FG Köln, Urteil vom 26.01.2017 - 14 K 2643/16
Fundstelle
openJur 2019, 6415
  • Rkr:
Tenor

Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 vom 21. Juli 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. September 2016 wird dahingehend geändert, dass außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG in Höhe von 7.196 EUR vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Aufwendungen für die Unterbringung der Mutter des Steuerpflichtigen in einem Altenpflegeheim als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetztes in der für das Streitjahr (2010) gültigen Fassung (EStG).

Der Kläger ist von Beruf Finanzbeamter und wird mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger zwischen den Beteiligten unstreitige eigene Krankheitskosten in Höhe von 2.619,67 EUR sowie Zahlungen wegen der Pflegebedürftigkeit seiner Mutter als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 EStG geltend.

Hinsichtlich der Unterhaltsleistungen wurde der Kläger von der Stadt A in Anspruch genommen, da seine Mutter von dieser Hilfe zur Pflege (Heimpflege) nach dem 7. Kapitel des SGB XII erhielt. Die Mutter selbst erhielt monatlich eine Witwenrente in Höhe von 918,38 EUR sowie eine Hinterbliebenenrente von 214,53 EUR. Bei der Mutter des Klägers waren die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt, sie war mit Beginn des Heimvertrages vom 5. August 2004 der Pflegestufe I und ist mittlerweile der Pflegestufe II zugeordnet. Die Mutter unterhielt vor der Heimunterbringung eine eigene Wohnung in A.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 21. Juli 2011 setzte der Beklagte die Einkommensteuer mit 8.087 EUR fest. Hierbei berücksichtigte er die geltend gemachten Aufwendungen nicht. Zur Begründung führte er aus, dass die Unterhaltsleistungen wegen der anzurechnende Einkünfte und Bezüge der unterstützten Person nicht berücksichtigt werden könnten.

Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Einspruch eingelegt, mit dem er begehrte folgende Beträge als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen:

Art der Aufwendungen

EUR

EUR

EUR

Krankheitskosten

unstreitig

2.619,67

Unterhaltszahlungen

Nachzahlung 1.07.2010

6.136,55

Laufend 1.8.-31.12.2010

2.551,85

Gerichtskosten

35,00

Fahrt Sozialgericht

10,00

Zwischensumme

8.733,40

8.733,40

11.353,07

Den Betrag der laufenden Zahlungen ermittelte der Kläger dabei allerdings versehentlich für 7 Monate statt 5 Monate (7 x 364,55 EUR = 2.551,85 EUR), richtigerweise betragen die Zahlung für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2010 lediglich 1.822,75 EUR (5 x 364,55 EUR).

Bei einer Begünstigung nach § 33 EStG komme es nicht auf die eigenen Einkünfte und Bezüge des Pflegebedürftigen an. Eine Aufteilung in Unterhalts- und Krankheitskosten erfolge nicht, auch seine keine Haushaltsersparnis abzuziehen.

Der Beklagte vertrat dagegen die Auffassung, dass keine außergewöhnlichen Belastungen zu berücksichtigen seien, diese ermittelten sich wie folgt:

EUR

Unterhaltszahlungen für die Mutter des Klägers (Heimunterbringung)

8.733,40

./. Haushaltsersparnis (R 33.3 Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuer-Richtlinien 2008 (EStR 2008) i.V. mit § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG

8.004,00

Zwischensumme:

729,40

Eigene Krankheitskosten

2.619,67

Zwischensumme

3.349,07

./. Zumutbare Eigenbelastung 6 % von 56.384 EUR ( GdE 48.536 EUR zzgl. 7.848 EUR Kapitalvermögen)

3.383,04

Verbleiben

Mit Einspruchsentscheidung vom 26. September 2016 setzte der Beklagte die Einkommensteuer aus nicht im Streit befindlichen Gründen auf 7.865 EUR herab, im Übrigen wies er den Einspruch aus den zuvor genannten Gründen als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben, zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor, der Abzug einer Haushaltsersparnis sei nicht zulässig. Die ungedeckten Heimkosten lägen bei 10 % der Gesamtkosten und würden von ihm gefordert. Bereits nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH vom 30. Juni 2011 VI R 14/10 (BFHE 234, 191, BStBl II 2012, 876), sei eine Haushaltsersparnis nicht abzuziehen. Auch die OFD Münster habe bereits mit Verfügung vom 4. April 1989 (S 2284 - 30 - St 16-31) darauf verwiesen, dass die an das Sozialamt für die Pflegekosten eines Angehörigen zu zahlenden Beträge in voller Höhe als allgemeine außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen sind

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 vom 21. Juli 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. September 2016 dahingehend zu ändern, dass außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG in Höhe von 7.970 EUR vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Aufwendungen seien um eine Haushaltsersparnis zu kürzen. Werde bei einer Heimunterbringung wegen Pflegebedürftigkeit der private Haushalt aufgelöst, könnten die Heimkosten nur insoweit berücksichtigt werden, als sie die üblichen Kosten für die Unterhaltung eines eigenen Haushalts überstiegen. Diese Haushaltsersparnis orientiere sich am Grundfreibetrag und somit am Existenzminimum. Sie sei mit dem in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Höchstbetrag anzusetzen. Abzuziehen sei die Haushaltsersparnis auch bei einer krankheitsbedingten Unterbringung von Angehörigen. Diesbezüglich verweist er auf R 33.3 Abs. 2 der Einkommensteuer-Hinwiese (EStH). Die Verfügung der OFD Münster sei durch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 2. Dezember 2012 2002-12-02 IV C 4-S 2284-108/02 (BStBl I 2002, 1389) überholt. Eine vorübergehende ausschließlich krankheitsbedingte Unterbringung, bei der die Kürzung einer Heimunterbringung entfalle, sei im Streitfall nicht gegeben.

Gründe

I. Das Klagebegehren war dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen vor Abzug der zumutbaren Eigenbelastung in Höhe von 10.623,97 EUR begehrt. Dieser Betrag setzt sich aus den zwischen den Beteiligten unstreitigen Krankheitskosten des Klägers in Höhe von 2.619,67 EUR, dem einmaligen Nachzahlungsbetrag von 6.136,55 für die Heimunterbringung seiner Mutter, den laufenden Zahlungen für fünf Monate von 1.822,75 EUR für die Heimunterbringung seiner Mutter und den Gerichtskosten und Fahrtkosten zum Sozialgericht in Höhe von 45 EUR zusammen. Der aufgrund eines Tippfehlers des Klägers für die laufenden Zahlungen vom 1. August bis 31.Dezember 2010 sich ergebende Betrag von 2.551,85 EUR war im Rahmen des Klagebegehrens dagegen nicht zu berücksichtigen. Der Kläger begehrt danach im Ergebnis, dass außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG in Höhe von 7.241 EUR vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festgesetzt wird

II. Die Klage ist teilweise begründet.

Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 vom 21. Juli 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. September 2016 verletzen den Kläger insoweit in seinen Rechten, als sie außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG in Höhe von 7196 EUR nicht vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

1. Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen sind in Höhe von 2.619,67 EUR und 7.959,30 EUR, mithin gesamt 10.578,97 EUR als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 EStG abziehbar. Der Kläger hat dabei die Aufwendungen in Höhe von 7.959,30 EUR für die Heimunterbringung seiner pflegebedürftigen Mutter zu Recht als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 EStG geltend gemacht.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisses und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird, § 33 Abs. 1 EStG. Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen u.a. zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen, § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG.

a) In der Rechtsprechung des BFH ist anerkannt, dass untypische Unterhaltsleistungen, mit denen ein besonderer und außergewöhnlicher Bedarf abgedeckt wird - z.B. die Übernahme von Krankheits- oder Pflegekosten -, nach § 33 EStG zu berücksichtigen ist, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht in der Lage ist, diese Aufwendungen selbst zu tragen (Urteile vom 19. Juni 2008 III R 57/05, BFHE 222, 338, BStBl II 2009, 365; vom 17. Dezember 2009 VI R 63/08, BFHE 227, 487, BStBl II 2010, 341, und in BFHE 234, 191, BStBl II 2012, 876, m.w.N.). Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung von Angehörigen in einem Altenpflegeheim fallen deshalb unter § 33 EStG, während beispielsweise Aufwendungen für deren altersbedingte Heimunterbringung nur nach § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigt werden können (BFH-Urteile vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294; in BFHE 222, 338, BStBl II 2010, 621, und in BFHE 234, 191, BStBl II 2012, 876). Wie sich aus § 33a Abs. 4 EStG ergibt, hat der Steuerpflichtige kein Wahlrecht zwischen dem Abzug nach § 33 EStG und dem nach § 33a EStG (BFH-Urteil vom 26. März 2009 VI R 60/08, BFH/NV 2009, 1418, und BFH in BFHE 234, 191, BStBl II 2012, 876, jeweils zu § 33a Abs. 5 EStG - nunmehr § 33a Abs. 4 EStG).

b) Danach sind die Kosten, die der Kläger in Höhe von 7.959,30 EUR für die Unterbringung seiner Mutter in dem Pflegeheim getragen hat, nicht in Unterhaltskosten i.S. von § 33a EStG und Krankheitskosten i.S. von § 33 EStG aufzuteilen. Denn die unter § 33 EStG fallenden abziehbaren krankheitsbedingten Mehrkosten, wegen derer der Kläger vom Sozialamt der Stadt A in Anspruch genommen wurde - umfassen ebenso wie bei einer Unterbringung in einem Krankenhaus nicht nur die Aufwendungen für Pflege und ärztliche Hilfe, sondern auch die gesamten von Heim in Rechnung gestellten Kosten für Unterkunft und Verpflegung, die bei einem Heimaufenthalt in der Regel erheblich höher liegen als die dafür üblichen Kosten bei einem Verbleib im eigenen Haushalt (BFH-Urteile in BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294, m.w.N., und in BFHE 234, 191, BStBl II 2012, 876). Die Aufwendungen sind auch zwangsläufig erwachsen, denn die Zwangsläufigkeit der Unterhaltsaufwendungen gründet auf dem Umstand, der Inanspruchnahme durch das Sozialamt (vgl. Geserich, HFR 2011, 1208).

c) Nicht zu den Kosten für die Unterbringung der Mutter im Pflegeheim gehören die Kosten der gerichtlichen Auseinandersetzung in Höhe von 45 EUR. Solche Kosten sind im Allgemeinen keine außergewöhnlichen Belastungen i.S. des § 33 EStG (BFH-Urteile vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800; vom 4. August 2016 VI R 63/14, BFH/NV 2017, 14).

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist keine Haushaltsersparnis in Höhe von 8.004 EUR von den Kosten, die der Kläger für die Unterbringung seiner Mutter in dem Pflegeheim getragen hat, abzuziehen.

Zwar sieht R 33.3 Abs. 2 Satz 2 EStH vor, dass eine Haushaltsersparnis mit dem in § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG genannten Höchstbetrag - im Streitjahr 8.004 EUR -, der abziehbaren Aufwendungen anzusetzen ist, wenn bei einer Heimunterbringung wegen Pflegebedürftigkeit der private Haushalt aufgelöst wird. Ein solcher Abzug kommt allerdings dann nicht in Betracht, wenn - wie im Streifall - die eigenen Einkünfte und Bezüge der pflegebedürftigen Person, die diese für ihren Unterhalt einsetzt, sowohl über den Regelsätzen für die Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) des betreffenden Jahres liegen, als auch über dem von der Verwaltung als Haushaltsersparnis anzusetzenden Wert von 8.004 EUR (vgl. BFH-Urteil in BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294; vgl. auch BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 1389). In solchen Fällen fehlt es an einer Haushaltsersparnis der unterhaltenen Person und erst Recht der zum Unterhalt verpflichteten Person.

III. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer für das Jahr 2010 wird dem Beklagten übertragen, § 100 Abs. 3 Satz 2 FGO. Der Beklagte hat hierbei den wie folgt ermittelten Betrag vom 7.196 EUR vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen:

EUR

Außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG für die Unterbringung der Mutter des Klägers im Pflegeheim

7.959,30

Eigene Krankheitskosten nach § 33 Abs. 1 EStG

2.619,67

Zwischensumme

10.578,97

./. Zumutbare Eigenbelastung 6 % von 56.384 EUR

3.383,04

verbleiben

7.195,93

gerundet

7.196,00

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

V. Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

VI. Soweit der Tenor auf Vollstattgabe lautete war er gem. § 107 Abs. 1 FGO zu berichtigen.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte