LG Essen, Urteil vom 13.02.2017 - 18 O 93/16
Fundstelle
openJur 2019, 8292
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungen aus einer zwischen der N GmbH und der Beklagten abgeschlossen Vergütungsvereinbarung.

Die N GmbH hat ihre Rechte aus einer zwischen ihr und der Beklagten abgeschlossenen Vergütungsvereinbarung vom 28.03.2012 mit Vereinbarung vom 16.01.2013 an die Klägerin abgetreten.

Im Rahmen einer beruflichen Weiterbildung der Beklagten bei der N GmbH wurde für die Beklagte eine Analyse bezüglich bestehender und möglicherweise abzuschließender Versicherungen durchgeführt. Nachdem die Beklagte zunächst zwei Versicherungen für ihre Töchter abgeschlossen hatte, sprach sie mit verschiedenen Vertretern der N GmbH über eigene Versicherungen.

Im diesem Zusammenhang fand zwischen dem Zeugen G, der für die N GmbH arbeitete und der Beklagten am 28.03.2012 ein Beratungsgespräch über den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages statt. Ein entsprechendes Beratungsprotokoll ist vorhanden (Anlage K14). Am Ende dieser Beratung kam es zum Abschluss einer privaten Rentenversicherung für die Beklagte bei der B S.A. Versicherungsgesellschaft sowie zum Abschluss der hier streitgegenständlichen Vergütungsvereinbarung (Anlage K1) zwischen der N GmbH und der Beklagten. Die Vergütungsvereinbarung wurde in Form einer sogenannten Nettopolice vereinbart, bei der die Versicherungsgesellschaft bei der Berechnung der Versicherungsbeiträge keine Vergütungszahlungen an die vermittelnde Partei, hier also die N GmbH, einkalkuliert. Aufgrund der als Nettopolice bezeichneten Vergütungsvereinbarung erfolgt die Vergütung in diesen Fällen unmittelbar durch den Versicherungsnehmer.

Die N GmbH und die Beklagte vereinbarten, dass für die Vermittlung der Versicherung mit Abschluss dieser eine Vergütung von monatlich 156,18 EUR für einen Zeitraum von 5 Jahren fällig wird. Versicherungsbeginn war der 01.05.2012.

Die Beklagte zahlte die monatlichen Raten an die N GmbH für einen Zeitraum von insgesamt sechs Monate. Weitere Zahlungen erfolgten nicht. Mit Schreiben vom 01.10.2014 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 15.10.2014 erstmals dazu auf, die Raten für den Zeitraum von November 2012 bis Oktober 2014 zu zahlen. Mit weiterem Schreiben vom 25.10.2014 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung sämtlicher noch offenen Raten für die ersten 5 Jahre auf. Eine Zahlung erfolgte seitens der Beklagten nicht.

Die Klägerin ist der Ansicht, die N GmbH sei als Versicherungsvertreterin und nicht als Versicherungsmaklerin aufgetreten. Eine Verwirkung gemäß § 654 BGB käme deshalb nicht in Betracht.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.938,90 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2014 sowie 729,23 EUR nebst 5,00 EUR vorgerichtliche Mahnauslagen zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie sei von dem Zeugen G nicht ausreichend über die Versicherung und die Nettopolice beraten worden. Dies sei der N GmbH zuzurechnen. Sie ist der Ansicht, aufgrund der Falschberatung könne die Klägerin die mit der Klage geltend gemachte Vergütung nicht verlangen. Sie ist weiter der Ansicht, die N GmbH habe ihren Vergütungsanspruch gemäß § 654 BGB wegen einer Pflichtverletzung verwirkt. Darüber hinaus sei die Vergütungsvereinbarung gemäß § 134 BGB nichtig, da es sich um ein Umgehungsgeschäft zu § 169 Abs.5 S.2 VVG gehandelt habe. Auch aufgrund der Falschberatung durch die N GmbH bestehe kein Vergütungsanspruch der Klägerin. Zudem handele es sich bei der Vergütungsvereinbarung um Wucher, da der übliche Provisionssatz von 4 % weit überschritten werde.

Die Klägerin bestreitet eine Falschberatung durch den Zeugen G.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23.01.2017 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig von der Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der Vergütung aus dem am 28.03.2012 geschlossenen Vergütungsvertrag.

Die Beklagte hat mit der N GmbH einen grundsätzlich wirksamen Vergütungsvertrag geschlossen.

Die N GmbH hat im vorliegenden Rechtsstreit nicht als Versicherungsmaklerin, sondern als Versicherungsvertreterin im Sinne vom § 59 Abs. 2 VVG gehandelt. Insbesondere hat die N GmbH durch ihr Verhalten auch nicht den Anschein erweckt, als Versicherungsmaklerin zu handeln (vgl. BGH, Urteil vom 06.11.2013 - I ZR 104/12 -), sodass die Fiktionswirkung des § 59 Abs.3 VVG nicht zum Tragen kommt. Die N GmbH hat zwar ihre Vergütung für den Abschluss eines Versicherungsvertreters als Police vereinbart, was eine Parallele zu der Vergütungsabrechnung von Versicherungsmaklern darstellt. Allerdings spricht der zwischen den Parteien weitgehend unstreitige Verlauf der Beratung eindeutig für die Eigenschaft der N GmbH als Versicherungsvertreterin, insbesondere weil die N GmbH auf die Beklagte zuging und ihr den Abschluss einer privaten Rentenversicherung anbot und diese Initiative nicht wie bei Versicherungsmaklerin üblich von der Beklagten ausging. Dafür spricht auch, dass die N GmbH ausschließlich Versicherungen der B S.A. vermittelte. Da die N GmbH nicht als Versicherungsmaklerin gehandelt hat, kommt eine Verwirkung des Vergütungsanspruchs gemäß § 654 BGB demnach nicht in Betracht.

Bei der abgeschlossenen Vergütungsvereinbarung handelt es sich auch nicht um ein unzulässiges Umgehungsgeschäft mit dem Ziel der Umgehung des § 169 Abs.5 S.2 VVG. Der Vereinbarung einer Nettopolice steht § 169 Abs.5 S.2 VVG nicht im Wege, da hiervon nur allein die Fälle der Einrechnung der Abschlusskosten in die Versicherungsprämie betroffen sind und die Möglichkeit, die Zahlung von Abschlusskosten wie im vorliegenden Fall gesondert zu vereinbaren, unberührt bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 05.06.2014 - BGH III ZR 557/13 - ).

Die N GmbH hat aber gegen die Beratungs- und Dokumentationspflichten gemäß § 61 Abs.1 S.1 VVG verstoßen und dadurch gemäß § 63 S.1 VVG einen Schadensersatzanspruch in Höhe der vereinbarten Vergütung.

Im Gegensatz zum Versicherungsmakler trifft den Versicherungsvermittler eine grundsätzlich weitergehende Pflicht, den Versicherungsnehmer zu beraten. Dies gilt insbesondere, wenn wie hier eine Nettopolice zugunsten des Versicherungsvertreters vereinbart wird (vgl. Prölss/Martin/Reiff, § 169 VVW, Rn.23). Nettopolicen zugunsten des Versicherungsvertreters sind zwar grundsätzlich zulässig, die Rechtsprechung fordert aber im Rahmen der Beratung des Versicherungsnehmers einen deutlichen Hinweis auf die Nettopolice und die damit zusammenhängenden Besonderheiten (vgl. BGH, VersR 2014, 240). Diese erweiterte Beratungspflicht beim Abschluss von Nettopolicen folgt einerseits aus dem für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer überraschend wirkenden Umstand der weiteren Zahlung dieser Police im Falle einer Beendigung des Versicherungsvertrages und andererseits, weil der weit überwiegende Anteil aller abgeschlossenen Versicherungspolicen Bruttopolicen sind und für Nettopolicen deshalb eine besondere Erläuterung der damit einhergehenden Verpflichtungen erforderlich ist (vgl. Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.04.2014 - 23 S 150/13 -, juris). Der Versicherungsvertreter muss also auch hinsichtlich der Vereinbarung einer Nettopolice die Dokumentationspflichten des § 61 Abs.1 S.2 VVG wahren. Dies hat die N GmbH hier nicht getan. Zwar ist anlässlich der Beratung der Beklagten durch den Zeugen G am 28.03.2012 ein Beratungsprotokoll erstellt worden (Anlage K14), dies ist aber an den entscheidenden Stellen nicht aussagekräftig und genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Dokumentation der Beratung nicht.

Der notwendige Umfang und Inhalt eines Beratungsprotokolls richtet sich nach der Komplexität des Produktes, über das beraten wurde (vgl. Prölss/Martin/Dörner, § 61 VVG, Rn.30). Bei der Vereinbarung einer Nettopolice ergibt sich die Notwendigkeit eines genauen Hinweises auf die erfolgte Beratung hinsichtlich der Nettopolice aus den oben genannten Gründen; insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die Vereinbarung einer Nettopolice eine Ausnahmeregelung darstellt.

Dass zugunsten der N GmbH eine Nettopolice vereinbart wurde und die Beklagte über die Besonderheiten diesbezüglich aufgeklärt wurde, ergibt sich aus dem Beratungsprotokoll gerade nicht. Dass die Beklagte laut Beratungsprotokoll über die Kosten für die Vermittlung der Versicherung informiert wurde, genügt nicht, denn ob zu dieser Information die Information über die Besonderheiten der Nettopolice gehörten, lässt sich nicht erkennen.

Das unzureichende Beratungsprotokoll, zu dessen Erstellung der Versicherungsvermittler gemäß § 62 Abs.1 VVG verpflichtet ist, hat eine Beweislastumkehr zu Lasten des Versicherungsvermittlers zur Folge (vgl. Prölss/Martin/Dörner, § 62 VVG, Rn. 13). Der Versicherungsvermittler muss also beweisen, dass der Versicherungsnehmer ordnungsgemäß beraten worden ist. Dies ist der Klägerin aber nicht gelungen. Die Vernehmung des Zeugen G hat nicht ergeben, dass eine ausreichende Beratung gerade über die Vereinbarung einer Nettopolice stattgefunden hat. Der Zeuge hat mehrfach angegeben, sich nicht mehr gut an die Beratung erinnern zu können und insbesondere auch nicht mehr sicher sagen zu können, dass über die Nettopolice gesprochen worden ist. Dass er sich noch daran erinnern konnte, dass über die verschiedenen Möglichkeiten der Zahlung gesprochen worden ist, genügt nicht, um eine ordnungsgemäße Beratung beweisen zu können, denn aus dieser Aussage geht lediglich hervor, dass der Zeitpunkt der Zahlung der Vergütung an die N GmbH besprochen worden ist. Diese Aussage allein lässt aber noch nicht den Schluss zu, dass auch über die Besonderheiten der Nettopolice gesprochen worden ist. Zwar hat der Zeuge bekundet, mit der Beklagten über den Kostenfaktor und die allgemeinen Bedingungen gesprochen zu haben, auf Nachfrage zu Gesprächen über die Nettopolice konnte der Zeuge aber keine weiteren Angaben machen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Zeuge G auf weitere Nachfrage zu den besprochenen Risiken nur Aussagen zu den besprochenen Anlageoptionen des Versicherungsvertrages treffen konnte, nicht aber zu den Risiken für die Beklagte aufgrund der Nettopolice und somit auch auf Nachfrage nicht erwähnte, dass über die Risiken und Besonderheiten der Vereinbarung einer Nettopolice gesprochen wurde, ist der Klägerin der Beweis der ordnungsgemäßen Beratung der Beklagten nicht gelungen.

Die schuldhaft fehlerhafte Beratung durch den Zeugen G ist der N GmbH gemäß § 278 BGB zuzurechnen.

Die fehlerhafte Beratung durch den Versicherungsvermittler hat gemäß § 63 S.1 VVG zur Folge, dass der Versicherungsnehmer einen Schadensersatzanspruch gegen den Versicherungsvermittler hat (vgl. Prölss/Martin/Dörner, § 63 VVG, Rn.5). Die Höhe des Schadensersatzanspruchs entspricht der Höhe des Schadensbetrages, der kausal durch die fehlerhafte Beratung beim Versicherungsnehmer entstanden ist. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Belehrung über die Auswirkungen des Abschlusses einer Nettopolice im Fall einer vorzeitigen Kündigung, besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sich der Versicherungsnehmer bei ausreichender und vollständiger Belehrung nicht für eine Nettopolice entschieden hätte (BGH, Urteil vom 12.12.2013 - III ZR 124/13, Rn. 27, juris). Es liegen keine Umstände vor, welche diese Vermutung entkräften würden. Hätte die Beklagte sich aber nicht für die Nettopolice entschieden, wäre auch die Pflicht zur Zahlung der Gebühren aus der Vergütungsvereinbarung mit der N GmbH nicht entstanden (LG Düsseldorf, Urteil vom 02. 04.2014 - 23 S 150/13 -, Rn. 28, juris).

Aufgrund des Schadensersatzanspruchs der Beklagten in Höhe der Vergütung besteht somit kein Vergütungsanspruch der Klägerin.

Die zwischen den Parteien ebenfalls streitige Frage, ob es sich bei der vereinbarten Vergütungsvereinbarung um einen Wucher im Sinne des § 138 Abs.2 BGB handelt, musste aus den oben genannten Gründen nicht mehr thematisiert und entschieden werden.

Auf die Erstattung der Mahnkosten und der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat die Klägerin mangels bestehender Hauptforderung ebenfalls keinen Anspruch.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 S.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr.11 2.Alt, 711 S.1, 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 7.938,90 EUR festgesetzt.

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