OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.08.2018 - 15 U 21/18
Fundstelle
openJur 2019, 7207
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

I.

Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kleve vom 16.02.2018 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Verfügungsbeklagten wird es im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzu-setzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,

verboten,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen zu Wettbewerbszwecken die Produkte mit den Handelsnamen

"Cannabis Extrakt A ... X1" (Wirkstoff: THC 10mg/ml, CBD 10 mg/ml; Gesamtwirkstoffmenge 250 mg THC, 250 mg CBD)

sowie

"Cannabis Extrakt A ... X2" (Wirkstoff: THC 25mg/ml, CBD &62;0,5mg/ml; Gesamtwirkstoffmenge 625 mg THC, &60; 12,5mg CBD)

als Fertigarzneimittel in den Verkehr zu bringen und/oder bringen zu lassen, wenn keine Zulassung als Arzneimittel vorliegt, wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben.

II.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

A.

Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gem. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.

B.

Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist teilweise begründet.

Während dem Verfügungsantrag zu Ziffer 1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils stattzugeben ist, hat das Rechtsmittel gegen die Zurückweisung des Verfügungsantrages zu Ziffer 2. keinen Erfolg.

I.

Die für eine zulässige Berufung u.a. erforderliche Beschwer des Verfügungsklägers liegt vor.

Zuzustimmen ist der Verfügungsbeklagten zwar darin, dass eine Berufung unzulässig ist, wenn sie den in erster Instanz erhobenen Anspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, sondern dem Berufungsgericht im Wege der Antragsänderung ausschließlich einen neuen, d.h. bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die Änderung der Klage / des Verfügungsbegehrens in zweiter Instanz darf also nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein (BGH, WRP 2001, 699 [700] - Impfstoffe; BGH, GRUR 2008, 1121 Rn 14 ff. - Freundschaftswerbung im Internet).

Nachdem der Verfügungskläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit überzeugendem Hinweis auf S. 28 der Berufungsbegründung klargestellt hat, dass die Aufnahme des Wortes "insbesondere" auf einem reinen Schreibfehler beruhte, und er die Fassung seiner zweitinstanzlichen Anträge wieder entsprechend sprachlich angepasst hat, erübrigt sich jedoch eine nähere Begründung des Senats dazu, dass auch unter Zugrundelegung der zunächst angekündigten Antragsfassung die erforderliche Beschwer bestanden hätte.

II.

Die Zurückweisung des Verfügungsantrages zu Ziffer 1. durch das Landgericht war rechtsfehlerhaft. Denn der zulässige Verfügungsantrag zu Ziffer 1. ist begründet, weil der Verfügungskläger einen entsprechenden Verfügungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte hat und auch der erforderliche Verfügungsgrund besteht.

1.

Ohne Erfolg rügt die Verfügungsbeklagte die mangelnde Bestimmtheit des Verfügungsantrages zu Ziffer 1.

a)

Ein bestimmter Antrag i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist erforderlich, um den Streitgegenstand und den Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) festzulegen, sowie die Tragweite des begehrten Verbots zu erkennen und die Grenzen der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft festzulegen (BGH, GRUR 2011, 521 Rn. 9 - TÜV I). Deshalb darf der Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Gegner nicht erschöpfend verteidigen kann, und nicht die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, letztlich dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (BGH, WRP 2017, 426 Rn. 18 - ARD-Buffet m.w.N.). Auch muss der Schuldner, der den Titel freiwillig befolgen möchte, hinreichend genau wissen, was ihm verboten ist. Die Wiederholung des Wortlauts eines gesetzlichen Verbotstatbestands genügt grundsätzlich nicht für die Bestimmtheit des Unterlassungsantrags und der darauf beruhenden Verurteilung, weil das Gesetz nur eine abstrakte Regelung aufstellt und daher eine unübersehbare Vielzahl von Fällen erfassen kann.

b)

Dies vorausgeschickt genügt der Verfügungsantrag zu Ziffer 1. (gleichwohl) den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Ein Verstoß gegen § 21 Abs. 1 S. 1 AMG erfüllt gem. § 96 Abs. 5 AMG zugleich einen Straftatbestand, so dass es schon deshalb keiner weiteren Konkretisierung im Antrag bzw. im Tenor bedurfte, zumal hier nicht die entscheidungsrelevante tatsächliche Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen, sondern allein die daraus zu ziehenden rechtlichen Konsequenzen für die Einordnung als "Fertigarzneimittel" oder "Rezepturarzneimittel" in Streit stehen (vgl. BGH GRUR 2012, 945 Rn. 16 - Tribenuronmethyl; vgl. BGH, WRP 2017, 542 Rn. 12 - Konsumgetreide).

Hinzu kommt, dass sich der Verfügungskläger bei der Antragsfassung an den konkreten Verletzungsformen orientiert hat und es damit gerade nicht dem Vollstreckungsgericht überlässt, was als "Fertigarzneimittel" angegriffen wird. Insoweit hat der Verfügungskläger schon erstinstanzlich (zu Protokoll der mündlichen Verhandlung) klargestellt, dass sich die seinerzeit verwendeten Worte "wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben..." auch auf den Antrag zu Ziffer I.1. bezogen. Erst recht ist dies nunmehr mit Blick auf die Antragsfassung in der Berufungsbegründung anzunehmen, wo es nunmehr explizit "...jeweils, wenn dies wie nachstehend wiedergegeben geschieht..." heißt.

c)

Nachdem der Verfügungskläger in der mündlichen Verhandlung präzisiert hat, dass das Verbot (wie im erstinstanzlich formulierten Antrag zu Ziffer 1.) allein "Fertigarzneimittel" und nicht schlechthin "Arzneimittel" umfassen soll, ist der Antrag auch nicht etwa zu weit gefasst. Es entsprach zu keiner Zeit dem Verfügungsbegehren, das Inverkehrbringen der angegriffenen Ausführungsformen (auch) als "Rezepturarzneimittel" verbieten zu lassen (vgl. nur Berufungsbegründung, S. 26 unten, Blatt 472 GA), so dass mit der vorgenannten Konkretisierung keine teilweise Antragsrücknahme verbunden ist.

d)

Der Senat hat - insoweit abweichend von der Antragsfassung des Verfügungsklägers - nicht die Worte "zu bewerben bzw. bewerben zu lassen" in den Verbotstenor aufgenommen. Denn ein - weit zu verstehendes - "Inverkehrbringen" i.S.v. § 21 AMG umfasst definitionsgemäß auch schon das vorgelagerte Feilbieten (Weber, BtMG, 5. Auflage 2017, § 4 AMG Rn 44; s. dazu auch unten), so dass also auch ein "Bewerben" bzw. "Bewerben lassen" vom Verbot des "Inverkehrbringens" erfasst ist und die zusätzliche Untersagung des "Bewerbens" pp. daher inhaltlich redundant wäre. Mit dieser rein sprachlichen Glättung ist folglich keine teilweise Zurückweisung des Verfügungsantrages zu Ziffer 1. verbunden. Ergänzend wird auf die Ausführungen unter 2b) gg) Bezug genommen.

2)

Der Verfügungsanspruch des gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierten Verfügungsklägers ergibt sich aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3?a UWG in der Fassung ab dem 10.12.2015 i.V.m. § 21 Abs. 1 S. 1 AMG i.V.m. Art. 1 Nr. 2a RL 2001/83/EG.

a)

Die Vorschrift des § 21 Abs. 1 S. 1 AMG stellt anerkanntermaßen eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG dar (BGH, GRUR-Prax 2016, 90 - Chlorhexidin; OLG Hamm, GRUR-Prax 2017, 292 - Grinkgobiloba-Extrakt).

b)

Gegen diese Marktverhaltensregelung verstieß die Verfügungsbeklagte, indem sie die angegriffenen Ausführungsformen in der streitgegenständlichen Weise in den Verkehr brachte.

aa)

Die Verfügungsbeklagte ist Normadressatin des aus § 21 Abs. 1 AMG folgenden Verbots, zulassungspflichtige Arzneimittel ohne die notwendige Zulassung in den Verkehr zu bringen.

Gem. der Legaldefinition in § 4 Abs. 17 AMG ist "Inverkehrbringen das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere". Als Handelnde des Inverkehrbringens kommen (auf dem legalen Markt) vor allem Hersteller, Importeure, Großhändler, Apotheker, Einzelhändler und Ärzte in Betracht (Weber, a.a.O., § 4 AMG Rn 46). Insofern trifft es nicht zu, dass sich das in § 21 Abs. 1 AMG normierte Verbot des Inverkehrbringens exklusiv an Apotheker richte. Die Verfügungsbeklagte erfüllte sogar sämtliche Stufen des Inverkehrbringens von der Vorrätighaltung bis hin zur Abgabe an den Großhandel. Abgabe ist jede körperliche Übergabe an einen anderen durch den Inhaber der Verfügungsgewalt (Erbs/Kohlhaas/Pelchen/Anders, AMG, Strafrechtliche Nebengesetze, 218. EL Januar 2018, § 4 AMG Rn 24). "Ein anderer" kann auch ein Apotheker sein, erst recht kann es ein - unstreitig von der Verfügungsbeklagten belieferter - Großhändler sein.

Ebenso wenig trägt der Hinweis der Verfügungsbeklagten auf die Vorschrift des § 47 Abs. 1 AMG, wonach "Pharmazeutische Unternehmer und Großhändler Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben dürfen an ... (Nr. 1 ff.)". Auch aus den dortigen Worten "... deren Abgabe den Apothekern vorbehalten ist ..." und "... außer an Apotheken..." kann keineswegs geschlossen werden, dass nur Apotheker gegen § 21 Abs. 1 S. 1 AMG verstoßen könnten bzw. Abgaben nicht zugelassener Fertigarzneimittel durch Hersteller an Apotheker kein rechtswidriges Inverkehrbringen i.S.v. § 21 Abs. 1 S. 1 AMG seien. Die Regelung des § 47 Abs. 1 AMG betrifft nämlich nicht die Frage, wer die Zulassungspflicht nach § 21 Abs. 1 S. 1 AMG zu beachten hat (scil.: jeder der Fertigarzneimittel in den Verkehr bringt), sondern normiert das sog. Großhandelsprivileg: Er sieht eine Durchbrechung des grundsätzlich den Apotheken vorbehaltenen Rechts zur unmittelbaren Arzneimittelabgabe zum Endverbrauch (vgl. § 43 AMG) vor und trägt so neuzeitlichen Vertriebswegen der Arzneimittelindustrie Rechnung (Erbs/Kohlhaas/Pelchen/Anders, AMG, Strafrechtliche Nebengesetze, 218. EL Januar 2018, § 47 AMG Rn. 1). Apothekervorbehalt und Zulassungserfordernis i.S.v. § 21 AMG sind zwei zu trennende rechtliche Aspekte, denen sich das AMG auch systematisch in unterschiedlichen Abschnitten widmet. Damit regelt § 47 Abs. 1 AMG, wer (soweit erforderlich) zugelassene Arzneimittel ausnahmsweise neben Apothekern unmittelbar an (von Apotheken verschiedene) Dritte abgeben darf. Keineswegs befreit die Regelung Hersteller pp. vom Verbot des Inverkehrbringens nicht zugelassener Arzneimittel, soweit sie "nur" direkt an Apotheker liefern. Die Worte "...außer an Apotheker..." stellen insoweit bloß klar, dass die Norm die Direktbelieferung von Verbrauchern regelt; im Falle der Belieferung von Apothekern selbst wird der Apothekenvorbehalt für die Direktbelieferung von vornherein nicht tangiert.

bb)

Unstreitig verfügt die Verfügungsbeklagte hinsichtlich keiner der angegriffenen Ausführungsformen über eine Zulassung i.S.v. § 21 Abs. 1 AMG, und zwar weder durch die zuständige Bundesoberbehörde (= Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, "BfArM") noch durch die Europäische Union.

cc)

Einer solchen Zulassung hätte es aber bedurft, um die angegriffenen Ausführungsformen rechtmäßig in den Verkehr bringen zu dürfen.

Denn es handelt sich in der Weise, wie die Verfügungsbeklagte sie in den Verkehr brachte, jeweils um "Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG sind" (§ 21 Abs. 1 S. 1 AMG).

(1)

Der Begriff "Fertigarzneimittel" ist in § 4 Abs. 1 AMG wie folgt legaldefiniert:

"Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Fertigarzneimittel sind nicht Zwischenprodukte, die für eine weitere Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmt sind."

Die Vorschrift erfasst demnach als eine Variante von Fertigarzneimitteln im Voraus hergestellte und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebrachte Arzneimittel. Zu den Arzneimitteln gehören wiederum u.a. die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG geregelten sog. "Präsentationsarzneimittel" (vgl. nur Weber, a.a.O., § 2 Rn 25; vgl. auch das zutreffende Glossar des BfArM gem. Anlage Ast 23). Laut der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind (Präsentations-)Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen,

"die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind".

Soweit dort der Begriff "bestimmt" verwendet wird, ist dies mit Blick auf Art. 1b der Richtlinie 2004/27/EG im Sinne von "bezeichnet" oder "empfohlen" zu verstehen (Weber, a.a.O., § 2 AMG Rn 25 und Rn 35). Die betreffende Bestimmung kann zunächst dadurch erfolgen, dass das Produkt (z.B. durch die Bezeichnung, das Etikett, den Beipackzettel, die Aufmachung oder in der mündlichen Präsentation) ausdrücklich als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten bezeichnet oder empfohlen wird (EuGH, EuZW 2008, 56; BVerwG, NVwZ 2015, 749; BVerwG, NVwZ-RR 2015, 420 - E-Zigaretten; BGH, PharmR 2016, 86 - E-Zigaretten). Fehlt es an einer ausdrücklichen Bestimmung zum Arzneimittel, so kann nach der Verkehrsauffassung gleichwohl ein Arzneimittel vorliegen, wenn bei einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher, gegebenenfalls auch nur schlüssig, der Eindruck entsteht, dass das Produkt in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (Nachweise wie vor). Allein auf Grund seiner Aufmachung (z.B. als Kapsel) ist ein Produkt noch nicht als Arzneimittel anzusehen: Die Darreichungsform ist vielmehr bloß ein zu würdigender Gesichtspunkt bei der Abgrenzung, reicht aber für sich als solche noch nicht zur Begründung der Arzneimitteleigenschaft aus (OVG NRW, PharmR 2010, 607; Weber, a.a.O., § 2 Rn 43). Entsprechendes gilt für den Vertrieb über Apotheken (BGH, NJW-RR 2000, 1284 - L-Carnitin).

Die Worte "im Voraus" i.S.v. § 4 Abs. 1 AMG beziehen sich auf die Zeit vor einer konkreten ärztlichen Verordnung (BGHSt 57, 312 = NJW 2012, 3665 = JZ 2013, 849; Weber, a.a.O., § 4 Rn 4) und dienen der Abgrenzung der Fertigarzneimittel von den Rezepturarzneimitteln (vgl. § 7 ApBetrO) und allen sonstigen Arzneimitteln, die im Einzelfall auf besondere Anforderung hergestellt werden (BVerwG, BeckRS 1999, 30050365). Rezepturarzneimittel sind nach der Legaldefinition des § 1?a Abs. 8 ApBetrO Arzneimittel, die in der Apotheke im Einzelfall auf Grund einer Verschreibung oder auf sonstige Anforderung einer einzelnen Person und gerade nicht schon im Voraus hergestellt werden. Die wesentlichen Unterschiede der Fertigarzneimittel zu den Rezepturarzneimitteln bestehen mithin in Folgendem:

- Bei Rezepturarzneimitteln beginnt die Herstellung erst dann, wenn eine ärztliche Anweisung (Rezept) zur Herstellung dieses konkreten Arzneimittels vorliegt (vgl. BGH. GRUR 2005, 778 - Atemtest I; BGH, GRUR 2013, 84 - Münchener Apotheke; OLG Köln, GRUR-RR 2017, 341 Rn 53 f. - Tattoo-Apotheke m.w.N; LG Hamburg, PharmR 2017, 564 - Idebenon).

- Rezepturarzneimittel werden nicht für eine abstrakte, sondern für eine konkrete Anwendung hergestellt (OLG München, PharmR 2010, 476). Die Zusammensetzung, Stärke und Darreichungsform der verwendeten arzneilichen Stoffe und Stoffzusammensetzungen werden vom Arzt individuell bestimmt und verantwortet (Prinz, in: PharmR 2008, 364 [365]). Die Ausstellung des Rezepts muss vor der Zubereitung erfolgen (EuGH, PharmR 2015, 436).

(2)

Die Anwendung der vorstehenden Kriterien auf den Einzelfall ergibt im Rahmen der gebotenen Gesamtschau, dass die angegriffenen Ausführungsformen mit der im einstweiligen Verfügungsverfahren bereits ausreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit (§ 294 ZPO) ein Fertigarzneimittel i.S.v. § 4 Abs. 1 Var. 1 AMG (in der Unterform von "Präsentationsarzneimitteln") sind.

(2.1)

Die angegriffene Ausführungsform 1 "Cannabis Extrakt A ...X2" (Wirkstoff: THC 25mg/ml, CBD >0,5mg/ml; Gesamtwirkstoffmenge 625 mg THC, < 12,5mg CBD) wird ausweislich der Produktinformation (Anlage Ast 15) als "verschreibungspflichtiges" bzw. "apothekenpflichtiges Medikament" bezeichnet und soll der Beseitigung/Verminderung körperlicher Beschwerden, insbesondere bei schwerstkranken Schmerzpatienten dienen. Damit liegt jedenfalls subjektiv eine therapeutische Zweckbestimmung vor, was - wie oben ausgeführt - für ein Präsentationsarzneimittel ausreicht, da es insoweit gerade nicht auf eine ggf. objektive Therapieeignung ankommt.

In der konkreten Art und Weise, wie die Verfügungsbeklagte dieses Präsentationsarzneimittel unstreitig in den Verkehr brachte, handelt es sich bei der allein maßgeblichen objektiven Betrachtung um ein Fertigarzneimittel i.S.v. § 4 Abs. 1 Var. 1 AMG:

Die angegriffene Ausführungsform 1 wird ausweislich des Produktflyers (Anlage Ast 9) in der Darreichungsform "Tropfen zum Einnehmen" in den Verkehr gebracht. Die Verpackung besteht in einer PET-Flasche, wobei ferner auch schon eine patientengerechte Pipette zum Lieferumfang gehört. Insbesondere weist die PET-Flasche einen kindersicheren Verschluss auf, was die Einlassung der Verfügungsbeklagten, die angegriffene Ausführungsform 1 diene nur als Rezepturarzneimittel für Apotheker erheblich in Zweifel zieht (vgl. auch Anlage Ast 7). Für die (hypothetische) Verwendung der angegriffenen Ausführungsform 1 zur Herstellung einer Rezeptur durch einen Apotheker wäre ein solcher kindersicherer Verschluss mindestens obsolet. Ebenso wenig benötigt ein Apotheker die Angabe zu Dosiereinheiten ("Tropfen"), um in die Lage versetzt zu werden, ein Rezepturarzneimittel herzustellen.

Die Richtigkeit der vorstehenden Bewertung wird alsdann durch den Inhalt des Rezeptur-Formulariums Dronabinol (Anlage Ast 14) indiziert: Denn demnach entspricht die Konzentration THC 25mg/ml bereits exakt der Zielkonzentration eines entsprechenden Rezepturarzneimittels. Es bedarf also ausgehend von der angegriffenen Ausführungsform 1 keiner weiteren Herstellungsschritte mehr, um ein Arzneimittel zu erhalten, das der entsprechenden Zielkonzentration entspricht. Eine allein noch in Betracht zu ziehende Identitätsprüfung durch den Apotheker stellt keinen Herstellungsschritt i.S.v. § 4 Abs. 14 AMG mehr dar, so dass eine solche der Eigenschaft "im Voraus hergestellt" gerade nicht entgegensteht. Die angegriffene Ausführungsform 1 ist demnach ein - ganz unabhängig von einer individuellen ärztlichen Verordnung - "im Voraus" hergestelltes, in abgabefertiger Flaschenform an Großhändler geliefertes Arzneimittel. Fehl geht daher insbesondere der Hinweis der Verfügungsbeklagten, wonach sie gar nicht wissen könne, was der Apotheker mit dem gelieferten Produkt mache: Sie blendet damit aus, dass die angegriffene Ausführungsform 1 in ihrer konkreten Gestalt objektiv als Fertigarzneimittel verwendet werden kann, ohne dass es noch irgendwelcher Herstellungsschritte des Apothekers bedarf und damit "im Voraus" ohne eine Verschreibung eines Arztes im Einzelfall produziert wurde.

Gemäß dem oben Ausgeführten vermag die im Antrag zu I.2 streitgegenständliche subjektive Aussage der Verfügungsbeklagten bzw. des Herstellers der angegriffenen Ausführungsform 1 ("kein Fertigarzneimittel") nicht deren allein maßgebliche objektive Eigenschaft als Fertigarzneimittel zu widerlegen. Entsprechendes gilt für die Aussage in Anlage Ast 32, wo von einer "Therapie mit Rezepturarzneimitteln aus A-Extrakten..." die Rede ist.

Weiteres Indiz für die Berechtigung des Unterlassungsbegehrens des Verfügungsklägers sind schließlich die aus Anlage Ast 32 ersichtlichen Titrationsbeispiele, die ebenfalls die Anwendung des unverdünnten Cannabisextraktes für die Einstellung eines Patienten nahelegen.

(2.2)

Das zuvor zur angegriffenen Ausführungsform 1 Ausgeführte gilt sinngemäß für die angegriffene Ausführungsform 2 ("Cannabis Extrakt A ...X1" (Wirkstoff: THC 10mg/ml, CBD 10 mg/ml; Gesamtwirkstoffmenge 250 mg THC, 250 mg CBD)) mit der Maßgabe, dass der betreffende Produktflyer als Anlage Ast 10 und die Produktinformation als Anlage Ast 16 vorliegt.

dd)

Ohne Erfolg macht die Verfügungsbeklagte unter Hinweis auf das Betäubungsmittelrechtsänderungsgesetz (BtMÄndG) vom 09.03.2017 (BGBl. Teil I Nr. 11, 2017) hilfsweise geltend, die angegriffenen Ausführungsformen dürften trotz ihrer Eigenschaft als Fertigarzneimittel ohne eine Zulassung i.S.v. § 21 Abs. 1 S. 1 AMG in den Verkehr gebracht werden.

(1)

Dass der Gesetzgeber mit dem BtMÄndG den Zugang zu Cannabis als "Medizin" gänzlich unabhängig von den Regelungen des AMG gewährleisten wollte, ist entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten nicht anzunehmen. Der Gesetzgeber hat die arzneimittelrechtlich gebotene Differenzierung zwischen Cannabisextrakten, die als Komponenten für Rezepturarzneimittel bereitgestellt werden, und der Zulassung bedürfenden Fertigarzneimitteln nicht aufgegeben.

Insbesondere ergibt sich solches nicht etwa aus § 31 Abs. 6 SGB V n.F., der lautet:

"Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung

a)

nicht zur Verfügung steht oder

b)

im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,

2. eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht. ...".

Diese Norm besagt lediglich, dass Ärzte auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen bestimmten Patienten alternativ zur "üblichen" therapeutischen Versorgung die dort genannten Extrakte und Arzneimittel Produkte verschreiben dürfen. Sie betrifft thematisch allein die Frage der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherungen, die u.a. verlangt, dass der Versicherte sich verpflichtet, an einer Begleiterhebung teilzunehmen (vgl. die als Anlage AG 23 vorgelegte Gesetzesbegründung). Abgesehen von diesem thematischen Kontext gibt diese Norm auch inhaltlich keinen Anlass zur Annahme, dass der Gesetzgeber generell Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis von der Arzneimittelzulassung habe freistellen wollen. Der Gesetzgeber unterscheidet vielmehr auch hier strikt zwischen Cannabis-Extrakten einerseits und Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon andererseits. Unstreitig gibt es derzeit lediglich zwei zugelassene Arzneimittel ("Canemes" und "Sativex") mit diesen Wirkstoffen (vgl. die zugehörigen Fachinformationen in Anlage Ast 29). Allein auf diese beiden - zugelassenen - Arzneimittel ist die Regelung des § 31 Abs. 6 SGB V bezogen.

Dass sich das BtMÄndG der Verordnungs- und Erstattungsfähigkeit von bisher nicht verordnungsfähigen Produkten (vgl. die zugehörige Anlage I) und/oder nicht erstattungsfähigen Produkten widmet, ohne dass der Gesetzgeber zugleich die nach dem AMG notwendige Abgrenzung zwischen Fertigarzneimitteln und Rezepturarzneimitteln aufgeben wollte, ergibt sich nicht zuletzt anhand der folgenden Passage in der Gesetzesbegründung.

S. 23 der Gesetzesbegründung:

"... Das gilt aber nur für solchen Cannabis in Form von getrockneten Blüten, der die betäubungsmittelrechtlichen sowie arzneimittel- und apothekenrechtlichen Anforderungen erfüllt..." (Hervorhebung durch Unterstreichen diesseits).

Zudem lässt die Anlage III zu Art. 1 BtMÄndG, wo von "Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind..." die Rede ist, erkennen, dass der Gesetzgeber eine aus dem AMG folgende Zulassungspflicht für Fertigarzneimittel nicht außer Kraft setzen wollte.

(2)

Die Auffassung der Verfügungsbeklagten überzeugt im Übrigen schon aus grundsätzlichen Erwägungen zum Verhältnis von AMG und BtMG nicht.

Wie nämlich § 81 AMG bestimmt, bleiben die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes durch jene des AMG unberührt bleiben. Daraus folgt zunächst (vgl. Weber, a.a.O., § 1 BtMG Rn 23 ff. m.w.N.), dass auf Arzneimittel, die zugleich Betäubungsmittel im Sinne des BtMG sind, neben den Vorschriften des AMG auch diejenigen des BtMG anwendbar sind. Das AMG und das BtMG stehen demnach gleichrangig nebeneinander. Weder ist das AMG ein Spezialgesetz zum BtMG noch umgekehrt. Dieses Nebeneinander von AMG und BtMG hat u.a. zur Folge, dass der Umgang mit Substanzen, die keine Betäubungsmittel sind, zwar nicht nach dem BtMG geahndet werden können, die Möglichkeit von Verstößen gegen das AMG davon jedoch unberührt bleibt (BGHSt 43, 336 = NJW 2010, 2528).

Vor diesem Hintergrund vermögen sämtliche von der Verfügungsbeklagten auf S. 11 ff. der Berufungserwiderung bemühten Zitate aus den Gesetzgebungsmaterialien nicht als Beleg dafür zu dienen, dass der Gesetzgeber Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Cannabis von der Notwendigkeit einer Zulassung nach § 21 Abs. 1 S. 1 AMG für deren Inverkehrbringen - wie nicht - freistellen wollte. Die Verfügungsbeklagte geht - wie ausgeführt - rechtsfehlerhaft von einem Anwendungsvorrang des BtMG gegenüber dem AMG aus und verkennt damit, dass Ausführungen des Gesetzgebers zur betäubungsmittelrechtlichen Unbedenklichkeit von Fertigarzneimitteln auf Cannabis-Basis nichts über die Zulässigkeit des Inverkehrbringens nach dem AMG besagen. Überdies ist selbst in den von der Verfügungsbeklagten angeführten Zitaten mitunter von "zugelassenen Fertigarzneimittel(n)" die Rede, was wiederum belegt, dass der Gesetzgeber Fertigarzneimittel auf Cannabisbasis gerade nicht per se arzneimittelrechtlich als verkehrs- und verschreibungsfähig betrachtet.

ee)

Zu widersprechen ist ferner der Auffassung der Verfügungsbeklagten, wonach das Inverkehrbringen der angegriffenen Ausführungsformen durch die betäubungsmittelrechtliche Einfuhrgenehmigung (Anlage AG 1) und die arzneimittelrechtliche Einfuhrerlaubnis (Anlage AG 2) "verwaltungsrechtlich abgesegnet" sei.

Eine bloße Einfuhrgenehmigung /- erlaubnis ist strikt von der Zulassung i.S.v. § 21 Abs. 1 AMG zu trennen. Ihr kommt im Arzneimittelrecht kein statusbegründender Charakter zu, sondern sie hat bloß zollrechtliche Bedeutung, indem einer ansonsten drohenden Grenzbeschlagnahme begegnet wird. Deshalb unterliegen die Einfuhrgenehmigung nach § 72 AMG, der allein auf §§ 14 bis 20a AMG (und gerade nicht auf § 21 Abs. 1 AMG) verweist, und die Zulassung nach § 21 Abs. 1 S. 1 AMG auch jeweils ihren eigenen Regeln (vgl. Weber, a.a.O., § 17 AMG Rn 20). Entsprechendes gilt für die Importgenehmigung gem. § 2 Abs. 2 i.V.m. § 3 BtMG.

Vor diesem Hintergrund verfängt auch nicht der vom Landgericht bemühte Gedanke, die erteilten Einfuhrgenehmigungen seien zumindest Beleg dafür, dass das sachkundige BfArM und die sachkundige Bezirksregierung Düsseldorf eine Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG offenkundig nicht für nötig befunden hätten, anderenfalls die betreffenden Einfuhrgenehmigungen unterblieben wären. Dies kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es der Verfügungsbeklagten arzneimittelrechtlich freisteht, die angegriffenen Ausführungsformen in einer Art und Weise in den Verkehr zu bringen, dass diese nicht mehr als Fertigarzneimittel i.S.v. § 4 Abs. 1 AMG der Zulassung bedürfen, und daher für die genannten Behörden weder ein Anlass noch eine rechtliche Grundlage bestand, schon deren Einfuhr i.S.v. § 72 AMG und § 2 Abs. 2 i.V.m. § 3 BtMG per se (d.h. auch für die mögliche Verwendung als Rezepturarzneimittel) mit Rücksicht auf arzneimittelrechtliche Anforderungen zu untersagen.

ff)

Mit Blick auf die vorstehend festgestellten Zuwiderhandlungen der Verfügungsbeklagten besteht eine Begehungsgefahr in Form der Wiederholungsgefahr.

Letztere ist insbesondere nicht aufgrund der strafbewehrten Unterlassungserklärung gem. Anlage Ast 18, welche die Verfügungsbeklagte vorprozessual auf die Abmahnung gem. Anlage Ast 17 hin abgab, entfallen. Denn die Unterlassungserklärung greift explizit nur die Handlungsformen des "Bewerbens" bzw. "Bewerben Lassens" auf und schließt daher keineswegs global das Unterlassen des Inverkehrbringens (im oben erläuterten arzneimittelrechtlichen Sinne) ein. Dies ergibt sich in aller Deutlichkeit auch aus dem Begleitschreiben zur abgegebenen Unterlassungserklärung. Soweit die Verfügungsbeklagte meint, dem Antrag zu Ziffer I.1. komme kein eigenständiger Verbotsgehalt im Vergleich zu jenem nach Ziffer I.2 zu, verkennt sie, dass die angegriffenen Ausführungsformen mit den aus dem Tenor ersichtlichen Dokumenten in den Großhandel abgegeben, mithin in den Verkehr gebracht wurden, so dass das auf das Bewerben mittels dieser Dokumente (insbesondere der "Werbekarte") beschränkte Unterlassungsversprechen gerade nicht ausreicht, um global die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Mit Blick auf den einheitlichen Begriff des Inverkehrbringens i.S.d. AMG bedurfte es im Tenor folglich auch keiner Differenzierung zwischen einzelnen Unterarten dieser Begehungsform.

hh)

Die Spürbarkeit i.S.v. § 3a UWG i.V.m. § 3 Abs. 2 UWG ist ebenfalls gegeben.

Ob eine Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung besteht, beurteilt sich nach dem jeweiligen Schutzzweck der verletzten Marktverhaltensregelung (vgl. BGH GRUR 2008, 186 Rn. 25 - Telefonaktion). Spürbarkeit ist dann anzunehmen, wenn eine Beeinträchtigung der geschützten Interessen nicht nur theoretisch, sondern auch tatsächlich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten kann (OLG Hamburg GRUR-RR 2017, 65 Rn. 96). Es ist ausweislich des § 1 AMG der ausdrückliche Zweck des AMG, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zu sorgen. Es steht außer Frage, dass gerade ein Inverkehrbringen eines Fertigarzneimittels ohne eine notwendige Zulassung i.S.v. § 21 Abs. 1 S. 1 AMG geeignet ist, die notwendige Sicherheit des Verkehrs mit Arzneimitteln zu gefährden.

ii)

Eine Aufbrauchfrist hat die Verfügungsbeklagte zweitinstanzlich zu Recht nicht mehr (hilfsweise) begehrt. Für eine Gewährung von Amts wegen (s. dazu Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, a.a.O., § 8 Rn. 1.96) besteht kein Anlass. Denn durch die Gewährung der Aufbrauchsfrist würden die oben unter hh) erläuterten Schutzzwecke des § 1 AMG, die ein wichtiges Interesse der Allgemeinheit darstellen, gefährdet. Zudem steht es der Verfügungsbeklagten frei, die angegriffenen Ausführungsformen in geeigneter Weise als - zulassungsfreie - Rezepturarzneimittel in den Verkehr zu bringen.

3)

Schließlich besteht der erforderliche Verfügungsgrund.

Gemäß § 12 Abs. 2 UWG können zur Sicherung der im UWG bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der ZPO bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden. Die damit verbundene tatsächliche Vermutung ist hier unter keinem der von der Verfügungsbeklagten aufgeworfenen Aspekte widerlegt.

a)

Die Aufnahme des Wortes "insbesondere" in dem mit der Berufungsbegründung angekündigten Antrag beruhte - wie ausgeführt - auf einem Schreibversehen und kann schon deshalb nicht die Eilbedürftigkeit (partiell) in Frage stellen. Hinzu kommt, dass die nachträgliche Einführung oder Veränderung eines solchen insbesondere-Zusatzes weder eine Antragsänderung noch eine Antragserweiterung noch eine (teilweise) Antragsrücknahme dargestellt hätte (vgl. BGH GRUR 1991, 772 (773) - Anzeigenrubrik I) und auch deshalb die Dringlichkeit nicht tangieren konnte.

b)

Auch ist es grundsätzlich nicht dringlichkeitsschädlich, wenn der Berufungsführer die gesetzlichen Berufungseinlegungs- und -begründungsfristen voll ausschöpft (OLG Stuttgart MD 2010, 876 (882); KG WRP 2010, 129 (136); OLG Bremen GRUR-RR 2011, 466; OLG München WRP 2016, 1404 (1414); OLG Hamburg WRP 2017, 1129 Rn. 43); dies ist hier nicht einmal der Fall. Hinzu kommt, dass es sich um einen tatsächlich wie rechtlich sehr komplexen Rechtsstreit handelt, der eine entsprechende Aufbereitung des - in erster Instanz zu Unrecht auch mit dem Verfügungsantrag zu I.1. gescheiterten - Verfügungsklägers erforderte.

c)

Dass der Verfügungskläger seinen Sachvortrag zweitinstanzlich vertieft hat (z.B. unstreitig gebliebene Ausführungen zu Titrationsbeispielen; Werbeflyer gem. Anlage Ast 31) vermag die Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG ebenfalls nicht zu widerlegen. Das Nachschieben bloß einzelner Indizien ist unschädlich. Jedenfalls hat die Verfügungsbeklagte nicht einmal aufgezeigt, welche konkreten objektiven Umstände überhaupt für eine frühere Kenntnisnahme des Verfügungsklägers von den neu eingeführten Tatsachen sprechen könnten, so dass keine entsprechende sekundäre Darlegungslast des Verfügungsklägers anzunehmen ist (vgl. dazu Cepl/Voß/Voß, ZPO, 2. A. 2018, § 935 Rn 69 ff. m.w.N.).

III)

Den Verfügungsantrag zu Ziffer I.2 hat das Landgericht demgegenüber zu Recht mangels einer fortbestehenden Wiederholungsgefahr zurückgewiesen.

Die für den Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG notwendige Wiederholungsgefahr ist aufgrund der oben bereits angesprochenen strafbewehrten Unterlassungserklärung der Verfügungsbeklagten (Anlage Ast 18) entfallen. Insoweit verkennt der Senat nicht, dass an den Fortfall der Wiederholungsgefahr strenge Anforderungen zu stellen sind: Bestehen etwa an der Ernstlichkeit der übernommenen Verpflichtung auch nur geringe Zweifel, ist sie grundsätzlich nicht geeignet, die Besorgnis künftiger Verstöße auszuräumen (BGH GRUR 1997, 379 (380) - Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH GRUR 1998, 483 (485) - Der M.-Markt packt aus). Allerdings bestehen gegen insoweit keine durchgreifenden Bedenken gegen die Unterlassungserklärung gemäß Anlage Ast 18:

Dass die Verfügungsbeklagte die Unterlassungserklärung auf die Ziffer 1b) der mit der Abmahnung vorgeschlagenen Unterlassungserklärung beschränkte (und nicht auch die mit Ziffer 1a) geforderte Unterlassungserklärung abgab) steht dem nicht entgegen. Es handelt sich um zwei rechtlich selbständige Verletzungsformen, denen der Verfügungskläger folgerichtig auch selbständige Verfügungsanträge gewidmet und die er unter unterschiedlichen tatsächlichen wie rechtlichen Aspekten angegriffen hat. Ist die Wiederholungsgefahr einmal entfallen, kann (entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers) nicht der ursprüngliche Unterlassungsanspruch dadurch wiederaufleben, dass es später zu einem erneuten Verstoß kommt. Grundlage des Unterlassungsanspruchs kann dann also nicht mehr der ursprüngliche (durch die strafbewehrte Unterlassungserklärung erledigte), sondern nur der spätere Verstoß sein, der eine neue Wiederholungsgefahr begründet (BGHZ 130, 288 (292) - Kurze Verjährungsfrist; BGH GRUR 1998, 1043 (1044) - GS-Zeichen). Im Zusammenhang mit dem Verfügungsantrag zu Ziffer I.2. geht es dem Verfügungskläger speziell um die betreffende irreführende Werbeaussage. Ob es zu einem der Verfügungsbeklagten zurechenbaren weiteren Verstoß durch den Werbeflyer nach Anlage Ast 32 kam, bedarf hier keiner Entscheidung des Senats, nachdem der Verfügungskläger es trotz des entsprechenden Hinweises zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bewusst unterlassen hat, den Werbeflyer gem. Anlage Ast 32 als neue konkrete Verletzungsform zum Gegenstand seines Antrages zu Ziffer I.2 zu machen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Einer Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils bedarf es nicht, da es unmittelbar mit der Verkündung Rechtskraft erlangt (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Streitwert des Berufungsverfahrens: EUR 100.000,- gemäß der nicht angegriffenen Festsetzung des Streitwertes der ersten Instanz.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Verfügungsbeklagten vom 30.07.2018 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a, 156 ZPO).