OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.03.2017 - 18 B 148/17
Fundstelle
openJur 2019, 8053
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 27 L 4067/16
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Beschwerdevorbringen stellt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dem Antragsteller stehe kein Anspruch auf Erteilung einer sog. Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung zu, nicht durchgreifend in Frage. Nach dieser Regelung ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von Satz 3 zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen des Absatzes 6 nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Dass diese Voraussetzungen im Fall des Antragstellers vorliegen, ist jedoch auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht erkennbar.

Allerdings hat der Antragsteller glaubhaft gemacht, eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnehmen zu können. Hierzu bedarf es regelmäßig zum einen der Vorlage eines schriftlichen Ausbildungsvertrages. Allein der Hinweis auf einen mündlich geschlossenen Vertrag reicht demgegenüber - ungeachtet des Umstandes, dass auch ein solcher Vertrag wirksam ist - zur Glaubhaftmachung der Voraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG jedenfalls in Abschiebungsschutzverfahren nach § 123 VwGO grundsätzlich nicht aus.

A.A. VGH BW, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 11 S 1991/16 -, juris.

Insoweit gilt vorliegend nichts anderes als für die Glaubhaftmachung eines - zu seiner Wirksamkeit ebenfalls keines schriftlichen Vertrages bedürfenden - Arbeitsverhältnisses im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Mit Rücksicht darauf, dass die schriftliche Fixierung eines Arbeits- bzw. Ausbildungsvertrages der gängigen Praxis entspricht, ist es im Regelfall auch mit Blick auf die Rechtsschutzgewährleistungen des Art. 19 Abs. 4 GG nicht geboten, allein die Bezugnahme auf eine mündliche Abrede für das Erfordernis der Glaubhaftmachung ausreichen zu lassen. Dies gilt für den vorliegenden Fall des Ausbildungsvertrages umso mehr, als § 11 Abs. 1 und 3 BBiG den Ausbilder zur schriftlichen Niederlegung der wesentlichen Vertragsinhalte und Aushändigung der Niederschrift an den Auszubildenden verpflichtet und Verstöße hiergegen nach § 102 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BBiG eine Ordnungswidrigkeit begründen, die nach Abs. 2 mit einer Geldbuße bis zu 1.000,- EUR geahndet werden können.

Des Weiteren bedarf es mit Rücksicht darauf, dass nur die Aufnahme eines staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberufs auf die Erteilung einer Ausbildungsduldung führen kann, zudem grundsätzlich eines Nachweises über die Eintragung des Ausbildungsvertrages in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse (sog. Lehrlingsrolle) nach den §§ 34 Abs. 1 Satz 1, 35 BBiG. Denn erst mit dieser Eintragung, die nur nach einer Prüfung der Vereinbarkeit des Berufsausbildungsvertrages mit den Vorschriften des BBiG und der Ausbildungsordnung sowie der persönlichen und fachlichen Eignung des Ausbilders und der Eignung der Ausbildungsstätte durch die insoweit zuständige berufsständische Kammer erfolgt und nach § 43 Abs. 1 Nr. 3 BBiG Voraussetzung für die Zulassung des Auszubildenden zur Abschlussprüfung ist, ist davon auszugehen, dass die Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf erfolgt (vgl. auch § 4 Abs. 2 BBiG). Da auch diese Voraussetzung vom Ausländer glaubhaft zu machen ist, obliegt zunächst ihm die entsprechende Darlegungslast und nicht der Ausländerbehörde.

Vgl. BT-Drs. 18/9090 S. 27; a.A. VGH BW, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 11 S 1991/16 -, juris.

Den vorstehenden Erfordernissen ist der Antragsteller mit der Vorlage des unterzeichneten Ausbildungsvertrags am 11. August 2016 sowie den nachfolgenden Mitteilungen über die am 10. August 2016 erfolgte Eintragung in die Lehrlingsrolle nachgekommen. Eine tatsächliche Aufnahme der Ausbildung an der Ausbildungsstätte dürfte insoweit trotz des missverständlichen Wortlauts der Vorschrift nicht erforderlich sein. Nach der Auffassung des Gesetzgebers soll die Wendung "aufgenommen hat" in der zweiten Alternative des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG diejenigen Fälle erfassen, in denen der Ausländer die Berufsausbildung begonnen hat mit einem anderen aufenthaltsrechtlichen Status wie z.B. einer Aufenthaltsgestattung oder während des Besitzes einer Duldung aus anderen Gründen. Die erste Alternative "aufnimmt" soll demgegenüber nach der gesetzgeberischen Vorstellung dann vorliegen, wenn der Ausländer zu dem Zweck der im Berufsausbildungsvertrag bezeichneten Ausbildung die Tätigkeit bei der Ausbildungsstätte beginnt.

Vgl. BT-Drs. 18/9090 S. 27.

Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses verbliebe jedoch für die Alternative des Aufnehmens praktisch kein Anwendungsbereich. Denn angesichts des Umstandes, dass eine Ausbildung nur aufgenommen werden darf, wenn zuvor eine entsprechende Beschäftigungserlaubnis erteilt worden ist (vgl. §§ 4 Abs. 2 und 3 AufenthG), und diese ihrerseits unmittelbar kraft Gesetzes akzessorisch an einen bestehenden Titel bzw. eine Duldung gebunden ist,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. August 2016 - 1 B 96.16 -, juris, Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, Stand Mai 2014, § 4 AufenthG Rn. 106,

kann eine Beschäftigung rechtmäßig nur aufgenommen werden, wenn bereits ein Titel bzw. eine Duldung vorliegt. Steht aber die Erteilung einer Ausbildungsduldung erst in Rede, so kann die Aufnahme einer Ausbildung rechtmäßig nur während der Geltungsdauer eines anderen Titels oder einer anderen Duldung und damit nach Maßgabe der zweiten Alternative erfolgt sein. Mit Blick auf die gesetzliche Ausgestaltung der Ausbildungsduldung in Form von zwei Fallvarianten und angesichts des in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Bestrebens, auch denjenigen Ausländern die Absolvierung einer Ausbildung zu ermöglichen, denen dies bislang nicht möglich war, weil potentielle Arbeitgeber aufgrund der in der kurzen Geltungsdauer der Duldung begründeten Unsicherheit über den Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet während der Gesamtdauer der Ausbildung nicht bereit waren, Geduldete auszubilden,

vgl. BT-Drs. 18/5420 S. 27,

dürfte Überwiegendes dafür sprechen, dass ein Ausländer eine Ausbildung auch dann im Sinne des Gesetzes "aufnimmt", wenn der Beginn des Ausbildungsjahres in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem abgeschlossenen Ausbildungsvertrag steht.

So auch VGH BW, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 11 S 1991/16 - a.a.O. und Nds.OVG, Beschluss vom 9. Dezember 2016 - 8 ME 184/16 -, juris.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend im Hinblick auf den Vertragsschluss am 20. Juli 2016, die Eintragung in die Lehrlingsrolle am 10. August 2016 und dem ursprünglich vorgesehenen Beginn des Ausbildungsjahrs am 1. September 2016 erfüllt.

Dem geltend gemachten Anspruch steht ferner nicht der Ausschlussgrund des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG entgegen. Hiernach scheidet die Erteilung einer Ausbildungsduldung aus, wenn im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen. Dieser Ausschlussgrund trägt dem Umstand Rechnung, dass die Erteilung der Ausbildungsduldung für die Dauer der Ausbildung und eines sich ggf. anschließenden Zeitraums der Suche nach einer Beschäftigung - vorbehaltlich der Regelungen in § 60a Abs. 2 Sätze 9 und 10 - die Vollziehung einer Abschiebung hindert und räumt in Abwägung der widerstreitenden Interessen der Durchsetzung der Ausreisepflicht den Vorrang ein, wenn die Abschiebung bereits konkret vorbereitet wird und ihr Vollzug für die Ausländerbehörde absehbar ist.

Vgl. BT-Drs. 18/9090 S. 26.

Demgemäß erfasst der Ausschlussgrund alle Maßnahmen, die nach typisierender Betrachtung in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der beabsichtigten Abschiebung stehen.

Vgl. VGH BW, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 11 S 1991/16 - a.a.O. und Nds.OVG, Beschluss vom 9. Dezember 2016 - 8 ME 184/16 -, juris.

Vorliegend hat die Antragsgegnerin zwar unter dem 29. August 2016 die Ausstellung eines Passersatzpapiers für den Antragsteller beantragt. Die Beantragung eines Pass(ersatz)papiers durch die Ausländerbehörde ist regelmäßig - und so auch hier - eine konkrete Maßnahme zur Beendigung des Aufenthalts eines Ausländers im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG.

Vgl. auch BT-Drs. 18/9090 S. 26.

Diese hindert vorliegend jedoch gleichwohl nicht die Duldungserteilung, weil der Antragsteller bereits zuvor unter Vorlage des unterzeichneten Ausbildungsvertrages die Erteilung der Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG beantragt hatte. Die Frage, ob einem Ausländer ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung zusteht, beurteilt sich zwar grundsätzlich nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Soweit es aber darum geht, ob der Ausschlussgrund des Bevorstehens konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorliegt, ist der maßgebliche Zeitpunkt jedoch aus materiellrechtlichen Gründen ausnahmsweise auf den der Beantragung der Erteilung der Ausbildungsduldung vorzuverlagern. Insoweit hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass dies geboten erscheint. Denn sowohl bei einem Abstellen auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Ausländerbehörde über den geltend gemachten Anspruch als auch auf den der gerichtlichen Entscheidung hätte es letztlich die Ausländerbehörde in der Hand, durch kurzfristige Einleitung von Abschiebemaßnahmen - die nach dem Gesetzeswortlaut selbst im Fall einer bereits aufgenommenen Ausbildung die Duldungserteilung hindern - die Entstehung des Anspruchs zu verhindern.

Vgl. VGH BW, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 11 S 1991/16 -, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. November 2016 - OVG 12 S 61.16 - und Nds.OVG, Beschluss vom 9. Dezember 2016 - 8 ME 184/16 -, jew. juris.

Der Ausschlussgrund hindert die Erteilung einer Duldung jedoch nur dann nicht, wenn der zuvor gestellte Antrag auf Erteilung der Ausbildungsduldung hinreichend konkretisiert ist. Dies setzt grundsätzlich die Vorlage eines bereits abgeschlossenen Ausbildungsvertrages voraus, der sich zudem auf das unmittelbar bevorstehende Ausbildungsjahr beziehen muss und in engem zeitlichem Zusammenhang mit diesem steht. Hieran wird es in der Regel bei solchen Ausbildungsverträgen fehlen, die weit im Vorfeld des geplanten Beginns einer Ausbildung abgeschlossen werden. Nicht erforderlich ist im vorliegenden Zusammenhang jedoch weiter, dass auch der Nachweis über die Eintragung des Ausbildungsvertrages in die Lehrlingsrolle bereits im Zeitpunkt der Antragstellung erbracht wird. Insoweit ist es mit Rücksicht auf den Umstand, dass der Auszubildende zwar im Hinblick auf einen erfolgreichen Abschluss seiner Ausbildung (vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 3 BBiG) ein erhebliches eigenes Interesse an der Eintragung hat, diese aber nicht unmittelbar beeinflussen kann, da die Eintragung in das Berufsausbildungsverzeichnis nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BBiG von dem Ausbildenden zu veranlassen und von der zuständigen berufsständischen Kammer nach Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen vorzunehmen ist, ausreichend, wenn der Nachweis über die Eintragung des bei Antragstellung vorgelegten Berufsausbildungsvertrags zeitnah nachgereicht wird. Dies gilt jedoch nur für die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt einem etwaigen Duldungsanspruch die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen entgegen stehen. Eine Duldungserteilung ohne diesen Nachweis kommt demgegenüber regelmäßig nicht in Betracht.

Dem geltend gemachten Anspruch steht vorliegend jedoch entgegen, dass der Antragsteller den Ausschlussgrund des § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG verwirklicht. Hierzu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Antragsteller erfülle die Voraussetzungen des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, weil er - neben der unzutreffenden Angabe des Namens und der verwandtschaftlichen Beziehungen im Heimatland - durch die falsche Altersangabe aufgrund der bei einer Abschiebung (angeblich) Minderjähriger zu beachtenden Vorsorge- und Schutzmaßnahmen des § 58 Abs. 1a) AufenthG die Möglichkeit einer Abschiebung erheblich erschwert habe. Diese Einschätzung stellt der Antragsteller, der einräumt, dies möge zutreffen, mit der Beschwerde nicht (substantiiert) in Frage. Vielmehr wendet er sich gegen die Wertung des Verwaltungsgerichts, der Ausschlussgrund sei auch dann beachtlich, wenn er im Zeitpunkt der Beantragung der Duldung vorgelegen habe. Dieses Vorbringen greift indes nicht durch. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob der Ausländer den Ausschlussgrund des § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG verwirklicht, ist - anders als im unmittelbaren Anwendungsbereich des Abs. 6 - derjenige der Beantragung der Ausbildungsduldung. Insoweit gilt nichts anderes als für die im Rahmen des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG zu beurteilende Frage, ab welchem Zeitpunkt konkret bevorstehende Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung einem Duldungsanspruch nicht mehr entgegen gehalten werden können. Dieses Ergebnis folgt aus dem Zusammenhang der beiden Ausschlussgründe, und zwar aus dem Umstand, dass der Ausschlussgrund der bevorstehenden Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung voraussetzt, dass derartige Maßnahmen möglich sind und damit der Ausschlussgrund des § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG nicht vorliegt. Ist damit das Nichtvorliegen des letztgenannten Ausschlussgrundes Anwendungsvoraussetzung für den erstgenannten Ausschlussgrund, so müssen die Beurteilungszeitpunkte identisch sein. Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen: § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AufenthG normiert einen Ausschluss von der Duldungserteilung, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei dem Ausländer aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können. Nach Satz 2 der Vorschrift hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nr. 2 insbesondere zu vertreten, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Damit erfasst der Ausschlussgrund des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AufenthG gerade diejenigen Fälle, in denen typischerweise konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen, die eine zeitnahe Durchführung der Abschiebung erwarten lassen, von der Ausländerbehörde nicht eingeleitet werden können. Insbesondere wenn der Ausländer - wie in den Fällen der Nr. 2 üblich - keine Ausweisdokumente seines Heimatstaates vorgelegt hat, setzt die im Vorfeld einer Abschiebung erforderliche Klärung des Zielstaates und dessen Aufnahmebereitschaft grundsätzlich voraus, dass die Identität des Ausländers und seine Staatsangehörigkeit feststehen. Der Ausschlussgrund des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG setzt seinerseits indes voraus, dass der Ausländerbehörde die Einleitung konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung überhaupt möglich ist. Bedingt danach das Eingreifen des Ausschlussgrundes des Vorliegens konkreter aufenthaltsbeendender Maßnahmen das Nichtvorliegen des Ausschlussgrundes des § 60a Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, so folgt hieraus, dass der letztgenannte Ausschlussgrund spätestens in dem für die Beurteilung des erstgenannten Ausschlussgrundes maßgebenden Zeitpunkt nicht (mehr) vorliegen darf. Dass der Ausschlussgrund des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG, wie die Beschwerde geltend macht, in der Zeitform des Präsens formuliert ist, steht diesem Verständnis ebenso wenig entgegen, wie dies bei dem Ausschlussgrund des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG der Fall ist - was die Beschwerde dort auch ausdrücklich nicht beanstandet. Mit der Verwendung der Präsensformulierung bringt der Gesetzgeber lediglich zum Ausdruck, dass der Ausschlussgrund in dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vorliegen muss und nur diejenigen Handlungen, die von diesem Zeitpunkt aus betrachtet in der Vergangenheit liegen, unbeachtlich sein sollen.

Vgl. zu diesem Wortlautverständnis auch BVerwG, Vorlageentscheidung vom 15. Juli 1997 - 1 C 24.96 - InfAuslR 1998, 4.

Welches der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage insgesamt oder hinsichtlich einzelner Tatbestandsvoraussetzungen maßgebliche Zeitpunkt ist, richtet sich hingegen nach dem materiellen Recht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.