OLG Köln, Beschluss vom 26.01.2015 - 19 U 113/14
Fundstelle
openJur 2019, 8966
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 7 O 245/13
Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 17.06.2014 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 7 O 245/13 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrundezulegende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Berufungsvorbringen führt zu keiner abweichenden Beurteilung.

1. Die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung ist in Gestalt des geänderten Klageantrages allerdings zulässig.

Die Klägerin ist entgegen der Meinung der Streithelferin durch die Ausgangsentscheidung beschwert, da ihre Klage als derzeit unbegründet abgewiesen worden ist und sie folglich mit ihrem Begehren, gerichtet auf Zahlung von Werklohn in Höhe von 220.774,76 EUR nebst Zinsen und Verzugskosten, nicht durchdringen konnte. Dass sie die Klageforderung in der Berufung erstmals auf ihre Schlussrechnung vom 30.04.2014 stützt, steht dem nicht entgegen. Zwar setzt die Zulässigkeit der Berufung voraus, dass mit ihr die vom erstinstanzlichen Urteil ausgehende Beschwer bekämpft wird. Macht der Berufungsführer mit der Berufung einen völlig anderen Lebenssachverhalt geltend, ohne auch nur teilweise den durch die Ausgangsentscheidung betroffenen Streitgegenstand aufzugreifen, ist die Berufung deshalb bereits mangels Beschwer - als vertypte Form des Rechtsschutzinteresses - unzulässig (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 143). So ist der Fall hier aber nicht. Denn die Umstellung der Klage von der 31. Abschlagsrechnung auf die Schlussrechnung vom 30.04.2014 stellt keine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO, sondern eine bloße Umstellung des geforderten Gegenstandes bzw. Interesses ohne Änderung des Klagegrundes nach § 264 Nr. 3 ZPO dar (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 318). Eine solche Umstellung des Interesses in der Berufung ändert mangels Auswechselung des Streitgegenstandes nichts an der von der Entscheidung des Landgerichts ausgehenden Beschwer. Der Anspruch auf Abschlagszahlung ist lediglich eine modifizierte Form des Anspruches auf Werklohn (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 957), den die Klägerin - nunmehr wegen veränderter Umstände allerdings in Gestalt der Schlussrechnung - mit der Berufung weiterhin verfolgt.

Da keine Klageänderung vorliegt, steht der Zulässigkeit der Berufung auch die Vorschrift des § 533 ZPO nicht entgegen (vgl. BGH, NJW 2010, 227).

2. Die Berufung erweist sich allerdings in der Sache als unbegründet.

a. Entgegen der Meinung der Beklagten ist das Vorbringen der Klägerin zum geänderten Gegenstand aus der Schlussrechnung als neues Angriffsmittel - ungeachtet der hierauf bezogenen Zulässigkeit der Berufung selbst (siehe oben) - auch gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO zuzulassen. Auf das dem neuen Antrag zugrundeliegende Vorbringen in der Berufung ist § 531 Abs. 2 ZPO grundsätzlich anwendbar, sodass es darauf ankommt, ob der neue Vortrag im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden ist (was hier unzweifelhaft der Fall ist), ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Klägerin beruht (vgl. dazu BGH, NJW 2004, 2152; NZBau 2006, 175, 176). Letzteres ist zu verneinen. Der Bundesgerichtshof hat zutreffend entschieden, dass Nachlässigkeit in diesem Sinne nicht gegeben ist, wenn eine, die Fälligkeit der (endgültigen) Werklohnforderung begründende, Schlussrechnung erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz erstellt worden ist und mit der Berufung in den Prozess eingeführt wird, weil die Präklusionsvorschriften die Parteien lediglich anhalten sollen, zu dem bereits vorliegenden Tatsachenstoff rechtzeitig vorzutragen; sie haben aber nicht den Zweck, auf die beschleunigte Schaffung der materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen hinzuwirken (vgl. BGH, NZBau 2004, 98; NZBau 2005, 692; kritisch dazu Schenkel, NZBau, 2007, 6; ders. MDR 2004, 790; Jansen, NZBau 2008, 689). Die maßgebliche Schlussrechnung wurde erst am 30.04.2014, also einen Tag nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz, erstellt und der Beklagten übersandt. Dass es der Klägerin nach der Abnahme der Leistungen im März 2014 schon früher möglich gewesen wäre, die Schlussrechnung zu erteilen, ist novenrechtlich unerheblich.

b. Nach Abnahme und Erteilung der Schlussrechnung ist es der Klägerin versagt, eine früher erhobene Abschlagsforderung isoliert geltend zu machen und klageweise durchzusetzen (vgl. BGH, NJW 2010, 227; NJW-RR 2004, 957). Dass die Klägerin das Abnahmeprotokoll nicht unterzeichnet hat, ist unerheblich. Zur rechtsgeschäftlichen Abnahme gemäß § 12 VOB/B ist allein der Auftraggeber verpflichtet. Er erklärt durch die Abnahme, dass er das hergestellte Werk als im Wesentlichen vertragsgerecht billige. Dies hat die Beklagte durch Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls getan, was ausreichend ist. Die Klägerin kann deshalb einen etwaigen Vergütungsanspruch lediglich aus dem Saldo der Schlussrechnung vom 30.04.2014 herleiten. Dies macht sie in Wahrheit aber nicht. Sie greift Einzelpositionen aus der Schlussrechnung heraus, die mit einem Betrag von lediglich 95.105,37 EUR endet.

Einen Betrag in Höhe von 173.133,38 EUR stützt sie auf in der Schlussrechnung bezeichnete "offen stehende Beträge aus der 25. bis 31. AZR". Ungeachtet der Tatsache, dass dieser Betrag bereits rechnerisch nicht nachvollzogen werden kann, wäre es der Klägerin nur dann möglich, eine einzelne Position aus der Schlussrechnung isoliert einzuklagen, wenn es sich hierbei um ein unstreitiges Guthaben im Sinne von § 16 Abs. 3. Nr. 1 S. 5 VOB/B handeln würde (vgl. BGH, NJW 1997, 1444; NJW 2010, 227). Dies ist hier aber schon deshalb nicht der Fall, weil diese Position von der Beklagten bereits in Gestalt der 31. Abschlagsforderung bestritten worden war. Ein unbestrittenes Guthaben liegt ohnehin nur vor, wenn als Ergebnis der Gesamtabrechnung unter Berücksichtigung der bestrittenen Positionen auf jeden Fall ein Guthaben des Auftragnehmers verbleibt.Sofern aus den Rechnungspositionen, die vom Auftraggeber als berechtigt angesehen werden, lediglich ein solcher Vergütungsanspruch resultiert, der durch bereits geleistete Zahlungen des Auftraggebers getilgt wird, liegt kein unbestrittenes Guthaben vor, welches noch gesondert ausgekehrt werden müsste.Entsprechendes gilt, wenn zwar rechnerisch ein Vergütungsanspruch besteht, der Auftraggeber aber Gegenrechte, insbesondere ein Zurückbehaltungsrecht auf Grund von Mängeln geltend machen kann (vgl. Beck´scher VOB-Kommentar/Kandel, Teil B, 3. Aufl. 2013, § 16 Abs. 3, Rn. 45). Überdies bedeutet ein Guthaben im vorgenannten Sinne bereits nach dem Wortlaut der Verordnung faktisch einen Abschlag, der aber denknotwendig niemals höher sein kann, als der Saldo der Schlussrechnung. Die Klägerin macht demnach kein Guthaben, sondern einen - bestrittenen - unselbständigen Rechnungsposten einer saldierten Abrechnung geltend, was auch im Rahmen von § 16 Abs. 3 VOB/B keine klagebare Forderung darstellt (vgl. BGH, NJW 1999, 417; NJW-RR 2003, 1075; OLG Brandenburg, NZBau 2004, 99; OLG Jena, NJOZ 2008, 1587; Ingenstau/Korbion/Locher, VOB/B, 17. Aufl. 2010, § 16 Abs. 3 Rn. 7).

Gleiches gilt in Bezug auf die in der Schlussrechnung angeführte und mit der Berufung herausgegriffene Aktivposition "Kosten bft Cognos vom 07.04.2014 wegen Materialbestätigung" in Höhe von 1.430,38 EUR.

c. Ein etwaiger Anspruch auf Verzugszinsen aus berechtigt geltend gemachten aber nicht gezahlten Abschlägen bleibt zwar auch nach Erteilung der Schlussrechnung bestehen und durchsetzbar (vgl. BGH, NJW-RR 2004, 957, 958). Hierzu verhält sich die mit der Berufung geltend gemachte und in der Schlussrechnung angeführte Position "Verzugszinsen bis 30.04.2014 von Höhe von 27.818,50 EUR". Allerdings hat die Klägerin - nicht zuletzt in Ansehung der von der Beklagten in der Berufung geltend gemachten Überzahlung ohne Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 156.306,76 EUR - nicht ansatzweise dargetan, dass ihr sowohl dem Grunde nach als auch in geltend gemachter Höhe ein solcher Anspruch zusteht, worauf die Beklagte und die Streitverkündete schon in erster Instanz zutreffend hingewiesen haben.

c. Letztlich erweist sich die mit der Berufung geltend gemachte Forderung auch aus einem anderen Grund insgesamt als unschlüssig. Denn der mit 236.383,76 EUR bezifferte Berufungsantrag lässt sich mit dem Vortag der Klägerin und insbesondere der Berechnung auf Seite 4 der Berufungsbegründung (Bl. 788 GA) nicht nachvollziehen, da die Addition der dort angeführten Beträge nur einen Betrag i.H.v. 202.382,26 EUR ergibt. Selbst wenn man die in der Schlussrechnung aufgeführten Anwaltskosten i.H.v. 31.854,99 EUR (allerdings entgegen dem ausdrücklichen Vortrag der Klägerin) hinzu addieren würde (Bl. 724 GA), käme man nur auf einem Betrag i.H.v. 234.237,25 EUR.

II.

Die Klägerin wird auf die Möglichkeit der Berufungsrücknahme und die damit einhergehende Kostenersparnis nach Nr. 1220 KV-GKG hingewiesen. In diesem Fall würde auch nur das Urteil erster Instanz in Rechtskraft erwachsen, welches zu etwaigen Ansprüchen aus der Schlussrechnung vom 30.04.2014 keine rechtskraftfähigen Feststellungen enthält.