VG Köln, Beschluss vom 31.10.2016 - 19 L 1945/16
Fundstelle
openJur 2019, 8816
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO untersagt, die ausgeschriebene Stelle eines Brandschutzunterweisers - Hauptbrandmeister mit Amtszulage (A 9 mZ) - mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden ist.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf die Wertstufe bis 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu untersagen, die ausgeschriebene Stelle eines Brandschutzunterweisers – Hauptbrandmeister mit Amtszulage (A 9 mZ) - mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden ist,

hat Erfolg.

Eine einstweilige Anordnung des vorliegend begehrten Inhalts kann gemäß § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO ergehen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein Anspruch auf eine bestimmte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch), dieser Anspruch gefährdet ist und durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss (Anordnungsgrund).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Ein Anordnungsgrund ist gegeben. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, das vom Amt des Hauptbrandmeisters ohne Amtszulage zu unterscheidende statusrechtliche Amt des Hauptbrandmeisters mit Amtszulage auf den Beigeladenen zu übertragen. Zur Übertragung dieses Amtes bedarf es zumindest eines ernennungsähnlichen Verwaltungsaktes,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.04.2007 – 2 B 25/07 -, juris; OVG NRW Beschluss vom 30.01.2015 – 1 A 1226/13 -, juris,

der wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität in einem gegen ihn gerichteten Hauptsacheverfahren grundsätzlich nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte.

Der Antragsteller hat auch den erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Nach geltendem Dienstrecht hat ein Beamter auch bei Erfüllung aller laufbahnrechtlichen Voraussetzungen grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Beförderung oder auf Übertragung eines bestimmten Dienstpostens; er kann vielmehr nur verlangen, in seinem beruflichen Fortkommen nicht aus gesetzes- oder sachwidrigen Erwägungen des Dienstherrn beeinträchtigt zu werden. Die Entscheidung über eine Beförderung obliegt nach Maßgabe des Personalbedarfs und des Vorhandenseins freier besetzbarer Planstellen dem pflichtgemäßen Ermessen des für den Dienstherrn handelnden Dienstvorgesetzten. Der Dienstherr ist aufgrund des durch Art. 33 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verbürgten und für Landesbeamte in Nordrhein-Westfalen durch §§ 19 Abs. 6 Satz 1 LBG NRW, 9 BeamtStG einfachgesetzlich konkretisierten Grundsatzes der Bestenauslese (Leistungsgrundsatz) gehalten, die Planstelle mit demjenigen von mehreren Bewerbern zu besetzen, der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung für die Wahrnehmung der betreffenden Dienstaufgaben gemäß den vom Dienstherrn aufgestellten Anforderungen am besten qualifiziert erscheint. Im Übrigen ist die Auswahlentscheidung bei im Wesentlichen gleicher Qualifikation der Bewerber nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Dem einzelnen Bewerber steht insoweit ein Anspruch auf eine rechts- und ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung zu. Dieser sogenannte Bewerbungsverfahrensanspruch ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch eine einstweilige Anordnung in der Weise sicherungsfähig, dass dem Dienstherrn untersagt werden kann, die streitbefangene Stelle vorläufig bis zu einer erneuten Auswahlentscheidung (endgültig) zu besetzen. Ein Anordnungsanspruch für eine derartige Sicherungsanordnung ist dann gegeben, wenn die angegriffene Auswahlentscheidung nach dem im Anordnungsverfahren erkennbaren Sachverhalt wegen Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des antragstellenden Beamten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtsfehlerhaft ist und nicht auszuschließen ist, dass eine fehlerfreie Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten ausfallen würde.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers ist durch die mit dem Besetzungsvermerk vom 03.08.2016 dokumentierte Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin verletzt.  Die zu Lasten des Antragstellers getroffene Auswahlentscheidung ist rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin sich nicht nur abrundend, sondern maßgeblich auf das Ergebnis der am 02.08.2016 mit den Bewerbern geführten Auswahlgespräche gestützt hat. Strukturierten Bewerber- und Auswahlgesprächen darf erst dann eine – maßgebliche, gegebenenfalls auch ausschlaggebende - Bedeutung zukommen, wenn sich aus den der Auswahlentscheidung zugrundeliegenden dienstlichen Beurteilungen im Wesentlichen ein Qualifikationsgleichstand der Bewerber ergibt. Nur bei einem Qualifikationsgleichstand können die Ergebnisse von Auswahlgesprächen als weiteres Kriterium für die Begründung der Auswahlentscheidung herangezogen werden,

vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29.11.2013 - 6 B 1193/13 -, juris Rn. 24, vom 19.01.2006 - 1 B 1587/05 -, juris, vom 30.11.2007 - 1 B 1183/07 -, juris und vom 12.12.2005 - 6 B 1845/05 -, juris.

Dass die Antragsgegnerin der mit den Bewerbern geführten Auswahlrunde eine mit dem Leistungsgrundsatz nicht vereinbare Bedeutung beigemessen hat, ergibt sich zunächst daraus, dass sie mit dem Beamten I.      einen Bewerber zu der Auswahlrunde geladen hat, der in seiner letzten dienstliche Beurteilung um eine Note schlechter im Gesamturteil bewertet war als die übrigen Bewerber. Der Bewerber I.      wies damit keine im Wesentlichen gleiche Qualifikation auf und hätte offensichtlich nicht in die engere Auswahl einbezogen werden dürfen. Dass die Antragsgegnerin dem Ergebnis der Auswahlrunde das entscheidende Gewicht beigemessen hat, ergibt sich auch daraus, dass sie den Beigeladenen, dem nach ihrer Einschätzung nach Auswertung der dienstlichen Beurteilungen noch der Antragsteller und der Bewerber S. vorzuziehen waren (vgl. S. 2, 1. Absatz des Besetzungsvermerks), letztlich deshalb ausgewählt hat, weil sie ihn als Leistungsbesten der Auswahlrunde angesehen hat.

Die Antragsgegnerin durfte auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers vom 28.04.2016 weder von einem Leistungsvorsprung zugunsten des Beigeladenen noch von einem Leistungsgleichstand zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen ausgehen, der sie zur maßgeblichen Berücksichtigung des Ergebnisses der Auswahlrunde berechtigte. Die dienstliche Beurteilung des Antragstellers ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fehlerhaft, weil ihr zu Lasten des Antragstellers ein im Vergleich zu anderen Personen seiner Vergleichsgruppe – der Hauptbrandmeister der Besoldungsgruppe A 9 ohne Amtszulage - ein zu strenger Beurteilungsmaßstab zugrundeliegt. Maßstab dienstlicher Beurteilungen ist das Statusamt des beurteilten Beamten. Beurteilungen treffen eine Aussage, ob und in welchem Maße der Beamte den Anforderungen seines Statusamtes – auch im Vergleich mit anderen Beamten mit gleichem Statusamt - gewachsen ist. Dies gilt auch dann, wenn der Beamte – wie hier – einen im Vergleich zu seinem Statusamt höher bewerteten Dienstposten innehat. Die auf dem höher bewerteten Dienstposten erbrachten Leistungen des Beamten sind in diesem Fall an den im Vergleich weniger strengen Anforderungen des niedrigeren statusrechtlichen Amtes zu messen,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.12.2014 – 2 VR 1/14 -, juris; Urteil vom 02.04.1981 – 2 C 13/80 -, juris.

Maßstab der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers ist nicht das vom Antragsteller bekleidete statusrechtliche Amt des Hauptbrandmeisters der Besoldungsgruppe A 9 ohne Amtszulage, sondern das von ihm zu unterscheidende statusrechtliche Amt des Hauptbrandmeisters der Besoldungsgruppe A 9 mit Amtszulage,

vgl. zur Unterscheidung dieser Ämter BVerwG, Beschluss vom 16.04.2007 – 2 B 25/07 -, juris; OVG NRW Beschluss vom 30.01.2015 – 1 A 1226/13 -, juris.

Dies folgt aus dem Besetzungsvermerk vom 03.08.2016. Hier wird im Rahmen  der Bewertung der dienstlichen Beurteilungen der Bewerber ausgeführt:

„Die Leistungsbeurteilungen der Bewerber S. und C. erfolgten jedoch in einem Aufgabengebiet HBM+Z, daher sind die Leistungsbeurteilungen insgesamt höher zu werten als die Leistungsbeurteilung der beiden Bewerber G.     und I.      , die in einem Aufgabengebiet HBM bewertet wurden.“

Mit dieser Formulierung bringt das für die Antragsgegnerin  handelnde Auswahlgremium, dem auch der Beurteiler des Antragstellers P.     angehörte, zum Ausdruck, dass der Beurteilung des Antragstellers als Maßstab das bekleidete konkret funktionelle Amt und nicht das niedrigere statusrechtliche Amt des Antragstellers zugrundegelegt wurde. Denn hätte der Beurteiler die Leistungen des Antragstellers anhand dessen niedrigeren statusrechtlichen Amtes gemessen, hätte kein Anlass bestanden, die Beurteilung des Antragstellers gegenüber der ebenfalls im Amt des Hauptbrandmeisters ohne Amtszulage ergangenen Beurteilung des Beigeladenen höher zu gewichten.

Es ist nicht auszuschließen, dass eine erneute Auswahlentscheidung, die auf der Grundlage einer rechtmäßigen dienstlichen Beurteilung ergeht, die auf das Statusamt des Antragstellers als Maßstab abstellt, zu Gunsten des Antragstellers ausfallen wird. Bei dieser künftigen Auswahlentscheidung wird die Antragsgegnerin zu beachten haben, dass sie Auswahlgesprächen erst dann eine maßgebliche Bedeutung beimessen darf, wenn sich aus den der Auswahlentscheidung zugrundeliegenden dienstlichen Beurteilungen im Wesentlichen ein Qualifikationsgleichstand der Bewerber ergibt. Von einem Qualifikationsgleichstand darf sie nicht bereits bei Vorliegen eines gleichlautenden Gesamturteils der letzten dienstlichen Beurteilung ausgehen; vielmehr hat sie zunächst die aktuellen Beurteilungen unter Berücksichtigung ihrer Einzelmerkmale auf Leistungsunterschiede hin inhaltlich auszuschöpfen und muss auch ältere Beurteilungen berücksichtigen, sofern sie für den Leistungsvergleich Aussagekraft besitzen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.2011 – 2 C 19/10 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 20.11.2015 – 6 B 967/15 -, juris.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil er keinen Sachantrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Bestimmung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 GKG. Der sich danach ergebende Betrag ist im Hinblick auf den im vorläufigen Rechtsschutzverfahren angestrebten Sicherungszweck um die Hälfte, das heißt auf ein Viertel des Jahresgehaltes des angestrebten Amtes zu reduzieren.

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