VG Minden, Urteil vom 03.11.2015 - 1 K 3556/13
Fundstelle
openJur 2019, 9577
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger, ein Landwirt, beantragte am 28.09.2011 die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Trocknungshalle auf dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück Gemarkung P. , Flur 15, Flurstück 87 (postalisch: B. O. 46) in M. . Der Flächennutzungsplan sieht für dieses Grundstück eine Fläche für die Landwirtschaft vor.

Mit Bescheid vom 28.11.2011 in der Fassung vom 10.05.2012 wurde dem Kläger die begehrte Baugenehmigung auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB als sog. mitgezogene Nutzung des vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebs erteilt. Die mit einem amtlichen Prüfvermerk versehene Baubeschreibung weist als Art der Nutzung ein "landwirtschaftliches Gewerbe" aus und bezeichnet in der Anlage 1 die Art des Betriebes oder der Anlage als "landwirtschaftlichen Betrieb".

Der Kläger bestellte der N. & U. GbR, deren Gesellschafter die Kläger in den verwaltungsgerichtlichen Parallelverfahren 1 K 3557/13 und 1 K 3584/13 sind, mit notarieller Urkunde vom 17.09.2012 ein Erbbaurecht für die Dauer von 99 Jahren.

B. 24.10.2012 bat der Kreis I. die Beklagte in seiner Funktion als obere Aufsichtsbehörde u.a. darum zu klären, ob tatsächlich der Kläger Bauherr des beantragten Bauvorhabens sei, oder vielmehr - wofür diverse Anhaltspunkte bestünden - der N. & U. GbR die Bauherreneigenschaft zukäme. Dem Schreiben war u.a. ein Lichtbild beigefügt, das ein Schild mit dem Schriftzug "Neubau einer Holztrocknungshalle N. & U. GbR" zeigt. Unter dem 30.10.2012 zeigte der Kläger einen Bauherrenwechsel auf die N. & U. GbR an, den diese durch ihre Gesellschafter anerkannte.

Mit Bescheid vom 05.11.2012 forderte die Beklagte die N. & U. GbR auf, die Bauarbeiten bis zur abschließenden Prüfung der veränderten Genehmigungsgrundlage sofort einzustellen und nicht erneut aufzunehmen. Dagegen erhob die N. & U. GbR vor dem erkennenden Gericht Klage (Az.: 1 K 3297/12). Zur Erledigung des Verfahrens schlossen die Beteiligten einen Vergleich. Entsprechend dessen Ziffer 1 ("Die Beklagte/Antragsgegnerin hebt ihre Bauordnungsverfügung vom 05.11.2012 auf. Den Klägern/Antragstellern wird die Fertigstellung der Trocknungshalle gestattet.") stellte die N. & U. GbR die bauliche Anlage fertig. Die Trocknungsanlage hat die Erscheinungsform eines nach oben abgedeckten Regals mit einer Länge von 120 m, einer Breite von vier Metern und einer Höhe von sieben Metern. Der Standort der Holztrocknungsanlage befindet sich westlich der Hofstelle des Klägers und erstreckt sich in einen zuvor unbebauten, ackerbaulich genutzten Bereich.

B. 21.01.2013 beantragte die N. & U. GbR die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines saisonalen Spalt- und Sägeplatzes und eines Holztrocknungsregals. Noch während des Verwaltungsverfahrens erhobt sie Klage vor dem erkennenden Gericht (Az.: 1 K 1242/13). Mit Bescheid vom 17.06.2013 lehnte die Beklagte den Bauantrag ab. Die Klage mit den Anträgen festzustellen, dass die dem Kläger erteilte Baugenehmigung die N. & U. GbR zum bestimmungsgemäßen Gebrauch der Holztrocknungsanlage berechtigt und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.06.2013 zu verpflichten, die unter dem 21.01.2013 beantragte Baugenehmigung zu erteilen, wies die Kammer mit Urteil vom 10.09.2013 ab. Das Urteil ist in Rechtskraft erwachsen.

Der Kreis I. kündigte der Beklagten am 24.06.2013 an, er werde eine bauaufsichtliche Weisungsverfügung des Inhaltes erlassen, die Baugenehmigung zurückzunehmen und die Beseitigung der Holztrocknungsanlage zu verfügen.

Unter diesem Eindruck nahm die Beklagte mit Bescheid vom 16.10.2013 die am 28.11.2011 in der Fassung vom 10.05.2012 erteilte Baugenehmigung nach unter dem 07.08.2013 erfolgter Anhörung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung "vorsorglich und zur Rechtsklarheit" zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Baugenehmigung sei auf die N. & U. GbR übergegangen, die diese nicht ausnutzen könne, weil sie den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nicht erfülle. Bei der Anhörung des Klägers habe dieser geäußert, er sehe sich weiterhin als Inhaber der Baugenehmigung. Auch die ursprünglich dem Kläger erteilte Baugenehmigung sei rechtswidrig. Eine sog. "mitgezogene Nutzung" sei nicht gegeben, da es am erforderlichen Bezug zur Erzeugung und zum Absatz landwirtschaftlicher Güter fehle. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit sei mithin nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. Das Vorhaben beeinträchtige aber öffentliche Belange. Es widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplans und beeinträchtige die natürliche Eigenart der Landschaft. Im Rahmen des eingeräumten Ermessens habe sie, die Beklagte, sich dafür entschieden, die erteilten Genehmigungen jeweils mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Das öffentliche Rücknahmeinteresse überwiege die geltend gemachten und ersichtlichen schutzwürdigen Belange des Klägers. Insbesondere dürfte der Kläger keine finanziellen Dispositionen geleistet haben.

Dagegen hat der Kläger am 14.11.2013 Klage erhoben. Er macht im Wesentlichen geltend, die Rücknahmeverfügung sei schon deshalb rechtswidrig, weil sie nicht fristgerecht ergangen sei. Die Beklagte habe bereits bei Erteilung der Baugenehmigungen von allen Tatsachen Kenntnis gehabt, welche ihre Rücknahme rechtfertigen könnten. Die Jahresfrist sei deshalb spätestens am 10.05.2013 abgelaufen. Überdies habe die Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt. Sie habe den zugrundeliegenden Sachverhalt nicht mit der entsprechenden Klarheit gegenüber dem rechtswidrigen Verhalten der eigenen Bediensteten aufgeklärt, sondern die Bescheide nur wegen der drohenden Weisung des Kreises ausgesprochen. Überdies habe sie nicht berücksichtigt, dass die Trocknungsanlage wegen des vor dem erkennenden Gericht geschlossenen Vergleichs fertiggestellt worden sei und die Kläger in den Verfahren 1 K 3557/13 und 1 K 3584/13 ihre Investitionen im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit ihres Handelns getätigt hätten. Diese Kläger seien durch den angezeigten Bauherrenwechsel nicht Inhaber einer eigenständigen Baugenehmigung geworden. Die Rücknahmeverfügungen gingen somit ins Leere.

Der Kläger beantragt,

die Rücknahmeverfügung der Beklagten vom 16.10.2013 aufzuheben,

hilfsweise festzustellen, dass der Bescheid vom 16.10.2013 im Zeitpunkt der Erledigung rechtswidrig gewesen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 17.09.2015 der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen (§ 6 Abs. 1 VwGO).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte durch die Einzelrichterin entscheiden, da die Kammer das Verfahren mit - unanfechtbarem, vgl. § 6 Abs. 4 VwGO - Beschluss vom 17.09.2015 der Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen hat. Gründe, die nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine Rückübertragung des Rechtsstreits auf die Kammer erforderlich machen könnten, liegen entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht vor.

Die Klage hat mit beiden Anträgen keinen Erfolg. Die Anfechtungsklage ist unbegründet, die Feststellungsklage bereits unzulässig.

Die Anfechtungsklage (vgl. § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet. Der angefochtene Bescheid verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die der Rücknahmeverfügung zugrundeliegende Baugenehmigung vom 28.11.2011 in der Fassung vom 10.05.2012 entfaltet keine Wirkungen zu seinen Gunsten. Ihre deklaratorische Aufhebung war aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich.

Die Baugenehmigung vom 28.11.2011 in der Fassung vom 10.05.2012 entfaltet keine Wirkungen zugunsten des Klägers. Eine Baugenehmigung beinhaltet die Feststellung der Bauaufsichtsbehörde, dass dem Vorhaben öffentlichrechtliche Vorschriften zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Bauantrag nicht entgegenstehen (Feststellungswirkung). Überdies gibt sie die Ausführung des geplanten Vorhabens frei (Gestaltungswirkung).

Vgl. Johlen, in: Gädtke, Czepuck, Johlen, Plietz, Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage 2010, § 75 Rn. 1 f.

Der Kläger kann vorliegend weder die Feststellungswirkung noch die Gestaltungswirkung der Baugenehmigung zu seinen Gunsten geltend machen. Letzteres gilt schon deshalb, weil die Holztrocknungsanlage nach seinem eigenen Vortrag zwischenzeitlich fertiggestellt wurde. Der verfügende Teil der Baugenehmigung ist damit verbraucht.

Vgl. Johlen, a.a.O., § 75 Rn. 162.

Der Kläger kann sich auch als Eigentümer des Vorhabengrundstücks nicht auf eine Rechtsverletzung durch den Bescheid vom 16.10.2013 berufen. Eine solche könnte sich allenfalls aus der Feststellungswirkung der Baugenehmigung ergeben. Die Baugenehmigung entfaltet aber für den Kläger allein aufgrund seiner Rechtsstellung als Eigentümer des Baugrundstücks keine Wirkung, sondern gilt für die N. & U. GbR als seine Rechtsnachfolgerin.

Die Baugenehmigung gilt für den Kläger nicht allein aufgrund seiner Stellung als Eigentümer des Vorhabengrundstücks. Die Baugenehmigung wird nicht dem Grundstück, sondern dem Träger des Vorhabens für eine bestimmte Anlage an einem bestimmten Standort erteilt. Eine Anbindung der Genehmigung an das Eigentum des Standortgrundstücks sieht die Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen nicht vor. Dies wird nicht zuletzt daraus deutlich, dass die Baugenehmigung unbeschadet der Rechte Dritter erteilt wird (§ 75 Abs. 3 BauO NRW).

Die N. & U. GbR ist Rechtsnachfolgerin des Klägers in seine Rechte und Pflichten aus der Baugenehmigung geworden. Die Rechtsnachfolge in öffentlichrechtliche Rechte und Pflichten setzt voraus, dass die öffentlichrechtliche Position einer Rechtsnachfolge überhaupt zugänglich ist (Nachfolgefähigkeit). Ferner muss ein Nachfolgetatbestand gegeben sein, der sich aus Gesetz, Verwaltungsakt oder Rechtsgeschäft ergeben kann.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.11.1995 - 11 A 5922/94 -, juris Rn. 6.

Nach diesen Maßstäben ist die N. & U. GbR dem Kläger in seine Rechte und Pflichten aus der Baugenehmigung nachgefolgt. Die Nachfolgefähigkeit in die Rechts- und Pflichtenposition aus einer Baugenehmigung ergibt sich aus § 75 Abs. 2 BauO NRW, wonach die Baugenehmigung auch für und gegen den Rechtsnachfolger des Bauherrn wirkt. Auch ein Nachfolgetatbestand ist gegeben. Der Kläger zeigte der Beklagten unter dem 30.10.2012 einen Bauherrenwechsel auf die N. & U. GbR an, mit dem diese auf demselben Schriftstück ausdrücklich ihr Einverständnis erklärte. Darin liegt nicht lediglich die für einen Bauherrenwechsel nicht konstitutiv wirkende Mitteilung i.S.d. § 57 Abs. 5 Satz 3 BauO NRW,

vgl. dazu OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 04.11.2009 - 3 L 163/08 -, juris Rn. 21,

sondern vielmehr ein willentlicher Übertragungsakt der Rechte und Pflichten des Bauherren und somit der Baugenehmigung. Dabei kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Beklagte den Kläger und die Kläger in den Verfahren 1 K 3557/13 und 1 K 3584/13 zu diesem Bauherrenwechsel aufgefordert und angeleitet hat und ob das Schreiben vom 30.10.2012 in der Bauaufsichtsbehörde angefertigt wurde. Die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge Nr. 2 und 3 waren daher abzulehnen.

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers kann die Übertragung der Rechte und Pflichten aus der Baugenehmigung im Wege des Bauherrenwechsels auch nicht mit rückwirkender Kraft beseitigt werden. Bauherr ist, wer nach außen zu erkennen gibt, dass er ein bestimmtes Vorhaben auf seine Verantwortung verwirklichen oder verwirklichen lassen will.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.01.2010 - 4 C 6.08 -, juris Rn. 19.

Ein derartiges, nach außen getragenes Verhalten kann nicht nachträglich geändert werden. Jedenfalls die endgültige Fertigstellung der Trocknungshalle erfolgte durch die N. & U. GbR. Ihr Auftreten als für das Vorhaben Verantwortliche - insbesondere im verwaltungsgerichtlichen Verfahren 1 K 3297/12 - entfällt wegen der zitierten Erklärung nicht rückwirkend.

Überdies ist die N. & U. GbR wegen der Bestellung des Erbbaurechtes mit notariellem Vertrag vom 17.09.2012 auch kraft Gesetzes Rechtsnachfolgerin des Klägers geworden. Die Übertragung des Eigentums am Baugrundstück hat gleichzeitig den Übergang der Rechte und Pflichten aus der dem bisherigen Eigentümer erteilten Baugenehmigung zur Folge, ohne dass es einer besonderen Übertragungshandlung bedarf.

Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.03.1995 - 3 S 1106/94 -, juris Rn. 23; Boeddinghaus / Hahn / Schulte / Radeisen, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Loseblatt Stand Juli 2015, § 75 Rn. 244.

Dies gilt auch für die Übertragung eines sonstigen Nutzungsrechts (z.B. eines Erbbaurechts) am Grundstück,

vgl. VG München, Urteil vom 29.06.2009 - M 8 K 08.2583 -, juris Rn. 40,

wie sie hier mit notarieller Urkunde vom 17.09.2012 erfolgt ist.

Die Baugenehmigung vom 28.11.2011 in der Fassung vom 10.05.2012 entfaltet auch nicht deshalb ihre Feststellungswirkung zugunsten des Klägers, weil dieser seinerseits in die Rechtsstellung der N. & U. GbR aus der Baugenehmigung als ihr Rechtsnachfolger nachgerückt wäre. Der dafür erforderliche Nachfolgetatbestand liegt nicht vor. Insbesondere geht die Erklärung des rechtsanwaltlich vertretenen Klägers in der mündlichen Verhandlung, den Bauherrenwechsel rückgängig zu machen, nach Fertigstellung der Holztrocknungsanlage mangels Bestehens der Bauherreneigenschaft ins Leere. Die Baugenehmigung konnte dem Kläger überdies nicht mehr übertragen werden, weil sie wegen des Fehlens einer mit einem landwirtschaftlichen Betrieb zusammenhängenden Nutzung gegenstandslos und damit unwirksam geworden war. Die Genehmigung eines privilegierten Außenbereichsvorhabens rechtfertigt nicht, dass der Rechtsnachfolger ein nicht privilegiertes Vorhaben verwirklicht. Der durch eine Baugenehmigung vermittelte baurechtliche Bestandschutz erstreckt sich nur auf den genehmigten Bestand und die genehmigte Funktion. Er erfasst grundsätzlich nicht Bestands- und Funktionsänderungen. Der Bestandschutz erlischt demgemäß, wenn eine andere Nutzung aufgenommen wird, die außerhalb der Variationsbreite der bisherigen Nutzungsart liegt und erkennbar nicht nur vorübergehend ausgeübt werden soll.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.11.2000 - 4 B 36.00 -, juris Rn. 8 und Urteil vom 25.03.1988 - 4 C 21.85 -, juris Rn. 24 f.; OVG NRW, Urteil vom 27.11.2006 - 7 D 118/05.NE -, juris Rn. 126 f. m.w.N.

Die mit einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht mehr zusammenhängende gewerbliche Nutzung der Holztrocknungsanlage durch die N. & U. GbR - die hier erkennbar auf Dauer ausgeübt werden sollte - stellt sich als eine den Bestandschutz überschreitende Funktionsänderung dar, die zur Unwirksamkeit der Baugenehmigung geführt hat. Dem Kläger war die Baugenehmigung unter dem 28.11.2011 nicht als gewerbliches Vorhaben im Außenbereich ohne weitere Bindung, sondern als dem landwirtschaftlichen Betrieb dienende Nebennutzung genehmigt worden. Dies ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Bauschein vom 28.11.2011, wohl aber aus dem zu Grunde liegenden Bauantrag vom 27.09.2011. Dieser Antrag, der durch Aufbringung des amtlichen Prüfvermerks (Grünstempel) zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht worden ist, weist auf Blatt 1 als Art der Nutzung ein "landwirtschaftliches Gewerbe" aus und bezeichnet in der Anlage 1 die Art des Betriebes oder der Anlage als "landwirtschaftlichen Betrieb". Die beabsichtigte Nutzung war danach von vorneherein auf die landwirtschaftliche Privilegierung beschränkt.

Vgl. VG Minden, Urteil vom 10.09.2013 - 1 K 1242/13 -, n.V.

Eine solche Privilegierung kommt der Rechtsnachfolgerin des Klägers aber nicht zu.

Auch aus dem Umstand, dass die Wirksamkeit der Baugenehmigung vom 28.11.2011 entfallen war - es also einer Rücknahme des Bescheides nicht bedurfte - resultiert keine Rechtsverletzung des Klägers. Gegenstand einer behördlichen Rücknahme können - insbesondere aus Klarstellungsgründen - grundsätzlich auch erledigte Verwaltungsakte sein. Ob die "vorsorgliche" Rücknahme - wie sie hier ausdrücklich "zur Rechtsklarheit" erfolgt ist - oder die deklaratorische Feststellung dergestalt, dass eine Erledigung eingetreten ist, das richtige Instrument zur Herbeiführung von Rechtssicherheit ist,

vgl. Kopp / Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 48 Rn. 19,

bedurfte vorliegend keiner Entscheidung. Denn jedenfalls kann der angefochtene Bescheid im Wege der Umdeutung (§ 47 VwVfG NRW) als Feststellung, dass die Baugenehmigung erloschen ist, aufrechterhalten werden.

Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, NVwZ-RR 1991, 117.

Die deklaratorische Aufhebung war auch aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit erforderlich. Die Frage, ob zugunsten des Klägers noch bzw. wieder eine Baugenehmigung besteht, macht einen wesentlichen Teil der Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten aus. Gerade im Hinblick auf die von dem Kreis I. angekündigte Weisung, mit der eine Beseitigungsanordnung ins Auge gefasst wurde, ist es sinnvoll klarzustellen, dass kein genehmigtes Vorhaben vorliegt.

Da der Baugenehmigung ihre Wirksamkeit nicht erst durch eine Rücknahme gemäß § 48 VwVfG NRW genommen werden musste, fehlt zugleich der Anknüpfungspunkt für die Anwendung der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG NRW, die der Kläger für abgelaufen ansieht. Die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG ist nur durch die fehlerhafte Anwendung der Rücknahmevorschriften eröffnet. Eine erloschene Baugenehmigung kann aber nicht dadurch wieder Wirksamkeit erlangen, dass die Jahresfrist für eine nicht erforderliche Rücknahme abgelaufen wäre.

Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, a.a.O.

Insofern waren die Beweisanträge Nr. 1 und 3, die sich (auch) auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Beklagten von Tatsachen beziehen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen (vgl. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW), abzulehnen, weil es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung nicht ankommt.

Ergänzend sei folgendes angemerkt: Auch wenn man davon ausginge, dass der Kläger Inhaber einer wirksamen Baugenehmigung ist, wäre seine Anfechtungsklage unbegründet. Denn auch bei Unterstellung dieses Umstandes ist die Rücknahmeverfügung vom 16.10.2013 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die angefochtene Rücknahmeverfügung ist § 48 VwVfG NRW. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG NRW nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Die dem Kläger erteilte Baugenehmigung ist rechtswidrig. Dem Vorhaben stehen öffentlichrechtliche Vorschriften entgegen (§ 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Die Errichtung der Holztrocknungsanlage ist bauplanungsrechtlich unzulässig. Das Vorhaben ist im Außenbereich nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 BauGB privilegiert und als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB unzulässig.

Nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist ein Vorhaben, das einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient, im Außenbereich nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist. Das Vorhaben fällt nicht als sog. mitgezogene Nutzung unter den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Bei der Holztrocknung handelt es sich nicht um eine bodenrechtliche Nebensache, die von der landwirtschaftlichen Hauptnutzung mitgezogen wird.

Einzelne Betätigungen, die bei isolierter Betrachtung landwirtschaftsfremd sind, können durch ihre betriebliche Zuordnung zu der landwirtschaftlichen Tätigkeit von dieser gleichsam mitgezogen werden und damit im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB an der Privilegierung teilnehmen. Dafür ist nicht allein die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der betrieblichen Erweiterung maßgebend. Gegenüber dem vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb muss es sich bei der an sich landwirtschaftsfremden Betätigung nach wie vor um eine bodenrechtliche Nebensache handeln.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.08.1998 - 4 B 66.98 -, juris Rn. 6.

Die Teilnahme eines Betriebsteils an der Privilegierung des landwirtschaftlichen Betriebes findet ihre Grenze an dem Gebot, den Außenbereich grundsätzlich von ihm fremden Belastungen freizuhalten. Es muss daher ein enger Zusammenhang mit der Bodenertragsnutzung in ihren vielfältigen Formen gegeben sein.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.11.1984 - 4 C 27.81 -, juris Rn. 13 f.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es besteht kein Zusammenhang zwischen der landwirtschaftlichen Betätigung des Klägers, nämlich der Milchviehhaltung, und der Holztrocknung. Die im Zusammenhang mit der Holztrocknungsanlage stehende Tätigkeit wird nicht von der unmittelbaren Bodenertragsnutzung durch den Kläger geprägt.

Das Vorhaben ist auch nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich privilegiert. Danach ist ein Vorhaben im Außenbereich zulässig, wenn es wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll. Ein Vorhaben ist nur dann ortsgebunden, wenn es nach seinem Gegenstand und seinem Wesen ausschließlich an der fraglichen Stelle betrieben werden kann. Hierfür genügt nicht, dass sich der Standort aus Gründen der Rentabilität anbietet oder gar aufdrängt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Betrieb auf die geografische oder die geologische Eigenart der Stelle angewiesen ist, weil er an einem anderen Ort seinen Zweck verfehlen würde. An der spezifischen Gebundenheit fehlt es, wenn der Standort im Vergleich mit anderen Stellen zwar Lagevorteile bietet, das Vorhaben aber nicht damit steht und fällt, ob es hier oder so nirgendwo anders ausgeführt werden kann. Dafür fehlt es vorliegend an hinreichenden Anhaltspunkten. Die notwendigen Voraussetzungen für den Betrieb der Anlage sind nicht zwingend an die Unterbringung im Außenbereich gebunden. Entsprechende Verhältnisse lassen sich auch am Rand von Gewerbe- oder Industriegebieten finden.

Vgl. VG Minden, Urteil vom 10.09.2013 - 1 K 1242/13 -, n.V. m.w.N.

Die somit als sonstiges Vorhaben zu beurteilende Anlage beeinträchtigt öffentliche Belange und ist daher gemäß § 35 Abs. 2 und 3 BauGB planungsrechtlich unzulässig.

Das Vorhaben widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), der das Baugrundstück als "Fläche für die Landwirtschaft" darstellt.

Der Flächennutzungsplan ist so lange als öffentlicher Belang beachtlich, wie seine Darstellungen durch die gegebene Situation bestätigt und erhärtet werden. Die Darstellungen des Flächennutzungsplans sind immer nur als Unterstützung und einleuchtende Fortschreibung bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten geeignet, zum Vorliegen eines beeinträchtigenden Belangs beizutragen. Der Flächennutzungsplan kann nur dort nicht mehr maßgeblich sein, wo seine Darstellungen den besonderen örtlichen Verhältnissen nicht mehr gerecht werden können, weil sie etwa durch die zwischenzeitliche Entwicklung überholt sind.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.04.1997 - 4 B 11.97 -, juris Rn. 18.

Im vorliegenden Fall ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, dass eine landwirtschaftliche Nutzung des Vorhabengrundstücks nicht mehr in Betracht kommt.

Das Vorhaben beeinträchtigt überdies die natürliche Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Es dehnt sich mit einer Länge von 120 m, einer Breite von vier Metern und einer Höhe von sieben Metern in eine zuvor unbebaute Fläche aus. In Anbetracht dieser Größenordnung stellt sich die bauliche Anlage als Fremdkörper in der Landschaft dar.

Vgl. VG Minden, Urteil vom 10.09.2013 - 1 K 1242/13 -, n.V. m.w.N.

Die Beklagte hat des Weiteren das ihr gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingeräumte Rücknahmeermessen korrekt ausgeübt. Sie hat insbesondere erkannt, dass auch in den Fällen des § 48 Abs. 3 VwVfG NRW, d.h. in den Fällen, in denen es - wie bei der Baugenehmigung - um die Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten geht, die nicht eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewähren oder hierfür Voraussetzung sind (§ 48 Abs. 2 VwVfG NRW), Vertrauensschutzgesichtspunkte zu Gunsten des von der Rücknahmeentscheidung Betroffenen bei der Ermessensausübung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW zu berücksichtigen sind.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.07.2004 - 10 A 4471/01 -, juris Rn. 83.

Gegen die Ermessensausübung der Beklagten ist nichts zu erinnern. Die Beklagte hat richtigerweise ein starkes öffentliches Interesse an der Aufhebung der Baugenehmigung in der Vermeidung einer "negativen Vorbildwirkung" und der Sicherung der Schonung des Außenbereichs gesehen. Auch das eventuelle Vertrauen des Klägers auf den Bestand des Verwaltungsaktes hat die Beklagte richtig gewichtet. Zutreffend hat sie in ihre Abwägung eingestellt, dass dem Kläger keine Vermögensnachteile entstanden sind. Entsprechendes hat er auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geltend gemacht, sondern vielmehr angegeben, die Kläger in den Verfahren 1 K 3557/13 und 1 K 3584/13 müssten ihm auf die Dauer von 99 Jahren einen Pachtzins in Höhe von monatlich 500 € zahlen.

Die Rücknahme der Baugenehmigung ist auch binnen der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW erfolgt. Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist danach die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW beginnt zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung erkannt hat und sämtliche für die Rücknahmeentscheidung maßgeblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Zur Herstellung der Entscheidungsreife gehört auch die Anhörung des Betroffenen, die der Wahrung des in einem rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahren gebotenen rechtlichen Gehörs dient.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.12.2008 - 2 B 60.08 -, juris Rn. 7.

Gelegenheit zu dem angefochtenen Bescheid Stellung zu nehmen, hatte der Kläger ab dem 07.08.2013. Angesichts dessen kann keine Rede davon sein, dass die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW nicht gewahrt wurde. Die in der mündlichen Verhandlung mit den Beweisanträgen Nr. 1 und 3 unter Beweis gestellten Tatsachen sind insoweit für die Entscheidung ohne Bedeutung.

Auch die hilfsweise erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage hat keinen Erfolg, da sie bereits unzulässig ist. Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht für den Fall, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Die Zulässigkeit einer solchen Fortsetzungsfeststellungsklage setzt insbesondere voraus, dass nach Rechtshängigkeit ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Eine Erledigung des hier angefochtenen Rücknahmebescheides ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.