VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28.04.2016 - 17 K 4135/15
Fundstelle
openJur 2019, 7727
  • Rkr:

Zum fehlenden Anspruch eines Rechtsreferendars gegen das Landesjustizprüfungsamt NRW auf Informationserteilung nach § 4 Abs. 1 IFG NRW betreffend Prüfungsaufgaben und Prüfervermerke.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem beklagten Land eine Auskunft des Landesjustizprüfungsamtes Nordrhein-Westfalen (LJPA) nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW (IFG NRW).

Er beantragte am 29. Juli 2015 auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 IFG NRW bei dem LJPA, ihm Zugang zu "den Prüfungsaufgaben samt des Prüfervermerks über die Lösung der Aufgabe aus den Durchgängen Juli 2013 bis Juni 2014 für die zweite juristische Staatsprüfung" zu gewähren und ihm die Vervielfältigung der Unterlagen zwecks Vorbereitung auf das zweite juristische Staatsexamen zu gestatten. Er führte aus, dass seinem Begehren § 2 Abs. 3 IFG NRW nicht entgegenstehe. Zwar sei das LJPA eine Prüfungseinrichtung im Sinne dieser Vorschrift. Nach ihrem Sinn und Zweck schütze die Vorschrift jedoch nur Prüfungsaufgaben nebst Prüfervermerken vor der Nutzung zu Prüfungszwecken. Da sich sein Auskunftsbegehren jedoch auf Prüfungsaufgaben nebst Prüfervermerken beziehe, die vor mehr als einem Jahr Prüfungsgegenstand gewesen seien, sei zu Grunde zu legen, dass etwaige Beschwerden und Prüfungsanfechtungen Dritter seinem Auskunftsbegehren nicht mehr entgegengehalten werden könnten. Darüber hinaus seien in der Vergangenheit den Arbeitsgemeinschaftsleitern zu Übungszwecken entsprechende Klausuren mit Prüfervermerken zur Verfügung gestellt worden.

Mit Bescheid vom 20. August 2015, der ausweislich des Poststempels auf dem Briefumschlag am 24. August 2015 zur Post aufgegeben wurde, lehnte das LJPA das Informationsbegehren des Klägers ab. Es führte zur Begründung aus: Das IFG NRW sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil Prüfungseinrichtungen gemäß § 2 Abs. 3 IFG NRW vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen seien, soweit sie im Bereich von Leistungsbeurteilungen und Prüfungen tätig würden. Dieser Ausnahmetatbestand habe nicht nur den Zweck, das Bekanntwerden von Prüfungsaufgaben vor ihrer Verwendung zu Prüfungszwecken zu verhindern. Vielmehr schütze er die Tätigkeit von Prüfungsämtern auch über die organisatorische Abwicklung einzelner Prüfungen hinaus. Zu der Tätigkeit des Landesjustizprüfungsamtes gehöre es nicht nur, die zur Ablegung der eigentlichen Examensprüfung erforderlichen Klausuren zu erstellen. Vielmehr versorge es auch die Ausbildungspraxis mit einer ausreichenden Zahl solcher Klausuren, damit die Ausbildung der Referendarinnen und Referendare sachgerecht möglich sei. Dort würden die Klausuraufgaben während der Dauer des Vorbereitungsdienstes und auch während eines sich gegebenenfalls anschließenden Ergänzungsvorbereitungsdienstes zur Beurteilung der Leistungen der Referendarinnen und Referendare eingesetzt. Gemäß § 41 Abs. 3 JAG NRW obliege es dem Justizministerium, Ausbildungspläne für die Ausbildung der Referendarinnen und Referendare zu erstellen, welche im Rahmen der Rechtsvorschriften Ausbildungsziel, Ausbildungsgegenstände und Auslegungsmethoden erläuterten. Deshalb habe das Justizministerium entsprechende Ausbildungspläne erstellt. Die Ausbildungspläne für die Arbeitsgemeinschaften sähen jeweils mehrere fünfstündige Klausuren vor, für die die bereits im Examen verwandten Prüfungsaufgaben eingesetzt würden. Wäre das Landesjustizprüfungsamt verpflichtet, jedermann Zugang zu den Klausuraufgaben samt Prüfervermerk zu gewähren, sobald die Klausuren im Examen geschrieben worden seien, könnte die Versorgung der Ausbildungspraxis mit einer für die Einhaltung der maßgeblichen Ausbildungspläne ausreichenden Zahl von Examensklausuren nicht mehr gewährleistet werden. Dies würde einen beträchtlichen Eingriff in die Tätigkeit des Landesjustizprüfungsamtes darstellen, den aber § 2 Abs. 3 IFG NRW gerade verhindern solle.

Zudem würde - eine Anwendbarkeit des IFG NRW unterstellt - ein Anspruch auf Herausgabe der Prüfervermerke jedenfalls auch nach § 4 Abs. 2 IFG NRW in Verbindung mit §§ 56 Abs. 1, 23 Abs. 2 JAG NRW ausgeschlossen sein. Es sei davon auszugehen, dass durch diese gesetzlichen Bestimmungen der Umfang des Akteneinsichtsrechts des Prüflings abschließend geregelt worden sei. Diese Wertung des JAG NRW dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass jedermann - also auch dem jeweiligen Prüfling selbst - ein entsprechender Informationsanspruch nach dem IFG NRW zugestanden werde.

Mit seiner am 23. September 2015 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt ergänzend vor: § 2 Abs. 3 IFG NRW stehe seinem Begehren nicht entgegen, da das LJPA nicht im Bereich von Prüfungen tätig werde, soweit es um die Erteilung der begehrten Informationen im vorliegenden Fall gehe. Die Weitergabe der begehrten Informationen an die Landgerichte erfolge nicht mehr im schützenswerten Rahmen der Prüfungsdurchführung, sondern diene einem neuerlichen Zweck, nämlich dem der Prüfungsvorbereitung. Wenn seinem Begehren entgegengehalten werde, Prüfungsaufgaben würden für die Ausbildung in Arbeitsgemeinschaften benötigt, so könne diesem Gesichtspunkt in Hinblick darauf kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden, dass sich sein Auskunftsbegehren auf den Zeitraum von Juli 2013 bis Juni 2014 beziehe.

Sein Auskunftsbegehren sei nicht durch § 4 Abs. 2 IFG NRW in Verbindung mit §§ 56 Abs. 1, 23 Abs. 2 JAG NRW ausgeschlossen, da er (noch) kein Prüfling im Sinne des § 23 Abs. 2 Satz 1 JAG NRW sei. Zudem beziehe sich der Regelungsbereich der Vorschriften nicht auf Prüfungsaufgaben und Prüfervermerke, die für staatliche Klausuren in dem Zeitraum Juli 2013 bis Juni 2014 verfasst worden seien. Es sei nicht gerechtfertigt, dass zwar den Universitäten im Rahmen der Ausbildung zum ersten juristischen Staatsexamen zu Prüfungszwecken Klausuren nebst Prüfervermerken zur Verfügung gestellt würden, nicht jedoch ihm als Rechtsreferendar im Rahmen der Vorbereitung zum zweiten juristischen Staatsexamen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des LJPA vom 20. August 2015 zu verpflichten, ihm Zugang zu den Prüfungsaufgaben nebst der Prüfervermerke über die Lösungen der Aufgaben zur zweiten juristischen Staatsprüfung des Landes Nordrhein-Westfalen betreffend die Durchgänge Juli 2013 bis Juni 2014 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt ergänzend vor: Das dem Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen angegliederte LJPA sei eine "Prüfungseinrichtung" gemäß § 2 Abs. 3 IFG NRW. Es sei bei der Erstellung, Verwendung und Aufbewahrung von Prüfungsaufgaben nebst Prüfervermerken auch im Sinne des § 2 Abs. 3 IFG NRW "im Bereich von Leistungsbeurteilungen und Prüfungen" tätig. Die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 3 IFG NRW nehme unter anderem die Prüfungseinrichtungen nicht nur im Kernbereich, sondern auch in den Randbereichen ihrer Tätigkeit vom Informationsfreiheitsgesetz aus. Erfasst würden nicht nur die Durchführung einer Prüfung und Leistungsbeurteilung im engeren Sinne oder sonstige unmittelbar prüfungsrelevante Angelegenheiten, sondern der gesamte Aufgabenkreis, der mit dem Prüfungsgeschäft in Zusammenhang stehe. Das LJPA werde mit der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Prüfungsvorbereitung "im Bereich von Prüfungen" im Sinne des § 2 Abs. 3 IFG NRW tätig. Das Justizministerium erstelle gemäß § 41 Abs. 3 JAG NRW die Ausbildungspläne und habe so Einfluss auf das Ausbildungsziel, die Ausbildungsgegenstände sowie die Ausbildungsmethode. Nur das LJPA könne durch die Zurverfügungstellung von Prüfungsaufgaben gewährleisten, dass in Arbeitsgemeinschaften Klausuren geschrieben würden, die examensmäßigen Anforderungen entsprächen. Die Versorgung der Arbeitsgemeinschaften mit Original-Klausuren sei daher eine originäre Aufgabe gerade des Prüfungsamtes.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei, soweit es um die Einsichtnahme in Prüfungsunterlagen gehe, nicht zwischen der Zeit vor der Ablegung einer Prüfung und der Zeit danach zu differenzieren. Die in Rede stehenden Prüfungsaufgaben und Prüfervermerke der Durchgänge Juli 2013 bis Juni 2014 würden vom LJPA weiterhin zur Aufgabenerfüllung benötigt. In Nordrhein-Westfalen seien die Einstellungszahlen für Referendarinnen und Referendare so hoch, dass in jedem Monat Arbeitsgemeinschaften beginnen und zu jedem Zeitpunkt jeweils etliche Dutzend Arbeitsgemeinschaften parallel durchgeführt würden. Es sei zugrundezulegen, dass zum Stichtag 30. Juni 2015 rund 150 Arbeitsgemeinschaften parallel stattgefunden hätten. Da die Referendarinnen und Referendare (in jeder Arbeitsgemeinschaft) ausweislich der einschlägigen Ausbildungspläne im Verlauf ihrer Ausbildung mindestens 23 Klausuren unter Examensbedingungen zu schreiben hätten, müsse ein großer Pool an Examensaufgaben zur Verfügung stehen. Die von dem Kläger in den Raum gestellte "Sperr"- bzw. "Rückhaltefrist" von einem Jahr sei nicht ansatzweise geeignet, um angesichts der Zahl der benötigten Klausuren eine ausreichende Größe des Pools zu gewährleisten.

Die Bestimmungen in den Ausbildungsplänen über die Anfertigung schriftlicher Arbeiten unter Examensbedingungen dienten nicht nur der Vorbereitung der Referendarinnen und Referendare auf die Anforderungen im schriftlichen Teil der zweiten juristischen Staatsprüfung. Sie sollten vielmehr auch ein objektives Bild des Leistungsstandes der jeweiligen Referendarin bzw. des jeweiligen Referendars ermöglichen. Nach Maßgabe des § 56 Abs. 1 und 4 JAG NRW i. V.m. § 18 Abs. 4 JAG NRW seien dabei in der zweiten Staatsprüfung ausdrücklich auch die Leistungen im Vorbereitungsdienst - und damit auch die in den Arbeitsgemeinschaften - zu berücksichtigen, die mithin einen unmittelbaren Einfluss auf das Prüfungsergebnis in der zweiten juristischen Staatsprüfung haben könnten.

Schließlich verpflichte § 5d Absatz 1 Satz 2 DRiG die staatlichen Prüfungsämter dazu, die Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen in staatlichen juristischen Prüfungen zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund stellten die Prüfungsämter aller Länder einander auch Klausurentwürfe aus der staatlichen Pflichtfachprüfung und der zweiten juristischen Staatsprüfung zur Verfügung. Einzelne Teile dieser Aufgaben könnten auch in abgewandelter Form in Nordrhein-Westfalen nochmals für Prüfungszwecke (als Klausur oder Aktenvortrag) genutzt werden.

Der Anspruch auf Herausgabe der Prüfungsaufgaben und Prüfervermerke sei jedenfalls nach § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW in Verbindung mit §§ 56 Abs. 1, 23 Abs. 2 JAG NRW ausgeschlossen.

Schließlich werde - äußerst hilfsweise - der Ausschlussgrund des § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW geltend gemacht. Nach dieser Vorschrift sei ein Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit und solange das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit oder Ordnung beeinträchtigen würde. Schutzgut der öffentlichen Sicherheit sei auch die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen. Dazu gehörten alle Behörden und Gerichte. Wäre das LJPA verpflichtet, jedermann nach einer "Sperr- bzw. Rückhaltefrist" von einem Jahr Zugang zu allen Prüfungsaufgaben samt Prüfervermerken zu gewähren, könnten die Aufgaben nicht mehr in der gestellten oder abgewandelten Form für Ausbildungszwecke oder weitere Prüfungen verwendet werden. Die beim LJPA eingerichteten Mechanismen zur effektiven Verwendung der Klausuraufgaben würden grundlegend gestört. Eine Informationsgewährung, wie vom Kläger begehrt, hätte zur Folge, dass das LJPA eine enorme Mehrzahl an Klausuren zu erstellen hätte, was allein aus Kapazitätsgründen nicht möglich wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der das Informationsbegehren des Klägers ablehnende Bescheid des LJPA vom 20. August 2015 ist rechtmäßig und verletzt ihn daher nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zugang zu den Prüfungsaufgaben nebst Prüfervermerken betreffend die Durchgänge Juli 2013 bis Juni 2014 nicht zu.

Nach der als Anspruchsgrundlage allein in Betracht kommenden Regelung des § 4 Abs. 1 IFG NRW hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den dort vorhandenen amtlichen Informationen. Vorliegend ist in Hinblick auf § 2 Abs. 3 IFG NRW bereits fraglich, ob das Gesetz auf die in Rede stehende Tätigkeit des LJPA überhaupt Anwendung findet (hierzu nachfolgend unter 1.). Bejahendenfalls ist weiterhin fraglich, ob der geltend gemachte Informationsanspruch durch die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW i.V.m. §§ 56 Abs. 1, 23 Abs. 2 JAG NRW ausgeschlossen ist (hierzu nachfolgend unter 2.). Jedenfalls steht ihm die Regelung des § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW entgegen (hierzu nachfolgend unter 3.).

1.

Nach § 2 Abs. 3 IFG NRW gilt dieses Gesetz für Prüfungseinrichtungen nur, soweit sie nicht im Bereich von Prüfungen tätig werden.

Das LJPA ist eine "Prüfungseinrichtung" im Sinne der genannten Vorschrift. Hierunter ist eine Einrichtung zu verstehen, die zum Zwecke der Durchführung von Prüfungen begründet worden ist und deren Tätigkeit zumindest hauptsächlich darauf gerichtet ist.

Vgl. Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, Praxiskommentar, 2007, § 2 Rdn. 283 f.

Dies trifft auf das LJPA zu. Vor ihm wird die zweite juristische Staatsprüfung abgelegt (§ 48 Abs. 1 Satz 1 JAG NRW).

Es spricht auch viel dafür, dass das LJPA bei der Erstellung von Prüfungsaufgaben nebst Prüfervermerken im Sinne von § 2 Abs. 3 IFG NRW "im Bereich von Prüfungen" tätig wird. Der Wortlaut der Vorschrift differenziert nicht zwischen der Durchführung des Prüfungsverfahrens und seiner Vorbereitung. Die Erstellung von Prüfungsaufgaben einschließlich Prüfervermerken zählt zu den typischen Tätigkeiten im Rahmen der Vorbereitung des Prüfungsverfahrens. Nach Ansicht des

OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2013 - 8 E 752/13 -, n.v.

sind diese Unterlagen daher auch nach Ablegung der Prüfung weiterhin vom Anwendungsbereich des IFG NRW ausgenommen.

Ebenso in Bezug auf - in dem zugrunde liegenden Verfahren allein streitgegenständliche - Prüfervermerke: VG Köln, Urteil vom 16. Juni 2011 - 6 K 4008/10 -, NVwZ-RR 2011, 897, juris, Rdn. 40 f..

Ob dem in der hier vorliegenden Fehlkonstellation zu folgen ist, bedarf letztlich keiner Entscheidung.

2.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW gehen etwaige besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen den Vorschriften des IFG NRW vor. Als hiernach vorrangige Regelung kommt der gemäß § 56 Abs. 1 JAG NRW entsprechend anwendbare § 23 Abs. 2 JAG NRW in Betracht. Nach dieser Bestimmung ist dem Prüfling die Einsicht in seine Prüfungsarbeiten einschließlich der Gutachten der Prüferinnen oder Prüfer zu gestatten. Die Vorschrift beinhaltet eine besondere fachgesetzliche Regelung über den Umfang des dem Prüfling zustehenden Akteneinsichtsrechts. Da sich dieses nicht auf die Prüfervermerke erstreckt, spricht Einiges dafür, dass ein Informationsanspruch des Prüflings durch § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW ausgeschlossen ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2013- 8 E 752/13 -, n.v.; VG Köln, Urteil vom 16. Juni 2011- 6 K 4008/10 -, a.a.O., Rn. 44; OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 2. November 2011 - 3 L 312/10 -, NVwZ-RR 2012, 310, juris, Rdn. 22 (zu § 32 JAPrVO LSA).

Hiervon ausgehend liegt nahe, dass dritten Personen, die - wie der Kläger - (noch) kein Prüfling sind, keine weitergehenden Informationsrechte zustehen als diesem selbst. Ob dem so ist und ob diese Erwägungen auch auf die Prüfungsaufgaben zutreffen, bedarf ebenfalls keiner Entscheidung.

3.

Denn jedenfalls ist der Antrag des Klägers auf Informationszugang durch § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW ausgeschlossen.

a) Nach dieser Vorschrift ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit und solange das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere die Tätigkeit der Polizei, des Verfassungsschutzes, der Staatsanwaltschaften oder der Behörden des Straf- und Maßregelvollzugs einschließlich ihrer Aufsichtsbehörden beeinträchtigen würde. Schutzgut der öffentlichen Sicherheit sind neben den Rechtsgütern des Einzelnen und der Unversehrtheit der Rechtsordnung auch die grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates, mithin die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen.

Hierzu gehören alle Behörden und Gerichte. Soweit § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW die Tätigkeit der Polizei, des Verfassungsschutzes, der Staatsanwaltschaften oder der Behörden des Straf- und Maßregelvollzugs einschließlich ihrer Aufsichtsbehörden besonders erwähnt, ist diese Aufzählung nur beispielhaft. Sie hat nicht zur Folge, dass der Begriff der öffentlichen Sicherheit im vorliegenden Zusammenhang enger zu verstehen wäre als im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht. Dies wird dadurch bestätigt, dass die im ursprünglichen Entwurf noch nicht vorhandene Erwähnung der "öffentlichen Ordnung" auf den Wunsch der Kommunen nach einer Berücksichtigung auch ihrer Belange aufgenommen wurde.

An eine "Beeinträchtigung" der öffentlichen Sicherheit sind keine hohen Anforderungen gestellt. Im Unterschied zu § 6 Satz 1 Buchst. b IFG NRW setzt der hier einschlägige Buchst. a keine erhebliche Beeinträchtigung voraus, sondern lässt eine einfache Beeinträchtigung genügen. Eine solche liegt vor, wenn nachteilige Auswirkungen auf das Schutzgut konkret zu erwarten sind.

Vgl. zu Vorstehendem: OVG NRW, Urteil vom 06. Mai 2015 - 8 A 1943/13 -, NWVBl 2015, 382, juris, Rdn. 62 ff.

b) Im Streitfall würde es die Funktionsfähigkeit des LJPA im Sinne des § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW beeinträchtigen, wenn die Prüfungsaufgaben und die Prüfervermerke der Durchgänge Juli 2013 bis Juni 2014 Dritten zugänglich gemacht würden.

Zu den Aufgaben des LJPA gehört neben der Abnahme der Examensprüfung und der Erstellung der hierfür erforderlichen Klausuren auch die Versorgung der Ausbildungspraxis mit entsprechendem Übungsmaterial in Form von abgelegten Originalklausuren. Diese werden im Rahmen des Vorbereitungsdienstes zur Ausbildung der Referendarinnen und Referendare sowie zur Ermittlung und Beurteilung ihres Leistungsstandes verwendet. Durch die Zurverfügungstellung von Prüfungsaufgaben gewährleistet das LJPA, dass in den Arbeitsgemeinschaften Klausuren geschrieben werden, die examensmäßigen Anforderungen entsprechen. Dies wiederum ist Voraussetzung dafür, dass die Ausbildung der Referendarinnen und Referendare entsprechend den Vorgaben der gemäß § 41 Abs. 3 JAG NRW zu erstellenden Ausbildungspläne erfolgen kann. Diese sehen für alle Arbeitsgemeinschaften die Anfertigung einer unterschiedlichen Anzahl von Klausuren unter examensmäßigen Bedingungen vor. Letztere wären nicht gewährleistet, wenn der Inhalt der Aufgabenstellungen jedermann frei zugänglich wäre.

Die hiernach bestehende Notwendigkeit, zwecks Erhaltung der Funktionsfähigkeit des LJPA einen Informationszugang zu den Prüfungsaufgaben, die bereits Gegenstand einer Prüfung waren, und den Prüfervermerken auszuschließen, erstreckt sich in zeitlicher Hinsicht jedenfalls auf die klagegegenständlichen Prüfungsdurchgänge Juli 2013 bis Juni 2014. Die in diesem Zeitraum gestellten Prüfungsaufgaben werden gegenwärtig weiterhin für die Ausbildungspraxis benötigt. Dies ergibt sich aus den Angaben des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 8. Oktober 2015 (vgl. S. 35 der Gerichtsakte) zu dem erforderlichen Volumen der vorzuhaltenden Prüfungsaufgaben. Diese Angaben sind substantiiert und nachvollziehbar und werden vom Kläger nicht durchgreifend in Frage gestellt. Angesichts der Vielzahl der danach vorzuhaltenden Prüfungsaufgaben nebst Prüfervermerken wird deutlich, dass der Pool an Examensaufgaben nebst Prüfervermerken, der der Ausbildungspraxis zur Verfügung stehen muss, groß bemessen werden muss. Dafür ist jedenfalls ein Zeitraum in Ansatz zu bringen, der eine - vom Kläger so bezeichnete - "Sperr"- bzw. "Rückhaltefrist" beinhaltet, die weit mehr als drei Jahre beträgt.

Darüber hinaus ist in Rechnung zu stellen, dass die unter Examensbedingungen im Vorbereitungsdienst durch die Referendarinnen und Referendare anzufertigenden schriftlichen Arbeiten ein objektives Bild des Leistungsstandes des jeweiligen Referendars bzw. der jeweiligen Referendarin ermöglichen soll (vgl. z.B. Ausbildungsplan für die zivilrechtlichen Arbeitsgemeinschaften nach dem JAG NRW vom 11. März 2003 (Stand 1. Dezember 2003) unter B. I. 4. und B. II. 4.). Nach Maßgabe der § 56 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 18 Abs. 4 JAG NRW können dabei in der zweiten juristischen Staatsprüfung ausdrücklich auch die Leistungen im Vorbereitungsdienst - und damit auch in den Arbeitsgemeinschaften - berücksichtigt werden, die mithin einen Einfluss auf das Prüfungsergebnis in der zweiten juristischen Staatsprüfung haben können. Es obliegt dem LJPA insoweit sicherzustellen, dass die Ausbildung der Referendarinnen und Referendare den Ausbildungsplänen entsprechend durchgeführt wird, was ebenfalls das Vorhalten eines großen Pools von Examensklausuren nebst Prüfervermerken erfordert. Es ist insoweit zu gewährleisten, dass die Zahl vorzuhaltenden Klausuren so groß ist, dass die Referendarinnen und Referendare im Vorbereitungsdienst im Regelfall Klausuren zu bearbeiten haben, deren Aufgabenstellung ihnen noch nicht bekannt ist. Denn nur so ist gewährleistet, dass sie durch die während der Ausbildungszeit anzufertigenden Klausuren darin geschult werden, den examensmäßigen Anforderungen zu genügen.

Soweit das LJPA an einem Klausurringtausch mit anderen Ländern beteiligt ist, trägt es schließlich seiner Verpflichtung aus § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG Rechnung. Danach ist im Rahmen staatlicher Prüfungen die Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen und der Leistungsbewertung zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund stellen die Prüfungsämter aller Länder einander auch Klausurentwürfe aus der staatlichen Pflichtfachprüfung und der zweiten juristischen Staatsprüfung zur Verfügung. Der Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass auch vor diesem Hintergrund die Prüfungsaufgaben und Prüfervermerke der Durchgänge Juli 2013 bis Juni 2014 vom LJPA zur Aufgabenerfüllung weiterhin benötigt werden.

Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

B e s c h l u s s :

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Entscheidung beruht auf § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).