OLG Hamm, Urteil vom 21.04.2016 - 18 U 34/15
Fundstelle
openJur 2019, 8355
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 21 O 51/14
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster vom 10.12.2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin begehrt Feststellung, dass das Vertriebspartnerverhältnis zwischen den Parteien durch die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 27.02.2014 nicht zum 31.05.2014, sondern erst zum 31.08.2014 beendet worden sei. Ferner verlangt sie auf der 1. Stufe der von ihr erhobenen Stufenklage die Erteilung von Abrechnungen für die Monate Juni, Juli und August 2014.

Die Beklagte stellt Reinigungsmittel her und vertreibt diese über sogenannte Vertriebspartner im Strukturvertrieb. Die Vertriebspartner erwerben die Produkte der Beklagten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung und verkaufen sie an Endverbraucher. Außerdem haben die Vertriebspartner die Möglichkeit, weitere Vertriebspartner für die Beklagte zu werben, die ihrer Vertriebsstruktur zugeordnet werden. Auf diese Weise entstehen Vertriebsstrukturen in Form eines „Stammbaums“. An den Umsätzen, die die unmittelbar und mittelbar angeworbenen Vertriebspartner einer Vertriebsstruktur vermitteln, wird der erstwerbende Vertriebspartner, gewissermaßen der „Kopf des Stammbaumes“, von der Beklagten jeweils mit Provisionen bzw. Boni beteiligt.

Die Klägerin war seit Juni 1999 als Vertriebspartnerin für die Beklagte tätig. Sie warb in dieser Zeit 56 neue Vertriebspartner, von denen aktuell noch 6 für die Beklagte tätig sind. Insgesamt gehörten zur „Z“ der Klägerin 1300 Vertriebspartner. Im Qualifikations- und Bonussystem der Beklagten erreichte die Klägerin die 6. Stufe („A“) und verdiente im Durchschnitt der letzten 5 Jahre Boni in Höhe von mindestens 360.000 € jährlich. Zuletzt erfolgte die Zusammenarbeit der Parteien aufgrund eines Vertriebspartnervertrages vom 16.02.2005 (Anl. K4, Bl. 71 ff. der Akten). Gemäß § 15 Nr. 1 des Vertriebspartnervertrages sollte die ordentliche Kündigungsfrist 3 Monate zum Monatsende betragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertriebspartnervertrag Bezug genommen. Am 16.09.2008 schlossen die Parteien eine Vereinbarung über die Benutzung der Software „Z“ (Anl. K6, Bl. 99 ff. der Akten), welche der zielorientierten Steuerung der Verkaufsaktivitäten der einzelnen Vertriebspartner durch die Klägerin dienen sollte. Zusammen mit weiteren Vertriebspartnern der Beklagten veranstaltete die Klägerin in 2012/2013 den Wettbewerb „Y“ (Anl. B4, Bl. 147 ff. der Akten), wobei streitig ist, ob dies – wie die Klägerin behauptet – mit Einwilligung der Beklagten geschah. Mit Schreiben vom 27.02.2014 (Anl. K5, Bl. 97 f. der Akten) kündigte die Beklagte das Vertriebspartnerverhältnis ordentlich mit Wirkung zum 31.05.2014, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.

Die Klägerin hat gemeint, zwar sei sie nicht als Handelsvertreterin für die Beklagte tätig gewesen. Gleichwohl fänden die §§ 84 ff. HGB, jedenfalls aber § 89 HGB, analoge Anwendung auf das Vertriebspartnerverhältnis. Für eine solche Analogie müssten nicht sämtliche Merkmale eines typischen Handelsvertretervertrages vorliegen. Dementsprechend müsse der Vertrag eine Vertriebspflicht nicht expressis verbis vorschreiben. Ein mittelbarer Druck zum Vertrieb sei ausreichend, etwa die Vereinbarung erheblich motivierender Mindestverkaufsziele oder Verkaufs- bzw. Mengenboni. Dies sei vorliegend der Fall. Das gesamte Vergütungssystem der Beklagten beruhe auf solchen Mengenboni. Je höher der Umsatz der Struktur des Vertriebspartners mit der Beklagten sei, umso höher sei die Provisionsstufe. Damit sei offensichtlich, dass die Beklagte von Führungskräften und Strukturführern Vertriebstätigkeit erwarte. Wer die Früchte seiner Strukturaufbauarbeit ernten wolle, müsse nicht nur Mindestmengen abnehmen, sondern Mengen in ganz erheblichem Umfang, und zwar umso mehr, je höher er in der Qualifikationshierarchie aufgestiegen sei. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin auf das Marketingkonzept der Beklagten verwiesen (Anl. K1, Bl. 9 ff. der Akten).

Auch müsse die Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms nicht ausdrücklich geregelt sein. Vielmehr genüge es, wenn sich für den Vertriebsmittler die Folge ergebe, dass dem Unternehmer der fragliche Kundenstamm mit Name und Adresse bekannt werde, so dass sich daraus für das Unternehmen die Möglichkeit der weiteren Nutzung ergebe. So sei es hier. Der Strukturführer schreibe von ihm geworbene neue Vertriebspartner als Sponsoren im Vertriebssystem der Beklagten ein, womit ihr Name und Adresse bereits bei der Anwerbung bekannt werde. Die auf diese Weise geworbene Vertriebsstruktur verbleibe gerade bei der Beklagten.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe das Vertriebspartnerverhältnis wirksam zum 31.05.2014 gekündigt. Eine Analogie zu §§ 84 ff. HGB, insbesondere § 89 Abs. 1 HGB, komme nicht in Betracht, da die Klägerin weder Handelsvertreterin gewesen noch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie eine solche zu behandeln sei. Die Vertriebspartner vermittelten keine Verträge, sondern trügen selbst das volle Absatzrisiko. Auch schuldeten sie weder die Werbung neuer Kunden noch einen weiteren Ausbau der Vertriebsstruktur. Insbesondere würden die Boni nicht für die Vermittlung neuer Vertriebspartner gezahlt, sondern für deren Beratung und Betreuung. § 15 Ziff. 2 lit.g des Vertriebspartnervertrages betreffe den Fall, dass ein Vertriebspartner seine geschäftliche Tätigkeit für mehr als ein Kalenderjahr eingestellt habe. Die Aussage, das Vertragsverhältnis löse sich auf, wenn ein Vertriebspartner weniger als insgesamt 3.000 TOP im Kalenderjahr erziele, sei in diesem Zusammenhang irreführend. Diese Klausel, so hat die Beklagte behauptet, betreffe lediglich „Karteileichen“ und solle keinerlei Handlungspflichten statuieren.

Sofern der Vertriebspartnervertrag Beratungspflichten sowie die Verpflichtung zur Fortbildung vorsehe, ziele dies lediglich auf den Erhalt bereits bestehender Vertriebspartnerverträge ab. Diese Tätigkeit werde von der Rechtsprechung allgemein als „Verwaltungstätigkeit“ eingestuft, welche für den Begriff des Handelsvertreters nicht wesentlich sei und für die Werbung des Kundenstamms keine entscheidende Rolle spiele. Eine Einbindung in die Absatzorganisation der Beklagten liege somit nicht vor.

Auch unterliege die Klägerin nicht einer Benachrichtigungs- und Mitteilungspflicht im Sinne des § 86 Abs. 2 HGB.

Eine Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms bei Vertragsende bestehe nicht. Soweit der Vertriebspartnervertrag in § 9 ein Wettbewerbsverbot vorsehe, sei hiervon, so hat die Beklagte behauptet, kein Gebrauch gemacht worden. In diesem Zusammenhang hat sie auf eine Reihe von Fällen verwiesen, in denen sie Mitarbeitern eine andere gewerbliche Tätigkeit genehmigt habe. Zudem sei das Wettbewerbsverbot ab der Version 10/2013 aus den Vertriebspartnerverträgen gestrichen worden.

Auch sei die Klägerin hinsichtlich der Art und Weise ihrer Aktivitäten frei gewesen. Gegen eine Einbindung und entsprechende Weisungsrechte der Beklagten spreche auch die Ausrichtung des Wettbewerbs „Y“, der ihrer – der Beklagten – Unternehmensphilosophie widersprochen habe und zu erheblichen Störungen des Vertriebspartnersystems geführt habe. Mangels Weisungsbefugnis gegenüber der Klägerin habe sie – die Beklagte – diesen Wetterwerb nicht unterbinden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags in 1. Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat festgestellt, dass das Vertriebspartnerverhältnis zwischen den Parteien durch die von der Beklagten unter dem 27.02.2014 ausgesprochene Kündigung nicht zum 31.05.2014, sondern erst zum 31.08.2014 beendet worden ist. Ferner hat es die Beklagte zur Erteilung von Monatsabrechnungen für Juni, Juli und August 2014 in der üblichen Form gemäß Anl. K7 verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar sei die Klägerin nicht Handelsvertreterin im Sinne des § 84 HGB gewesen, da sie entgegen dem Leitbild des Handelsvertreters die Produkte bei der Beklagten im eigenen Namen und für eigene Rechnung erworben habe. Jedoch gelte die Kündigungsschutzvorschrift des § 89 HGB entsprechend, da es sich um ein dem Handelsvertretervertrag ähnlich ausgestaltetes Vertragsverhältnis handele. Die Klägerin sei als Vertragshändler anzusehen. Der Bundesgerichtshof fordere insofern, dass das Rechtsverhältnis zwischen Vertragshändler und Hersteller so ausgestaltet sei, dass es sich nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpfe, sondern dass der Vertragshändler nach dem Gesamtbild seiner Bindungen und Verpflichtungen so in die Absatzorganisation des Herstellers eingegliedert sei, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang einem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen habe. Dies sei hier der Fall. Auf eine darüber hinausgehende Verpflichtung zur Überlassung eines Kundenstamms an den Hersteller komme es für die Frage einer entsprechenden Anwendung des § 89 HGB entgegen der Ansicht der Beklagten nicht an. Die Eingliederung in die Absatzorganisation der Beklagten ergebe sich vorliegend aus einer Gesamtschau der rechtlichen und tatsächlichen Bindungen und Verpflichtungen der Klägerin gegenüber der Beklagten. Im Handelsvertreterrecht sei anerkannt, dass neben der vertraglichen Gestaltung auch die tatsächliche Handhabung entscheidend sei. Ähnlich einem Handelsvertreter habe die Klägerin einer der Bemühung zur Absatzförderung vergleichbaren Pflicht unterlegen, da hinsichtlich ihrer Verkaufsund Akquisitionstätigkeiten zumindest mittelbarer Druck von Seiten der Beklagten ausgeübt worden sei. Darüber hinaus habe die Klägerin auch einer für den Handelsvertreter wesensbestimmenden allgemeinen Interessenwahrnehmungspflicht unterlegen. § 9 des Vertriebspartnervertrages statuiere ausdrücklich sowohl ein Abwerbeverbot als auch ein Wettbewerbsverbot während der Vertragslaufzeit. Dass es de facto kein Wettbewerbsverbot gegeben habe, sei unerheblich, da dieser Einwand von der Beklagten nicht hinreichend substantiiert dargelegt sei. Sofern sie mit Schriftsatz vom 19.11.2014 exemplarisch genehmigte Tätigkeiten von Vertriebspartnern aufgeführt habe, handele es sich um Branchen, die nicht in Konkurrenz zur Beklagten stünden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Dagegen wendet die Beklagte sich mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.

Sie greift die Ausführungen des Landgerichts an, die Klägerin sei in ihre – der Beklagten - Absatzorganisation eingebunden gewesen. Die zur Verfügung gestellte Software habe ausschließlich dazu gedient, dem Vertriebspartner die Durchführung seiner Verwaltungstätigkeit zu erleichtern. Bereits im Wege der Tatbestandsberichtigung sei klargestellt worden, dass die Klägerin keine verpflichtende Akquisetätigkeit ausgeübt und keine Rechtsgeschäfte für sie – die Beklagte – vermittelt habe. Diese falsche Einordnung der Tätigkeit eines X-Vertriebspartners habe das Landgericht auch im Zusammenhang mit der Wertung des Vertrages über die Benutzung der Software „Z“ als Führungskraft in die Irre geleitet. Die Vertriebspartner seien selbstständig. Sie seien gegenüber anderen Vertriebspartnern in der Vertriebsstruktur nicht weisungsberechtigt. Es bestehe lediglich ein dienstvertraglicher Einschlag, der sich vorliegend durch die Pflege des bereits vorhandenen Vertriebssystems auszeichne. Die X-Vertriebspartner seien auch nicht als Untervertreter anzusehen. Zwischen den einzelnen Vertriebspartnern bestünden untereinander keine Vertragsbeziehungen. In diesem Zusammenhang verweist die Beklagte auf das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 11.08.2011, Az. 2 HKO 126 / 13, Beck RS 2014, 07886.

Ausgehend von der fehlerhaften Annahme einer verpflichtenden „Akquisetätigkeit“ habe das Landgericht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1983,42) nicht hinreichend gewürdigt, wonach Kontaktpflege und Kundenbetreuung ohne Vermittlung von Einzelgeschäften sowie die Aufrechterhaltung bestehender Vertragsverhältnisse nicht als eine handelsvertretertypische Vermittlungstätigkeit im Sinne des § 84 HGB angesehen werden könnten.

Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, könne jeder Vertriebspartner einer Struktur andere Vertriebspartner werben, so dass auf diese Weise die Struktur wachse. Entsprechend der Tatbestandsberichtigung habe das Landgericht nachträglich anerkannt, dass die Klägerin gerade nicht eine Vertriebsstruktur von 1300 Vertriebspartnern aufgebaut, also nicht insgesamt 1300 Vertriebspartner akquiriert habe. Diese Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten führe letztendlich zu einer fehlerhaften Rechtsanwendung.

Zudem habe sie das vertraglich vereinbarte – unter dem Vorbehalt der Genehmigung stehende – Wettbewerbsverbot niemals bemüht. Die entsprechende Klausel sei aus diesem Grund seit Oktober 2013 aus den Verträgen entfernt worden. Das Wettbewerbsverbot habe sich auf die Sparte der Reinigungsprodukte beschränkt und sei vertraglich nicht spartenübergreifend fixiert gewesen, wie dies z.B. in Franchiseverträgen nicht unüblich sei. Hierzu sei im Schriftsatz vom 19.11.2014 unter Benennung des Zeugen C vorgetragen worden.

Auch habe sie den Wettbewerb „Y“, der sich massiv gegen ihre Interessen gerichtet habe, nicht unterbinden können. Dieser Wettbewerb habe darauf abgezielt, Vertriebspartner auch an die Veranstalter des Wettbewerbs zu binden und so das Konkurrenzunternehmen L GmbH zu begründen. Insoweit verweist die Beklagte auf die Homepage der L GmbH und des Partnerunternehmens Q GmbH, welche zwischenzeitlich Plagiate der X-Produkte anbieten würden.

Soweit das Landgericht darauf abgestellt habe, auf die Klägerin sei mittelbarer Druck zum Vertrieb ausgeübt worden, habe es sich ausweislich des Berichtigungsbeschlusses vom 13.02.2015 lediglich um eine richterliche Wertung gehandelt; rein faktisch habe es einen solchen mittelbaren Druck nicht gegeben.

Entsprechend des Berichtigungsbeschlusses müsse an dieser Stelle berücksichtigt werden, dass die Klägerin lediglich Verwaltungstätigkeiten erbracht habe, indem sie bestehende Vertragsverhältnisse gepflegt habe. Hierfür habe sie Bonuszahlungen erhalten. Die Beklagte bezieht sich auf die Entscheidung OLG Köln vom 21.09.2012, Az. 19 U 113 / 11 und meint, die Schaffung eines Anreizsystems entspreche auch im vorliegenden Fall keiner Absatzförderungspflicht. Eine Bezugspflicht ergebe sich auch nicht aus der „Karteileichenklausel“. Vielmehr habe im Vordergrund der Tätigkeit der Klägerin die dienstvertragliche Komponente gestanden, so dass eine entsprechende Anwendung der handelsvertreterrechtlichen Vorschriften nicht gerechtfertigt sei.

Auch die §§ 1, 3, 6, 7,12 und 13 des streitgegenständlichen Vertriebspartnervertrages rechtfertigten keine analoge Anwendung von Handelsvertreterrecht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 02.04.2015 (Bl. 482 ff. der Akten) Bezug genommen.

Schließlich meint die Beklagte, der Klägerin fehle das erforderliche Feststellungsinteresse, weil eine Leistungsklage möglich wäre.

Die Beklagte beantragt,

1. unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Münster vom 10.12.2014, Az. 021 O 53 / 14, die Klage abzuweisen;

2. vorsorglich für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und meint, das Landgericht habe die Führungskräfte im Vertriebssystem der Beklagten zu Recht als Vertragshändler angesehen. Die Rechtsprechung zum Vertragshändlerrecht gehe durchgängig davon aus, dass eine Kündigungsfrist von einem Jahr als angemessen anzusehen sei. Wenn also die Führungskräfte der Beklagten Vertragshändler seien, habe es einer analogen Anwendung des § 89 HGB nicht bedurft, da sich dann eine Kündigungsfrist von jedenfalls 6 Monaten bereits aus Vertragshändlerrecht selbst ergebe.

Das Landgericht habe bei seiner Beurteilung völlig zutreffend eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Vertragsverhältnisses vorgenommen. Dies greife die Beklagte mit einer unzulässigen zergliedernden Betrachtungsweise an.

Im Übrigen verkenne die Beklagte, dass es vorliegend nicht darum gehe, ob alle Normen des Handelsvertreterrechts auf das zwischen den Parteien geschlossene Vertragsverhältnis anwendbar seien, sondern nur darum, ob die Nichtanwendung des § 89 HGB eine unangemessene Benachteiligung darstelle, was sich schlechterdings nicht verneinen lassen.

Ferner verweist die Klägerin auf die Entscheidung OLG Düsseldorf vom 31.03.2015, Az. I-16 U 70 / 14, Beck RS 2015, 08671, wonach auch der nur ein Vertriebssystem aufbauende und führende Vertriebs- oder Strukturleiter im Rechtssinne als Handelsvertreter tätig sein könne.

Soweit die Beklagte mit ihrer Berufung verurteilt worden ist, Abrechnung für die Monate Juni, Juli und August 2014 zu erteilen, hält die Klägerin die Berufung bereits für unzulässig, weil die Beklagte die Provisionsabrechnungen durch einen Knopfdruck aus ihrem EDV-System generieren könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Berufung ist insgesamt zulässig, insbesondere ist der Berufungswert von 600,00 € gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für sämtliche Ansprüche erreicht. Dem steht, anders als die Klägerin meint, nicht entgegen, dass die Beklagte Abrechnungen, zu deren Erteilung sie u.a. durch das Landgericht verurteilt worden ist, „auf Knopfdruck“ generieren kann. Für die Wertberechnung finden §§ 3-9 ZPO Anwendung (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., § 511 Rn. 20), so dass für die Beschwer der Beklagten gem. § 5 HS 1 ZPO alle Ansprüche zusammen zu rechnen sind. Daher ist auch der Feststellungsausspruch zu berücksichtigen, dessen geschätzter Wert in der Klageschrift allein mit 25.000,00 € angegeben war.

II.

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet, da das Vertriebspartnerverhältnis zwischen den Parteien erst zum 31.08.2014 sein Ende gefunden hat (hierzu unter 1.) und der Klägerin daher der auf der ersten Stufe der von ihr erhobenen Stufenklage verfolgte Anspruch auf Abrechnung für die Monate Juni, Juli und August 2014 zusteht (hierzu unter 2.).

1.

Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet.

a.)

Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO liegen vor. Die Parteien streiten über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses, an dessen Feststellung die Klägerin ein rechtliches Interesse hat. Zwar ist das erforderliche Feststellungsinteresse in aller Regel zu verneinen, wenn eine Klage auf Leistung – ggf. in Form der Stufenklage - möglich und zumutbar ist (vgl. BGH NJW 1994, 2896, 2897; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 254 Rn. 2 und § 256 Rn. 7a).

Zwar wäre es der Klägerin hier ohne weiteres möglich, seine Stufenklage um einen – derzeit noch unbezifferten – Zahlungsantrag zu erweitern. Indes kann ihm ein Interesse an einer rechtskräftigen Feststellung des Beendigungszeitpunktes des Vertriebspartnervertrages nicht abgesprochen werden, da sich hieraus noch Rechtsfolgen für Gegenwart oder Zukunft ergeben können (vgl. BGHZ 27, 190, 196). Denn es steht – wie im Senatstermin erörtert – jedenfalls noch ein Ausgleichsanspruch (§ 89b HGB) des Klägers im Raum, den dieser innerhalb der Jahresfrist gem. § 89 Abs. 4 S. 2 HGB geltend gemacht hat und in dessen Rahmen die zu klärenden Fragen möglicherweise von Belang sind.

b.)

Der Feststellungsantrag hat in der Sache auch Erfolg, da eine längere, nämlich jedenfalls 6-monatige Kündigungsfrist anstelle der in § 15 Ziff. 1 des Vertriebspartnervertrages vereinbarten ordentlichen Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Monatsende gilt und das Vertriebspartnerverhältnis zwischen den Parteien daher – wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat – jedenfalls nicht vor dem  31.08.2014 sein Ende gefunden hatte.

aa.)

Die Wirksamkeit der Kündigung bestimmt sich vorliegend nicht gem. § 89 HGB. § 89 HGB findet keine unmittelbare Anwendung. Unstreitig war die Klägerin nicht als Handelsvertreterin (§ 84 HGB) für die Beklagte tätig, da sie weder Geschäfte vermittelte noch in deren Namen abschloss.

bb.)

Ob, wie das Landgericht meint, § 89 HGB  auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien entsprechende Anwendung findet, kann letztlich für die Entscheidung dieses Rechtsstreits offen bleiben.

Die Parteien waren durch einen sog. Vertriebspartnervertrag verbunden. Danach war die Klägerin Eigenhändlerin, da sie gem. § 2 Ziff. 5 S. 1 als selbständiger Kaufmann im eigenen Namen und für eigene Rechnung Produkte der Beklagten kaufte sowie verkaufte und weder rechtlich noch wirtschaftlich für einen Unternehmer tätig war (vgl. Emde, Vertriebsrecht, 3. Aufl. Vor § 84 Rn. 372). Es mag fraglich sein, ob dieses Vertragsverhältnis im Ergebnis  auch als Vertragshändlervertrag zu qualifizieren ist. Als Vertragshändlervertrag wird ein auf gewisse Dauer gerichteter Rahmenvertrag eigener Art bezeichnet, durch den sich der Vertragshändler verpflichtet, Waren des Herstellers oder Lieferanten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben, und durch den der Vertragshändler in die Verkaufsorganisation des Herstellers bzw. Lieferanten eingegliedert wird (vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2002 – VIII ZR 95/01, juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 05.02.2015 – VII 315/13, juris Rn. 11; Emde, Vertriebsrecht, 3. Auflage, vor § 84 Rn. 372; Hopt, Handelsvertreterrecht, 5. Auflage, § 84 Rn. 10). Für ein solches Vertragshändlerverhältnis wird die analoge Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des Handelsvertreterrechts – so u.a. § 89 HGB (vgl. BGH, aaO, juris Rn. 12) – diskutiert und angenommen (vgl. BGHZ 29, 83; Emde, aaO, Vor 84 Rn. 382). Voraussetzung ist allerdings, dass der Vertragshändler durch den Rahmenvertrag handelsvertretertypische Rechte und Pflichten übernommen hat und in erheblichem Umfang Aufgaben erfüllt, wie sie auch von einem Handelsvertreter wahrgenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2002 – VIII ZR 95 / 01, juris Rn. 8 ff.; OLG Köln, Urteil vom 21.09.2012 – 19 U 113 / 11, juris Rn. 30). Eine der Stellung eines Handelsvertreters vergleichbare Eingliederung in die Absatzorganisation ist dabei dann gegeben, wenn sich der Vertragshändler für den Vertrieb der Erzeugnisse des Herstellers oder Lieferanten wie ein Handelsvertreter einzusetzen hat und auch sonst Bindungen und Verpflichtungen unterliegt, wie sie für einen Handelsvertreter typisch sind (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.1993 – VIII ZR 47 / 92, juris Rn. 47; BGH, Urteil vom 13.06.2007 – VIII ZR 352 / 04, juris Rn. 14). Entscheidend ist, ob sich der Vertragshändler mit der Übernahme von Vertragspflichten eines bedeutenden Teils seiner unternehmerischen Freiheit begeben und sich mit einem bedeutsamen Teil seines Unternehmens ähnlich einem Handelsvertreter in die Vertriebsorganisation des Herstellers/Lieferanten eingefügt hat (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.1993, aaO; OLG Köln, aaO).

Ob diese  Voraussetzungen nach Abwägung aller Umstände vorliegend anzunehmen sind, mag fraglich sein:

Für die entsprechende Anwendung von Handelsvertreterrecht müssen nicht sämtliche Merkmale vorliegen. Es kommt vielmehr darauf an, dass der Vertriebsmittler dem Gesamtbild nach wie ein Handelsvertreter eingegliedert ist (vgl. Senat, Urteil v.  29.07.2013 – 18 U 169/12, juris Rn 118; Emde, aaO, vor § 84 Rn. 360). Bei einer  wertenden Betrachtung mag fraglich sein, ob die Klägerin in wesentlichen Punkten  vergleichbar einem Handelsvertreter in die Absatzorganisation der Beklagten eingebunden war und ihm noch in maßgeblichem Umfang unternehmerische (Rest-) Freiheiten verblieben.

(1.)

Anders als die Beklagte meint, steht einer entsprechenden Anwendung von Handelsvertreterrecht nicht bereits entgegen, dass die Klägerin, die der 6. Stufe (sog. „Chairman Club“) des insgesamt 7-stufigen Vertriebssystems der Beklagten angehörte, als Strukturleiterin in erster Linie verwaltende Aufgaben wahrzunehmen hatte. Die Beklagte hatte ihr die Software „Z“ überlassen und sie damit gem. Ziff. 4 der Benutzungsvereinbarung ausdrücklich als Führungskraft qualifiziert. Nach dem X Marketing-Konzept (Anl. K1, Bl. 9 ff. der Akten) hatte die Klägerin sich neben der Erzielung eines bestimmten Eigenvolumens der Verwaltung und Betreuung seiner „Z“, also der ihr untergeordneten Strukturen, zu widmen. Indes bedarf es im Regelfall keiner persönlichen Tätigkeit des Handelsvertreters; an dem Vertragsschluss mit dem Kunden muss er nicht unmittelbar beteiligt sein. Ausreichend ist vielmehr eine Mitursächlichkeit seiner Tätigkeit für die erzielten Geschäftsumsätze, die sich beispielsweise in der Zahlung von Superprovisionen niederschlagen kann (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.1971 – VII ZR 223 / 69, juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 26.09.2013 – VII ZR 227 12, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.03.2015 – 16 U 70 / 14, juris Rn. 72; Emde, MDR 1999, 1108,1109).

Hier erhielt die Klägerin nach dem Marketingkonzept der Beklagten einer Superprovision vergleichbare Boni, durch die er an den von den Vertriebspartnern seiner „Z“ erzielten Umsätzen beteiligt wurde.

(2.)

Der Senat verkennt nicht, dass das Vertriebspartnerverhältnis eine Reihe von Kriterien aufweist, die üblicherweise auch bei einem Handelsvertretervertrag vorliegen. Ungeachtet der von der Beklagten behaupteten abweichenden Handhabung unterlag die Klägerin nach der allein maßgeblichen vertraglichen Regelung in § 9 des Vertriebspartnervertrages während der Vertragsdauer wie ein Handelsvertreter einem Wettbewerbs- und Abwerbeverbot. Nach der Schutz- und Lizenzordnung (Bl. 89f. der Akten) durften nur die von der Beklagten authorisierten Kennzeichen und Ausstattungen zu Werbezwecken benutzt werden. Auch war die Kommunikation gem. § 12 des Vertriebspartnervertrages reglementiert. Der jeweilige Vertriebspartner verpflichtete sich gemäß Ziff. 2 zur Teilnahme an der elektronischen Kommunikation. Ihm wurde gemäß Ziff. 5 die Möglichkeit eines eigenen Internetauftritts eingeräumt. Der Vertriebspartner verpflichtete sich insofern jedoch, entweder den Vorschlägen der Beklagten für die Gestaltung seiner Homepage zu folgen oder diese erst nach vorheriger Genehmigung durch die Beklagte ins Netz zu stellen. Diese Vorgehensweise spricht dafür, dass es der Beklagten nach außen hin auf ein einheitliches Auftreten ankam. Zudem verpflichtete sich der jeweilige Vertriebspartner gemäß § 3 des Vertriebspartnervertrages zur Teilnahme an dem Schulungs- und Systemkonzept der Beklagten, das der Vermittlung unter anderem von Produktkenntnissen, Kenntnissen des Marketing-Konzepts der Beklagten sowie bestimmter Verhaltensstandards etc. diente. Außerdem statuierte der Vertriebspartnervertrag in § 13 – ähnlich einem Handelsvertreter (§ 86 Abs. 2 HGB) – gegenseitige Unterrichtungspflichten über geschäftliche Vorgänge, die wesentliche Interessen beider Vertragsparteien berührten, insbesondere gemäß § 4 der Schutzrechts- und Lizenzordnung zur Verteidigung der Marke der Beklagten.

(3.)

Bedenken bestehen jedoch nach Auffassung des Senats, ob der Vertriebspartnervertrag eine handelsvertretertypische Absatzförderungspflicht (§ 86 Abs. 1 HGB) statuiert, wonach sich auch der Vertragshändler nachhaltig für den Absatz der Vertragswaren einzusetzen hat (vgl. OLG Köln, aaO, juris Rn. 33; Emde, aaO, vor § 84 Rn. 382).

Der Bundesgerichtshof betont dabei – wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist -, dass die Verpflichtung des Handelsvertreters, sich ständig um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften für den Unternehmer zu bemühen, nicht förmlich und nicht ausdrücklich niedergelegt sein muss, sie kann sich vielmehr auch aus einer tatsächlichen Handhabung zu einer Rechtspflicht entwickeln (st. Rspr.; vgl. etwa BGHZ 62, 71, 73 f.; BGH, Urteil vom 12.11.1986 – I ZR 107 / 84, juris Rn. 12; BGH, Urteil vom 13.07.1994 – VIII ZR 256 / 93, juris Rn. 23; Senat, Urteil vom 25.02.2016 – 18 U 197/14).

Das Oberlandesgericht Köln hat in seiner vorzitierten Entscheidung vom 21.09.2012 angenommen, dass sich eine Absatzförderungspflicht auch aus den zwischen den Parteien getroffenen Provisionsvereinbarungen ergeben kann; indes hat es die Steigerung der Rabatte in dem dort entschiedenen Rechtsstreit nach Maßgabe des wirtschaftlichen Erfolges lediglich als Anreizsystem angesehen, das zur Begründung einer Absatzförderungspflicht nicht ausreichend ist (vgl. OLG Köln, aaO, juris Rn. 33).

Auch das Marketingkonzept der Beklagten sah ein solches gestaffeltes Bonussystem vor, durch das besonders erfolgreiche Vertriebspartner „belohnt“ wurden. Nach den Maßstäben des  Oberlandesgerichts Köln  dürfte deshalb auch in dem hiesigen Rechtsstreit kaum von einer ausreichend statuierten Absatzförderungspflicht auszugehen sein.

Soweit – wie das Landgericht angenommen hat – ein „mittelbarer Druck“ zum Vertrieb aufgebaut wurde, dürfte dieser von seinen Auswirkungen her im konkreten Einzelfall möglicherweise   einer handelsvertretertypischen Absatzförderungspflicht nicht gleichkommen. Zwar drohte bei Nichterreichen der Vorgaben eine Zurückversetzung in die nächst niedrigere Stufe der Vertriebsstruktur. Die Klägerin als Mitglied des „A“ musste 6.000 TOP Eigenvolumen erzielen, bei Erreichung von weniger als 3.000 TOP Eigenvolumen drohte – ungeachtet der Frage, ob die Beklagte von dieser Möglichkeit Gebrauch machte - die Vertragsauflösung (vgl. Bl. 48 der Akten). Für die erstmalige Erreichung des „A“ musste die Klägerin mit ihrer Organisation 12.500 OPs im Kalenderjahr erreichen. Im 1. Kalenderjahr nach Qualifikation waren es immerhin bereits je 12.500 OPs in 6 von 12 Monaten, allein um den Status zu behalten. In den folgenden Kalenderjahren erhöhten sich diese Vorgaben weiter. Durch dieses System wurde jedoch letztlich lediglich ein Anreiz zum Vertrieb geschaffen, welcher sich auch nach der tatsächlichen Handhabung der Parteien nicht hin zu einer handelsvertretertypischen Absatzförderungspflicht verdichtete. Denn für die Klägerin bestand nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen sowie der tatsächlichen Handhabung keinerlei rechtliche Verpflichtung, die Produkte der Beklagten besonders zu vermarkten, mag sie auch allein schon zur Erhaltung ihres status quo rein faktisch bemüht gewesen sein, Umsätze zu generieren.

(4.)

Gegen eine Einbindung der Klägerin in die Absatzorganisation der Beklagten spricht ferner der Umstand, dass sie gem. § 2 Ziff. 6 des Vertriebspartnervertrages in der Preisgestaltung gegenüber dem Endkunden frei war und sich insofern in einem weiteren wesentlichen Punkt gerade nicht ihrer unternehmerischen Freiheit begeben hatte. Auch unterlag die Klägerin weder – anders als ein Handelsvertreter (vgl. hierzu Hopt, aaO, § 86 Rn. 15) – einem besonderen Weisungsrecht der Beklagten (vgl. § 2 Ziff. 5 S. 3 des Vertriebspartnervertrages) noch bestanden zu deren Gunsten besondere Kontroll- und Überwachungsbefugnisse (vgl. Emde, aaO, Vor § 84 Rn. 361). § 13 des Vertrages statuiert insoweit nur eine Unterrichtungspflicht über bestimmte geschäftliche Vorgänge. Es gab jedoch weder ein Recht zur Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen noch bestanden konkrete Informations- und Berichtspflichten hinsichtlich der Tätigkeit am Markt und des mit den Produkten der Beklagten erzielten Umsatzes.

cc.)

Nimmt man nach den obigen Ausführungen keine Vertriebspflicht der Klägerin an, stellt sich die Frage, ob § 89 HGB dennoch und auch auf Lieferverträge ohne Vertriebspflicht, jedoch mit Dauerschuldcharakter analoge Anwendung findet (so OLG Schleswig, Urteil vom 28.01.2010 – 16 U 55/09, BeckRS 2010, 02834). Auch diese Frage kann letztlich unbeantwortet bleiben.

Jedenfalls ist der Vertrag deshalb nicht zu dem hier im Raum stehenden Zeitpunkt durch die Kündigung der Beklagten wirksam beendet worden, weil die maßgebliche Klausel  in § 15 des Vertriebspartnervertrages (hierzu unter (1.)) unwirksam ist. Die angemessene Kündigungsfrist beträgt jedenfalls 6 Kalendermonate zum Monatsende (hierzu unter 2.)). Im Einzelnen:

(1.)

Die in § 15 des Vertriebspartnervertrages vereinbarte Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Monatsende ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

(a.)

Bei dem Vertriebspartnervertrag handelt es sich prima facie um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten gem. § 305 Abs. 1 BGB (vgl. BGHZ 118, 238; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 305 Rn. 23), die erkennbar in den Vertrag einbezogen sind.

(b.)

§ 15 Nr. 1 des Vertriebspartnervertrages benachteiligt die Klägerin gem. § 307 Abs. 1 BGB, welcher auch im kaufmännischen Verkehr Anwendung findet (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO, § 307 Rn. 38), unangemessen.

Eine unangemessene Benachteiligung liegt dann vor, wenn der Verwender durch die Klausel seine Interessen auf Kosten des anderen Teils durchzusetzen versucht, ohne dessen Belange angemessen zu berücksichtigen oder ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1260 Tz. 10; BGH WM 1990, 1165). Wenngleich eine Unangemessenheit sich  nicht allein  schon aus der Unterschreitung der in § 89 Abs. 1 HGB vorgesehenen sechsmonatigen Kündigungsfrist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) ergibt, weil der Vertragspartner  nicht vergleichbar einem Handelsvertreter in die jeweilige Absatzorganisation  eingegliedert war (vgl. OLG Köln, aaO, juris Rn. 40), hat auch das Oberlandesgericht Köln in seiner Entscheidung vom 21.09.2012 – 19 U 113 / 11 – darauf abgestellt, dass im Einzelfall die Anwendung einer besonderen, längeren Kündigungsfrist, geboten sein kann, wenn dies aufgrund von Besonderheiten der beteiligten Kreise ausnahmsweise zum Schutz eines Beteiligten erforderlich ist (vgl. OLG Köln, aaO). Ein solcher Fall liegt  namentlich dann vor, wenn – wie der Bundesgerichtshof für die vertraglichen Beziehungen zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer entschieden hat – letzterer nach den konkreten Umständen der vertraglichen Situation etwa eine Umstellungsfrist benötigt, um für die Zeit nach Vertragsbeendigung eine Tätigkeit für andere Unternehmer aufzunehmen oder um sein Geschäftsfeld umzustellen, weil er seinen Geschäftsbetrieb zuvor weitgehend auf das Vertriebskonzept des Vertragspartners  zuzuschneiden hatte und zugeschnitten hat (vgl. BGH NJW-RR 2002, 1554, 1555).

So liegt der Fall auch hier. Anders als in dem durch das Oberlandesgericht Köln entschiedenen Fall, in dem die dortige Klägerin ihren Geschäftsbetrieb nicht speziell auf die Ware der dortigen Beklagten ausrichten musste und nur einen Bruchteil ihrer Umsätze mit deren Produkten generierte, unterlag die Klägerin des hiesigen Verfahrens gemäß § 9 einem weitreichenden vertraglichen Wettbewerbsverbot, welches ihr während der Vertragsdauer die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen untersagte. Auch war ihr gesamter Geschäftsbetrieb auf den Vertrieb der Produkte der Beklagten ausgerichtet, welcher ihre alleinige Einkommensquelle bildete. Ihre gesamte Arbeitskraft hatte sie über einen Zeitraum von ca. 15 Jahren hinweg in den Dienst der Beklagten gestellt. Bei einer solch langen Dauer eines Vertragsverhältnisses sehen anderweitige gesetzliche Regelungen, so u.a. in § 622 Abs. 2 Nr. 6 BGB, § 624 BGB oder § 89 Abs. 1 S. 2 HGB eine Verlängerung der Kündigungsfrist vor. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Gekündigte im Hinblick auf das längerfristige Bestehen der vertraglichen Bindung häufig auch einer längeren Umorientierungsphase bedarf, um sich auf die neue Situation einzustellen und ggf. eine neue Existenzgrundlage zu schaffen. Vor diesem Hintergrund erscheint auch hier eine Kündigungsfrist von nur 3 Monaten zum Monatsende unangemessen kurz.

(2.)

Die Unwirksamkeit von § 15 Nr. 1 des Vertriebspartnervertrages hat gem. § 306 Abs. 2 BGB zur Folge, dass sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften richtet. Ob die angemessene Kündigungsfrist für Lieferverträge, die – wie hier – nicht unter §§ 84 ff HGB (analog) fallen, nach § 624 oder §723 BGB zu bestimmen (vgl. BGH NJW-RR 1993, 1460; OLG München, NJW-RR 1996, 561) oder durch ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu schließen ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 15.09.1989 – 2 U 63/88, juris Rn. 44; Emde, aaO, § 89 Rn. 35; Palandt/Grüneberg, aaO, § 306 Rn. 13), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. In jedem Fall ist die angemessene Frist bei derartigen Dauerschuldverhältnissen mit einer Vertragslaufzeit von deutlich mehr als 5 Jahren mit mindestens 6 Monaten zu bemessen (vgl. Emde, aaO).

Dies erscheint auch hier im konkreten Einzelfall und in Anbetracht der Tatsache, dass der Vertriebspartnervertrag zwischen den Parteien auf Dauer angelegt war und die Klägerin immerhin ca. 15 Jahre – durchaus erfolgreich - für die Beklagte tätig war, angemessen. Der Klägerin, die während des Vertragsverhältnisses sowohl selbst als auch durch die ihr untergeordneten Strukturen ausschließlich Produkte der Beklagten vertrieb, wurde durch die Kündigung faktisch die Existenzgrundlage entzogen. Die Beklagte mag ein nachvollziehbares Interesse daran haben, den Vertrag durch ordentliche Kündigung in einem überschaubaren Zeitraum zu beenden, auch wenn kein Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung vorliegt. Den Interessen der Klägerin wird in einem Fall wie dem vorliegenden jedoch nur dann ausreichend Rechnung getragen, wenn sie sich nach einer langen und engen Bindung an die Beklagte angemessen auf die Beendigung des bestehenden Vertrages einstellen und ihre Lebensgrundlage auf die veränderte Situation nach Jahren der einseitigen Ausrichtung auf den Vertragspartner ausrichten kann. Dazu ist eine Frist von 3 Monaten erkennbar nicht ausreichend; sie beeinträchtigt ihn vielmehr unangemessen.

2.       Monatsabrechnungen Juni, Juli und August 2014

Der auf der 1. Stufe geltend gemachte Antrag auf Erteilung von Monatsabrechnungen für die Monate Juni, Juli und August 2014 ist zulässig und begründet.

a.)

Der Klageantrag ist hinsichtlich der von der Klägerin verlangten Abrechnungen trotz der Bezugnahme auf Anlage K7 hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Bundesgerichtshof hat es als ausreichend angesehen, wenn sich das konkrete Begehren nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut, wohl aber in Verbindung mit dem Sachvortrag des Klägers ergibt, der nach ständiger Rechtsprechung zur streitgegenstandsbestimmenden Auslegung des Antrag heranzuziehen ist (vgl. BGH NJW 2001, 445, 447; a.A. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 253 Rn. 13).

Nach dieser Maßgabe fehlt es dem Klageantrag nicht an der erforderlichen Bestimmtheit. Der Antrag selbst führt die einzelnen Angaben auf, die die zu erteilenden Abrechnungen zu enthalten haben. Diese werden durch die Bezugnahme auf die Abrechnung Anlage K7 lediglich weiter konkretisiert.

b.)

In der Sache hat die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung von Abrechnungen für die Monate Juni, Juli und August 2014, weil die Beklagte den Vertriebspartnervertrag allenfalls erst zum 31.08.2014 wirksam gekündigt hatte. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass der Klägerin als nicht handelsvertreterähnlicher Vertriebsmittlerin jedenfalls ein Abrechnungsanspruch aus §§ 242, 666 BGB nach Maßgabe der bisherigen vertraglichen Praxis zusteht (vgl. Emde, aa O, § 87c Rn. 18). Auch ist die Klägerin in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang ihres Rechts im Ungewissen, während die Beklagte die begehrte Auskunft unschwer erteilen kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH NJW 2007,1806; BGH NJW 2014,155; Palandt/Grüneberg, aaO, § 260 Rn. 4).

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).