LG Essen, Urteil vom 06.09.2017 - 18 O 434/16
Fundstelle
openJur 2019, 8276
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche nach erklärter Anfechtung im Insolvenzverfahren.

Der Kläger wurde mit Beschluss vom 01.08.2013 als Insolvenzverwalter der Firma C GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) bestellt, nachdem diese am 17.06.2013 einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte.

Gegenstand des Unternehmens der Schuldnerin war die Ausführung von Stahlbeton-, Hoch- und Tiefbauarbeiten. Die Schuldnerin hatte drei Gesellschafter mit einem Stammkapital von insgesamt zuletzt 2,5 Mio. Euro. Zwei der Gesellschafter waren Geschäftsführer der Schuldnerin.

Die Schuldnerin und die Beklagte unterhielten langjährige Geschäftsbeziehungen. Die Beklagte, die bis zum 16.04.2014 als "T GmbH" firmierte, arbeitete mit der Schuldnerin seit dem Jahre 2009 bei insgesamt 24 Bauprojekten zusammen. Dabei führte die Beklagte für die Schuldnerin insbesondere baulogistische Aufgaben, wie z.B. länger andauernde Krangestellungen, Containerüberlassung und die Gestellung sonstiger Baustelleneinrichtung aus. Grundlage der Verträge der Schuldnerin mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten waren u.a. deren Allgemeine Vertragsbedingungen für den Geschäftsbereich Baumaschinen und Geräte mit Stand 01.11.2008. Unter Ziffer 15. heißt es auszugsweise:

"Der Mieter tritt dem Vermieter zur Sicherung der Erfüllung alle jetzigen, wie auch künftig entstehenden Forderungen aus den Werkverträgen mit seinen Auftraggebern bezüglich aller Baustellen auf denen der Mietgegenstand verwandt wurde ab.

(...)

Der Vermieter ist berechtigt, jederzeit auch selbst die Auftraggeber von der Abtretung zu benachrichtigen und die Forderung einzuziehen. Der Vermieter wird indessen von diesen Befugnissen keinen Gebrauch machen und die Forderung nicht einziehen, so lange der Mieter seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt. (...)"

Wegen der weiteren Einzelheiten der Bedingungen wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung (Anlage 7 zur Klageerwiderung, Anlagenband) Bezug genommen.

Zwischen der Beklagten und der I GmbH besteht ein Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag.

Das von der Schuldnerin gegenüber der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beauftragte Auftragsvolumen in der Zeit von 2009 bis 2013 betrug insgesamt 1.645.541,40 €, von denen die Schuldnerin 1.398.348,57 € gegenüber der Beklagten ausglich.

In der Zeit vom 18.07.2011 bis zum 28.01.2013 zahlte die Schuldnerin insgesamt 524.887,23 € auf offene Forderungen der Beklagten.

Wegen der Einzelheiten der Forderungen und Zahlungswege wird auf die Klageschrift (dort Bl. 58 bis 59 d. A.) Bezug genommen.

Während der gesamten Zeit der Zusammenarbeit der Schuldnerin und der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin ließ die Beklagtenseite Bonitätsüberprüfungen der Schuldnerin durch die D vornehmen. Die Bonitätsauskünfte wurden der Beklagten für die Schuldnerin beginnend ab dem 04.03.2008 regelmäßig erteilt, dies bis zum 22.08.2013. Dabei lag der positive Bonitätsindex im Jahre 2008 bei 212 und stieg bis zum Jahre 2011 auf 277. Im November 2011 wurde ein Auftragsbestand von 79,978 Mio. Euro zu Gunsten der Schuldnerin bescheinigt. Laut Bilanz 2010 standen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 15.437 T€ Forderungen in Höhe von 12.856,00 T€, Vermögensgegenständen in Höhe von 4.113 T€ sowie Giroguthaben in Höhe von 3.616 T€ gegenüber. Danach bestand laut Auskunft der D verfügbares Zahlungsguthaben in Höhe von 3,6 Mio. Euro. Im November 2011 wurde von der D bestätigt, dass die Zahlungsweise "meist innerhalb vereinbarter Ziele, teils auch länger" war; die Geschäftsverbindung wurde deshalb seitens der D mit einem Höchstkredit von 200.000 Euro als zulässig ausgewiesen. Im November 2012 verschlechterte sich die Bonität auf den positiven Index von 292. Zur Begründung wurde angegeben, dass der Umsatz auf 53.533 T€ zurückgegangen war. Gleichzeitig wurde aber festgestellt, dass die Verbindlichkeiten weiterhin durch Vermögensgegenstände als "gesichert" anzusehen waren. Ein Höchstkredit in Höhe von 200.000 Euro wurde als zulässig ausgewiesen. Noch am 11.06.2013 wurde der Bonitätsindex der Schuldnerin mit 292 angegeben.

Darüber hinaus hatte die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin mit Versicherungsschein vom 21.09.2010 eine Forderungsausfallversicherung abgeschlossen. Der Versicherer erteilte für Forderungen gegen die Schuldnerin am 18.01.2011 eine Deckungszusage mit einem Ausfallrisiko in Höhe von 100.000 Euro. Gleichzeitig teilte der Versicherer mit, dass er sich vorbehalten werde, im Falle künftiger Lieferungen/Leistungen den Versicherungsschutz zu reduzieren bzw. aufzuheben, "sofern dies nach unseren Beurteilungskriterien zur Bonität Ihres Kunden erforderlich ist." Erst unter dem 19.06.2013 nahm der Versicherer von der zuvor erteilten Deckungszusage Abstand und hob den Versicherungsschutz für Forderungen gegen die Schuldnerin auf. In diesem Zusammenhang wurde mitgeteilt: "Für die bisher entstandenen und in Rechnung gestellten Forderungen aus Warenlieferungen sowie aus Dienst- und Werkleistungen bleibt der Versicherungsschutz nach Maßgabe der vertraglichen Abreden erhalten."

Im Jahr 2011 kam es zu verzögerten Zahlungen der Schuldnerin. Am 14.04.2011 schrieb die T GmbH an die Schuldnerin:

"Offene Posten Arbeitsgemeinschaften S und B

Sehr geehrter Herr G,

nachdem nun alle offenen Positionen zwischen unseren Mitarbeitern geklärt sind, bleibt ein offener Restbetrag in Höhe von 95.443,07 €.

Dieser Betrag ist nunmehr seit Wochen fällig. Ich möchte Sie daher dringend bitten, alles in die Wege zu leiten, um die ausstehenden Zahlungen bis zum 20.04.2011 zu begleichen. Sollte am 21.04.2011 kein Zahlungseingang zu verzeichnen sein, sehe ich mich leider gezwungen, gerichtliche Schritte einzuleiten."

Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung (Anlagenband, Anlage K 58 zur Klageschrift) Bezug genommen.

Die Schuldnerin veranlasste eine Überweisung von 90.000 Euro am 31.05.2011.

Am 19.07.2011 schrieb die T GmbH an die Schuldnerin:

"Unsere Rechnung ...

Einbehalt i.H.v. 15.000 Euro

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihr Prüfexemplar für die o.g. Rechnung haben wir erhalten.

Sie haben entgegen unserer Aufforderung vom 07.07.2011 nicht den vollen Einbehalt in Höhe von 20.000 Euro überwiesen, sondern lediglich einen Betrag in Höhe von 10.000 Euro.

Ebenso wurde durch Sie ein weiterer Einbehalt in Höhe von 5.000 Euro getätigt, zu welchem uns wiederum keine detaillierte Mängelanzeige vorliegt.

Wir setzen Ihnen hiermit eine Frist für die Zahlung der einbehaltenen Beträge in Höhe von 15.000 Euro bis zum 22.07.2011.

Sollten wir bis dahin keinen Geldeingang verzeichnen können, werden wir ab dato von unserem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen.

Die noch offenen Forderungen werden wir gerichtlich einklagen."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung (Anlagenband, Anlage K 61 zur Klageschrift) Bezug genommen.

Die Schuldnerin zahlte daraufhin einen Betrag in Höhe von 10.000 Euro.

Mit Schreiben vom 27.04.2012 schaltete sich die I1 AG ein. Sie zeigte an, für die T GmbH die offenen Posten weiter zu verfolgen. Unter Androhung eines Leistungsverweigerungsrechts forderte die I2 AG einen Betrag in Höhe von 356.651,35 €. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung (Anlage K 63, Anlagenband) Bezug genommen.

Am 01.06.2012 schrieb die T GmbH an die Schuldnerin:

"Kaufmännische Bestätigung

zur Verrechnung der offenen Forderung von C an T1

Einigungsgespräch vom 08.05.2012

(...)

1. Einvernehmlich wurde vereinbart, dass die offenen Forderungen der offenen Postenliste der T GmbH mit Stand 19.04.2012 mit den offenen Forderungen der C und I3 (BV H und Quartier ... - Baufeld ...) verrechnet werden."

Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung (Anlage K 64 zur Klageschrift, Anlagenband) Bezug genommen.

Eine Verrechnung wurde sodann entsprechend dem Schreiben vorgenommen.

Der Kläger behauptet, die Schuldnerin habe ihren Jahresumsatz in der Zeit von 2005 bis 2010 fast vervierfacht. Die vorzufinanzierenden Leistungen seien ebenfalls von etwa 1.000.000 Euro auf 6.000.000 Euro gestiegen. Die Schuldnerin habe jedoch nur über wenige Betriebsmittelfinanzierungen verfügt, weshalb sie die auftretende Lücke durch die Ausweitung von Verbindlichkeiten, Auslieferung und Leistung habe schließen müssen. Dies habe dazu geführt, dass sich die Liquiditätslage der Schuldnerin verschlechtert habe und Verbindlichkeiten erst weit nach Fälligkeit hätten gezahlt werden können.

Der Kläger behauptet weiter, die Schuldnerin sei spätestens zum 10.01.2011 objektiv zahlungsunfähig gewesen. Seit April 2010 habe sie bis zur Insolvenzantragstellung durchgängig weniger als 40% der im Monat fälligen Verbindlichkeiten beglichen.

Wegen der Einzelheiten hierzu und des zugrundeliegenden Zahlenmaterials wird auf die Ausführungen in der Klageschrift (dort Blatt 11 bis 16 d.A.) Bezug genommen.

Er behauptet weiter, am 10.01.2011 hätten liquiden Mittel der Schuldnerin in Höhe von 1.517,478 € fällige Verbindlichkeiten in Höhe von 6.829.012,93 € gegenübergestanden. Wegen des zugrundeliegenden Zahlenmaterials wird auf die Ausführungen in der Klageschrift (dort Blatt 17 bis 23 d.A.) Bezug genommen.

Im Jahre 2010 habe die Schuldnerin fällige Steuerverbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt für Körperschaften III zum Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr bedienen können. Darüber hinaus habe sie spätestens seit dem Jahre 2011 gegenüber erheblichen Lieferanten ihre Zahlungen eingestellt. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die Ausführungen in der Klageschrift (dort Blatt 40 bis 49 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger behauptet zudem, die Beklagte habe spätestens seit dem 14.07.2011 Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt. In 2011 sei der Betrag überfälliger Forderungen angestiegen. Am 14.04.2011 hätten offene Forderungen in Höhe von rd. 100.000,00 € bestanden. Eine Kenntnis der Beklagten ergebe sich u.a. aus ihrem Mahnschreiben vom 14.04.2011 und 19.04.2011 sowie der späteren Verrechnungsvereinbarung unter Einbindung der Muttergesellschaft Hochtief. Zusammengefasst ergebe sich eine Kenntnis der Beklagten aus den Umständen, dass einzelne Forderungen in nicht unerheblicher Höhe bestanden hätten, die Beklagte deshalb bereits Liefersperren angekündigt habe, die Schuldnerin wiederholt nur Teilzahlungen auf fällige Verbindlichkeiten geleistet habe und auch Zahlungszusagen nicht eingehalten habe. Schließlich habe schleppendes Zahlungsverhalten der Schuldnerin gegenüber Lieferanten - teils auch unentbehrlichen Lieferanten - vorgelegen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 524.887,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2013 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn gegenüber den Rechtsanwälten C1 von den Verbindlichkeiten aus der Kostenrechnung vom 27.12.2016, Rechnungsnummer ..., in Höhe von 4.391,90 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sowie das klägerseits diesbezüglich dargelegte Zahlenwerk mit Nichtwissen.

Sie bestreitet darüber hinaus eine Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin. Hierzu erwidert sie, längere Zahlungsziele und eine schleppende Zahlungsweise seien in der Baubranche nicht unüblich und in Bezug auf ihr Vertragsverhältnis mit der Schuldnern auch dem Umstand geschuldet, dass es sich grundsätzlich um längerfristige Projekte gehandelt habe. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin habe sie auch aufgrund der durchgängig positiven Auskünfte der D nicht annehmen müssen. Ferner habe durch die abgeschlossene Forderungsausfallversicherung und der Bonitätsprüfung durch das Versicherungsunternehmen kein Anlass für die Beklagte bestanden, von einer schlechten Liquiditätslage der Schuldnerin ausgehen zu müssen. Auch aufgrund der einzelnen Umstände der Vertragsabwicklung in den Jahren 2011 bis 2013 habe sie auch keine Kenntnis von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit haben müssen. Es sei wegen der in einer Vielzahl von Projekten vereinbarten ratierlichen Abrechnung projektbedingt angelegt, dass sich jeweils offene Forderungen verschoben hätten. Einzelne Zahlungsdifferenzen, wie z.B. in Höhe von 20.000,00 €, seien vor dem Hintergrund der in der Projektliste ausgewiesenen Gesamtbeträge in Höhe von rd. 1,6 Mio. € wirtschaftlich unbedeutend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist in der Sache unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zahlung gegen die Beklagte aus § 133 Abs. 1 InsO a.F.

Dabei stellen die Zahlungen bzw. Verrechnungen der Schuldnerin Rechtshandlungen im Sinne der Vorschrift dar, die auch binnen der 10-Jahres-Frist der Vorschrift vorgenommen worden sind.

Auch hat der Kläger eine drohende Zahlungsunfähig und einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin schlüssig dargelegt. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners regelmäßig dann auszugehen, wenn eine Liquiditätslücke von 10% oder mehr besteht (vgl. u.a. BGHZ 163, 132, 145). Dies gilt nur dann nicht, wenn ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke zwar erst mehr als drei Wochen später, aber in absehbarer Zeit vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird, und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (vgl. hierzu BGHZ 163, 134, 145 ff.; BGH, Beschluss vom 19.07.2077, Az.: IX ZB 36/07, juris). Nach den - bestrittenen - Darlegungen des Klägers ist eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum 10.01.2011 schlüssig vorgetragen, weil zu diesem Zeitpunkt eine Liquiditätslücke von 77,78% bestand, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch zu keiner Zeit unter 10% gesunken ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldnerin von einer Schließung der Liquiditätslücke ausgehen konnte, sind nicht dargetan.

Dagegen kann angesichts des Vortrages nicht von einer generellen Zahlungseinstellung der Schuldnerin ausgegangen werden. Der Kläger hat insoweit Zahlungseinstellungen gegenüber dem Finanzamt sowie gegenüber vier anderen Vertragspartnern der Schuldnerin dargelegt. Eine Zahlungseinstellung gegenüber der Beklagten und auch eine etwaige Kenntnis der Beklagten von den Zahlungsumständen betreffend die Schuldnerin mit anderen Unternehmen, hat der Kläger nicht behauptet.

Darüber hinaus ist angesichts des klägerischen Vortrags von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin auszugehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt der Schuldner dann mit Benachteiligungsvorsatz, wenn er die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung will oder als mutmaßliche Folge erkennt und billigt. Ist der Schuldner im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung bereits zahlungsunfähig, handelt er nur dann nicht mit dem Vorsatz, die Gesamtheit der Gläubiger zu benachteiligen, wenn er aufgrund konkreter Umstände mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24.05.2007, IX ZR 97/06, Rdnr. 8, juris).

Diese Voraussetzungen hat der Kläger schlüssig vorgetragen, insbesondere sind keine Umstände ersichtlich, welche eine Erwartung der Schuldnerin auf eine baldige Sanierung hätten rechtfertigen können.

Die Klage ist jedoch dennoch unbegründet, weil eine Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sowie deren Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht ersichtlich ist.

Die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung können - weil es sich um innere, dem Beweis nur eingeschränkt zugängliche Tatsachen handelt - meist nur mittelbar aus objektiven Tatsachen hergeleitet werden. Soweit dabei Rechtsbegriffe wie die Zahlungsunfähigkeit betroffen sind, muss deren Kenntnis außerdem oft aus der Kenntnis von Anknüpfungstatsachen erschlossen werden. Der Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen (BGH, Urteil vom 13. August 2009 - IX ZR 159/06, ZInsO 2009, 1909 Rn. 8 mwN). Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urteil vom 19. Februar 2009 - IX ZR 62/08, BGHZ 180, 63 Rn. 13; vom 13. August 2009, aaO). Bewertet der Gläubiger das ihm vollständig bekannte Tatsachenbild falsch, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er diesen Schluss nicht gezogen hat. Die Feststellung der subjektiven Voraussetzungen der Anfechtung obliegt dabei in erster Linie dem Tatrichter. Erforderlich ist auch im Blick auf die Kenntnis der aufgrund der Zahlungseinstellung vermuteten Zahlungsunfähigkeit eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände, sofern aus ihnen ein zwingender Schluss auf die Kenntnis folgt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12, ZInsO 2013, 2109 Rn. 17 mwN). (BGH, Urteil vom 08. Januar 2015 - IX ZR 203/12 -, Rn. 25, juris)

Soweit der Kläger zu diesem Punkt anführt, dass das Finanzamt bereits im Jahre 2010 rückständige Steuerforderungen im Wege des Vollstreckungsverfahrens beigetrieben habe, ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte hiervon Kenntnis gehabt hätte. Gleiches gilt, soweit der Kläger Nichtzahlung an auch wichtige und existenzielle Lieferanten der Schuldnerin anführt. Insoweit sind keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, die auf eine Kenntnis der Beklagten von diesen Vorgängen schließen lassen.

Als mögliche Anhaltspunkte für eine Kenntnis der Beklagten kommen damit ausschließlich solche Vorgänge in Betracht, die das Vertragsverhältnis der Beteiligten betrafen, dies unter Einschluss des Mutterkonzerns I4.

Soweit der Kläger hierzu die Mahnschreiben vom 14.04.2011 und 19.07.2011 heranzieht, vermag die Kammer hieraus keine Umstände folgern, welche die Beklagte hätten zu der Annahme kommen lassen müssen, dass die Schuldnerin bald zahlungsunfähig sein werde. Sowohl dem Schreiben vom 14.04.2011, aber insbesondere auch dem Schreiben vom 19.07.2011 ist zu entnehmen, dass die Forderungen der Beklagten inhaltlich zwischen den Parteien zumindest zum Teil streitig waren. Dies ergibt sich hinsichtlich des Schreibens vom 14,04.2011 aus dem Wortlaut "nachdem nun alle offenen Posten zwischen unseren Mitarbeitern geklärt sind".

Deutlicher wird dies noch in dem Schreiben vom 19.07.2011, in dem es heißt, die Beklagte habe das "Prüfexemplar der Rechnung" erhalten und die Schuldnerin habe einen Einbehalt vorgenommen. Insofern kann aus diesen Schreiben allenfalls geschlossen werden, dass die Parteien aufgrund inhaltlicher Unstimmigkeiten bezüglich der Rechnungspositionen über deren Berechtigung stritten. Angesichts des Umstandes, dass die Beklagte in jedem Schreiben mitteilte, dass sie bei Nichtzahlung die Leistungen einstellen werde und/oder gerichtliche Schritte einleiten werde, kann auch aus diesen Androhungen nicht geschlussfolgert werden, dass die Beklagte von drohender Zahlungsunfähigkeit der Schuldnern ausgehen musste.

Hinsichtlich der Einschaltung des Mutterkonzerns mit Schreiben vom 27.04.2012 mag für sich genommen ein Indiz dafür vorliegen, dass die Beklagte schleppendes Zahlungsverhalten der Schuldnerin nicht mehr hinnehmen wollte. Die in dem Schreiben angesprochene Ankündigung der Leistungseinstellung stellt für sich genommen ebenfalls ein Indiz dafür dar, dass der Empfänger eine drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit erkennen muss (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 08. Oktober 2009, Az.: IX ZR 183/07, BGH, Urteil vom 09. Juni 2016, Az.: IX ZR 174/15, juris). Allerdings kann dieses Indiz im vorliegenden Fall nicht dazu herangezogen werden, um von einer Kenntnis der Beklagten von der drohenden Zahlungsunfähigkeit ausreichend sicher ausgehen zu können. Dies folgt daraus, dass das Indiz für sich genommen nicht aussagekräftig genug ist, um eine Kenntnis der Beklagten anzunehmen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Vertragsbedingungen der Beteiligten - der Schuldnerin, der T und der I1 AG - eben Verrechnungen vorsahen. Angesichts des Umstandes, dass die Schuldnerin Forderungen gegenüber dem Mutterkonzern hatte, die verrechnet werden konnten, lässt dies die in Anlage K 64 niedergelegte Verrechnungsweise als natürlichen Vorgang erscheinen.

Hinzu kommt, dass die vertragliche Verbindung der Beklagten mit der Schuldnerin von längerfristigen Bauvorhaben geprägt war. Deshalb durfte die Beklagte angesichts der Gepflogenheiten im Baugewerbe auch trotz teilweiser nur schleppender Zahlungen von einer ausreichenden Liquidität der Schuldnerin ausgehen. Diese Annahme widerspricht auch nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der in seinem Urteil vom 10.07.2014 (Az.: IX ZR 192/13) für den dort zu behandelnden Fall ausgeführt hat, dass "der Befund branchenübergreifender Zahlungsverzögerungen nicht durch verifizierbare Tatsachen - anhand von epirischem Material oder auch nur anhand von Medienberichten - untermauert" werde. Denn der Bundesgerichtshof hat sich insoweit nur zu der Frage des Vorliegens eines Bargeschäftes im Sinne der InsO geäußert, nicht aber zu der Frage, wann und unter welchen Umständen ein Gläubiger von der Zahlungsunfähigkeit seines Schuldners ausgehen muss.

Dass in der Geschäftsbeziehung der Beklagten mit der Schuldnerin aber aufgrund ratierlicher Abrechnungen von Langzeitprojekten zwischenzeitliche Rückstände nicht ungewöhnlich waren, hat die Beklage ausreichend dargelegt.

Schließlich spricht gegen eine Kenntnis der Beklagten von (drohender) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin, dass sich die Beklagte über das Unternehmen D über die gesamte Vertragslaufzeit über die Bonität der Schuldnerin informiert hat. Dabei sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum die Beklagte auf die entsprechenden Auskünfte des Unternehmens nicht hätte vertrauen dürfen. Soweit sich aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.03.2016 (IX ZR 242/13) ergibt, dass Auskünfte eines Bonitätsprüfungsunternehmens in dem dort zu entscheidenden Fall nicht dazu führen konnten, dass von einer Nichtkenntnis des Gläubigers über die finanzielle Situation des Schuldners ausgegangen werden konnte, so liegt es hier im Streitfall anders. Aus vorgenannter Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergibt sich auch, dass grundsätzlich Auskünfte von Bonitätsprüfungsunternehmen im Zusammenhang mit der Frage einer etwaigen Kenntnis von (drohender) Zahlungsunfähigkeit heranzuziehen sind. Anders als im dortigen Streitfall, waren die Auskünfte hier jedoch jeweils aktuell und gaben neben der allgemeinen Aussage über die Entwicklung des Unternehmens und die Zahlungsweise auch noch Auskünfte darüber, bis zu welcher Höhe Kreditwürdigkeit der Schuldnerin bestand. Hinzu kommt in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte auch aufgrund der von ihr abgeschlossenen Ausfallversicherung davon ausgehen durfte, dass diese die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin prüfen werde. Angesichts der positiven Zusage über eine Forderungsausfallsumme von 100.000,00 € durfte die Beklagte daher von einem entsprechenden finanziellen Hintergrund der Schuldnerin ausgehen.

Auch in einer Gesamtschau der von dem Kläger vorgetragenen Indizien aus dem Ablauf der Geschäftsbeziehung der Parteien ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, von der Kenntnis der Beklagten von einer etwa (drohenden) Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin auszugehen.

Mangels Anspruch auf die Hauptforderung stehen dem Kläger auch die begehrten Zinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zu.

Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren scheitert ebenfalls daran, dass ein Anspruch auf die Hauptforderung nicht besteht. Darüber hinaus ist nur verzugsbegründende Tätigkeit der außergerichtlich tätigen Anwälte vorgetragen, so dass ein Anspruch diesbezüglich nach bisherigem Sach- und Streitstand ohnehin nicht ersichtlich ist.

Die Entscheidungen über Kostenlast und Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

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