ArbG Detmold, Urteil vom 21.07.2016 - 1 Ca 266/16
Fundstelle
openJur 2019, 9372
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 9 Sa 955/16
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

3. Der Streitwert wird auf 130,00 € festgesetzt.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer betrieblichen Übung über die Zahlung von Weihnachtsgeld sowie die Aushändigung einer Herren-Marzipantorte bzw. hilfsweise über die Zahlung des Wertes dieser Torte.

Der 1941 geborene Kläger ist seit dem 01.12.2003 Betriebsrentner bei der Beklagten. Diese hat insgesamt ca. 1.350 Betriebsrentner. Die Höhe der Betriebsrente beträgt 257,38 Euro brutto monatlich. Der Kläger war im Standort in M beschäftigt.

Zusätzlich zu der Betriebsrente zahlte die Beklagte an ihre Betriebsrentner in der Vergangenheit ein Weihnachtsgeld in Höhe von 105,00 Euro und händigte den Betriebsrentnern eine Herren-Marzipantorte der Marke Niederegger, verziert mit dem Firmenlogo der Beklagten, aus. Ausweislich der Werbung der Firma Niederegger im Internet verkauft sie eine solche Torte für einen Preis von 24,50 Euro.

Die Zahlung des Weihnachtsgeldes sowie die Verschickung der Torte war jährlich mit einem Begleitschreiben der Beklagten versehen. Welchen Inhalt und ob dieses jeweils den gleichen Wortlaut gehabt hat, ist zwischen den Parteien streitig. Der Text des Begleitschreibens im November 2009 lautet aber unstreitig wie folgt:

"Zum bevorstehenden Weihnachtsfest übermitteln wir Ihnen unsere besten Grüße.

Die Zuckerindustrie steht weiterhin vor großen Herausforderungen. Viele gewohnte Strukturen sind in Frage gestellt, neue Wege müssen geprüft und mutig beschritten werden. Dennoch sind wir als Unternehmen nach wie vor erfolgreich und dies gründet sich nicht zuletzt auf den Leistungen früherer Mitarbeitergenerationen.

Deshalb freuen wir uns, Ihnen auch in diesem Jahr gemeinsam mit der Marzipantorte ein Weihnachtsgeld in Höhe von 105,00 Euro als Zeichen unserer Verbundenheit gewähren zu können.

Wir wünschen Ihnen ein gesundes und zufriedenes Jahr 2010."

Im Termin zur mündlichen Verhandlung legte der Beklagtenvertreter darüber hinaus ein Schreiben vom 23.11.2007 ebenfalls an einen Betriebsrentner gerichtet, der hier allerdings nicht am Verfahren beteiligt ist, vor, indem es heißt:

"Zum bevorstehenden Weihnachtsfest übermitteln wir Ihnen unsere besten Grüße.

Gleichzeitig wünschen wir Ihnen ein gesundes und zufriedenes Jahr 2008."

Angesichts der Ihnen bekannten, deutlich verschärften, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Zuckerindustrie freuen wir uns, Ihnen trotzdem in diesem Jahr ein Weihnachtsgeld in Höhe von 105,00 Euro zu überweisen. Dies als auch die Marzipantorte sollen Ausdruck unserer Verbundenheit mit Ihnen sein."

Mit Geltendmachungsschreiben vom 02.03.2015 unter Fristsetzung bis zum 31.03.2016 machte die klägerische Partei die Zahlung des Weihnachtsgeldes sowie die Übergabe der Torte geltend. Die Ansprüche wurden mit Schreiben vom 08.03.2016 abgelehnt.

Im Rahmen des Auslaufens der Zuckermarktverordnung zum 30.09.2017 strukturiert die Beklagte ihre Unternehmen und Betriebe u.a. mit einem Abbau von 100 Arbeitsplätzen um. Am Standort in Lage entfallen dabei sieben Arbeitsplätze.

Der Kläger behauptet, dass eine betriebliche Übung vorliege durch jahrelange vorbehaltlose Auszahlung des Weihnachtsgeldes und Übergabe der Torte.

In dem Musterschreiben vom 24.01.2009 werde nicht hinreichend deutlich gemacht, dass die Leistung freiwillig sein solle. Es werde darüber hinaus bestritten, dass die Beklagte jedes Jahr an den Kläger ein solches Schreiben mit dem Passus "Deshalb freuen wir uns, Ihnen auch in diesem Jahr gemeinsam mit der Marzipantorte ein Weihnachtsgeld in Höhe von 105,00€ als Zeichen unserer Verbundenheit gewähren zu können" gerichtet habe. Die Zuwendung verbessere auch nicht die wirtschaftliche Lage der Betriebsrentner. Die Höhe des Weihnachtsgeldes betrage nur 50 Prozent der durchschnittlich gezahlten Betriebsrenten.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 105,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Herren-Marzipantorte der Marke Niederegger (500 g), auszuhändigen.

3. für den Fall, dass die Beklagte die Verpflichtung nach Ziffer 2), dem Kläger eine Herren-Marzipantorte der Marke Niederegger (500 g) auszuhändigen nicht innerhalb von fünf Wochen nach Zustellung des Urteils erfüllt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und 24,50 Euro nicht unterschreiten sollte.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, dass nicht alle Betriebsrentner gleich behandelt worden seien. Es seien teilweise gar keine zusätzlichen Leistungen erfolgt. Teilweise sei nur die Marzipantorte verschickt worden; teilweise sei nur das Weihnachtsgeld gezahlt worden. Es habe kein Bindungswillen der Beklagten vorgelegen, wie sich aus dem Begleitschreiben ergebe. Die Entscheidung sei jeweils nur für das aktuelle Jahr erfolgt. Darüber hinaus sei der Preis für die Torte auch nicht zutreffend, da die Beklagte die Torten bei der Firma Niederegger nicht als Privatperson und keine Einzelstücke bestellt habe.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die klägerische Partei hat keinen Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes sowie Übergabe der Torte aus betrieblicher Übung.

Im Bereich der Altersversorgung ist die betriebliche Übung vom Gesetzgeber ausdrücklich als Rechtsquelle anerkannt (BAG, Urteil vom 12.12.2006 - 3 AZR 57/06, JURIS).

Eine betriebliche Übung kann auch dadurch entstehen, dass im Versorgungsfall an die ausgeschiedenen Arbeitnehmer Leistungen erbracht werden. Die Arbeitnehmer, die unter ihrer Geltung im Betrieb gearbeitet haben, können darauf vertrauen, dass diese Übung nach ihrem Ausscheiden bei Eintritt des Versorgungsfalles fortgeführt wird. Aus betrieblicher Übung können sich auch Ansprüche auf ein 13. Ruhegehalt ergeben. Es ist unschädlich, wenn diese Leistung in der Ruhegeldordnung nicht vorgesehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entsteht eine betriebliche Übung durch ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, dass den Inhalt der Arbeitsverhältnisse oder der Rechtsverhältnisse mit Betriebsrentnern gestaltet und geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn und soweit Arbeitnehmer oder Betriebsrentner aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen werde eine entsprechende Leistung auch künftig gewährt. Auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers und damit auf die interne Entscheidungsfindung kommt es nicht an. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer dem Verhalten des Arbeitgebers einen Verpflichtungswillen entnehmen kann (BAG, Urteil vom 12.12.2006, a.a.O.). Das Fehlen jedes Rechtbindungswillens muss klar zum Ausdruck gebracht werden. Wenn sich das Zahlungsversprechen erkennbar auf das jeweilige Jahr beschränkt, sind Ansprüche der Leistungsempfänger für die zukünftigen Jahre ausgeschlossen. Dies ist nur dann hinreichend deutlich geschehen, wenn die Beklagte - wie sie behauptet hat - im Jahr 1995 und durchgehend ab dem Jahr 1997 in sämtlichen Anschreiben an die Betriebsrentner ausdrücklich darauf hinwies, dass die Leistung ohne Präjudiz auf die Zukunft erfolge (BAG, Urteil vom 12.12.2006, a.a.O.).

Sowohl für die Auslegung der (konkludenten) Vertragserklärung des Arbeitgebers als auch für die Begründung eines Vertrauenstatbestandes kommt es darauf an, wie der Arbeitnehmer das Gesamtverhalten des Arbeitgebers verstehen durfte. Da die nicht wiederholte Leistungsgewährung als solche, sondern erst die einschränkungslose Leistungsgewährung aus Sicht der begünstigten Arbeitnehmer den diesbezüglichen Verpflichtungswillen zum Ausdruck bringt, handelt es sich um bei dem Merkmal der "vorbehaltlosen" Zahlung um eine anspruchsbegründete Tatsache mit der Folge, dass im Streitfall der Arbeitnehmer als Anspruchsteller hierfür die Beweislast trägt (LAG Hamm, Urteil vom 11.04.2011 - 8 Sa 1583/09, JURIS).

Dem Kläger ist es nicht gelungen darzulegen, dass die Beklagte Weihnachtsgeld und Torte mit Rechtsbindungswillen "gewährt" hat.

Nach Überzeugung der Kammer hat die Beklagte zumindest in den Jahren 2009 und im Jahr 2007 einen Vorbehalt erklärt. Besonders deutlich wird dies in dem Schreiben von 2007, indem erklärt wird, dass die Zahlung des Weihnachtsgeldes verbunden mit der Torte angesichts der verschärften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen trotzdem überwiesen bzw. übergeben wird. Dies verdeutlicht, dass die Beklagte speziell für das Jahr 2007 eine eigene Entscheidung darüber getroffen hat, ob sie Torte und Weihnachtsgeld überweisen bzw. übergeben werden. Aus dem Wort "trotzdem" ergibt sich insbesondere, dass sie sich frei sieht in der Gewährung dieser zusätzlichen Leistung.

Auch in dem Anschreiben vom Jahr 2009 heißt es, dass "auch in diesem Jahr gemeinsam mit der Torte das Weihnachtsgeld" gewährt wird. Auch hier verweist die Beklagte damit deutlich darauf, dass sie die Entscheidung für das jeweilige Jahr getroffen hat. Es ist der klägerischen Partei zuzugeben, dass sie möglicherweise bei der Zahlung des Weihnachtsgeldes bzw. Übergabe der Torte diesen Worten nicht die Bedeutung beigemessen hat, dass die Beklagte keinen Rechtsbindungswillen hatte und die Entscheidung über die Gewährung von Weihnachtsgeld und Torte von Jahr zu Jahr treffen wollte. Der Kläger mag das Schreiben auch nicht im Hinblick auf den Punkt des Rechtsbindungswillens geprüft haben.

Dennoch hat die Beklagte mit diesem Schreiben dem fehlenden Rechtsbindungswillen Ausdruck verliehen. Auch die Wortwahl, dass die Beklagte in dem Schreiben von "Gewährung" und nicht von "Zahlung" spricht, drückt aus, dass sie nicht von einer rechtlichen Verpflichtung, sondern von einer freiwilligen und besonderen Gewährung ausgeht.

Es mag grundsätzlich begrüßenswert sein, das Fehlen des Rechtsbindungswillens mit deutlicheren Worten Ausdruck zu verleihen, dennoch kann die Kammer in der Einschränkung "auch in diesem Jahr" und "dennoch in diesem Jahr" entnehmen, dass jeweils von Jahr zu Jahr eine eigene Entscheidung gefällt werden sollte und insofern ein Rechtsbindungswillen fehlt. Der Kläger kann auch nicht darauf verweisen, dass er bestreitet, dass er in jedem Jahr ein solches Schreiben erhalten hat. Zum einen bedürfte es der Behauptung, dass eine dreimalige Gewährung ohne ein entsprechendes Anschreiben erfolgt ist. Zum anderen hat der Kläger zu beweisen, dass eine betriebliche Übung entstanden ist und dazu gehört auch die dreimalige vorbehaltslose Gewährung, d.h. der Kläger hätte mindestens drei aufeinander folgende Jahre nennen müssen, in denen kein Vorbehalt seitens der Beklagten hinsichtlich der Zahlung des Weihnachtsgeldes und der Übergabe der Marzipantorte erfolgt ist. Dies hat sie nicht dargelegt und bewiesen, sodass eine betriebliche Übung nicht entstanden ist.

Darüber hinaus ist hier auch zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Zahlung von Zuwendungen bei der Betriebsrente kein Austauschverhältnis zwischen den Parteien mehr vorliegt. Nach Überzeugung der Kammer macht es für die Anforderungen der Deutlichkeit eines Vorbehalts aber auch einen Unterschied, ob ein aktives Arbeitsverhältnis vorliegt und der Arbeitnehmer zusätzliche Zahlungen o.ä. im Austauschverhältnis erhielt und in diesem Rahmen als Vergütung für die geleistete Arbeit auffassen kann. Bei einem Betriebsrentner liegt eine solche Gegenseitigkeit nicht mehr vor, so dass eine Zahlung auch nicht mehr als Gegenleistung verstanden werden kann.

In diesem Rahmen mögen die Maßstäbe an einen Vorbehalt hinsichtlich des Rechtsbindungswillens nicht zu eng zu fassen zu sein.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.

Als Streitwert wurde der von der klägerischen Partei angegebene Wert der Torte sowie der Zahlungsanspruch in Ansatz gebracht.

Darüber hinaus war die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ZPO zuzulassen.

Bei der Konkretisierung des Begriffs der grundsätzlichen Bedeutung ist zu berücksichtigen, dass hier eine geringere Ranghöhe besteht als dies bei der Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht der Fall ist. Die grundsätzliche Bedeutung kann auch gegeben sein, wenn tatsächliche (z.B. wirtschaftliche) Auswirkungen der Entscheidung die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (GMP- Germelmann §64 Rn.21).

Die Sache hat aufgrund der Vielzahl der Betriebsrentner und der Wiederkehr der Problematik in den zukünftigen Jahren für die jeweiligen Kläger und die Beklagte grundsätzliche Bedeutung.

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