LG Bochum, Urteil vom 20.04.2017 - 14 O 53/17
Fundstelle
openJur 2019, 6576
  • Rkr:
Tenor

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Bochum vom 06.03.2017 wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die einzuhaltenden Öffnungszeiten montags bis donnerstags und samstags von 10:00 Uhr bis 20:00 Uhr und freitags von 10:00 Uhr bis 21:30 Uhr sind.

Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.

Tatbestand

Mit Vertrag vom 09.07./24.08.2012 (Bl. 10 ff. sowie Bl. 120 ff. der Akten) mietete die Verfügungsbeklagte im Einkaufszentrum S in dem Gebäude 24 ein Ladenlokal mit ca. 1.166 qm Ladenfläche an. In einem Nachtrag 2 zum Mietvertrag vom 01.02./10.03.2016 änderten die Parteien diese vermietete Fläche auf 1.153 qm ab. Der Mietvertrag wurde auf 10 Jahre fest geschlossen. In Ziff. 1.2 des Mietvertrages i. V. m. § 13 der Allgemeinen Mietbedingungen war eine Betreibungspflicht vereinbart.

Im Herbst 2016 teilte die Verfügungsbeklagte mit, dass sie ihr Geschäft nicht wirtschaftlich betreiben könne, so u. a. mit Schreiben vom 21.10.2016 (Bl. 54 der Akten). Zwischen den Parteien wurden Gespräche über die Zukunft geführt. Mit Email vom 24.01.2017 (Bl. 55 der Akten) teilte die Verfügungsbeklagte mit, dass sie die Filiale im S aus wirtschaftlichen Gründen Ende Februar 2017 schließen wolle. Mit Schreiben vom 08.01.2017 (Bl. 57 der Akten) wies die Verfügungsklägerin darauf hin, dass diese Schließung gegen die mietvertragliche Betriebspflicht verstoßen würde. Gleichwohl schloss die Verfügungsbeklagte ihr Geschäftslokal, am 25.02.2017 war mit Aushang angekündigt, dass die Filiale geschlossen sei. Durch Beschluss im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vom 06.03.2017 hat die Kammer der Verfügungsbeklagten antragsgemäß aufgegeben, die M-Filiale in dem Gebäude Nr. 24 im S Einkaufszentrum in den zuvor veröffentlichten Betriebszeiten geöffnet zu halten. Die einstweilige Verfügung ist der Verfügungsbeklagten durch den Gerichtsvollzieher am 07.03.2017 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Verfügungsbeklagten, die zum 09.03.2017 ihren Geschäftsbetrieb wieder aufgenommen hat.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, die einstweilige Verfügung sei zu Recht ergangen. Die mietvertraglich vereinbarte Betreibungspflicht sei rechtmäßig, so dass die Verfügungsbeklagte sich daran zu halten habe. Die Vereinbarung einer Betreibungspflicht in Einkaufszentren sei üblich, da sie dem Interesse aller Mieter diene. Die im Verfügungsantrag angegebenen Öffnungszeiten entsprächen denjenigen, die die Verfügungsbeklagte für alle Filialen vorsehe und die sie auch in der Vergangenheit eingehalten habe. Eine Unwirksamkeit der vereinbarten Betriebspflicht aus AGB-rechtlicher Sicht sei nicht gegeben. Auch die Kombination aus einer Betriebspflichtklausel einerseits und einer Sortimentsbindung andererseits sei für sich gesehen nicht beanstandungswürdig. Die Verfügungsbeklagte habe die Sortimentsbindung auch nie in Frage gestellt, sondern in der Vergangenheit stets exakt dasjenige Sortiment angeboten, welches auch in anderen M-Filialen angeboten werde.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die Beschlussverfügung der Kammer unter Zurückweisung des Widerspruchs der Beklagten aufrechtzuerhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Bochum vom 06.03.2017 (I-14 O 53/17) aufzuheben.

Sie rügt, die einstweilige Verfügung sei nicht wirksam vollzogen, da bei Handlungsverfügungen neben der Zustellung auch die Androhung und Festsetzung eines Zwangsmittels beantragt werden müsste, beides sei vorliegend unterblieben. Weiter rügt sie, ihre Schutzschrift sei bei Erlass der einstweiligen Verfügung nicht berücksichtigt worden und die einstweilige Verfügung erwecke durch die Formulierung den Eindruck, das gesamte Gebäude 24 sei von ihr angemietet gewesen, das entspräche aber nicht den Tatsachen. Darüber hinaus sei die Betriebsverpflichtung eine AGB-rechtliche Regelung gewesen, die unwirksam sei. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.03.2010 -XII ZR 131/08- ist sie der Ansicht, die Betriebsverpflichtung sei unwirksam, weil jegliche Schließungen vorübergehender Art ausgeschlossen seien, ausdrücklich auch für Inventuren, im Übrigen aber auch für andere Maßnahmen wie Umbauarbeiten oder Schönheitsreparaturen. Zudem sei die Klausel intransparent, weil im Hinblick auf die Kernöffnungszeiten die Regelungen völlig unklar seien. Letztlich folge die Unwirksamkeit der Regelungen zur Betriebspflicht aus dem Summierungseffekt, denn im Mietvertrag seien sowohl der Konkurrenz- oder Sortimentsschutz ausgeschlossen, zugleich aber auch eine Sortimentsbindung vereinbart worden. Dies sei unangemessen benachteiligend. Zudem sei kein Verfügungsgrund gegeben, denn der Vermieter habe nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er auf die Erfüllung der Betriebspflicht dringend angewiesen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung war überwiegend begründet, so dass sie auf den Widerspruch hin im Wesentlichen zu bestätigen war.

Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist Dringlichkeit gegeben. Die Anziehungskraft von Einkaufszentren hängt u. a. davon ab, dass alle dort befindlichen Geschäfte für den Kunden regelmäßig und sicher erreichbar sind. Wenn daher die Verfügungsbeklagte ihre Filiale schließt, beeinträchtigt dies die Anziehungskraft des gesamten Zentrums und damit die anderen Mieter und auch die Vermieterin.

Weiter ist entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten die Vollziehung nicht zu beanstanden. Die erlassene einstweilige Verfügung ist ordnungsgemäß zugestellt worden. Dies wird auch nicht gerügt. Soweit sie rügt, die Anordnung oder die Verhängung eines Zwangsmittels sei nicht beantragt worden, bleibt festzuhalten, dass der ursprüngliche Antrag der Verfügungsklägerin sehr wohl die Androhung eines Zwangsmittels enthielt, was die Kammer allerdings im Hinblick auf § 888 Abs. 2 ZPO in die einstweilige Verfügung nicht mit aufgenommen hat. Weiter kann der Verfügungsklägerin nicht vorgehalten werden, sie habe nicht gleichzeitig auch ein Zwangsmittel beantragt, denn nach Zustellung der einstweiligen Verfügung am 07.03.2017 hat die Verfügungsbeklagte umgehend dieser Beschlussverfügung Rechnung getragen und ihren Geschäftsbetrieb wieder eröffnet. Der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsmittels ist nur dann erforderlich, wenn zu besorgen steht, dass sich ohne Zwangsmittel der Gegner nicht an die einstweilige Verfügung hält. Dazu ist der Verfügungsbeklagten ein kurzer Zeitraum zu belassen, um auf die einstweilige Verfügung reagieren zu können.

Soweit die Verfügungsbeklagte rügt, die einstweilige Verfügung lasse den Rückschluss zu, sie solle ihren Lebensmittelmarkt im gesamten Gebäude 24 geöffnet halten, obwohl nur Teilbereiche angemietet sind, ist diese Rüge unberechtigt. Denn allein durch die Verbindung des Beschlusses der Kammer mit der Antragsschrift und dem Mietvertrag nebst Anlagen ergibt sich, dass die Verfügungsbeklagte -zudem völlig unstreitig- im Gebäude 24 lediglich eine Fläche von nunmehr noch 1153 qm angemietet hat.

Die einstweilige Verfügung ist auch zu Recht ergangen, denn die vertraglich vereinbarte Betreibungspflicht ist wirksam, auch wenn es sich bei den entsprechenden Regelungen im Mietvertrag und in den Allgemeinen Mietbedingungen um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt.

Eine formularmäßige Vereinbarung einer Betriebs- und Offenhaltungspflicht ist im Regelfall nicht als eine unangemessene Benachteiligung des Mieters zu werten (vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2010, XII ZR 131/08). Das gilt auch für die von der Verfügungsbeklagten gerügte Formulierung der "ununterbrochenen" Nutzungspflicht während der gesamten Mietzeit der Zweckbestimmung entsprechend, denn exakt diese Klausel ist vom Bundesgerichtshof für zulässig erachtet worden, weil diese Regelung unter Berücksichtigung der weiteren Regelungen, die für die Frage der Angemessenheit Berücksichtigung zu finden haben, auszulegen ist. Grundsätzlich ist eine Betreibungspflicht zu Kernzeiten für Einkaufszentren generell vereinbar, da die Attraktivität eines Einkaufszentrum entscheidend davon abhängt, ob der Kunde ohne Nachfrage davon ausgehen kann, dass die in diesem Zentrum sich befindlichen Geschäfte tatsächlich auch geöffnet sind. Von daher ist die Vereinbarung einer solchen Betreibungspflicht im Gegensatz zur Auffassung der Verfügungsbeklagten für Einkaufszentren auch durchaus üblich und dient durch die Stärkung der Anziehungskraft sämtlichen Mietern und damit auch der Verfügungsbeklagten.

Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist vorliegend eine unangemessene Beschränkung der Verfügungsbeklagten zu verneinen. Ziff. 1.2 des Mietvertrages i. V. m. § 13 Abs. 2 der AMB sieht eine ununterbrochene Betriebspflicht vor und untersagt ausdrücklich zweitweise Schließungen für Beispielsfälle wie Mittagspausen, Ruhetagen, Betriebsferien und Inventuren. Bei diesen beispielhaft aufgeführten Gründen handelt es sich sämtlich um Voraussetzungen, die betriebsbedingt anfallen und organisatorisch ohne größere Probleme von dem Mieter geregelt werden können. Soweit die Verfügungsbeklagte rügt, es seien auch Schließungen zum Zwecke von Inventuren -anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall- untersagt, gerade dies habe aber für den Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung eine maßgebliche Rolle gespielt, ist dies so nicht zutreffend. Die Betreibungspflicht in dem Fall, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde lag, erlaubte ausdrücklich eine zeitweise Schließung für den Fall von Inventuren, so dass der Bundesgerichtshof darüber nicht zu befinden brauchte, ob ein Verbot von kurzzeitigen Schließungen bei Inventuren die Betreibungspflicht zu einer unangemessenen Beschränkung werden lässt. Inventuren müssen allerdings nicht zu Geschäftszeiten durchgeführt werden, der Kammer ist vielmehr bekannt, dass dies in der Praxis eher unüblich ist. Vielmehr werden Inventuren bei Discountern in der Regel in den späten Abendstunden oder an Wochenenden durchgeführt. Ein Verbot einer zeitweisen Schließung für die Durchführung von Schönheitsreparaturen oder Umbaumaßnahmen ist ausdrücklich nicht mietvertraglich geregelt. Auch eine Auslegung der entsprechenden Regelungen führt nicht dazu, dass objektiv notwendige Schließungen für eine gewisse Zeit unzulässig wären, da die aufgeführten Beispiele nur Fälle nennen, die Schließungen aus der Sphäre der Verfügungsbeklagten begründen, und die Verfügungsbeklagte zudem mietvertraglich auch die Durchführung von Schönheitsreparaturen übernommen hat.

Die Kammer geht weiter nicht davon aus, dass die Regelungen des § 13 Abs. 2 AMB intransparent sind. In der Klausel ist zunächst klar geregelt, dass das Geschäftslokal im Rahmen der jeweils geltenden Bestimmungen über die Ladenschlusszeiten an allen Verkaufstagen offen zu halten ist. Zwar handelt es sich bei den weiteren Bestimmungen über die Öffnungszeiten nicht um starre Regelungen, da vereinbart worden ist, dass das Geschäft so lange offen zu halten ist, wie die überwiegende Anzahl aller Mieter ihr Geschäft offen hält. Dies führt allerdings im Ergebnis nach einer gewissen Anlaufphase zu einer einheitlichen Öffnungsregelung, denn wenn der Mieter verpflichtet ist, sein Geschäft in der Kernzeit so lange zu öffnen wie die überwiegende Anzahl aller Mieter ihr Geschäft öffnet, wird sich nach kurzer Zeit eine einheitliche Kernöffnungszeit herausbilden. Dass es die Möglichkeit gibt, durch Beschluss der Geschäftsführung der Werbegemeinschaft mit Zustimmung des Vermieters Öffnungszeiten verbindlich zu regeln, führt auch dann nicht zur Intransparenz, wenn nicht alle Mieter Mitglied der Werbegemeinschaft sind. Denn es ist festgelegt, welches Gremium derartige Entscheidungen zu treffen vermag. Von daher ist es nicht intransparent, wenn die exakte zeitliche Eingrenzung der Kernöffnungszeit von den gelebten Bedingungen des Einkaufszentrums abhängig ist.

Auch in der Summierung ist eine Unwirksamkeit der Betriebspflichtklausel nicht zu sehen. Zwar schließt Ziff. 1.3 des Mietvertrages sowohl einen Konkurrenz- als auch einen Sortimentsschutz aus. Für sich genommen ist eine formularmäßige Abrede, nach der ein Mieter von Gewerberäumen an ein bestimmtes Sortiment gebunden ist oder der Vermieter von einer Verpflichtung zum Konkurrenzschutz freigestellt ist, nicht unangemessen. Wo dies kumulativ vereinbart wird, hängt die Beantwortung der Frage von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab. Vorliegend ist allerdings der Vertrag geschlossen worden zum Betrieb eines "Lebensmitteldiscountgeschäfts nach dem Konzept und unter der Bezeichnung "M", wobei im Randsortiment noch auf maximal 15 % der Ladenfläche Nonfoodartikel geführt werden dürfen. Dabei handelt es sich lediglich um eine sehr vage Regelung, die keine exakte Sortimentsbindung beinhaltet. Geregelt ist lediglich, dass der Mieter dort einen Lebensmitteldiscounter nach seinen Üblichkeiten zu betreiben hat. Deshalb ist auch die Kumulation im vorliegenden Fall nicht bedenklich.

Von daher war die einstweilige Verfügung dem Grunde nach zu bestätigen. Lediglich im Rahmen der Kernöffnungszeiten hat die Kammer den Beschluss abgeändert, da die Verfügungsbeklagte nicht verpflichtet war, ihr Geschäft gemäß ihren früheren Öffnungszeiten geöffnet zu halten, sondern gemäß § 13 Abs. 2 AMB in den Öffnungszeiten, in denen die Mehrzahl der Mitmieter ihre Geschäftslokale geöffnet hatten. Nach dem Schriftsatz der Verfügungsbeklagten war dies unwidersprochen an den Tagen von Montag bis Donnerstag und samstags von 10.00 Uhr bis 20.00 Uhr der Fall und freitags von 10.00 Uhr bis 21.30 Uhr der Fall. Dementsprechend war die einstweilige Verfügung im Hinblick auf die darüber hinausgehenden Zeiten aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.