BVerfG, Beschluss vom 04.08.2009 - 1 BvR 1726/09
Fundstelle
openJur 2011, 119158
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

I.

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde betrifft die Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 7 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG).

1. Der 1946 geborene Beschwerdeführer war in der Vergangenheit als Pilot tätig und im Besitz einer Verkehrspilotenlizenz. Auf seinen Antrag führte die zuständige Bezirksregierung eine Zuverlässigkeitsüberprüfung nach § 7 LuftSiG durch. Nach deren Abschluss teilte sie ihm mit, sie müsse ihm die erforderliche Zuverlässigkeit absprechen. Zur Begründung verwies sie insbesondere auf strafrechtliche Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen Verstoßes gegen das Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen (BauFordSiG) und wegen versuchter Erpressung sowie auf weitere Strafverfahren. Aufgrund des Ergebnisses der Zuverlässigkeitsüberprüfung widerrief das Luftfahrt-Bundesamt die Verkehrspilotenlizenz des Beschwerdeführers und ordnete die sofortige Vollziehung an.

Gegen den Bescheid der Bezirksregierung erhob der Beschwerdeführer Klage zum Verwaltungsgericht und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Bezirksregierung aufgegeben werden sollte, vorläufig seine Zuverlässigkeit festzustellen. Im gerichtlichen Verfahren legte er ein fachpsychologisches Gutachten vor, das zu dem Ergebnis kam, er sei für die beabsichtigte Tätigkeit als Luftfahrtpersonal nicht unzuverlässig. Gleichwohl lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht zurück. Die vom Verwaltungsgericht im Einzelnen aufgeführten Begebenheiten, namentlich die strafrechtlichen Verurteilungen und die Hinweise auf sonstiges Geschäftsgebaren des Beschwerdeführers deuteten, so das Oberverwaltungsgericht, auf charakterliche beziehungsweise persönliche Schwächen hin, die ihrerseits Zweifel daran aufkommen ließen, ob der Beschwerdeführer das nach § 7 LuftSiG notwendige Vertrauen verdiene, er werde jederzeit das ihm Mögliche zum Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs tun.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde, die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden ist, rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts sowie mittelbar durch § 7 LuftSiG.

§ 7 LuftSiG sei schon formell verfassungswidrig, weil die nach Art. 87d Abs. 2 GG erforderliche Zustimmung des Bundesrats fehle. Die Vorschrift verstoße auch gegen das Gebot der Rechtsstaatlichkeit, weil sie angesichts der Intensität des in Frage stehenden Grundrechtseingriffs zu unbestimmt sei. Außerdem stelle § 7 LuftSiG einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Es gebe keinen Anhaltspunkt, dass die Zuverlässigkeitsüberprüfung den Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs fördere. Vielmehr sei höchst unwahrscheinlich, dass dadurch eben jene Personen ausgeschlossen würden, von denen tatsächlich Gefahren ausgingen; so hätten sich etwa die Attentäter vom 11. September 2001 zuvor völlig unauffällig verhalten, weshalb sie bei einer Zuverlässigkeitsüberprüfung nicht entdeckt worden wären. Zudem stünden dem Gesetzgeber mildere Mittel zur Verfügung; der Eingriff sei außerdem unangemessen.

Im Hinblick auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts macht der Beschwerdeführer unter anderem geltend, seine Zuverlässigkeit sei durch das von ihm vorgelegte Gutachten belegt. Es lägen keine konkreten Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter vor, die schon vor Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung ein vorläufiges Berufsverbot rechtfertigen könnten.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte des Beschwerdeführers angezeigt.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, weil sie insoweit nicht in einer den Anforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG genügenden Weise begründet ist. Dies gilt zum einen für die Rüge, § 7 LuftSiG sei schon deshalb nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, weil das Luftsicherheitsgesetz der Zustimmung des Bundesrats bedurft hätte und diese nicht erteilt worden sei. Hier hätte der Beschwerdeführer nicht nur darlegen müssen, welche Vorschriften mit einem nach Art. 87d Abs. 2 GG zustimmungsauslösenden Inhalt konkret geändert worden sein sollen, sondern auch, inwieweit dies nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Zustimmungsbedürftigkeit des Änderungsgesetzes begründet haben könnte (vgl. BVerfGE 115, 118 <135 f.>). Insoweit fehlt es jedoch an einem substantiierten Vortrag. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde auch, soweit sie sich gegen die konkrete Anwendung des § 7 LuftSiG durch das Oberverwaltungsgericht richtet. Hierzu fehlt es an der notwendigen Auseinandersetzung mit Grundlagen und Inhalt der angegriffenen Entscheidung (vgl. BVerfGE 85, 36 <52>; 101, 331 <345>; 105, 252 <264>).

2. Im Übrigen ist für eine Verletzung der Berufsfreiheit des Beschwerdeführers (Art. 12 Abs. 1 GG) nichts ersichtlich.

a) Verfassungsrechtlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass der Gesetzgeber sich in § 7 LuftSiG (ebenso wie in der Vorgängervorschrift § 29d des Luftverkehrsgesetzes <LuftVG>) des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zuverlässigkeit bedient. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist verfassungsrechtlich nicht schlechthin bedenklich (vgl. BVerfGE 21, 73 <79>; stRspr). Entscheidend ist vielmehr, dass der Begriff der Zuverlässigkeit vom Gesetzgeber seit jeher verwendet wird und aufgrund einer langen Tradition von Gesetzgebung, Verwaltungshandhabung und Rechtsprechung so ausgefüllt worden ist, dass sich an seiner rechtsstaatlich hinreichenden Bestimmtheit im Grundsatz nicht zweifeln lässt, mögen auch für jeden neuen Sachbereich neue Konkretisierungen erforderlich sein (vgl. BVerfGE 49, 89 <134>).

b) Die Regelung genügt auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren ein Beurteilungsspielraum zusteht, der vom Bundesverfassungsgericht je nach der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann (vgl. BVerfGE 77, 84 <106 f.>). Angesichts dieses Maßstabs bestehen keine Bedenken gegen Eignung und Erforderlichkeit der Maßnahme. Die Regelung genügt auch dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Für den Bereich der Gefahrenabwehr gilt: Je gewichtiger das gefährdete Rechtsgut ist und je weitreichender es durch die jeweiligen Handlungen beeinträchtigt würde, desto geringere Anforderungen dürfen an den Grad der Wahrscheinlichkeit gestellt werden, mit der auf eine drohende Verletzung geschlossen werden kann, und desto weniger fundierend dürfen gegebenenfalls die Tatsachen sein, die auf die Gefährdung des Rechtsguts schließen lassen (vgl. BVerfGE 113, 348 <386> m.w.N.). Wegen des gerade beim Luftverkehr hohen Gefährdungspotentials und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter begegnet es deshalb keinen Bedenken, an die Zuverlässigkeit von Flugzeugführern strenge Anforderungen zu stellen und schon bei begründeten Zweifeln zu Lasten des Überprüften zu entscheiden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990 - 7 C 20.90 -, NVwZ 1991, S. 889 <890 f.>; BVerwGE 121, 257 <262 f.>).

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.