OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.08.2017 - 15 B 940/17
Fundstelle
openJur 2019, 6823
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 L 2028/17

Für die Einschreibung von ausländischen Studienbewerbern, die einen studienvorbereitenden Deutschkurs besuchen wollen, nach § 48 Abs. 10 Satz 1 HG NRW ist die Einschaltung des uniassist e. V. zur Zertifizierung des Einschreibungsantrags jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn die Hochschulzugangsberechtigung als solche bereits durch die Akademische Prüfstelle der Deutschen Botschaft geprüft wurde und diese dem ausländischen Studienbewerber ein entsprechendes Zertifikat ausgestellt hat.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin bis zum Bestehen oder endgültigen Nichtbestehen der Sprachprüfung vorläufig als Studierende einzuschreiben, wenn diese die fälligen Semesterbeiträge zahlt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin mit dem Antrag,

den angefochtenen Beschluss zu ändern und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin bis zum Bestehen oder endgültigen Nichtbestehen der Sprachprüfung vorläufig als Studierende einzuschreiben, wenn diese die fälligen Semesterbeiträge zahlt,

hat Erfolg.

Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe führen zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.

Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen vor. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch (dazu 1.) als auch einen Anordnungsgrund (dazu 2.) glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

1. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, d. h. wenn der geltend gemachte materielle Anspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit besteht.

Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Juni 2017 - 15 B 200/17 -, juris Rn. 25, und vom 8. Mai 2017 - 15 B 417/17 -, juris Rn. 8.

Dies ist hier der Fall. Die Antragstellerin hat bei summarischer Prüfung glaubhaft gemacht, dass ihr gemäß § 48 Abs. 10 Satz 1 HG NRW ein Anspruch gegen die Antragsgegnerin zusteht, sie bis zum Bestehen oder endgültigen Nichtbestehen der Sprachprüfung in einem studienvorbereitenden Deutschkurs vorläufig als Studierende einzuschreiben.

Studienbewerberinnen und Studienbewerber, die einen Sprachkurs für den Hochschulzugang besuchen wollen, um den Nachweis nach § 49 Abs. 10 HG NRW zu erbringen, oder die eine Vorbereitung der Hochschule auf die Prüfung zur Feststellung der sprachlichen, fachlichen und methodischen Voraussetzungen für ein Studium (Feststellungsprüfung) besuchen wollen, können gemäß § 48 Abs. 10 Satz 1 HG NRW bis zum Bestehen oder endgültigen Nichtbestehen der jeweiligen Prüfung als Studierende eingeschrieben werden. § 49 Abs. 10 Satz 1 HG NRW sieht vor, dass Studienbewerberinnen und Studienbewerber, die ihre Zugangsvoraussetzungen nicht an einer deutschsprachigen Einrichtung erworben haben, die für ihren Studiengang erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache besitzen müssen. Das Nähere regeln die Prüfungsordnungen, die für Studiengänge, die mit einer staatlichen Prüfung abgeschlossen werden, im Einvernehmen mit den jeweils zuständigen Fachministerien erlassen werden (§ 49 Abs. 10 Satz 2 HG NRW).

Diese Voraussetzungen sind nach Aktenlage erfüllt. Die Antragstellerin ist eine ausländische Studienbewerberin mit chinesischer Staatsangehörigkeit, die beabsichtigt, an der Antragsgegnerin ein Studium der Wirtschaftsinformatik aufzunehmen. Um die dafür nach § 49 Abs. 10 Satz 1 HG NRW erforderlichen Deutschkenntnisse zu erwerben, besucht sie einen studienvorbereitenden Deutschkurs. Eine diesbezügliche Anmeldebestätigung des Interkulturellen Bildungszentrums e. V. (im Folgenden: IBZ) vom 12. Juni 2017 hat die Antragstellerin beigebracht. Der Hochschulzugang setzt dabei nicht voraus, dass der Sprachkurs auch an einer Hochschule oder unter deren Einfluss durchgeführt wird.

Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2005 - 15 B 1065/05 -, juris Rn. 7 ff.

Bei summarischer Prüfung erfüllt die Antragstellerin auch die Anforderungen nach § 3 Abs. 2, Abs. 4 der Einschreibungsordnung der Antragsgegnerin vom 22. Januar 2013 i.V.m. § 4 Abs. 3 ihrer Ordnung für die Zulassung und Einschreibung von Bildungsausländerinnen und Bildungsausländern (Ausländerzulassungsordnung) vom 20. Januar 2014. Danach werden in einen studienvorbereitenden Deutschkurs u. a. Studienbewerberinnen und -bewerber eingeschrieben, die eine Hochschulzugangsberechtigung erworben haben, die zum Studium eines von der Antragsgegnerin angebotenen Studiengangs berechtigt. Die Akademische Prüfstelle der Deutschen Botschaft Q. hat am 5. August 2016 ein Zertifikat ausgestellt, demzufolge die Antragstellerin die Überprüfung ihrer Studienleistungsnachweise mit einem Interview erfolgreich abgeschlossen hat; eine Hochschulzugangsberechtigung mit freier Fächerwahl liege vor.

Die Antragsgegnerin trägt nicht vor und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin damit die für die streitgegenständliche Einschreibung von der Antragsgegnerin geforderte Hochschulzugangsberechtigung als solche fehlt, etwa weil das Zertifikat der Akademischen Prüfstelle der Deutschen Botschaft insofern anzuzweifeln und unzureichend wäre. Andere (Ermessens-)Gründe, die der streitbefangenen Einschreibung entgegenstehen, bringt die Antragsgegnerin gleichfalls nicht vor.

Die Antragsgegnerin verweist vielmehr darauf, die Antragstellerin habe den Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen der § 48 Abs. 10 Satz 1 HG NRW, § 4 Abs. 3 der Ausländerzulassungsordnung nicht erbracht, weil eine sachverständige Vorprüfung ihres Zulassungsantrags gerade durch die "Arbeits- und Servicestelle für Internationale Studienbewerbungen (uniassist) e. V." (im Folgenden: uniassist) nicht durchgeführt wurde und es daher auch einer Zertifizierung dieses Antrags durch uniassist ermangelt.

Mit dieser Begründung kann die Antragsgegnerin die Einschreibung der Antragstellerin gemäß § 48 Abs. 10 Satz 1 HG NRW nach Lage der Dinge jedoch nicht verweigern. Dabei kann für das vorliegende Verfahren dahinstehen, ob die Praxis der Antragsgegnerin, der Einschreibung ausländischer Studienbewerber eine kostenpflichtige Vorprüfung und Zertifizierung des jeweiligen Immatrikulationsantrags durch uniassist verbindlich vorzuschalten, mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig ist. Ob insoweit § 49 Abs. 5 Satz 3 HG NRW, wonach sich die Hochschulen wegen der Zugangsprüfung der Unterstützung durch Dritte bedienen dürfen, herangezogen werden kann oder ob die von der Antragsgegnerin ins Feld geführten §§ 22 ff. VwVfG NRW die in Rede stehende Praxis stützen können, weil den Studienbewerbern nur eine verfahrensrechtliche Mitwirkungshandlung abverlangt wird, ist zweifelhaft, braucht aber in der zugrunde liegenden Fallgestaltung nicht entschieden werden.

Denn jedenfalls muss das Verlangen, im Vorfeld der Einschreibungsentscheidung der Hochschule ein kostenpflichtiges Zertifikat von uniassist einzuholen, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, insbesondere also erforderlich sein. Dies ist im Hinblick auf den Einschreibungsantrag der Antragstellerin gemäß § 48 Abs. 10 Satz 1 HG NRW indes zu verneinen.

Zwar ist der Antragsgegnerin im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, dass eine Einrichtung wie uniassist zur Sicherstellung eines effizienten und wirtschaftlichen Bewerbungsverfahrens ausländischer Studienbewerber zweckmäßig ist. So wird die Hochschule - wie die Antragsgegnerin nachvollziehbar vorträgt - zum einen durch die vorgeschaltete Prüfung durch uniassist in erheblichem Umfang von eigenen Sachverhaltsermittlungsaufgaben entlastet, was sich bei erheblich zunehmenden Einschreibungsanträgen ausländischer Studienbewerber günstig auf die Arbeitsauslastung auswirkt. Zum anderen kann bei einer Stelle wie uniassist besondere Sachkunde bei der Prüfung von Einschreibungsanträgen ausländischer Studienbewerber gebündelt werden.

Allerdings ist nicht zu ersehen, dass es der Vorprüfungs- und Zertifizierungsleistung von uniassist generell auch in Verfahren bedarf, in denen es - wie hier - lediglich um eine Einschreibung aufgrund von § 48 Abs. 10 Satz 1 HG NRW geht und in denen eine - nicht fachgebundene - Hochschulzugangsberechtigung bereits von der Akademischen Prüfstelle der betreffenden Botschaft der Bundesrepublik Deutschland zertifiziert worden ist. In diesen Fällen geht der in § 2 Nr. 2 seiner Satzung und in § 3 Abs. 1 seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen beschriebene Leistungsumfang von uniassist

- u. a. Vorprüfung und Bestimmung der Hochschulzugangsberechtigung entsprechend den Bewertungsvorschlägen der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen, Prüfung der Sprachvoraussetzungen entsprechend den jeweiligen Hochschulkriterien, Prüfung von Zugangsvoraussetzungen entsprechend den jeweiligen Hochschulkriterien, Berechnung der relevanten und von den Hochschulen verlangten vorläufigen Noten, Gesamtnoten und Umrechnung ausländischer Noten in das deutsche System -

über das hinaus bzw. daran vorbei, was im Rechtsrahmen des § 48 Abs. 10 Satz 1 HG NRW noch aufzuklären ist bzw. absehbar aufzuklären sein könnte. Dementsprechend lässt die Antragsgegnerin selbst das Zulassungsverfahren gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 ihrer Ausländerzulassungsordnung nur für bestimmte Fächer, insbesondere für Medizin, über uniassist laufen.

Einen darüber hinausgehenden konkreten Aufklärungsbedarf, der auch den Fall der Antragstellerin betrifft und der die Einbindung von uniassist in deren Einschreibungsverfahren erforderlich machte, zeigt die Antragsgegnerin nicht auf. Auch ihr Schriftsatz vom 23. August 2017 rechtfertigt keine andere Bewertung. Die Antragsgegnerin hat nicht dargetan, dass die darin angeführten Umstände wie die genaue Reichweite der Hochschulzugangsberechtigung - allgemein oder fachgebunden -, das jeweils anzuwendende hochschuleigene Auswahlverfahren für bestimmte Studienangebote und der Nachweis weiterer Zugangskriterien wie Fremdsprachenkenntnisse oder Praktika, die vor Studienbeginn zu erbringen sind, im vorliegenden Kontext im vorliegenden Fall relevant sind; dies erschließt sich dem Senat auch nicht anderweitig.

2. Im Anschluss daran hat die Antragstellerin auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es kann ihr nicht zugemutet werden, den geltend gemachten Anordnungsanspruch im Wege der Klage durchzusetzen. Vor rechtskräftigem Abschluss eines Klageverfahrens würde sich ihr Begehren durch Bestehen oder endgültiges Nichtbestehen der Sprachprüfung voraussichtlich erledigen. Laut der oben erwähnten Anmeldebestätigung des IBZ vom 12. Juni 2017 endet der Sprachkurs, an dem die Antragstellerin teilnimmt, am 7. September 2017. Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist deshalb zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes i.S.v. Art. 19 Abs. 4Satz 1 GG nötig.

Vgl. insoweit auch OVG NRW, Beschluss vom15. August 2005 - 15 B 1065/05 -, juris Rn. 17.

Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Zahlung eines Betrags durch die Antragstellerin an uniassist in Höhe von 75,- €, um die Vorprüfung und eventuelle Zertifizierung ihres Einschreibungsantrags zu erreichen, für sich genommen nicht als unzumutbare finanzielle Belastung erscheint. Nach den Ausführungen unter 1. hat die Antragstellerin bei summarischer Prüfung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf Einschreibung gemäß § 48 Abs. 10 Satz 1 HG NRW, ohne dass für diese Feststellung eine vorherige Prüfung und Begutachtung ihrer Antragsunterlagen durch uniassist erforderlich ist. Mit Blick darauf kann der Antragstellerin nicht angesonnen werden, diesen Betrag zunächst - und sei es unter Vorbehalt - zu leisten, um auf diesem Weg die streitige Einschreibung zu erreichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).