LAG Hamm, Urteil vom 10.11.2016 - 15 Sa 640/16
Fundstelle
openJur 2019, 7155
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 28.04.2016 - 4 Ca 1008/14 - teilweise abgeändert dahin, dass die Beklagte zur Zahlung von 1.637,91 Euro brutto (Ziff. 4 des Tenors) verurteilt wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen um den Beschäftigungsanspruch des Klägers als Schlosser in der Werkstatt und auf Montage sowie um Ansprüche auf Arbeitsentgelt aus Annahmeverzug.

Der 1968 geborene, drei Kindern und seiner nicht berufstätigen Ehefrau zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist schwerbehindert mit einem GdB von 80. Seit 1985 ist er bei der Beklagten, bei der insgesamt 30 Arbeitnehmer tätig sind, nach erfolgter Ausbildung als Schlosser in der Werkstatt und auf Montage beschäftigt, zuletzt zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von 3.121,30 Euro.

Nach seiner Ausbildung als Schlosser im Industrieofenbau und Weiterbildungsmaßnahmen war der Kläger seither je nach anfallender Arbeit als Stahlbau-, Rohrleitungsschlosser (für Luft-, Erdgas-, Schutzgas-, Abgas-, Pneumatik- und Hydraulik-Rohrleitungen), Dreher, geprüfter Schweißer, Brennertechniker in der Werkstatt und als Supervisor (Baustellenleiter) auf Montage und zu Wartungszwecken im In- und Ausland beschäftigt.  Je nach Erfordernis werden die Baustellen üblicherweise mit zwei bis drei Mitarbeitern besetzt oder auch nur durch den Kläger. Dieser leitete Baustellen im In- und Ausland selbständig und war  in diesem Zusammenhang Ansprechpartner für Kunden und Lieferanten der Beklagten.

Am 05.05.2012 erlitt der Kläger einen Motorradunfall, durch den er das rechte Bein oberhalb des Knies verlor. Aufgrund dieses Unfalls befand er sich bis etwa Ende August 2012 in stationärer Behandlung. Seit Ende 2012 ist der Kläger mit einer Prothese versorgt.

In der Folgezeit bemühte sich der Kläger wiederholt um seine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten. Im Februar 2013 legte er einen Wiedereingliederungsplan vor, welcher von der Beklagten abgelehnt wurde. Im Mai/Juni 2013 lehnte die Beklagte anlässlich eines Gesprächs u.a. in Anwesenheit einer Vertreterin des Integrationsamtes jegliche Beschäftigung des Klägers in der Werkstatt ab. Mit Schreiben vom 31.10.2013 (für die Einzelheiten s. Bl. 7 d. A.) teilte die Beklagte der Agentur für Arbeit, R, mit, dass der Kläger seine Tätigkeit als Schlosser aus arbeitssicherheitstechnischen Gründen nicht mehr ausüben dürfe und dass sie nach erfolgter Umschulung prüfen werde, ob eine Weiterbeschäftigung als technischer Zeichner realisiert werden könne.

Eine Beschäftigung des Klägers als Schlosser lehnt die Beklagte ab.

Ausweislich des Schreibens der Agentur für Arbeit Bochum vom 18.11.2013 (vgl. Bl. 52 d. A.) erhält der Kläger seit dem 02.11.2013 Arbeitslosengeld.

Mit am 10.04.2014 eingereichter Klage hat der Kläger seine (Weiter-) Beschäftigung begehrt und mit verschiedenen Klageerweiterungen die Zahlung von Annahmeverzugsentgelt für den Zeitraum 01.12.2014 bis 29.02.2016, einschließlich der Leistung einer Sonderzahlung für das Jahr 2015, sowie die Erteilung entsprechender Abrechnungen verlangt.

Der Kläger hat behauptet, er sei wieder vollständig als Schlosser arbeitsfähig. Die bei der Beklagten zu leistenden Tätigkeiten seien mit der Prothese ohne Weiteres möglich. Ausweislich des ärztlichen Attestes seines Hausarztes vom 01.12.2014 (Bl. 91 d. A.) bestehe vollständige Leistungsfähigkeit im Wechsel von Stehen und Sitzen. Kniende oder hockende Positionen seien möglich. Auch das fachärztliche Attest des ihn behandelnden Orthopäden vom 16.01.2015 (Bl. 288 d. A.) belege, dass er in der Lage sei, seinem erlernten Beruf als Schlosser regelmäßig, vollschichtig, sicher und ohne große Einschränkungen nachzugehen. Er sei in der Lage, Lasten von 30 bis 40 kg zu tragen. Eine Gefährdung für sich und andere bestehe nicht. Unter Berücksichtigung der bei Montagetätigkeiten im Ausland herrschenden Arbeitsbedingungen könne er bei einwandfreien, arbeitstechnischen Umständen und einer einwandfreien Organisation vor Ort auch solche Tätigkeiten weiterhin ausüben.

Der Kläger hat gemeint, das zwischen den Parteien am 19.11.2014 erfolgte Gespräch könne nicht als Durchführung eines ordnungsgemäßen BEM-Verfahrens gewertet werden. Der Beklagte sei es unter Berücksichtigung seiner langen Betriebszugehörigkeit und bestehenden Arbeitsfähigkeit organisatorisch möglich und zumutbar, ihn weiterhin als Schlosser zu beschäftigen.

Sein Zahlungsanspruch ergebe sich aus Annahmeverzug, denn die Beklagte habe ihn trotz bestehender Arbeitsfähigkeit jedenfalls seit dem 01.12.2014 nicht mehr als Schlosser beschäftigt.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Schlosser in der Werkstatt und auf Montage zu unveränderten Bedingungen zu beschäftigen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit ab dem 01.12.2014 Vergütung in Höhe von insgesamt 30.108,54 Euro brutto abzüglich 15.658,34 Euro netto erhaltenen Arbeitslosengeldes (ALG II) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus 3.025,26 Euro brutto seit dem 01.01.2015 abzüglich 1.506,87 Euro netto,

aus 3.025,26 Euro brutto seit dem 01.02.2015 abzüglich 1.537,77 Euro netto,

aus 2.881,20 Euro brutto seit dem 01.03.2015 abzüglich 1.627,77 Euro netto,

aus 3.169,32 Euro brutto seit dem 01.04.2015 abzüglich 1.537,77 Euro netto,

aus 2.881,20 Euro brutto seit dem 01.05.2015 abzüglich 1.537,77 Euro netto,

aus 2.593,08 Euro brutto seit dem 01.06.2015 abzüglich 1.540,86 Euro netto,

aus 3.025,26 Euro brutto seit dem 01.07.2015 abzüglich 1.540,66 Euro netto,

aus 3.313,38 Euro brutto seit dem 01.08.2015 abzüglich 1.540,45 Euro netto,

aus 3.025,26 Euro brutto seit dem 01.09.2015 abzüglich 1.749,31 Euro netto,

aus 3.169,32 Euro brutto seit dem 01.10.2015 abzüglich 1.539,11 Euro netto

zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, über die vom 01.12.2014 bis 30.09.2015 zu beanspruchende Vergütung auf Grundlage einer 35-Stunden-Woche und eines Stundenlohns in Höhe von 20,58 Euro brutto Abrechnung zu erteilen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit ab dem 01.10.2015 Vergütung in Höhe von insgesamt 15.270,36 Euro brutto abzüglich 7.691,60 Euro netto erhaltenen Arbeitslosengeldes (ALG II) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus 3.169,32 Euro brutto seit dem 01.11.2015 abzüglich 1.478,90 Euro netto,

aus 3.025,26 Euro brutto seit dem 01.12.2015 abzüglich 1.607,63 Euro netto,

aus 3.169,32 Euro brutto seit dem 01.01.2016 abzüglich 1.547,55 Euro netto,

aus 2.881,20 Euro brutto seit dem 01.02.2016 abzüglich 1.529,34 Euro netto,

aus 3.025,26 Euro brutto seit dem 01.03.2016 abzüglich 1.528,18 Euro netto

zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, über die vom 01.10.2015 bis 29.02.2016 zu beanspruchende Vergütung auf Grundlage einer 35-Stunden-Woche und eines Stundenlohns in Höhe von 20,58 Euro Abrechnung zu erteilen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Weihnachtsgeld in Höhe von 1.637,91 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015 zu zahlen und dem Kläger hierüber Abrechnung zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die von dem Kläger vormals geleisteten Tätigkeiten könnten und dürften aufgrund der vorhandenen Prothese nicht mehr durchgeführt werden. Es bestehe ein erhebliches Verletzungsrisiko für ihn und Dritte. Dieses sei auf ungesicherten Baustellen in der Werkstatt als auch den bei den Kunden vorherrschenden widrigen Gegebenheiten durch herumliegende Bauteile und offene Fundamentgruben im Zusammenhang mit den notwendig durchzuführenden Arbeiten auf Leitern oder Podesten geschuldet. Hinzu komme, dass Kunden aufgrund der Gefahrenlage keine Tätigkeit von Personen mit entsprechenden körperlichen Beeinträchtigungen u.a. aufgrund des Haftungsrisikos zuließen. So heiße es etwa in aktuellen Sicherheitsvorschriften für Fremdfirmen des Kunden T Federn und Stabilisatoren: „Für den Arbeitseinsatz dürfen nur Personen bestimmt werden, die nach Alter, Körperbeschaffenheit, Gesundheitszustand und Fachkenntnissen hierzu geeignet sind.“

Im Rahmen einer Besprechung unter Beteiligung der Berufsgenossenschaft, des Sicherheitsbeauftragten und des Integrationsamtes am 24.05.2013 sei festgehalten worden, dass die Beschäftigung des Klägers auf Baustellen im In- und Ausland aus diesen Gründen ausgeschlossen sei (vgl. Besprechungsprotokoll vom 24.05.2013, Bl. 28 f. d. A.). Auch sei der Kläger nicht in der Lage die anfallenden Tätigkeiten in ihrer Werkstatt durchzuführen. Sie habe infolge dessen Überlegungen angestellt, ihn nach Umschulungsmaßnahmen als technischen Zeichner weiter zu beschäftigen, wofür er jedoch kein Interesse gezeigt habe.

Die Beklagte hat gemeint, der Kläger sei aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigungen nicht wieder vollständig als Schlosser arbeitsfähig. Eine Beschäftigung zu unveränderten Bedingungen sei aus arbeitssicherheitstechnischen Gründen ausgeschlossen. Das BEM-Verfahren sei infolge des Gesprächs vom 19.11.2014 ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Mangels Leistungsfähigkeit habe der Kläger keinen Anspruch auf Entgelt aus Annahmeverzug.

Das Arbeitsgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 22.01.2015 (Bl. 114 f. d. A.) Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, er sei wieder vollständig leistungsfähig und damit in der Lage, die bei der Beklagten zu verrichtende Tätigkeit als Schlosser in der Werkstatt und auf Montage auszuüben, durch Einholung eines arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens, erstellt unter dem 28.10.2015 von der Fachärztin für Arbeitsmedizin und Innere Medizin, B (Bl. 179 bis 191 d. A.).

Das Arbeitsgericht Herne hat durch am 28.04.2016 verkündetes Urteil der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat seine Entscheidung wesentlich wie folgt begründet:

Der Kläger habe einen Anspruch auf Beschäftigung als Schlosser in der Werkstatt und auf Montage aus §§ 611, 613 in Verbindung mit § 242 BGB. Es könne dahinstehen, ob der Kläger krank sei; er sei jedenfalls nicht arbeitsunfähig. Die gegenteilige Einschätzung der Beklagten sei ausweislich des eingeholten arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens einschließlich der mündlichen Erläuterung des Gutachtens durch die Sachverständige, die Fachärztin für Arbeitsmedizin und Innere Medizin, B, nicht begründet. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger jedenfalls seit dem 01.12.2014 arbeitsfähig für eine Tätigkeit als Schlosser in der Werkstatt und auf Montage sei.

Der Kläger habe des weiteren Anspruch aus rückständige (Annahmeverzugs-) Vergütung in tenorierter Höhe gemäß §§ 611 Abs. 1, 615 BGB. Die Berechnung der Klageforderung sei durch den Kläger auf Grundlage und Bezugnahme der von der Beklagten als vom Kläger vergleichbar benannter Mitarbeiter in der Werkstatt aktuell gezahlten Vergütung mit 20,58 Euro brutto nachvollziehbar erfolgt.

Der Anspruch auf die Sonderzahlung für 2015 in Höhe von 1.673,91 Euro netto folge aus § 611 Abs. 1 BGB; die Beklagte habe ein Weihnachtsgeld in der Vergangenheit unstreitig wiederholt in Höhe von 1.673,81 Euro netto geleistet.

Zinsansprüche stünden dem Kläger  insgesamt zu aus § 280 Abs. 1 und 2, 286, 288, 291 BGB.

Der Abrechnungsanspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum bestehe gemäß § 108 GewO.

Gegen das ihr am 02.05.2016 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte am 01.06.2016 Berufung eingelegt und diese mit - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 04.08.2016 - am 04.08.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Ihr erstinstanzliches Vorbringen vertiefend meint die Beklagte, dass dem Arbeitsgericht in der Würdigung des Sachverhalts nicht gefolgt werden könne. Es lasse die wesentlich komplexeren Aufgabenbereiche des Klägers außer Betracht, wie sie auf Seite drei des Urteils im Tatbestand noch dargelegt würden. Ein uneingeschränkter Mobilitätsgrad 4 sei Voraussetzung für die Tätigkeit des Klägers in ihrem Betrieb. Auch sei unberücksichtigt geblieben, dass sie erstinstanzlich besondere Umstände, unter denen die Montagetätigkeiten auszuüben seien, vorgetragen habe. Der Kläger sei zu 70 % seiner Arbeitszeit auf Montage gewesen. Zu gelebter Praxis auf den Baustellen vor allem im Ausland nehme das Gutachten keinen Bezug. Es habe lediglich eine Ortsbegehung der Werkstatt stattgefunden, wobei der Tätigkeitsbereich dort gerade nicht repräsentativ für den Einsatz des Klägers sei. Auch lasse das Gutachten die spezifische Prothese mit ihren materialtechnischen Belastbarkeitsgrenzen außer Acht. Die Knieprothese sei zudem mit einer äußert empfindlichen Elektronik ausgerüstet; es komme in der Nähe von hochfrequenten magnetischen Wellen zu Störungen, und bei Schweißverfahren würden hochfrequente Wellen ausgesandt. Der Kläger könne auch gar nicht über einen längeren Zeitraum in der Hocke arbeiten; hier fehlten 35 Grad Neigungswinkel. Unerlässlich sei in diesem Zusammenhang eine arbeitsmedizinische Untersuchung nach G35 auf Tropentauglichkeit. Schließlich werde in dem Gutachten nicht erwähnt, ob die Depression bei dem Kläger ausgeheilt sei oder weiter bestehe. Ebenso wenig gehe das Gutachten auf die unerlässliche Fähigkeit ein, schnell die Gefahrenstelle zu verlassen bei Brandgefahr und/oder Schutzgasaustritt aus Anlagen. Das Gericht hätte bei sachgerechter Würdigung des Gutachtens zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass eine vollständige Arbeitsfähigkeit des Klägers gerade nicht angenommen werden könne.

Hilfsweise seien die geltend gemachten Vergütungsansprüche unter Berücksichtigung des tatsächlichen vereinbarten Stundenlohns von 19,56 Euro brutto und der Tatsache, dass es sich bei dem Weihnachtsgeld um eine Bruttozahlung handele, zu titulieren. Wie der Kläger zu der Annahme gelange, es sei ein Stundenlohn von 20,58 Euro brutto vereinbart, erschließe sich nicht. Jedenfalls, so behauptet die Beklagte, solle der Kläger im Jahr 2015 nachhaltig und wiederholt bei einer Firma M in R gegen Entgelt tätig geworden sein.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 28.04.2016, 4 Ca 1008/14, wird abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Hilfsweise wird beantragt:

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 01.12.2014 Vergütung in Höhe von insgesamt 28.616,28 Euro brutto abzüglich 15.658,34 Euro netto erhaltenen Arbeitslosengeldes nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz

              aus 2.875,32 Euro brutto seit dem 01.01.2015 abzüglich 1.506,87 Euro netto

              aus 2.875,32 Euro brutto seit dem 01.02.2015 abzüglich 1.537,77 Euro netto

              aus 2.738,40 Euro brutto seit dem 01.03.2015 abzüglich 1.627,77 Euro netto

              aus 3.012,24 Euro brutto seit dem 01.04.2015 abzüglich 1.537,77 Euro netto

              aus 2.738,41 Euro brutto seit dem 01.05.2015 abzüglich 1.537,77 Euro netto

              aus 2.464,56 Euro brutto seit dem 01.06.2015 abzüglich 1.540,86 Euro netto

              aus 2.875,32 Euro brutto seit dem 01.07.2015 abzüglich 1.540,66 Euro netto

              aus 3.149,16 Euro brutto seit dem 01.08.2015 abzüglich 1.540,45 Euro netto

              aus 2.875,32 Euro brutto seit dem 01.09.2015 abzüglich 1.749,31 Euro netto

              aus 3.012,24 Euro brutto seit dem 01.10.2015 abzüglich 1.539,11 Euro netto

zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, über die vom 01.12.2014 bis 30.09.2015 zu beanspruchende Vergütung auf Grundlage einer 35-Stunden-Woche und eines Stundenlohns von 19,56 Euro brutto Abrechnung zu erteilen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 01.10.2015 Vergütung in Höhe von insgesamt 14.513,52 Euro brutto abzüglich 7.691,60 Euro erhaltenen Arbeitslosengeldes nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz

              aus 3.012,24 Euro brutto seit dem 01.11.2015 abzüglich 1.478,90 Euro netto

aus 2.875,32 Euro brutto seit dem 01.12.2015 abzüglich 1.607,63 Euro netto

aus 3.012,24 Euro brutto seit dem 01.01.2016 abzüglich 1.547,55 Euro netto

aus 2.738,40 Euro brutto seit dem 01.02.2016 abzüglich 1.529,34 Euro netto

aus 2.875,32 Euro brutto seit dem 01.03.2016 abzüglich 1.528,18 Euro netto

zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, über die vom 01.10.2015 bis 29.02.2016 zu beanspruchende Vergütung auf Grundlage einer 35-Stunden-Woche und eines Stundenlohns von 19,56 Euro brutto Abrechnung zu erteilen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Weihnachtsgeld in Höhe von 1.637,91 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015 zu zahlen und dem Kläger hierüber Abrechnung zu erteilen.

Der Kläger beantragt,

              die unter dem 31.05.2016 eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 28.04.2016, Aktenzeichen 4 Ca 1008/16, kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er trägt vor, dass seine Einsatz- und Arbeitsmöglichkeiten in I. Instanz umfassend durch die beauftragte arbeitsmedizinische Sachverständige begutachtet worden seien. Danach könne er  alle Arbeiten, wie sie von der Beklagten dargelegt worden sind, problemlos, zumindest aber nicht mit mehr Problemen als ein gesunder, nicht beinamputierter Arbeitnehmer, erfüllen. Die sachlichen bzw. inhaltlichen Feststellungen der arbeitsmedizinischen Sachverständigen seien inhaltlich stimmig und nachvollziehbar. Zur Frage, ob und wie durch eine deutsche arbeitsmedizinische Gutachterin seine Einsatzfähigkeit auf Baustellen im Ausland überprüft werden könne, bleibe die Beklagte jedwede Antwort schuldig. Ihr Vortrag, ausländische Baustellen seien uneben, und dort sei es heiß und feucht, bleibe völlig pauschal. Zudem habe die Sachverständige herausgestellt, dass er hinsichtlich sämtlicher vermeintlicher „Einschränkungen“ nicht weniger einsatz- oder arbeitsfähig sei als ein gesunder, nicht beinamputierter Mitarbeiter.

Er habe seit Arbeitsaufnahme im Jahr 1985 im Hause der Beklagten niemals mit einem Presslufthammer gearbeitet. Es sei falsch und durch keinerlei Beweis belegt, dass ein uneingeschränkter Mobilitätsgrad 4 Voraussetzung sei für bei der Beklagten zu erbringende Tätigkeiten. Unwahr sei, dass er in einem Gespräch mit dem Seniorgesellschafter und früheren Geschäftsführer der Beklagten, S, eingeräumt habe, dass Montageeinsätze für ihn schwierig seien und er auf diese Aufgabe verzichten möchte. Das Gegenteil sei der Fall. Denn im Rahmen von Vergleichsgesprächen mit der Beklagtenseite habe er dem früheren Geschäftsführer angeboten, dass es für ihn - den Kläger - auch in Ordnung wäre, wenn er aus Sicherheitsgründen lediglich in der (deutschen) Werkstatt eingesetzt würde.

Die Mutmaßungen der Beklagten zu der Prothese seien fehlerhaft. Diese sei, wie sich aus der schriftlichen Bestätigung des Herstellers, der Firma P, vom 19.09.2016 ergebe, mit einem VGK-Go!-Kniegelenk bei Umgebungstemperaturen von minus zehn Grad Celsius bis plus fünfzig Grad Celsius problemlos über längere Zeiträume einsetzbar. Auch ergebe sich aus dem Schreiben des Prothesenherstellers, dass ein VGK-Go!-Kniegelenk einen Beugewinkel von 175 Grad besitze. Dies dürfte ihm ein Knien und auch ein längeres Arbeiten in der Hocke problemlos ermöglichen.

Die Beklagte verkenne die Ziel- und Zweckrichtung einer DGUV-Untersuchung G35. Vielmehr hätte es der Beklagten hier oblegen, jeden ihrer Arbeitnehmer, so auch ihn, vor einem konkret anstehenden Auslandseinsatz spezifisch untersuchen zu lassen. Allenfalls könne daher der Beklagten ein Versäumnis vorgeworfen werden, nicht jedoch der sachverständigen Gutachterin. Ohne Anhaltspunkt behaupte die Beklagte, eine Einnahme von Medikamente zur Behandlung von Depressionen könne das Reaktionsvermögen einschränken. Die Beklagte wolle nicht allen Ernstes behaupten, eine behandelte Depression aus dem Jahre 2011 führte 2016 bei ihm zu einer Arbeitsunfähigkeit.

Was den Stundenlohn betreffe, so orientiere die Beklagte seine Bezahlung wie die sämtlicher Mitarbeiter an den entsprechenden lohntariflichen Abschlüssen der IG-Metall. Insofern habe sie regelmäßig, orientiert an den tariflichen Entwicklungen, Erhöhungen des Stundenlohns vorgenommen. Auf den diesbezüglichen Vortrag auf Bl. 464, 465 d. A. wird für die Einzelheiten verwiesen. Die Behauptung eines vereinbarten festen Stundenlohns von 19,56 Euro habe die Beklagte weder substantiiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Soweit die Beklagte seinen berechtigten Lohnforderungen entgegenhalte, er habe anderweitigen Verdienst erzielt, sei dies schlichtweg falsch.

Das Weihnachtsgeld habe die Beklagte in den Jahren 2013 und 2014 netto zur Auszahlung gebracht, auch wenn es sein möge, dass sie einen Betrag von 1.637,91 Euro brutto abgerechnet habe.

Wegen des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird verwiesen auf deren wechselseitige Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der öffentlichen Sitzungen in erster und zweiter Instanz, die insgesamt Gegenstand der letzten mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 Buchst. b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG §§ 517 ff. ZPO an sich statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 28.04.2016 ist weitestgehend unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte sowohl Anspruch auf seine Beschäftigung als Schlosser in der Werkstatt und auf Montage (I.) wie auch auf Zahlung rückständigen Entgelts für den Zeitraum 01.12.2014 bis 29.02.2016 (II.). Allein die dem Kläger darüber hinaus zustehende Sonderzahlung für 2015 stellt sich richtigerweise als Bruttoentgeltanspruch dar (III.). Des Weiteren bestehen Ansprüche des Klägers auf Abrechnung und auf Verzugszinsen (IV.).

I.   Der Kläger kann von der Beklagten zu Recht seine Beschäftigung mit Tätigkeiten in der Werkstatt und auf Montagebaustellen verlangen.

1.  Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis beruht auf den §§ 611, 613 in Zusammenhang mit § 242 BGB. Er gründet auf der arbeitsvertraglichen Förderungspflicht des Arbeitgebers im Hinblick auf das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 GG zum Persönlichkeitsschutz. Eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ohne vertragliche Vereinbarung ist grundsätzlich nicht zulässig und lässt den Anspruch nur dann zurücktreten, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (BAG, 09.04.2014 – 10 AZR 637/13, NZA 2014, 719; so auch schon BAG,27.02.1985 - GS 1/84, BAGE 48, 122; BAG, 21.09.1993 – 9 AZR 335/91,NZA 1994, 267).

Der Anspruch ist auf die vertragsgemäße Beschäftigung gerichtet. Deren Konkretisierung obliegt gemäß § 106 GewO dem Arbeitgeber. Er kann festlegen, welche Arbeitsleistung der Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsvertrags und der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Regelungen zu erbringen hat (BAG, 12.09.1996 - 5 AZR 30/95, BAGE 84, 116). Bei Unmöglichkeit der Arbeitsleistung besteht kein Beschäftigungsanspruch, § 275 Abs. 1 BGB. Insbesondere entfällt die Leistungspflicht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig ist (BAG, 09.04.2014 – 10 AZR 637/13, NZA 2014, 719).

2.   Der Kläger ist nicht arbeitsunfähig.

Für den Begriff der „Arbeitsunfähigkeit“ ist eine vom Arzt nach objektiven Maßstäben vorzunehmende Bewertung des Gesundheitszustands des Arbeitnehmers maßgebend. Dabei beurteilt sich die Arbeitsfähigkeit nach der vom Arbeitnehmer arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung, wie sie der Arbeitgeber ohne die Arbeitsunfähigkeit als vertragsgemäß annehmen muss. Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr ausüben sollte, weil die Heilung der Krankheit nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert würde (BAG, 09.04.2014 – 10 AZR 637/13, a.a.O., mit Hinweis auf BAG, 23.01.2008 - 5 AZR 393/07, NZA 2008, 595).

a)   Mit dem Arbeitsgericht ist auch die Berufungskammer davon überzeugt, dass der Kläger die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit eines Schlossers in der Werkstatt und auf Montage auszuüben in der Lage ist, und zwar unbeschadet seiner rechtsseitig gegebenen Beinamputation ab Höhe des unteren Oberschenkels bzw. der vorhandenen Beinprothese.

Das Berufungsgericht folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils zur Arbeitsfähigkeit des Klägers (dort S. 10 bis 16 = Bl. 347R bis 350R d. A.) und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Das Berufungsvorbringen der Beklagten bietet lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Klarstellungen:

aa)   Der Beklagten ist nicht darin zu folgen, dass Voraussetzung für die von dem Kläger zu erbringenden Tätigkeiten ein uneingeschränkter Mobilitätsgrad 4 ist. Diese Behauptung erschließt sich zum einen nicht, ist zum anderen jedoch auch nicht bewiesen, insbesondere nicht durch das arbeitsmedizinische Sachverständigengutachten vom 28.10.2015.

Das Arbeitsgericht wie auch die Berufungskammer stützt sich für die Entscheidung zur Arbeitsfähigkeit des Klägers weitgehend auf das Sachverständigengutachten der Fachärztin für Arbeitsmedizin und Innere Medizin, B. Dieses weist daraufhin, dass bei einer Prothesenversorgung Mobilitätsgrade von 0 bis 4 unterschieden werden. Mobilitätsgrad 3 ist anzunehmen bei einem uneingeschränkten Außenbereichsgeher mit sicherem Fortbewegen, der die meisten Umwelthindernisse wie beispielsweise Bordsteine, einzelne Stufen und unebene Böden zu überwinden in der Lage ist. Die Gehdauer und Gehstrecke sind im Vergleich zum ungehinderten Menschen nur unwesentlich eingeschränkt. Demgegenüber ist der Mobilitätsgrad 4 definiert für einen uneingeschränkten Außenbereichsgeher mit besonders hohen Ansprüchen und dem Potential der nahezu uneingeschränkten Fortbewegung mit hohen funktionellen Anforderungen mit Stoßbelastung und bei uneingeschränkter Gehdauer. Das Gutachten nimmt bei dem Kläger einen Mobilitätsgrad zwischen 3 und 4 an. Dieser Mobilitätsgrad ist nach Einschätzung der Arbeitsmedizinerin für die Tätigkeiten des Klägers ausreichend. Dem schließt sich das Berufungsgericht an.

Zwar ist der Beklagten dahin zu folgen, dass das arbeitsmedizinische Gutachten sich nicht verhält „zur gelebten Praxis auf den Baustellen der Beklagten vor allem im Ausland (Drittländer und Tropen)“. Ebenso ist der Beklagten darin zu folgen, dass lediglich eine Ortsbegehung der Werkstatt im Betrieb der Beklagten stattfand. Jedoch geht das Gutachten, wie sich der durchgeführten beruflichen Anamnese (Bl. 180,181 d. A.) entnehmen lässt, davon aus, dass der Kläger zu mindestens 30 % seiner Tätigkeiten auf (ausländischen) Montagebaustellen eingesetzt wird. Gleichwohl gelangt das Gutachten nicht zu einer Einschränkung, bezogen auf auswärtige Montagetätigkeiten. Auch ist nicht erkennbar, dass für einen Einsatz des Klägers auf auswärtigen Montagebaustellen ein Mobilitätsgrad, der zwischen 3 und 4 schwankt, nicht ausreichend sein soll. Das Vorbringen der Beklagten, insbesondere auf den Seiten drei und vier der Berufungsbegründung, vermag im Ergebnis nichts daran zu ändern, dass die Gutachterin einem Einsatz des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher Untersuchungsergebnisse nicht entgegentritt. Ausdrücklich führt die Gutachterin aus, dass die körperlichen Belastungsfähigkeiten des Klägers in seinem bisher ausgeübten Beruf nahezu uneingeschränkt gegeben sind. Lediglich im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung erforderten bestimmte Schutzmaßnahmen im Bereich der Werkstatt noch einen Handlungsbedarf, welche jedoch nicht spezifisch auf einen prothesenversorgten Arbeitnehmer zugeschnitten seien. Das Gutachten hat insgesamt die komplexen Aufgabenbereiche des Klägers berücksichtigt. Dahinstehen kann, ob der Kläger, wie die Beklagte behauptet, zu 70 % seiner Arbeitszeit mit Montagetätigkeiten betraut war. Der Kläger selbst gibt im Rahmen der beruflichen Anamnese an, zuletzt bis zu etwa 70 % an Arbeiten und Fertigung am Firmenstandort ausgeführt zu haben. In diesem Zusammenhang stellt das Gutachten indes keine Differenzierung an, sodass unentschieden bleiben kann, in welchem Ausmaß der Kläger in der betrieblichen Werkstatt einerseits und an auswärtigen Montagebaustellen andererseits eingesetzt war. Zudem lassen sich keine Besonderheiten für einen Einsatz im Ausland einschließlich einer Tätigkeit in Tropengebieten erkennen. Auch insoweit bejaht das Gutachten ohne nähere Differenzierung die nahezu uneingeschränkte Belastungsfähigkeit des Klägers.

bb) Das Gutachten lässt entgegen der Auffassung der Beklagten die spezifische Prothese des Klägers mit ihren materialientechnischen Belastbarkeitsgrenzen auch nicht außer Acht. Es geht davon aus, dass der Kläger mit einer modernen elektronischen Prothese versorgt ist, welche durch mechanische Grundeinstellung eine leistungsfähige Hydraulik mit Schwungphasensteuerung, Standphasensicherung, Stolperschutz und Dämpfung ermöglicht. Es bestehen keine Bedenken, dass der Kläger Zwangshaltungen einnimmt, auf Leitern steigt oder Gewichte trägt, wobei die Prothese unter Berücksichtigung des Körpergewichts des Klägers eine weitere Lastenaufnahme von etwa 30 kg zumutbar ermöglicht.

Der Hinweis der Beklagten, die Prothese des Klägers dürfe nur im Temperaturbereich von minus fünf Grad Celsius und plus fünfundvierzig Grad Celsius eingesetzt werden, vermag nicht zu verfangen. Dass Temperaturen auf dieser Erde noch niedriger und noch höher liegen können, darf als bekannt voraus gesetzt werden. Es fehlt allerdings an konkretem Vortrag der Beklagten, dass diese ausländische Montagebaustellen betreibt, auf denen entsprechend intensive Temperaturwerte erreicht werden. Der Hinweis, dass an einem bestimmten Augusttag im Jahr 2016 an einem Baustellenort in Mexiko Außentemperaturen von vierzig Grad Celsius und noch einmal zehn bis zwanzig Grad Celsius höhere Temperaturen in der Montagehalle geherrscht hätten, ist unsubstantiiert. Zudem geböte es bei entsprechenden Temperaturwerten die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht, Arbeitnehmer derartigen Extremtemperaturen körperlich ungeschützt nicht auszusetzen.

Der Vortrag der Beklagten zu der mit einer äußerst empfindlichen Elektronik ausgerüsteten Knieprothese des Klägers ist unsubstantiiert. Unklar ist, zu welchen Störungen es in der Nähe von hochfrequenten magnetischen Wellen kommen kann; Gleiches gilt für das Aussenden hochfrequenter Wellen bei Schweißverfahren.

Was den Neigungswinkel der Prothese des Klägers betrifft, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Bewegungsablauf bei dem Kläger regelmäßig ist, wie die arbeitsmedizinische Untersuchung vom 01.09.2015 gezeigt hat (vgl. soweit Bl. 183 f. d. A.). Zwar weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger wegen eines an der Prothese fehlenden Neigungswinkels von 35 Grad nicht über einen längeren Zeitraum in der Hocke arbeiten kann. Doch fehlt es gleichzeitig an jedem Vorbringen dazu, dass Tätigkeiten bei der Beklagten über einen längeren Zeitraum in der Hocke überhaupt anfallen. Sollte dies der Fall sein, wäre es dem Kläger - wie er substantiiert mitteilt - möglich, auf die Prothese eines anderen Herstellers, die einen Beugewinkel von 175 Grad besitzt, zurückzugreifen.

cc)  Die Aussagekraft des arbeitsmedizinischen Gutachtens wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass dieses eine arbeitsmedizinische Untersuchung „nach G 35 auf Tropentauglichkeit“ nicht durchgeführt hat. Die Handlungsanleitung für arbeitsmedizinische Untersuchungen nach dem DGUV-Grundsatz G35 enthält Hinweise für die Gefährdungsbeurteilung im Zusammenhang mit besonderen klimatischen Belastungen in den Tropen, Subtropen und Polarregionen. Diese erfordern vor jedem entsprechenden Arbeitsaufenthalt im Ausland bzw. vor der ersten Ausreise und einem gewissen Abstand nach Beendigung der Tätigkeit ärztliche Beratung bzw. Erst- und Nachuntersuchungen. Hingegen war es nicht Aufgabe des streitgegenständlichen arbeitsmedizinischen Gutachtens, den Kläger nach dem DGUV-Grundsatz G 35 zu untersuchen.

dd)   Der Hinweis der Beklagten, dass eine bei dem Kläger vor seinem Unfall im Jahr 2011 aufgetretene Depression in dem arbeitsmedizinischen Gutachten nicht dahingehend erwähnt ist, ob diese ausgeheilt ist oder weiter besteht, berührt die Frage der Arbeitsunfähigkeit erkennbar nicht. Das Gutachten selbst weist daraufhin, dass im Jahr 2011 eine mehrwöchige Arbeitsunfähigkeitsphase aufgrund psychischer Belastungsfaktoren bestanden habe, die durch professionelle Behandlung kompensiert worden sei. Eine weitergehende Bedeutung kommt der damaligen Erkrankung, die ersichtlich abgeschlossen ist, nicht zu.

b)   Dem Beschäftigungsanspruch des Klägers steht nach wie vor nicht entgegen, dass möglicherweise Kunden der Beklagten aufgrund bestimmter Gefahrenlagen Tätigkeiten von Arbeitnehmern mit entsprechenden körperlichen Beeinträchtigungen wegen eines besonderen Haftungsrisikos nicht zuließen. Es wird insoweit auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts verwiesen.

c)   Gründe einer möglichen Eigen- oder Fremdgefährdung vermögen vorliegend den Beschäftigungsanspruch des Klägers ebensowenig auszuschließen. Auch insoweit bleibt es bei den zutreffenden Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts. Wenn die Beklagte darüber hinaus vorbringt, die Sachverständige gehe auf die unerlässliche Fähigkeit, schnell die Gefahrenstelle bei Brandgefahr und/oder Schutzgasaustritt aus Anlagen zu verlassen nicht ein, so ist diesem Einwand das gutachtliche Ergebnis entgegenzuhalten, wonach die körperlichen Belastungsfähigkeiten des Klägers in seinem bisher ausgeübten Beruf nahezu uneingeschränkt gegeben sind.

II.   Der Kläger hat für die Zeit vom 01.12.2014 bis zum 29.02.2016 Anspruch auf Zahlung von Arbeitsvergütung in erstinstanzlich ausgeurteilter Höhe gemäß § 615 S. 1 in Verbindung mit § 611 Abs. 1 BGB. Dem Hilfsantrag der Beklagten war nicht zu entsprechen. Die Beklagte befand sich während des streitigen Klagezeitraums im Annahmeverzug.

1.  Für die vorliegend gegebenen Voraussetzungen des Annahmeverzugs wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts unter I, 2 Buchst. a) bis c) verwiesen, die sich die Berufungskammer zu eigen macht, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Zwar kommt gemäß § 297 BGB der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Vorliegend hat der Kläger die Arbeitsleistung so angeboten, wie sie zu bewirken ist. Nach den Feststellungen dieses Urteils war der Kläger im streitigen Klagezeitraum in der Lage, seine Tätigkeit als Schlosser in der Werkstatt und auf Montage zu verrichten. Der Kläger war insbesondere im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsfähig und damit leistungsfähig im Sinne des § 297 BGB.

2. Der Höhe nach berechnet sich die Klageforderung auf der Grundlage eines Bruttoentgelts je Arbeitsstunde von 20,58 EUR. Dem Arbeitsgericht ist darin zu folgen, dass der für den Kläger zu berücksichtigende Stundenlohn in dieser Höhe anzunehmen ist.

Soweit die Beklagte unter Vorlage einer Abrechnungskopie für den Monat Juni 2012 - der letzten Abrechnung nach dem im Mai 2012 erlittenen Motorradunfall des Klägers, bevor der Krankengeldbezug einsetzte - und unter dem weiteren Vorbringen, dass auch in den damaligen Vormonaten jeweils auf der Basis eines Stundenlohnes von 19,56 Euro brutto vergütet worden sei, daraufhin weist, dass mit dem Kläger ein Stundenlohn von 19,56 Euro brutto vereinbart sei, ist dem der Kläger erfolgreich entgegengetreten mit dem weitergehenden Vortrag, dass die Vereinbarung eines festen Stundenlohns von 19,56 Euro nicht zutreffend sei und mit ihm auch kein (schriftlicher) Arbeitsvertrag bestehe, die Beklagte seine Bezahlung wie auch die sämtlicher ihrer Mitarbeiter vielmehr an den entsprechenden lohntariflichen Abschlüssen der IG Metall orientiere. Die Beklagte habe regelmäßig für sämtliche Mitarbeiter Erhöhungen des Stundenlohns entsprechend den tariflichen Entwicklungen vorgenommen. Zum 01.07.2013 habe die Beklagte den Stundenlohn von 19,56 Euro auf 20,58 Euro angehoben; zu diesem Zeitpunkt sei er bereits nicht mehr beschäftigt worden.

Die Beklagte ist diesem Vortrag nicht mehr substantiiert entgegengetreten. Da sie andererseits eine Vereinbarung mit dem Kläger über einen auch ab April 2014 anzusetzenden Stundenlohn von 19,56 Euro nicht zu beweisen vermochte, war für den Kläger von einem Bruttostundenentgelt von 20,58 Euro - wie für vergleichbare Mitarbeiter in der Werkstatt gezahlt - für den streitgegenständlichen Zeitraum auszugehen.

3.   Anderweitigen Verdienst im streitigen Zeitraum muss der Kläger sich nicht anrechnen lassen. Der Kläger hat hierzu erklärt, dass der Vortrag der Beklagten, er habe anderweitige Verdienste erzielt, falsch sei. Auf die Vermutung der Beklagten, er solle im Jahr 2015 nachhaltig und wiederholt bei einer Firma M, R, gegen Entgelt tätig geworden sein, hat der Kläger die Kopie einer schriftlichen Bestätigung dieser Firma vom 31.08.2015 vorgelegt (Bl. 485 d. A.), nach welcher er nie für diese Firma gearbeitet hat. Darlegungen zu weiterem anderweitigen Verdienst finden sich nicht.

III.   Dem Kläger steht darüber hinaus - entsprechend dem Hilfsantrag der Beklagten - Zahlung von 1.673,91 Euro brutto als Sonderzahlung für das Jahr 2015 zu, § 611 Abs. 1 BGB.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts steht dem Kläger dieser Zahlungsanspruch als Bruttobetrag zu. Es mag sein, dass die Beklagte einen Betrag in gleicher Höhe in den Jahren 2013 und 2014 netto an den Kläger zur Auszahlung brachte. Unstreitig weist die von der Beklagten vorgelegte Abrechnung des Weihnachtsgelds für das Jahr 2012 (Bl. 396 d. A.) einen Betrag von 1.637,91 Euro brutto aus. Demgegenüber liegen Abrechnungen für die Jahre 2013 und 2014 über Weihnachtsgeldzahlungen von jeweils 1.637,91 Euro netto ersichtlich nicht vor. Es mag somit zwar sein, dass die Beklagte in den Jahren 2013 und 2014 tatsächlich den geschuldeten Bruttobetrag an den Kläger netto zur Auszahlung brachte, es hierzu indes allein deswegen gekommen sein dürfte, weil der Kläger in diesen Jahren keine weiteren steuerpflichtigen Einnahmen erzielte.

IV.   Mit dem Arbeitsgericht sieht auch die Berufungskammer, dass der Kläger Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzugs hat, §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB, und gemäß § 108 Abs. 1 GewO Abrechnung seines ausgeurteilten Arbeitsentgelts einschließlich der Sonderzahlung 2015 für die streitigen Zeiträume verlangen kann.

V.   Die Kostenfolge zu Lasten der mit dem Rechtsmittel unterlegenen Beklagten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 92 Abs. 2 ZPO.

Gründe gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht gegeben.

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