnte die Klägerin die Beklagte ab unter forderte sie zur Begleichung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.822,96 € unter Fristsetzung bis zum 17.10.2014 auf (Anl. K12).

Die Klägerin ist der Ansicht, das Vorgehen der Beklagten sei unlauter. Die von der Beklagten erbrachte Pannenhilfe stelle sich als Leistung der Beklagten an den B und des B an die betroffenen Autofahrer dar, da diese B-Leistungen angefordert hätten. Die von der Beklagten - unstreitig - gegenüber der Klägerin vorgenommene Abrechnung der Pannenhilfe als eigene Leistung der Beklagten an die Versicherungsnehmer der Klägerin sei daher unzutreffend und erfolge unter Verschweigen der tatsächlichen Leistungsbeziehungen. Erklärungen von bei der Klägerin versicherten Autofahrern, mit denen diese Ansprüche gegen die Klägerin auf Freistellung von Ansprüchen der Beklagten abtreten, seien insofern gegenstandslos, als es bereits an Ansprüchen der Beklagten gegen die Autofahrer fehle, von denen diese freizustellen wären.

Nachdem die Klägerin zunächst - bei im Übrigen gleichen Anträgen - mit dem Klageantrag zu 3) Zahlung von 1.712,19 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.10.2014 begehrt und dies allein auf die in Anlage K11 aufgeführten Vorfälle gestützt hat, beantragt sie nunmehr insgesamt unter Einbeziehung der in Anlage K30 zur Klageerweiterungsschrift vom 10.06.2015 aufgeführten Fälle:

1. Die Beklagte hat es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden und fälligen Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, sich von Versicherungsnehmern der Klägerin, denen sie aufgrund eines Auftrages eines Dritten Pannen- oder Abschlepphilfe leistet, einen Auftrag für diese Pannen- oder Abschlepphilfe erteilen zu lassen und/oder sich deren Erstattungsansprüche aus einem Versicherungsverhältnis zur Klägerin abtreten zu lassen.

2. Die Beklagte hat es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden und fälligen Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, gegenüber der Klägerin Pannen- oder Abschlepphilfeleistungen für deren Versicherungsnehmer abzurechnen, wenn und soweit die Beklagte diese aufgrund eines Auftrages eines Dritten erbracht hat.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.480,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.712,19 € seit dem 18.10.2014 sowie aus weiteren 2.768,07 € seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.822,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 18.10.2014 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass sie auch bei Anforderung von Pannenhilfe über die B-Hotline keine Leistung an den B, sondern an die betroffenen Autofahrer erbringe. Der B teile der Beklagten nur die Schadensmeldung mit. Die betroffenen Versicherungsnehmer der Klägerin begründeten durch die unterzeichneten Formulare unmittelbar mit der Beklagten ein Vertragsverhältnis, aus dem sie der Beklagten zur Vergütung der Hilfsleistung verpflichtet sind. Der auf diese Vergütungspflicht bezogene Freistellungsanspruch der Versicherungsnehmer gegen die Klägerin werde an die Beklagte abgetreten. Eine B-Leistung liege bereits aufgrund von Nr. 5 d) der als Anl. B1 (Bl. ...) auszugsweise vorgelegten B-Mitgliedsbedingungen nicht vor, in denen es unstreitig heißt: "Die Clubleistung ist nicht kostenfrei, wenn [...] ein Erstattungsanspruch gegen Dritte besteht." Schließlich erhebt die Beklagte bezüglich wettbewerbsrechtlicher Ansprüche die Einrede der Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

1.)

Der Klageantrag zu 1) ist bestimmt genug gefasst. Unterlassungsanträge müssen konkret gefasst sein, damit der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind (BGH NJW 200, 1792, 1794). Diesen Anforderungen wird der Klageantrag gerecht, weil die zu unterlassenden Handlungen eindeutig bestimmt sind. Dem steht nicht entgegen, dass die zwei beschriebenen Handlungen durch die Begriffe "und/oder" verbunden sind. Denn dadurch wird deutlich, dass die Unterlassung beider Handlungen unabhängig davon begehrt wird, ob nur eine oder beide zusammen vorgenommen werden sollen.

Nichts anderes gilt im Hinblick auf die Formulierungen, dass die Beklagte es - unter bestimmten Umständen - unterlassen soll, sich Aufträge erteilen zu lassen oder Erstattungsansprüche abtreten zu lassen. Auch insofern wird ein einem Unterlassungsantrag zugängliches steuerbares Verhalten der Beklagten bezeichnet, denn in beiden Fällen bedarf es der Mitwirkung der Beklagten für den erforderlichen Vertragsschluss (vgl. § 398 S. 1 BGB).

2.)

Die Klage ist auch insoweit zulässig, als die Klägerin sie mit Schriftsatz vom 10.06.2015 erweitert hat. Zwar liegt darin keine bereits nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Erweiterung. Denn die Einführung von 15 weiteren Abrechnungsfällen beinhaltet neue Lebenssachverhalte und stellt daher eine nachträgliche objektive Klagehäufung dar, die an § 263 ZPO zu messen ist (vgl. BGH NJW 1996, 2869). In die darin liegende Klageänderung hat die Beklagte jedoch durch widerspruchslose Einlassung eingewilligt (vgl. § 267 ZPO).

II.

1.)

Die Klägerin hat gegen die Beklagte die aus dem Tenor zu 1.) und zu 2.) ersichtlichen Unterlassungsansprüche. Dies ergibt sich aus den §§ 3 I, 8 I, III Nr. 1 UWG.

a)

Die Klägerin stehen die sich aus § 8 I UWG ergebenden Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu, weil die Parteien als Mitbewerber iSd § 8 III Nr. 1 UWG gem. § 2 I Nr. 3 UWG in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. An dessen Bestehen sind im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes keine hohen Anforderungen zu stellen (BGH, GRUR 2004, 877, 878; BGHZ 168, 314 Rn. 16; OLG Köln GRUR-RR 2009, 339, 340). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht nicht nur dann, wenn zwei Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen suchen, sondern auch wenn zwischen den Vorteilen, die eine Partei durch eine Maßnahme für sich zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann. Nicht ausreichend ist zwar, wenn eine Maßnahme den anderen nur irgendwie in seinem Marktstreben betrifft (BGH GRUR 2014, 1114 Rn. 32). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis liegt aber jedenfalls vor, wenn Unternehmen, sei es auch auf verschiedenen Wirtschaftsstufen (BGH GRUR 1999, 69, 70), auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt agieren, so dass die beanstandete Wettbewerbshandlung das andere Unternehmen, auch wenn sich dessen Kundenkreis und Angebot nur teilweise mit dem eigenen decken, in seinem Absatz stören kann (BGH, GRUR 2007, 1079 Rn. 18, 22; OLG Köln, GRUR-RR 2006, 5, 6 f.; GRUR-RR 2009, 339, 340).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien gegeben, das die Anwendung von § 8 UWG ermöglicht. Denn letztlich offerieren sowohl die Beklagte als auch die Klägerin Hilfe im Pannenfall. Dass die Klägerin dies indirekt durch die Gewährung von Versicherungsschutz tut, während die Beklagte unmittelbar Pannenhilfsleistungen erbringt, ändert daran nichts. Denn zur Bejahung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses genügt auch ein nur mittelbares sich auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen abbildendes Wettbewerbsverhältnis (vgl. BGH GRUR 1999, 69, 70). Dies gilt erst recht, wenn die eine Seite durch Einschaltung seitens eines unmittelbaren Wettbewerbers der anderen Seite mit dem zu bewertenden Geschehen befasst wird. Dies ist vorliegend der Fall, da die Beklagte - unabhängig von der rechtlichen Bewertung ihrer Beziehung zu dem B - durch den B als unmittelbarer Wettbewerber der Klägerin auf dem Gebiet der Pannenabsicherung in die Pannenhilfe einbezogen wird.

b)

Das Vorgehen der Beklagten stellt eine verbotene unlautere geschäftliche Handlung iSd §§ 3 I, 4 Nr. 10 UWG dar. Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern nach den §§ 3 I, 4 Nr. 10 UWG setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen, oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur auf Grund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (vgl. BGH GRUR 2010, 346 Rn. 12; BGH, GRUR 2010, 642 Rn. 53; BGH, GRUR 2011, 1018 Rn. 65).

Die Geschäftspraxis der Beklagten beinhaltet, dass sie eine Pannenhilfe erbringt, die Autofahrer über die Telefonnummer des B angefordert haben, diese Pannenhilfe aber gegenüber der Klägerin abrechnet, bei der die betroffenen Autofahrer Schutzbriefe haben. Letztlich stellt sich die Situation also so dar, dass die Autofahrer doppelt abgesichert sind, nämlich sowohl über ihre B-Mitgliedschaft als auch über die Schutzbriefversicherung bei der Klägerin. Ihr Anruf über die B-Hotline bringt ihren Willen, eine B-Leistung in Anspruch zu nehmen, zum Ausdruck. Die Beklagte rechnet die Leistung gleichwohl - zu höheren Sätzen, als ihr dies aufgrund ihrer Vereinbarung mit dem B möglich wäre - gegenüber der Klägerin ab, nachdem sie von den Autofahrern formularvertragliche Abtretungserklärungen eingeholt hat.

Soweit die Beklagte einwendet, sie schließe mit den Autofahrern selbst Abschleppverträge ab, ist dies mit dem unstreitigen Geschehensablauf nicht in Einklang zu bringen. Die Beklagte trägt selbst vor, dass sie aufgrund von Anrufen bei der B-Hotline zu den Pannenorten fährt und dass sie mit den Autofahrern vor Ort klärt, ob eine B-Mitgliedschaft besteht (S. 2 des Beklagtenschriftsatzes vom 29.04.2015). Zudem lässt sie sich das als Anlage B2 vorgelegte Formular unterschreiben, das das B-Logo trägt, den B als Leistungsempfänger angibt, ein Feld für die B-Mitgliedsnummer enthält sowie auf der Berechnungsseite einen Abzugsposten "B Leistung" vorsieht. Unter diesen Umständen kann die Beklagte - unabhängig von dem Inhalt weiterer vorgelegter Formulare - nicht davon ausgehen, dass die Autofahrer einen Abschleppvertrag mit ihr schließen, der die Autofahrer persönlich gegenüber der Beklagten zur Zahlung verpflichten soll.

Vor diesem Hintergrund stellt sich das Vorgehen der Beklagten als ein mit der im Rahmen von § 4 Nr. 10 UWG anerkannten Fallgruppe der Ausnutzung fremder Einrichtungen vergleichbaren Fall dar (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2009, 339). Denn die Beklagte nutzt das Bestehen eines Versicherungsschutzes bei der Klägerin dafür aus, auch in solchen Fällen, in denen Autofahrer als B-Mitglieder Pannenhilfe über die B-Hotline anforderten und daher berechtigt von einer B-Leistung ausgehen durften, nicht die niedrigeren, von ihr mit dem B vereinbarten Pauschalsätze zu erhalten, sondern die höheren, freien Sätze, von deren Zahlung die Klägerin ihre Versicherten freizustellen hat. Unabhängig davon, ob überhaupt entsprechende vertragliche Verpflichtungen der Autofahrer gegenüber der Beklagten entstehen, stellt ein solcher Austausch der Leistungsbeziehungen eine Manipulation des Wettbewerbsverhältnisses auf der Kostentragungsseite dar, welches der Autofahrer durch die Auswahl und Anforderung der B-Leistung zuvor abweichend bestimmt hat.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin erstreckt sich auch darauf, dass die Beklagte sich von Versicherungsnehmern der Klägerin keine Abschleppaufträge erteilen lässt, denn unabhängig von der rechtlichen Qualifikation angesichts der dargestellten übrigen Umstände der Pannenhilfe ergibt sich aufgrund der Einstandspflicht der Klägerin gegenüber ihren Versicherungsnehmern andernfalls die Gefahr einer unberechtigten Inanspruchnahme.

Dem Unterlassungsanspruch steht auch nicht Nr. 5 d) der als Anlage B1 auszugsweise vorgelegten B-Mitgliedsbedingungen entgegen. Dabei kann sowohl dahinstehen, ob diese Klausel überhaupt wirksam ist und ob sie in den streitgegenständlichen Fällen überhaupt dazu führen würde, dass die B-Leistung nicht kostenfrei ist. Denn aus der Klausel ergibt sich gerade nicht, dass im Falle eines Anspruchs gegen Dritte keine B-Hilfe erbracht wird, sondern eben nur, dass die B-Leistung in diesem Fall nicht kostenlos wäre. Das aber betrifft allein die Kostentragung im Innenverhältnis zwischen B und B-Mitglied und ändert deshalb nichts daran, dass die Beklagte keine Leistung aufgrund eines eigenen Vertrages mit dem Autofahrer erbringt.

c)

Die Ansprüche der Klägerin sind auch nicht verjährt. Die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 11 I UWG beginnt kenntnisabhängig, wobei eine grob fahrlässige Unkenntnis genügt (§ 11 II Nr. 2 UWG). Die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat keinen Kenntniszeitpunkt dargelegt, der zu einer Verjährung der Ansprüche führt.

d)

Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche bestünden auch dann, wenn man der Rechtsansicht der Beklagten folgen würde, dass kein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehe und Ansprüche aus § 8 UWG daher ausschieden. Denn dann ergäbe sich dieselbe Rechtsfolge aus den §§ 823 I, 1004 BGB iVm den Grundsätzen über das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Subsidiarität des Instituts des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb besteht nur insoweit, als wettbewerbsrechtliche Vorschriften überhaupt einschlägig sind (Erman/Schiemann, BGB, 14. Auflage 2014, § 823 Rn. 61). Die dargestellte Abrechnungspraxis stellt einen betriebsbezogenen Eingriff dar, weil sie die Klägerin als Rechtsträgerin betrifft und unmittelbar auf die Abwicklung der Kundenbeziehungen zu ihren Versicherungsnehmern einwirkt, indem Pannenhilfeleistungen abgerechnet werden, die durch die in der Anforderung des Autofahrers liegende Auswahl von B-Leistungen überhaupt nicht über das Versicherungsverhältnis zur Klägerin abzuwickeln sind. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es nicht erforderlich, dass der Eingriff geeignet ist, den Bestand des Betriebes als solchen zu gefährden. Ausreichend und vorliegend gegeben ist hingegen, dass ein Eingriff unmittelbar in die betrieblichen Aktivitäten erfolgt. Dafür ist eine Einwirkung auf Betriebsmittel nicht erforderlich. Gerade bei Unternehmen des Dienstleistungssektors wie Versicherungen sind auch der Kundenstamm und Kundenbeziehungen an sich geschützt (BGH NJW 1971, 605). Deshalb stellt die systematische Geltendmachung von vermeintlichen Rechten aus spezifischen Kundenbeziehungen durch Dritte auf der Grundlage von Abtretungserklärungen einen unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriff dar. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich aus der Abweichung der Abrechnungspraxis von der maßgeblichen, durch die Autofahrer gewählten Anforderung von B-Leistungen.

2.)

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 4.480,26 € gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB. Die Klägerin hat diese Summe der Beklagten in den in der Aufstellungen Anl. K11 (Bl. ...) und K30 aufgeführten Fällen für in der dargestellten Art und Weise abgerechnete Pannenhilfeleistungen gezahlt. Diese Zahlung erfolgte ohne Rechtsgrund. Dabei kann dahinstehen, ob durch die von den Autofahrern unterzeichneten Erklärungen deren grundsätzlich bestehender Anspruch gegen die Klägerin auf Freistellung von zur Pannenhilfe eingegangenen Verbindlichkeiten wirksam an die Beklagte abgetreten wurde. Denn die Beklagte hatte keine Ansprüche gegen die bei der Klägerin versicherten Autofahrer, von denen die Klägerin diese freistellen müsste, so dass entsprechende Freistellungsansprüche und Abtretungserklärungen gegenstandslos sind. Vertragliche Zahlungsverpflichtungen der Autofahrer gegenüber der Beklagten bestehen aufgrund des geschilderten Ablaufs der Pannenhilfe und der auch durch das Formular Anlage B2 bestätigten Leistungserbringung seitens der Beklagten an den B nicht. Soweit die Beklagte bestreitet, dass es zu keinen eigenständigen Pannenhilfeverträgen zwischen den Versicherungsnehmern der Klägerin und ihr gekommen sei, ist dies unsubstantiiert angesichts der abweichenden Leistungskonstellation, die sich aus dem unstreitig unterzeichneten Formular B2 ergibt, zivilprozessual unbeachtlich (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO).

Der Kondiktionsanspruch der Klägerin richtet sich auch unmittelbar gegen die Beklagte und nicht etwa gegen die Versicherungsnehmer der Klägerin. Aus den von der Beklagten angeführten Entscheidungen BGH NJW 1989, 900 und BGH NJW 2005, 1369 ergibt sich nichts Abweichendes. In der Entscheidung BGH NJW 1989, 900 wurde die Kondiktion des Haftpflichtversicherers bei dem Versicherungsnehmer (statt bei dem Geschädigten, dem der Anspruch gegen den Versicherer abgetreten war) gerade darauf gestützt, dass der Versicherer in Unkenntnis eines leistungsbefreienden Tatbestands aus dem Versicherungsverhältnis, nämlich der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles, zahlte (vgl. BGH NJW 1993, 1578, 1579). Eine solche Konstellation ist vorliegend unstreitig nicht gegeben.

Zwar erfolgt die Rückabwicklung in bereicherungsrechtlichen Dreipersonenverhältnissen grundsätzlich innerhalb der jeweiligen Leistungsbeziehung, hier mithin über die Versicherungsnehmer der Klägerin, an die die Klägerin leistete, indem sie sie von vermeintlichen Zahlungsansprüchen der Beklagten durch direkte Zahlung an die Beklagte befreite.

In der Rechtsprechung des BGH ist jedoch anerkannt, dass das Bereicherungsrecht in besonderem Maße eine wirtschaftliche und nicht rechtsformale Betrachtungsweise erfordert und dass gerade die bereicherungsrechtliche Behandlung von Vorgängen, an denen mehr als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung verbietet. Vielmehr sind in erster Linie die Besonderheiten des einzelnen Falles für die sachgerechte bereicherungsrechtliche Abwicklung zu beachten (vgl. BGH NJW 1962, 580; BGH NJW 1968, 1822; BGH NJW 1972, 864; BGH NJW 1989, 900). Entscheidend ist, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben.

Gerade in der von der Beklagten angeführten Entscheidung BGH NJW 1989, 900, 901 wird ausgeführt, dass besondere Umstände im Einzelfall zu einem Bereicherungsanspruch unmittelbar gegen den Zessionar, vorliegend also gegen die Beklagte, führen. Solche Umstände sind hier gegeben. Eine Rückabwicklung über die Versicherungsnehmer der Klägerin ist nicht geboten. Denn für die Bestimmung der Leistungsbeziehungen ist die objektive Sicht des Leistungsempfängers maßgeblich. Die Versicherungsnehmer der Klägerin empfangen danach jedoch keine Leistungen der Klägerin und die Beklagte keine Leistung der Versicherungsnehmer. Denn die Versicherungsnehmer gingen berechtigterweise davon aus, dass sie keine Zahlungsverpflichtung gegenüber der Beklagten trifft, weil sie mit ihr keinen eigenen Pannenhilfevertrag abgeschlossen haben, sondern B-Leistungen in Anspruch nehmen. Für die Versicherungsnehmer stellt sich eine Zahlung der Klägerin an die Beklagte daher auch nicht als Leistung aus dem Versicherungsvertrag an die Versicherungsnehmer dar. In gleicher Weise stellen die Zahlungen der Klägerin an die Beklagte auch aus dem objektiven Empfängerhorizont der Beklagten keine Leistungen der Versicherungsnehmer der Klägerin dar.

Diese Beurteilung deckt sich auch mit der Aussage in der Entscheidung BGH NJW 1989, 161, 162, wonach eine rechtsgrundlose Zahlung, die im Wesentlichen auf ein Verhalten des Zessionars zurückzuführen ist, im Wege der Direktkondiktion rückabzuwickeln ist, weil sie sich nicht als Leistung des Zedenten durch seinen Schuldner an den Zessionar darstellt.

Der Anspruch ist auch nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der Zahlung tatsächlich davon ausging, dass Ansprüche der Beklagten bestanden, von denen die Klägerin ihre Versicherungsnehmer freizustellen hatte.

Ob die Klägerin darüber hinaus den Rückzahlungsanspruch auch auf § 823 II BGB iVm § 263 StGB wegen Betrugs zu stützen vermag, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.

3.)

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.822,96 € unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß den §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB, da die Abmahnung, für die die Kosten entstanden sind, im Interesse der Beklagten erfolgte, um eine gerichtliche Auseinandersetzung mit höheren Kosten zu vermeiden.

4.)

Die geltend gemachten Zinsansprüche ergeben sich aus Verzug gem. §§ 286 I, 288 I BGB, wobei hinsichtlich der Klageerweiterung auf deren Zustellung am 08.07.2015 abzustellen war.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 91 I ZPO bzw. § 709 ZPO, wobei das Sicherungsinteresse der Beklagten hinsichtlich der Klageanträge zu 1) und 2) auf je 10.000 € geschätzt wurde.

Der Streitwert wird auf 54.480,26 EUR festgesetzt.

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