LG Bielefeld, Urteil vom 09.05.2017 - 15 O 110/16
Fundstelle
openJur 2019, 7074
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd die Dienstleistungen einer Fahrschule unter Hinweis auf den Einsatz eines Fahrsimulators zu bewerben mit der Ankündigung "Die ersten Fahrstunden auf unserem Simulator - spart Geld ...".

Für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung gegen das vorstehende Unterlassungsgebot wird der Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 267,50 € nebst Zinsen i. H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.12.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung iHv 20.000,- €.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, die eine umfassende Verbandsklagebefugnis im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG besitzt. Die Beklagte betreibt eine Fahrschule. Im Oktober 2016 warb die Beklagte mit der aus der Anl. K1 ersichtlichen Werbung im Internet für die Nutzung eines Fahrsimulators des Herstellers I. W. mit dem Wortlaut: "Die ersten Fahrstunden auf unserem Simulator - spart Geld, macht Spaß und ist ein toller Einstieg in die Welt des Autofahrens".

Mit Schreiben vom 19.10.2016 (Anl. K6) mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte diese zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung und zur Erstattung der der Klägerin durch die Abmahnung entstandenen Kosten auf. Durch die Abmahnung vom 19.10.2016 entstanden der Klägerin Kosten i.H.v. 267,50 € inkl. 7 % Mehrwertsteuer. Die Beklagte verweigerte die Abgabe einer Unterlassungserklärung.

Die Klägerin behauptet, es gebe keinerlei wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis dazu, dass der Einsatz von Fahrsimulatoren dazu geeignet sei, erforderliche Fahrstunden im praktischen Unterricht zu ersetzen und somit zu einer Kostenersparnis führe. Fahrstunden in einem Simulator könnten auch nicht sämtliche Grundfertigkeiten zur Handhabung eines Fahrzeugs ebenso vermitteln, wie in einer realen Fahrstunde. Der Fahrschüler sei während einer praktischen Fahrstunde im realen Straßenverkehr so vielen weiteren Einflüssen ausgesetzt, dass eine praktische Vergleichbarkeit mit einer Simulation nicht gegeben sei. Es könne auch nicht ein Teil der praktischen Ausbildung im Simulator absolviert werden. Das folge bereits daraus, dass die Überprüfung der Verkehrs- und Betriebssicherheit eines Fahrzeuges, der Sitzposition sowie der Bedienungseinrichtungen, die ebenfalls Bestandteil des praktischen Unterrichts sei, in einem solchen Simulator nicht geübt werden könne.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Einsatz des beworbenen Fahrsimulators führe zu einer Kostenersparnis beim Fahrschüler. In dem Fahrsimulator seien viele praxistaugliche Komponenten wie Blinkerbetätigung, Parkbremse oder Schaltknauf verbaut. Vibrationen des Lenkrades und des Sitzes sorgten für ein realistisches Fahrgefühl. Der Fahrsimulator könne zwar selbstverständlich eine komplette praktische Fahrausbildung nicht ersetzen, jedoch würden dem Fahrschüler sämtliche Grundfertigkeiten zur Handhabung eines Fahrzeugs ebenso vermittelt wie während einer realen Fahrstunde. Insbesondere um das Fahrzeug kennen zu lernen und die Grundtechniken im Umgang mit dem Fahrzeug zu beherrschen, benötige ein Fahrschüler in der Regel fünf Fahrstunden. Gerade die erste Fahrstunde, in der das Fahrzeug zum Teil überhaupt nicht bewegt werde, könne gleichermaßen zu einem geringeren Preis auf dem Simulator durchgeführt werden. Das Erarbeiten von Automatismen könne auf dem eingesetzten Fahrsimulator eins zu eins umgesetzt werden, was auch für den nächsten Ausbildungsschritt gelte, der das korrekte Abbiegen sowie den Fahrstreifenwechsel unter Einsatz des Blinkers und der Spiegel in einfachen und später in erschwerten Verkehrssituationen beinhalte.

Das Entgelt für eine Übungsfahrstunde von 45 Minuten betrage in der Fahrschule der Beklagten 39,90 €, während eine 45-minütige Simulator-Fahrstunde lediglich 25 € koste. Da es möglich sei, einen Teil der praktischen Ausbildung ohne Qualitätsverlust mit Hilfe des Simulators zu absolvieren, führe dies zwangsläufig zu einer Kostensenkung auf Seiten des Fahrschülers. Weitere Vorteile ergäben sich dadurch, dass in dem Fahrsimulator gezielt bestimmte Verkehrssituationen simuliert und geübt werden könnten. Auch der Beklagte habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Anzahl der Übungsfahrstunden durch den Einsatz des Fahrsimulators deutlich verringert habe.

Die Beklagte ist daher der Auffassung, die beanstandete Werbung sei nicht irreführend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 09.05.2017 sowie den Inhalt der zur Akte gelangten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

A.

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Bewerbung des von ihr verwendeten Fahrsimulators mit dem Hinweis auf eine vermeintliche Geldersparnis gemäß § 8 Abs. 1 S.1, Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG zu.

1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

2. Die Beklagte verstößt, indem sie die Nutzung des Fahrsimulators im Internet mit einer Preisersparnis bewirbt, gegen §§ 5 Abs. 1 S.1, S. 2 Nr. 1, 3 Abs. 1 UWG.

a) Die Verwendung des Begriffs "spart Geld" durch die Beklagte bei der Bewerbung ihres Angebots ist irreführend. Eine Werbung als geschäftliche Handlung ist im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen (st. Rspr. BGH, vgl. GRUR 2013, 409). Eine Werbung ist irreführend, wenn das Verständnis, das die Werbung bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für die Beurteilung, ob eine Werbung irreführend ist, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck die Werbung bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorruft (BGH NJW-RR 2014, 153).

Die Werbung der Beklagten richtet sich an durchschnittliche Verbraucher, die sich für eine Fahrausbildung interessieren. Ein durchschnittlich aufmerksamer, informierter und verständiger Verbraucher versteht die Werbung der Beklagten so, dass durch den Einsatz des Fahrsimulators beim Erwerb eines Führerscheins stets Geld gespart werde, unabhängig von den individuellen Fähigkeiten und Vorkenntnissen. Denn die Beklagte hat die Aussage "spart Geld" in keiner Weise eingeschränkt, etwa dergestalt, dass eine Ersparnis nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich sei. Ein Hinweis darauf, dass es sich um eine offensichtlich überzogene Werbeaussage handelt, ergibt sich aus dem Text der Werbung und sonstigen Umständen nicht. Es reicht aus, dass ein jedenfalls nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verbraucher von diesem Bedeutungsgehalt der Werbung ausgeht.

Der Hinweis der Klägerin auf eine - stets zu erzielende - Ersparnis durch Einsatz des Fahrsimulators stellt eine unwahre Angabe iSd § 5 Abs. 1 S. 2 UWG dar. Denn die Beklagte konnte den ihr obliegenden Beweis, dass sich eine solche Ersparnis in sämtlichen denkbaren Fällen durch den Einsatz des Fahrsimulators erreichen lässt, nicht führen.

b) Die Beweislast für die beworbene Einsparung liegt bei der Beklagten. Gerade bei Werbebehauptungen fehlt dem außerhalb des Geschehensablaufs stehenden Kläger oft eine genaue Kenntnis der entscheidenden Tatumstände, so dass es ihm nicht möglich ist, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären, während die Beklagte über diese Kenntnisse verfügt und die notwendige Aufklärung ohne weiteres leisten kann. In solchen Fällen entspricht es dem auch im Prozess geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dass die Beklagte die erforderliche Aufklärung leistet, sofern sie ihr nach den Umständen zuzumuten ist (BGH GRUR 2004, 246; 2007, 251; 2013, 1058; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, § 5 UWG Rn. 1.248). Die Aussage, durch den Fahrsimulator könne ein Fahrschüler eine Ersparnis erzielen, betrifft die innerbetrieblichen Vorgänge der Beklagten. Denn nur sie kann im Rahmen ihrer Preisgestaltung und der Ausgestaltung des Fahrunterrichts kalkulieren, ob und welche Einsparung ein Fahrschüler erzielen wird. Sie musste demnach beweisen, dass durch den Einsatz eines Fahrsimulators Einsparungen für den Kunden eintreten.

c) Dass eine solche Einsparung in jedem Fall erzielt wird, hat die Klägerin aber nicht unter Beweis gestellt. Sie hat lediglich Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens für die Behauptung angetreten, die Ausstattung des Fahrsimulators entspreche der eines echten Fahrzeuges. Diese Behauptung ist aber unerheblich. Selbst wenn sie zutreffen sollte, ist dadurch nicht gesagt, dass durch die bloße Simulation einer Autofahrt eine reale Fahrt ersetzt werden kann und dass dies insbesondere dazu führt, dass ein Fahrschüler unabhängig von seinen individuellen Fähigkeiten in jedem Fall weniger Fahrstunden benötigen wird und dadurch eine Einsparung erzielt. Diese zwischen den Parteien streitige Frage könnte nur durch eine empirische Untersuchung beantwortet werden, in der die konkreten Auswirkungen des Einsatzes eines Fahrsimulators auf die Zahl der benötigten Fahrstunden nachgewiesen wird. Eine solche Studie gibt es aber nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin nicht. Die Beklagte hat auch auf ausdrückliche Nachfrage erklärt, dass sich ihr Beweisantrag nicht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage beziehe. Die Beklagte hat auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass etwa die in ihrer Fahrschule betreuten Kunden bei Einsatz des Fahrsimulators weniger Fahrstunden benötigten als andere Kunden und dadurch eine Kostenersparnis eintrete. Hierzu reicht insbesondere die Anlage B1 nicht aus. Aus dem Schreiben des Landrates des Kreises N. vom 14.04.2016 ergibt sich zwar die Feststellung, dass die Beklagte mehr Übungsstunden durchführen müsse. Ein Zusammenhang der Zahl der Fahrstunden mit dem Einsatz eines Fahrsimulators ergibt sich aus dem Schreiben jedoch nicht.

3. Schließlich ist der Antrag auch nicht zu weit gefasst. Eine Einschränkung dahin, dass der Unterlassungsanspruch nur gegeben wäre, solange es keine empirischen Erfahrungen gebe, die die behauptete Wirkung des Einsatzes des Fahrsimulators belegen, war nicht vorzunehmen. Maßgeblich für die Beurteilung des Bestehens des Unterlassungsanspruchs war der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Zu diesem Zeitpunkt waren die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs erfüllt, weil keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Kostenersparnis bei Einsatz eines Fahrsimulators vorliegen. Sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt eine Änderung der Sachlage ergeben, ist die Beklagte durch ein mögliches Vorgehen im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage hinreichend geschützt (vgl. dazu BGH NJW 2009, 3303; 2008, 1446).

II.

Der Anspruch auf Zahlung von 267,50 € ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 1 UWG. Die Höhe und Berechnung der geltend gemachten Pauschale ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

C.

Der Streitwert wird auf 22.000,- € festgesetzt.