VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21.02.2017 - 14 K 2217/14
Fundstelle
openJur 2019, 6405
  • Rkr:

1. Ein Versammlungsverbot stellt auch dann einen schweren, sich kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriff dar, wenn die Versammlung aufgrund einer Gerichtsentscheidung im vorläufigen Rechtsschutz stattfinden konnte.

2. Vergleichbare vorhergehende Versammlungen können im Rahmen der Gefahrenprognose herangezogen werden.

3. Das Verbot einer Versammlung erfordert auch bei der tatsachengestützten Prognose einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit aufgrund eines befürchteten Verstoßes gegen § 130 StGB wegen Parolen wie "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!", eine sorgfältige Abwägung mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und vorliegend mit dem Parteienprivileg aus Art. 21 GG.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Verbotsverfügung vom 9. Mai 2014 rechtswidrig war.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der Kläger meldete am 8. Mai 2014 für den 10. Mai 2014 eine Versammlung unter freiem Himmel beim Beklagten an. Das Versammlungsthema sollte lauten: "Am 25. Mai ‚DIE RECHTE‘ in den Stadtrat und die Bezirksvertretung Innenstadt-Nord wählen!" Die Versammlung sollte in der Zeit zwischen 18.00 und 22.00 Uhr in Form eines Aufzugs mit ca. 60 Teilnehmern, Anfangs- Zwischen- und Abschlusskundgebung vom O.---markt durch die nördliche E. Innenstadt zum C.-----platz stattfinden. In der Anmeldung brachte der Kläger zum Ausdruck, Kernanliegen sei es, eine Demonstration im zentralen Nordstadtbereich durchzuführen, um insbesondere die dichten Ballungsgebiete zu erreichen, in denen Wähler zur Wahl der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord leben, zu welcher der Kläger kandidiere und sich einen hohen Zuspruch ausrechne. Als Hilfsmittel meldete der Kläger "die üblichen Versammlungsaccessoires, vor allem Transparente, Trageschilder, Fahnen und Megaphone, weiterhin einen Lautsprecherwagen (Pkw)" an.

Bereits am 30. April 2014 fand eine Kundgebung des Klägers in E4. X. mit dem Motto "Am 25. Mai in X. zur Kommunalwahl DIE RECHTE wählen!" statt. Nach Beendigung der Versammlung kam es zu einer Spontandemonstration, bei der - wie schon zuvor bei der angemeldeten Versammlung des Klägers - mehrfach die Parole "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!" von einigen Teilnehmern skandiert wurde. Auch nach Beendigung dieser Versammlung setzte die Gruppe den Weg zum Bahnhof X. gemeinsam und unter rufen der o.g. Parole fort. Die Personalien der 47 Teilnehmer wurden festgestellt und Platzverweise ausgesprochen.

Am 1. Mai 2014 fand ein vom Kläger angemeldeter Aufzug ebenfalls in E1. X. unter dem Motto "Heraus zum 1. Mai" statt, an dem nach Presseberichten etwa 450 Personen teilnahmen. Im Umfeld der Versammlung kam es zu mehreren, teilweise spontanen Gegendemonstrationen mit ebenfalls mehreren hundert Teilnehmern. Auch auf dieser Versammlung wurden von den Teilnehmern Parolen wie "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!" oder "Ali, Mehmet, Mustafa - geh zurück nach Ankara" von der Gesamtheit der Versammlungsteilnehmer skandiert.

Mit der hier streitgegenständlichen Verfügung vom Freitag, dem 9. Mai 2014, verbot der Beklagte die für den 10. Mai 2014 angemeldete Versammlung und jede Form der Ersatzveranstaltung auf der Grundlage des § 15 Abs.1 Versammlungsgesetz (VersG).

Zur Begründung führte er aus, die Durchführung des Aufzuges gefährde aufgrund der Erfahrungen mit den von dem Kläger angemeldeten und durchgeführten Versammlungen am 30. April 2014 und 1. Mai 2014 unmittelbar die öffentliche Sicherheit. Es sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der seinerzeitige Vorsitzende des Klägers als Versammlungsleiter erneut in aggressivkämpferischer Form eine hasserfüllte Stimmung erzeugen wolle, mit der er eine Einschüchterung der Bevölkerung bezwecke und dies in Kombination mit dem Gesamtgepräge der geplanten Versammlung auch erreichen werde.

Hier müsse der Beklagte insbesondere davon ausgehen, dass ausländerfeindliche Parolen wie "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!" oder "Ali, Mehmet, Mustafa - geh zurück nach Ankara" von der Gesamtheit der Versammlungsteilnehmer skandiert werden und damit unter Berücksichtigung der zu erwartenden Begleitumstände die Grenze zur Volksverhetzung überschritten werde. Damit werde gegen § 130 Strafgesetzbuch (StGB) verstoßen. Ein Verstoß gegen diese Strafrechtsnorm sei immer auch ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit.

Zur weiteren Begründung wird in der Verbotsverfügung der Verlauf der vom Kläger veranstalteten Versammlung vom 30. April 2014 und der sich daran anschließenden Spontanversammlung sowie der vom Kläger am 1. Mai 2014 durchgeführten Versammlung geschildert.

Auf beiden Versammlungen am 30. April 2014 sei vom Versammlungsleiter und den Versammlungsteilnehmern vor Beginn der Versammlungen, in deren Verlauf und nach deren Abschluss die Parole "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus" gerufen worden, obwohl der Versammlungsleiter mehrfach durch die Einsatzkräfte aufgefordert worden sei, dies zu unterlassen. Gegen den Versammlungsleiter und 46 Versammlungsteilnehmer seien Strafverfahren wegen des Verstoßes gegen § 130 StGB eingeleitet worden.

Diese Parole sei durch den Versammlungsleiter und die Versammlungsteilnehmer auch bei der Versammlung am 1. Mai skandiert worden. Neben dieser Parole sei durch die Gesamtheit der Versammlungsteilnehmer am 1.Mai 2014 als weiterer Einschüchterungsversuch in Richtung der umstehenden Passanten skandiert worden: "Ali, Mehmet, Mustafa - fahrt zurück nach Ankara".

Der seinerzeitige Vorsitzende des Klägers habe als Versammlungsleiter die Parolen initiiert und die aufgeheizte Stimmung forciert.

Auf der Versammlung am 1. Mai sei auch ein Transparent mitgeführt worden welches mit der Parole: "Die Schonzeit ist vorbei! Nationalen Sozialismus durchsetzen Mit allen Mitteln Auf allen Ebenen Terrorcrew" zum Kampf aufgerufen habe.

Den Medien in E1. sei zu entnehmen, wie emotional und auch teils aufgebracht die ausländischen Mitbürger auf diese Parolen reagiert hätten (Wut, Erregtheit). Nach gefestigten psychologischen Erkenntnissen könne aus diesem durch Wut und Emotionalität geprägten Verhalten nur geschlussfolgert werden, dass die Bürger keine andere Bewältigungsmöglichkeit für ihre Gefühle der Bedrohung hätten. Mit dem hasserfüllten Skandieren dieser Parolen in Zusammenwirken mit dem kämpferischen Auftreten verängstige der Kläger die Bürger. In Presseberichten werde von Pogromstimmung gesprochen. In der E. Öffentlichkeit sei diese Versammlung am 1. Mai 2014 als "Hass-Marsch" wahrgenommen worden. Auch anwesende Politiker hätten sich an Bilder der nationalsozialistischen Anfänge aus dem Jahre 1933 erinnert gefühlt.

Aus dem Demonstrationszug heraus seien Bürger, die auf ihren Grundstücken gestanden hätten, gezielt eingeschüchtert worden. Das aggressive und provokante Auftreten der Versammlungsteilnehmer habe dazu geführt, dass sich die Anwohner auf Ihren eigenen Grundstücken nicht mehr sicher gefühlt und versteckt hätten. Emotional sei die Versammlung so ausgerichtet gewesen, dass jeder Anwohner mit dem Klima der Gewalt, Aggression und des Hasses überzogen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Schilderung wird auf die den Beteiligten bekannte Verfügung Bezug genommen.

Das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung in E1. sei durch die Versammlungen stark beeinträchtigt worden. Es seien mehrere Strafanzeigen wegen Volksverhetzung von Bürgern gestellt worden.

Die für den 10. Mai 2014 angemeldete entsprechende Versammlung solle erneut in einem E. Stadtteil durchgeführt werden, der überwiegend durch Menschen mit einem Migrationshintergrund bewohnt werde. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass erneut diese einschüchternde Wirkung erzielt werden solle und durch Auftreten und durch hasserfülltes Skandieren von Parolen erneut der Straftatbestand des § 130 StGB erfüllt werde.

Das Verbot sei auch nach Abwägung mit der besonderen Bedeutung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit, der Meinungsfreiheit und der Rechte der Partei aus Art 21 GG notwendig, da bei der Durchführung der Versammlung die öffentliche Sicherheit erheblich und unmittelbar gefährdet sei, da nach der gegenwärtigen Erkenntnislage Verstöße gegen die Strafnormen des § 130 StGB erfüllt würden.

Es sei auch nicht möglich gewesen, diese Gefahr durch eine Auflage abzuwenden. Obwohl dem seinerzeitigen Vorsitzenden des Klägers durch die Beamten des Beklagten mehrfach mitgeteilt worden sei, dass das Skandieren dieser Parole bei den Versammlungen strafbar sei, hätten er und die Versammlungsteilnehmer es nicht unterlassen, die Parole weiterhin zu skandieren und zudem im Internet die weitere öffentliche Verwendung dieser Parole zu bewerben. Eine sachgerechte Abwägung der kollidierenden Interessen, d.h. der Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit auf der einen und des Grades der drohenden Gefahr sowie der Schwere der Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit im Fall der Gefahrrealisierung auf der anderen Seite führe dazu, dass angesichts seiner Ausführungen die Versammlung verboten werden müsse. Er verkenne dabei nicht den hohen Stellenwert der Grundrechte der Versammlungsfreiheit, der Meinungsfreiheit und der Rechte der Partei aus Art 21 GG. Gleichwohl unterliege die Grundrechtsgewährleistung im Falle einer Kollision mit anderen Rechtsgütern entsprechenden Einschränkungen bzw. den Schranken des Versammlungsgesetzes.

Der Kläger hat am 9. Mai 2014 Klage gegen das Versammlungsverbot erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage gestellt (14 L 741/14).

Die Kammer hat auf den Antrag des Klägers am Abend des 9. Mai 2014 folgenden Beschluss gefasst:

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage - 14 K 2217/14 -des Antragstellers gegen die Verbotsverfügung des Antragsgegners vom 9. Mai 2014 wird mit folgenden Auflagen wiederhergestellt:

a) Die Versammlung wird als Standkundgebung auf dem Platz an der N2.------straße / Ecke N.-----------straße (Platz vor der dortigen D. ) durchgeführt.

b) Das Skandieren von Parolen (insbesondere "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!" oder "Ali, Mehmet, Mustafa - fahrt zurück nach Ankara!"), die dazu geeignet sind, als ein aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten der Versammlungsteilnehmer aufgefasst zu werden, ist verboten.

c) Auflagen des Antragsgegners, die der geordneten Durchführung der Versammlung dienen, sind zu befolgen.

Der Beklagte erließ am 10. Mai 2014 eine Versammlungsbestätigung, die dem stellvertretenden Landesvorsitzenden des Klägers per E - Mail zugeleitet wurde.

In der Versammlungsbestätigung heißt es:

"Sehr geehrter Herr C1. ,

für die von Ihnen angemeldete Versammlung unter freiem Himmel finden die Vorschriften des [...] Versammlungsgesetzes Anwendung.Mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen wurde Ihnen folgende Versammlungsörtlichkeit aufgegeben:Standkundgebung auf dem Platz an der N1.------straße / Ecke N.-----------straße (Platz vor der dortigen D. ).Die von Ihnen angemeldete Versammlung kann im Übrigen wie folgt durchgeführt werden:

1. Veranstaltungsdatum: 10.05.20142. Veranstaltungszeit: 18.00 - 22.00 Uhr3. Verantwortlicher Leiter: [...]4. Versammlungsthema: [...]5. Hilfsmittel [...]6. Erwartete Teilnehmerzahl: 60Der Einsatz eines Ordners pro 50 Versammlungsteilnehmer wird genehmigt.

Folgende Auflagen aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts sind von Ihnen einzuhalten:1. Das Skandieren von Parolen [...]2. Auflagen des Antragsgegners, die der geordneten Durchführung der Versammlung dienen, sind zu befolgen.

Von mir werden die folgenden Auflagen nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz verfügt:3. [...bis 8.]"

In der weiteren Begründung - die wegen der Einzelheiten in Bezug genommen wird - wird die Zulässigkeit von Auflagen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung allgemein erläutert. Eine detaillierte Begründung erfolgt nur zu den Auflagen 3 bis 8. Des Weiteren enthält die Begründung der Bestätigung - auf die insoweit Bezug genommen wird - allgemeine Hinweise, u.a. zur Möglichkeit der Einsatzleitung, situationsbedingt weitere Auflagen zu erlassen, und zur Strafbarkeit näher beschriebener Verhaltensweisen.

Nachdem die Versammlung am 10. Mai 2014 als Standkundgebung durchgeführt wurde, hat der Kläger seine ursprünglich erhobene Anfechtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt.

Das Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass der Beklagte in der Vergangenheit mehrfach wahrheitswidrige Äußerungen über das Verhalten des Klägers bei Versammlungen verbreitet habe. Das gerichtliche Verfahren könne dazu dienen, dem für die Zukunft entgegenzuwirken.

Das Verbot wirke willkürlich. Es habe keinen Versuch der Kooperation im Vorfeld des Verbots gegeben. Auch liege keine Störung der öffentlichen Sicherheit vor. Zwar treffe zu, dass die Parole "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!" bei der Kundgebung am 30. April und am 1. Mai 2014 gerufen worden sei. Dies sei jedoch nicht in einschüchternder Form erfolgt. Die in der Rechtsprechung des OLG Köln aufgestellten Kriterien zur Verwirklichung des Straftatbestands der Volksverhetzung seien gerade nicht erfüllt worden.

Darauf sei die Einsatzleitung am 30. April 2014 noch an Ort und Stelle durch den Kläger hingewiesen worden und es seien Strafanzeigen wegen Verfolgung Unschuldiger erstattet worden. Auch die Staatsanwaltschaft E1. gehe nicht von der vom Beklagten angenommenen generellen Strafbarkeit dieser Parole aus. Strafverfahren, die wegen dieser Parole im Zusammenhang mit einer Versammlung in Hamm eingeleitet worden seien, seien allesamt eingestellt worden. Dies gelte auch für die möglicherweise nach dem 30. April 2014 und 1. Mai 2014 eingeleiteten Strafverfahren.

Bei Durchführung der Versammlungen seien auch keine entsprechenden Auflagen erlassen worden, sondern lediglich auf die Strafbarkeit dieser Parolen hingewiesen worden.

Ähnlich verhalte es sich mit der Parole "Ali, Mehmet, Mustafa - geht zurück nach Ankara!". Diese Parole sei im Übrigen lediglich von einzelnen Versammlungsteilnehmern gerufen worden, nicht aber etwa über den Lautsprecherwagen vom Versammlungsleiter angestimmt worden.

Die aufgeheizte Stimmung während der Versammlung am 1. Mai 2014 sei auf das Fehlverhalten der Polizei zurückzuführen, durch welches die Teilnehmer mehrere Stunden hätten warten müssen, ehe die Demonstration habe fortgesetzt werden können. Trotzdem seien alle Versammlungsteilnehmer friedlich geblieben, die Versammlungsleitung sei jederzeit "Herr der Lage" gewesen.

Das zitierte Transparent sei von Teilnehmern aus I. mitgebracht worden und könne dem Kläger nicht zugerechnet werden, weil es nicht möglich sei, Teilnehmer von der Versammlung auszuschließen, welche diese nicht störten und sich rechtmäßig verhielten. Diese auswärtigen Teilnehmer seien bei der Versammlung am 10. Mai auch nicht zu erwarten, da es sich dabei um eine kleine lokale Veranstaltung handele.

Die Wahrnehmung der Versammlungen in der Presse sei einseitiger Stimmungsmache im Wahlkampf geschuldet. In der Berichterstattung werde insbesondere nicht erwähnt, dass auch Anwohner hasserfüllt Todesdrohungen in Richtung der Versammlungsteilnehmer gebrüllt hätten.

Insbesondere bei einer Bedrohung der Versammlung durch Außenstehende im Bereich B.---straße / X1.----straße hätten die eingesetzten Ordner beruhigend auf die Versammlungsteilnehmer eingewirkt und diese zum Weitergehen veranlasst.

Der Einsatzleiter sei zu keinem Zeitpunkt an die Versammlungsleitung herangetreten, um bestimmte Verhaltensweisen zu beanstanden oder unterbinden zu lassen.

Auffällig sei auch, dass der Beklagte nur gegen Umzüge vorgehe, nicht aber gegen Standkundgebungen des Klägers.

Bei der hier streitgegenständlichen Versammlung handele es sich lediglich um eine kleinere Wahlkampfveranstaltung, von denen der Kläger im Jahr 2014 bereits etwa 65 unter ähnlichen, auf den Wahlkampf bezogenen Mottos durchgeführt habe.

Die Aufzugsroute führe durch ein Gebiet, in dem der Kläger nicht nur für den Stadtrat, sondern auch die Bezirksvertretung kandidiere. Der Aufzugsweg führe an den Wohnungen einiger der Kandidaten vorbei, die diese Gelegenheit auch für Eigenwerbung nutzen wollten.

Das Verbot sei auch nicht das mildeste Mittel, sondern vom Beklagten für strafbar gehaltene Parolen könnten auch durch Auflagen untersagt werden. Der Kläger und die von ihm eingesetzten Versammlungsleiter hätten in der Vergangenheit verlässlich sämtliche Auflagen eingehalten.

Der stellvertretende Landesvorsitzende des Klägers habe den Bescheid vom 10. Mai 2014 als Umsetzung der durch das Gericht in dem Beschluss vom 9. Mai 2014 ausgesprochenen Auflagen angesehen und nicht als eigene Entscheidung des Beklagten. Aus seiner Sicht sei die Aufnahme der weiteren Regelungen in diesem Bescheid erforderlich gewesen, um ihnen Wirksamkeit zu verschaffen, da ansonsten nur die Auflagen des Gerichts gegolten hätten.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Verbotsverfügung des Beklagten vom 9. Mai 2014 rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Schilderung der Ereignisse bei den Versammlungen am 30. April und 1. Mai 2014 und die Begründung der streitgegenständlichen Verbotsverfügung vom 9. Mai 2014.

Ergänzend führt er aus, bei der in der Verbotsverfügung in Bezug genommenen Verlautbarung im Internet handele es sich um einen Artikel des Klägers auf der Seite "E2. " vom 2. Mai 2014, in dem der Kläger angekündigt habe, im Wahlkampf ein themenbezogenes Plakat in hoher Auflage zu verwenden, welches die Parole "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!" enthalte.

Die Klage sei unzulässig, da es am Rechtsschutzinteresse des Klägers fehle. Die rechtliche Überprüfung des Versammlungsverbots sei im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht möglich, da das Verbot durch die Bestandskraft des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und die Durchführung der Versammlung als Standkundgebung nicht mehr existent sei. Durch die Versammlungsbestätigung vom 10. Mai 2014 habe der Beklagte das Versammlungsverbot aufgehoben und durch eine eigene Verfügung, die auch weitere Regelungen zur Durchführung der Versammlung beinhalte, ersetzt. Eine rechtliche Bewertung, ob das Verbot der Versammlung rechtmäßig gewesen sei oder nicht, sei daher nicht mehr erforderlich und habe auch keine Grundlage mehr, da das Versammlungsverbot durch die Verfügung aufgehoben worden sei.

Unabhängig davon sei hilfsweise kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ersichtlich. Der Kläger habe seit Klageerhebung 121 Versammlungen in E1. durchgeführt, ohne dass eine davon unter Berufung auf die in der Verbotsverfügung aufgeführten Gründe verboten worden sei. Das gelte insbesondere für Wahlkampfveranstaltungen. So seien nach Erlass der streitgegenständlichen Verbotsverfügung bis zur Kommunalwahl 2014 noch weitere 17 Wahlkampfveranstaltungen und allein 2017 bereits 9 derartige Veranstaltungen in E1. durchgeführt worden, ohne dass es zu einem Verbot gekommen sei.

Der Kläger habe nicht aufgezeigt, dass der Beklagte sich nicht an die in der Rechtsprechung herausgearbeiteten Maßstäbe gehalten habe.

Der Vorwurf des "wahrheitswidrigen Vortrags" rechtfertige nicht die Annahme eines Feststellungsinteresses und sei im Übrigen unsubstantiiert.

Es sei regelmäßige Praxis des Beklagten, jede angemeldete Versammlung einer differenzierten Einzelfallbetrachtung zu unterziehen und die jeweiligen Sachverhalte mit einer konkreten Gefahrenprognose zu belegen. Diesen Grundsätzen folgend habe es in den zurückliegenden mehr als 100 Versammlungslagen des Klägers keine wiederholte Praxis gegeben, wonach der Beklagte mit derselben rechtlichen und/oder tatsächlichen Begründung wiederholt eine Standkundgebung verfügt hätte. Die Einzelfallbetrachtung habe vielmehr in der Vergangenheit dazu geführt, dass die im Beschluss der Kammer vom 9. Mai 2014 unter Ziffer 1b) formulierte Auflage regelmäßig wieder habe verwendet werden müssen, da es auch nach dieser Versammlungslage wiederholt und belegbar zu Einschüchterungen und Parolen durch Versammlungsteilnehmer des Klägers gekommen sei. Die Verwendung der Auflage habe aber gerade nicht zu einer Beschränkung des Klägers in Form einer Standkundgebung geführt. Derartige versammlungsrechtliche Entscheidungen stellten Ausnahmen dar, die durch den Beklagten mit den besonderen Umständen des Einzelfalls begründet worden seien.

Die Annahme eines Rehabilitationsinteresses sei abwegig.

Die Beschränkung auf eine Standkundgebung stelle keine Belastung von besonderem Gewicht dar, da es sich bereits nach den Angaben des Klägers um eine kleinere Versammlung gehandelt habe. Eine nachwirkende und besonders schwerwiegende Eingriffsintensität, die bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung fortbestehe, sei daher nicht zu erkennen.

Der Kläger habe sich inhaltlich bislang auch nicht gegen die Standkundgebung gewandt, insbesondere kein Rechtsmittel gegen den Eilbeschluss eingelegt.

Sowohl das Verbot als auch die Beschränkung auf eine Standkundgebung seien verhältnismäßig.

Auflagen seien nach der zum damaligen Zeitpunkt getroffenen Prognose nicht geeignet gewesen, eine ordnungsgemäße Durchführung der Versammlung zu gewährleisten.

Der Kläger habe mehrfach die mangelnde Bereitschaft zur Beachtung von Auflagen unter Beweis gestellt. Er habe regelmäßig aufstachelnd und aufheizend auf die Versammlung eingewirkt und damit die in der Gefahrenprognose beschriebene Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gezielt betrieben. Gezielt durch den Versammlungsleiter bzw. -anmelder betriebene Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung rechtfertigten versammlungsrechtlich beschränkende Maßnahmen bis hin zum Versammlungsverbot.

Selbst wenn auf Seiten des Klägers eine gewisse Bereitschaft zur Beachtung von Auflagen bestanden hätte, wäre keineswegs sichergestellt gewesen, dass auch die Mehrheit der Versammlungsteilnehmer solche Auflagen beachtet hätte. Vor diesem durch den Kläger selbst verursachten Hintergrund sei es nach der seinerzeit objektiv gebotenen Einschätzung polizeilich nicht möglich gewesen, durch Auflagen kollektive Verhaltensweisen der Versammlungsteilnehmer zu steuern.

Auch ein gezieltes Vorgehen gegen einzelne Teilnehmer der Versammlung sei nach seiner Einschätzung nicht geeignet, eine ordnungsgemäße Durchführung der Versammlung zu sichern. Denn die polizeilichen Erfahrungen hätten belegt, dass es sich regelmäßig nicht um das Verhalten lediglich Einzelner, sondern um gemeinschaftliches Verhalten des überwiegenden Teils des Aufzugs handele. Selbst bei starker polizeilicher Überwachung zur Unterbindung von Straftaten wäre es nicht möglich gewesen, die am 30. April und 1. Mai 2014 durch den Kläger selbst betriebene kollektive Zielsetzung in Bezug auf das Skandieren der Parolen bei der Kundgebung durch polizeiliches Eingreifen gänzlich bzw. nur überwiegend zu verhindern.

Auch eine nachträgliche Auflösung der Versammlung wäre nicht geeignet gewesen. Denn zum einen wäre es dann schon zur Verwirklichung der Straftaten gekommen. Zum anderen hätte die Auflösung ihrerseits die Gefahr der Eskalation mit sich gebracht und nach damaliger Einschätzung mit hoher Wahrscheinlichkeit gewalttätige Auseinandersetzungen zur Folge gehabt.

So habe der Kläger nach Auflösung der Versammlung am 30. April 2014 eine Spontanversammlung angemeldet und die Parolen weiter skandiert.

Vertreter des Klägers hätten bei den Veranstaltungen vehement die Einschätzung vertreten, die Parolen seien nicht als Straftaten anzusehen. Vor diesem Hintergrund habe der Beklagte nicht annehmen können, dass das mildere Mittel der versammlungsrechtlichen Auflage geeignet gewesen wäre.

Für die Annahme, eine Beschränkung auf eine Standkundgebung mit einer entsprechenden Auflage sei zur Abwehr der befürchteten Gefahren ausreichend, hätten zum damaligen Zeitpunkt keinerlei konkrete Tatsachen und Hinweise gesprochen. Die jetzige expost Betrachtung sei unerheblich.

Vorliegend sei die Eingriffsschwelle wegen des wiederholt unkooperativen Verhaltens des Klägers bei den vorangegangenen Versammlungslagen für den Beklagten nach den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen herabgesetzt. Anders als der Beklagte, der dem Kläger bereits im Rahmen der beiden Vorfeldversammlungen seine Rechtsauffassung dargelegt habe, sei der Kläger durch sein im Vorfeld gezeigtes und als Kooperationsverweigerung zu wertendes Verhalten seinen Obliegenheiten, die ihn als Veranstalter und Leiter der Versammlung verpflichteten, auf das Ziel einer friedlichen und die Beeinträchtigung von Drittinteressen möglichst gering haltende Durchführung der Versammlung hinzuwirken, nicht nachgekommen.

Auch der Parteistatus des Klägers stehe dem Verbot der Versammlung nicht entgegen, denn er habe die polizeilich zu verhindernden Gefahren gerade selbst herbeigeführt. Ein strafrechtlich relevantes und gezielt einschüchterndes Verhalten sei auch nicht dadurch zulässig, dass es sich bei dem Versammlungsanmelder um eine nicht verbotene Partei handele. Gerade das Gegenteil sei der Fall, eine Partei, die den Schutzbereich des Art. 21 GG beanspruche, müsse in besonderem Maße durch ihr Verhalten jeden Anschein eines ihr zuzurechnenden strafbaren Verhaltens aktiv verhindern.

Der Klageerwiderung hat der Beklagte seinen Bericht an das Innenministerium zu den Versammlungen am 30. April 2014 und 1. Mai 2014 vom 5. Mai 2014 nebst Anlagen beigefügt (Beiakte Heft 2). Des Weiteren hat der Beklagte im Zuge der Verfahren zwei Daten-CDs und einen USB - Stick mit Videoaufnahmen der Versammlungen am 30. April 2014 und 1. Mai 2014 sowie einen Hefter mit Internet- und Zeitungsberichten zu den vorgenannten Versammlungen vorgelegt (Umschlag Beiakte Heft 1).

Gründe

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Danach spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Verwaltungsakt sich vor der gerichtlichen Entscheidung über die bereits erhobene Klage durch Zurücknahme oder anders erledigt und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Streitgegenstand der vorliegenden Klage ist, wie sich aus der ausdrücklichen Erklärung des stellvertretenden Landesvorsitzenden des Klägers in der mündlichen Verhandlung zweifelsfrei und bereits zuvor aus der Klagebegründung und dem angekündigten - auf die (Fortsetzungs-)Feststellung umgestellten - Klageantrag ergibt, allein die Verbotsverfügung vom 9. Mai 2014.

Diese Verbotsverfügung hat sich nach der Klageerhebung am 9. Mai 2014 erledigt.

Ein Verwaltungsakt bleibt nach dem hier mangels spezialgesetzlicher Regelungen im Versammlungsgesetz einschlägigen § 43 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land NRW (VwVfG) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

Vorliegend hat sich die Verbotsverfügung nicht durch den Beschluss des Gerichts vom 9. Mai 2014 erledigt.

Bei diesem Beschluss handelte es sich um einen Beschluss nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Fall VwGO. Gemäß dieser Bestimmung kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen des § 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet wird, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen.

Schon der Gesetzeswortlaut macht deutlich, dass das Gericht in diesem Beschluss die Verbotsverfügung weder aufgehoben hat noch deren Rechtmäßigkeit eingehend oder gar abschließend geprüft und darüber entschieden hat.

Aufgabe des auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Verfahrens ist die Umsetzung des in Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) garantierten effektiven Rechtsschutzes. Dieser Grundsatz verlangt umfassenden und tatsächlich wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gegenüber der Exekutive. Erlässt die Verwaltung einen belastenden Verwaltungsakt, ist der Betroffene den im Verwaltungsakt angeordneten Rechtsfolgen ausgesetzt, sobald äußere und innere Wirksamkeit des Verwaltungsakts eingetreten sind. Eine wirksame richterliche Kontrolle der vollziehenden Gewalt würde illusorisch, wenn die Verwaltung vollendete Tatsachen schaffen könnte, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, nachdem sich nach gerichtlicher Überprüfung das Verwaltungshandeln als rechtswidrig herausgestellt hat. Diesem Grundsatz wird im Regelfall durch die in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO getroffene Regelung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen genügt.

Vgl. Puttler in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage 2014 § 80 VwGO Rdnr. 7 ff., mit umfangreichen weiteren Nachweisen.

Entfällt der Suspensiveffekt eines Rechtsbehelfs - wie hier - aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts durch die erlassende Behörde wegen eines besonderen öffentlichen Interesses, ist die Gewährung effektiven Rechtsschutzes dadurch sicherzustellen, dass eine schnelle gerichtliche Überprüfung des Sachverhalts und der Rechtslage mit dem Ziel erfolgt, das von der Behörde angenommene öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit zu bewerten.

Die Prüfungsdichte und insbesondere der Umfang der Amtsermittlung werden dabei maßgeblich einerseits vom Gewicht des betroffenen Rechtsguts und andererseits von der zur Verfügung stehenden Zeit bestimmt. In dem durch § 80 VwGO geregelten System des Suspensiveffekts von Rechtsbehelfen einerseits und dem im Falle der Anordnung durch die Behörde im Einzelfall erforderlichen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit von Verwaltungsakten insbesondere zur Gefahrenabwehr andererseits ist es deshalb grundsätzlich nur Aufgabe des Eilverfahrens, über die Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes bis zur Hauptsache zu entscheiden.

Vgl. Puttler in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage 2014, § 80 VwGO Rdnrn. 7 und 136, jeweils mit umfangreichen weiteren Nachweisen.

Wie sich bereits aus dem Umstand ergibt, dass die Kammer im Rubrum des Beschlusses vom 9. Mai 2014 nicht nur das Datum, sondern auch die Uhrzeit (18.00 Uhr) der Beschlussfassung aufgeführt und in der Rechtsmittelbelehrung ergänzende Hinweise zu dem Zeitpunkt gemacht hat, bis zu dem eine Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt sein muss, um noch eine zweitinstanzliche Entscheidung erhalten zu können, war die zur Verfügung stehende Zeit bis zum Beginn der Versammlung so knapp bemessen, dass eine umfassende rechtliche Prüfung der Sach- und Rechtslage und insbesondere der Rechtmäßigkeit des Versammlungsverbots trotz des Gewichts der hier betroffenen Rechtsgüter der durch Art. 8 GG garantierten Versammlungsfreiheit und des aus Art 21 GG folgenden Parteienprivilegs nicht mehr möglich war. Die Kammer hat daher auch in der Begründung des Beschlusses ausdrücklich ausgeführt:

"Ob diese Umstände und Tatsachen das vollständige Verbot der hier streitgegenständlichen Versammlung rechtfertigen würden, lässt sich im Rahmen der hier aufgrund der Dringlichkeit der Entscheidung nur möglichen summarischen Prüfung nicht abschließend feststellen. [...] Im Rahmen der Interessenabwägung erscheint es daher erforderlich, aber auch ausreichend, die aufschiebende Wirkung der Klage mit den aus dem Tenor ersichtlichen Auflagen im Sinne des § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO wiederherzustellen."

VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 9. Mai 2014 - 14 L 741/14 -, Seite 4, juris Rdnr. 10 und 12 und www.nrwe.de, Rdnr. 11 und 13.

Die vom Beklagten angeführte "Bestandskraft" dieser Entscheidung, hierbei handelt es sich um materielle Rechtskraft analog § 121 VwGO,

vgl. Puttler in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage 2014 § 80 VwGO Rdnr. 171.

hat daher keine Auswirkungen auf den Regelungsgehalt der streitgegenständlichen Verbotsverfügung, sondern allein auf deren Vollziehbarkeit. Durch einen stattgebenden Beschluss im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO wird der Zustand herbeigeführt, der - wäre der Verwaltungsakt nicht sofort vollziehbar gewesen - durch die Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 VwGO eingetreten wäre.

Vgl. Puttler in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage 2014 § 80 VwGO Rdnr. 169.

Der wiederhergestellte Suspensiveffekt, der eine uneingeschränkte Durchführung der Versammlung ermöglicht hätte, wurde durch die Kammer allerdings durch den Beschlusstenor zu 2. eingeschränkt. Hierbei handelt es sich um eine Auflage im Sinne des § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO. Auch durch diese Auflage wird keine Erledigung der Verbotsverfügung ausgelöst, sondern allein deren Rechtswirkung für den Adressaten modifiziert.

Die Verbotsverfügung hat sich allerdings nach der Klageerhebung am 9. Mai spätestens dadurch erledigt, dass das Datum der angemeldeten Versammlung verstrichen ist und die mit dem Verbot verbundene Beschwer spätestens mit dem Ende der aufgrund der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (eingeschränkt) durchgeführten Versammlung entfallen ist.

Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18. Mai 2010 - 14 K 3088/09 - zum "Antikriegstag 2009", nicht veröffentlicht, den Beteiligten jedoch bekannt; bestätigt durch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein - Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 1. Juni 2011 - 5 A 1374/10 -, juris und www.nrwe.de.

Es kann deshalb vorliegend im Zusammenhang mit der Erledigung des Verbots dahinstehen, ob die Verbotsverfügung durch die Versammlungsbestätigung des Beklagten vom 10. Mai 2014 aufgehoben oder modifiziert wurde.

Der Kläger hat auch das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse.

Neben der Wahrung des Prozesserfolgs im Falle einer Erledigung des streitgegenständlichen Verwaltungsakts nach Klageerhebung besteht die Funktion der Fortsetzungsfeststellungsklage in der Kontrollfunktion der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Trotz Erledigung kann eine Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit aus Gründen der Praktikabilität im Annex zur Anfechtungsklage noch geboten sein.Dies gilt insbesondere für Rechtsbeeinträchtigungen, die sich ihrer Natur nach grundsätzlich schneller erledigen, als Rechtsschutz gegen sie zu erreichen wäre, wie dies im Versammlungsrecht typischerweise der Fall ist. Würde bei diesen auf die Erledigung abgestellt, wäre der Rechtsschutz erheblich verkürzt. Art 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährt jedoch einen Anspruch auf Rechtsschutz in der Hauptsache und nicht nur auf Rechtsschutz im Eilverfahren. Auch wenn in versammlungsrechtlichen Eilverfahren aufgrund der regelmäßig gegebenen besonderen Eilbedürftigkeit und der Gewichtigkeit der betroffenen Grundrechte das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren zum Teil Schutzfunktionen übernehmen muss, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt, verbleibt es in der Sache aber im Grundsatz stets, also auch bei der Prüfung der Rechtmäßigkeitserfordernisse, bei einer nur vorläufigen Überprüfung der behördlichen Entscheidung, die ohne umfassende Sachaufklärung von Amts wegen und ohne abschließende Rechtsprüfung erfolgt. Der Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren kann deshalb durch das Eilverfahren grundsätzlich nicht überflüssig werden.

Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03, BVerfGE 110, 77 und juris; Wolff in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage 2014, § 113 Rdnr. 266 und 282; Kopp/Schenke, VwGO 22. Auflage 2016, § 113 VwGO, Rdnr. 98.

Verstärkt wird dieser Gedanke durch die Freiheitsgrundrechte, sofern mit diesen Maßnahmen eine erhebliche Grundrechtsbeeinträchtigung verbunden ist und daher die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle nicht davon abhängig gemacht werden kann, ob die Beeinträchtigung erledigt ist oder nicht. Das Feststellungsinteresse wird hier durch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG und auch durch das Recht auf Freiheit von ungesetzlicher Grundrechtsbeeinträchtigung begründet. Nicht nur für Demonstrationsverbote ist dies durch das Bundesverfassungsgericht und die obergerichtliche Rechtsprechung, der die Kammer insoweit in ständiger Praxis folgt, seit Jahrzehnten anerkannt und auch in der Literatur ganz überwiegende Auffassung.

Vgl. BVerfG Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03, BVerfGE 110, 77 und juris, Beschluss vom 30. April 1997 - 2 BvR 817/90 u.a. -, BVerfGE 96, 27 ff. und juris und Beschluss vom 30. November 1989 - 2 BvR 3/88 -, BVerfGE 81, 138ff und juris; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 21. November 1980 - 7 C 18/79 -, BVerwGE 61,164 ff, Beschluss vom 11. Dezember 2003 - 1 WB 14/03 -, BVerwGE 119, 341ff und juris und Urteil vom 23. März 1999 - 1 C 12/97 -, juris; Gerhardt in: Schoch/Schneider/Bier, § 113 VwGO Rdnr. 91; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 113 VwGO, Rdnr. 145; Wolff in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage 2014, § 113 Rdnr. 266 und 282.

Damit der Rechtsschutz nach Art 19 Abs. 4 S 1 GG nicht unzumutbar beschränkt wird, dürfen an ein solches Rechtsschutzbedürfnis keine aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Anforderungen gestellt werden.In versammlungsrechtlichen Verfahren sind die für die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage geltenden Anforderungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Versammlungsfreiheit anzuwenden.

Die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in einer Demokratie gebietet nicht nur in den Fällen, in denen die Grundrechtsausübung durch ein Versammlungsverbot tatsächlich unterbunden oder die Versammlung aufgelöst worden ist, stets die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes. Derartige Eingriffe sind die schwerste mögliche Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit. Eine weitere Gewichtung eines solchen Grundrechtseingriffs, etwa im Hinblick auf den spezifischen Anlass oder die Größe der Versammlung, ist dem Staat verwehrt. Ebenso bedarf in einem derartigen Fall keiner Klärung, ob eine fortwirkende Beeinträchtigung im grundrechtlich geschützten Bereich gegeben ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 1999, - 1 C 12/97 -, juris.

Auch spielt es keine Rolle, ob vergleichbare Versammlungen noch in Zukunft stattfinden sollen.

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens ist darüber hinaus zu bejahen, wenn die Versammlung - wie hier - zwar durchgeführt werden konnte, aber infolge von versammlungsbehördlichen Auflagen gemäß § 15 Abs. 1 VersG, von verwaltungsgerichtlichen Auflagen nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO oder von verfassungsgerichtlichen Maßgaben nach § 32 Abs. 1 BVerfGG nur in einer Weise, die ihren spezifischen Charakter verändert, insbesondere die Verwirklichung ihres kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert hat. Demgegenüber ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht begründet, wenn die Abweichungen bloße Modalitäten der Versammlungsdurchführung betroffen haben.

BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03, Orientierungssätze 4a) und 4b) zu Leitsatz 2 der Entscheidung, sowie Gründe zu C I., hier insbesondere C I., 1.1, BVerfGE 110, 77 und juris.

Die Anwendung dieser Grundsätze führt zum Bestehen eines berechtigten Interesses des Klägers, die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 9. Mai 2014 feststellen zu lassen.

Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten für den Kläger als inländische Personenvereinigung die Grundrechte, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Hierzu gehört die durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Versammlungsfreiheit, die dem Grundrechtsträger das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung gewährleistet.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 1999 - 1 C 12/97 -, juris (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233, 341/81 - BVerfGE 69, 315 ).

Des Weiteren ist vorliegend auch das aus Art. 21 Abs. 1 GG gewährleistete sogenannte Parteienprivileg betroffen, denn ausweislich der Versammlungsanmeldung sollte der angemeldete Aufzug am 10. Mai 2014 zu Wahlkampfzwecken stattfinden.

In den Schutzbereich dieser besonders bedeutsamen Grundrechtspositionen greift das an den Kläger gerichtete Verbot ein, seinen im Zusammenhang mit dem Wahlkampf stehenden Aufzug wie vorgesehen am 10. Mai 2014 in der nördlichen Dortmunder Innenstadt abzuhalten. Anders als bei der Versammlung am 1. Mai 2014,

vgl. dazu Beschluss der Kammer vom 24. April 2014 - 14 L 641/14 -, Seite 4 des Beschlusses, juris Rdnr. 16 und www.nrwe.de Rdnr. 17,

bestehen vorliegend - wie auch schon im vorhergehenden Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes - keine Zweifel daran, dass der angemeldete Aufzug wenn nicht ausschließlich, so doch jedenfalls überwiegend auch dem Wahlkampf des Klägers zur Kommunalwahl 2014 dienen sollte.

Das vorläufige Rechtsschutzverfahren, dessen Gegenstand die Vollziehbarkeit des Bescheids war, genügt aus den oben genannten Gründen zum Gegenstand und Regelungsgehalt des Beschlusses der Kammer vom 9. Mai 2014 nicht, um der Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs. 4 GG Rechnung zu tragen und das Fortsetzungsfeststellungsinteresse entfallen zu lassen.

Das Rechtsschutzinteresse ist nach den oben dargestellten Grundsätzen vorliegend auch nicht dadurch entfallen, dass der Kläger am 10. Mai 2014 eine Standkundgebung hat durchführen können.

Die geplante und angemeldete Versammlung konnte zwar auf Grund der Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes letztlich durchgeführt werden, jedoch lediglich als stationäre Veranstaltung und nicht in der vom Kläger beabsichtigten Form eines Aufzuges. Hierin liegt eine grundsätzlich das Feststellungsinteresse begründende Veränderung des spezifischen Charakters der Veranstaltung, welche das kommunikative Anliegen des Klägers erheblich erschwert hat.

Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18. Mai 2010 - 14 K 3088/09 -; bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2011 - 5 A 1374/10 -, juris.

Der Kläger hat bereits bei der Anmeldung deutlich gemacht, dass es ihm gerade darauf ankomme, einen Aufzug in der nördlichen E3. Innenstadt zu veranstalten, und potentielle Wähler zu erreichen und an den Wohnungen der Kandidaten für die Bezirksvertretung vorbeizuziehen, damit diese sich präsentieren können. Dieser ausdrückliche Zweck der Versammlung konnte durch die Beschränkung auf die Durchführung einer Standkundgebung - wenn auch in der Nähe der vom Kläger angemeldeten Aufzugsstrecke - nur eingeschränkt und hinsichtlich der Selbstdarstellung der Kandidaten für die Bezirksvertretung an ihren Wohnorten gar nicht erreicht werden.

Das Argument des Beklagten, es habe sich um eine kleine Versammlung gehandelt, so dass es durch die Beschränkung auf eine Standkundgebung nicht zu einem schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechtspositionen des Klägers gekommen sei, findet keinerlei Grundlage in der durch das Bundesverfassungsgericht in der nachfolgend zitierten Brokdorf II - Entscheidung umfassend dargelegten Systematik des durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Grundrechts der Versammlungsfreiheit und ist deshalb bei der Betrachtung der Schwere des Eingriffs für die Frage, ob ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse besteht, außer Betracht zu lassen. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit gewährleistet in seinem Kernbereich dem Grundrechtsträger das Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 - (Brokdorf II), C I. 2, BVerfGE 69, 315ff und juris, Rdnr. 61ff,

und zwar unabhängig von deren Größe oder Inhalten, solange die Grundvoraussetzungen für die Annahme einer Versammlung erfüllt sind, was hier unzweifelhaft der Fall ist. Die Schwere des Grundrechtseingriffs ist deshalb nicht daran zu messen, ob die Versammlung viele oder wenige Teilnehmer hat und auch nicht daran, ob sie in der Öffentlichkeit Beachtung findet oder nicht. Nach den oben dargelegten Grundsätzen ist die Schwere des Grundrechtseingriffs vielmehr allein daran zu messen, in welchem Umfang in den vom Grundrechtsträger vorgesehenen Ablauf der Versammlung eingegriffen wird. Wie bereits dargelegt, wurden die expliziten Ziele der Versammlung mit der durchgeführten Standkundgebung offensichtlich nicht erreicht. Die Reduzierung auf eine Standkundgebung stellt daher auch nicht lediglich eine Abweichung dar, welche bloße Modalitäten der Versammlungsdurchführung betraf.

Damit ist das erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers bereits aufgrund der kurzfristig erledigten, aber schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung gegeben, so dass offen bleiben kann, ob ein solches Interesse auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr, einer - hier allerdings nicht ersichtlichen - fortdauernden diskriminierenden Wirkung des Versammlungsverbots oder aus anderen Gründen besteht.

Dieses Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers ist auch nicht deshalb (nachträglich) zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung entfallen, weil der Beklagte die auch aus seiner Sicht nunmehr zu bestätigende Rechtswidrigkeit des erlassenen Versammlungsverbots vom 9. Mai 2014 anerkannt hätte.

Vgl. zum Entfallen des Feststellungsinteresses durch behördliches Anerkenntnis VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18. Mai 2010 - 14 K 3088/09 -; bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2011 - 5 A 1374/10 -, juris; BVerwG, Urteile vom 23. Januar 2007 ? 1 C 1.06 ?, juris, Rdnr. 18 (die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, Beschluss vom 22. April 2009 - 2 BvR 705/07 -), und vom 14. Juli 1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203, 209; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 113 Rdnr. 268.

Die Rechtmäßigkeit des Versammlungsverbots ist auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung streitig. Die Vertreter des Beklagten haben eine derartige Erklärung in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich nicht abgegeben, sondern lediglich erklärt, eine rechtliche Bewertung, ob das Verbot der Versammlung rechtmäßig war oder nicht, sei nicht mehr erforderlich und habe auch keine Grundlage mehr, da das Versammlungsverbot durch die Verfügung vom 10. Mai 2014 aufgehoben worden sei.

Der Versammlungsbestätigung vom 10. Mai 2014 lässt sich jedoch bei objektiver Betrachtung weder eine Aussage über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Versammlungsverbots vom 9. Mai 2014 entnehmen noch enthält sie eine ausdrückliche Rücknahme des Versammlungsverbots vom 9. Mai 2014. Sie bezieht sich lediglich auf die von der Kammer im Beschluss vom 9. Mai 2014 ausgesprochenen Anordnungen und fügt diesen weitere Auflagen hinzu. Eine Aussage zum Schicksal der Verbotsverfügung vom 9. Mai 2014 erfolgt weder im Tenor noch in der Begründung der Versammlungsbestätigung vom 10. Mai 2014. Auch der Bezug auf den Beschluss der Kammer vom 9. Mai 2014 im Tenor der Bestätigungsverfügung vom 10. Mai 2014 rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise. Wie bereits ausgeführt, trifft dieser Beschluss weder eine verbindliche Aussage zur Rechtmäßigkeit des Versammlungsverbots noch hebt er es gar auf.

Auch in der Klageerwiderung geht der Beklagte eindeutig davon aus, dass die hier streitige Verbotsverfügung rechtmäßig gewesen sei. Seine Ausführungen zu seiner Verwaltungspraxis stehen allein im Zusammenhang mit dem Aspekt der Wiederholungsgefahr, auf den es vorliegend aus den oben genannten Gründen nicht ankommt. Soweit auf Seite 15 und 16 des Klageerwiderungsschriftsatzes vom 30. Januar 2017 ausgeführt wird:

"Sollte die Klägerin eine Wiederholungsgefahr daraus ableiten wollen, bei ähnlich gelagerten Versammlungen mit derselben rechtlichen und tatsächlichen Begründung mit einem Versammlungsverbot belegt zu werden, so ist diese Gefahr im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung durch Tatsachen belegbar nicht gegeben.[...]Die Klägerin hat keine konkreten Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass ich mich als Verwaltungsbehörde nicht an die in den durchgeführten Eilverfahren von dem Verwaltungsgericht aufgezeigten Maßstäbe gehalten hätte oder halten werde."

lässt dies bei verständiger Würdigung, insbesondere mit Blick auf den Kontext der weiteren Ausführungen auf den Seiten 15 bis 18 dieses Schriftsatzes zum Fehlen des besonderen Fortsetzungsfeststellungsinteresses im vorliegenden Fall, nicht erkennen, dass der Beklagte die Rechtswidrigkeit des Versammlungsverbots verbindlich anerkennt. Denn diese Aussage steht zum einen im Zusammenhang mit den Ausführungen zur unterbliebenen Darlegung einer Wiederholungsgefahr durch die Klägerin. Zum anderen lässt der Bezug auf "die durchgeführten Eilverfahren" ebenfalls keinen verbindlichen Rückschluss auf die rechtliche Bewertung des Versammlungsverbots durch den Beklagten zu, da es in dem konkret das hier streitgegenständliche Versammlungsverbot betreffenden Beschluss der Kammer vom 9. Mai 2014 - wie sich aus der Begründung eindeutig ergibt - weder hinsichtlich der Tragfähigkeit der Tatsachengrundlage noch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Verbots zu einer verbindlichen rechtlichen Würdigung der Kammer gekommen ist, sondern die Entscheidung nur auf einer Interessenabwägung unter Würdigung der betroffenen Rechtsgüter und der Vollzugsfolgen beruht.

Der Beklagte hat daher weder ein verbindliches Anerkenntnis der Rechtswidrigkeit der Verbotsverfügung abgegeben, noch ergibt sich ein solches zweifelsfrei aus anderen Umständen, so dass das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung offensichtlich besteht.

Die weiteren Sachentscheidungsvoraussetzungen sind ebenfalls gegeben, so dass die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig ist.

Sie ist auch begründet, denn die Verbotsverfügung vom 9. Mai 2014 stellt sich als rechtswidrig dar und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt.

Es kann vorliegend dahinstehen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des als Rechtsgrundlage für das Versammlungsverbot herangezogenen und einzig in Betracht kommenden § 15 Abs. 1 VersG tatsächlich vorlagen, weil bei Durchführung des für den 10. Mai 2014 angemeldeten Aufzugs die Begehung von Straftaten nach § 130 StGB zu erwarten war.

Erforderlich ist insoweit eine auf die konkrete Versammlung bezogene Gefahrenprognose, die auf erkennbaren Umständen beruhen muss, also auf nachweisbaren Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen Erkenntnissen. Bloße Spekulationen, Vermutungen und Mutmaßungen im Hinblick auf einen Schadenseintritt reichen nicht aus. Bei dieser Gefahrenprognose ist ferner zu beachten, dass es prinzipiell nicht darauf ankommt, ob es der Polizei möglich wäre, die Begehung von Straftaten, insbesondere Gewalttätigkeiten aus der Versammlung heraus zu verhindern. In erster Linie ist der Veranstalter selbst verpflichtet, die Friedlichkeit der Versammlung zu gewährleisten und auch dafür Sorge zu tragen, dass es aus der Versammlung heraus nicht zur Begehung von Straftaten kommt.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 - (Antikriegstag 2009), m.w.N. und 14. Juli 2000- 1 BvR 1245/00 -, beide juris; OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 2015 - 15 B 1201/15 -, juris, Rdnr. 17.

Für die Gefahrenprognose können Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen als Indizien herangezogen werden, soweit sie bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen. Gibt es neben Anhaltspunkten für die von der Behörde und den Gerichten zugrunde gelegte Gefahrenprognose auch Gegenindizien, haben sich die Behörde und die Gerichte auch mit diesen in einer den Grundrechtsschutz des Art. 8 GG hinreichend berücksichtigenden Weise auseinanderzusetzen. Die Prüfung der Voraussetzungen eines Versammlungsverbots hat dabei von den Angaben der Anmeldung auszugehen, es sei denn, es drängt sich auch bei grundrechtskonformer Deutung des Vorhabens der Eindruck auf, in Wahrheit sei ein anderer Inhalt geplant und der Veranstalter werde trotz der gesetzlichen Strafdrohung (vgl. § 25 Nr. 1 VersG) eine Versammlung anderen Inhalts und damit anderen Gefahrenpotentials durchführen als angemeldet. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 -, vom 12. Mai 2010 - 1 BvR 2636/04 -, vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 - (Antikriegstag 2009), vom 26. April 2001 - 1 BvQ 8/01 -, vom 18. August 2000 - 1 BvQ 23/00 -, vom 1. Dezember 1992 - 1 BvR 88/91, 1 BvR 576/91 - und vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - (Brokdorf II), sämtlich juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Oktober 2016 - 15 B 1154/16 -, m.w.N, 29. Juli 2016 - 15 B 875/16 - und vom 21. Oktober 2015 - 15 B 1201/15 -, sämtlich juris und www.nrwe.de.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein - Westfalen entfällt die Gefahrenlage, welche dadurch entsteht, dass Gewalttätigkeiten aus einem Aufzug heraus hinreichend wahrscheinlich sind, nicht deshalb, weil die Polizei diese Gewalttaten möglicherweise (mit zusätzlichen Kräften) verhindern könnte. Vielmehr darf die Polizei gegen eine solche Gefahrenlage präventiv etwa durch eine Beschränkung der Versammlung einschreiten.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2016 - 15 B 1154/16 -, m.w.N., juris und www.nrwe.de.

Ausgehend von diesen Grundsätzen konnte der Beklagte jedenfalls die Versammlungen vom 30. April 2014 (angemeldete Kundgebung und anschließende Spontandemonstration) seiner Gefahrenprognose zugrunde legen, da sie nicht nur hinsichtlich des Veranstalters, sondern auch bei der Teilnehmerzahl - und die angemeldete Versammlung auch hinsichtlich des Mottos - mit der hier streitgegenständlichen Versammlung zu vergleichen ist.

Die von dem Beklagten herangezogene Versammlung am 1. Mai 2014 wurde zwar auch vom Kläger veranstaltet. Sie unterscheidet sich von den Versammlungen am 30. April 2014 aber durch ihr Motto sowie die Teilnehmerzahl. Gemeinsam ist allen drei Veranstaltungen jedoch, dass es zum Skandieren der vom Beklagten beanstandeten Parolen gekommen ist und der Versammlungsleiter bei allen diesen Versammlungen durch den Versammlungsleiter trotz - unstreitiger - Aufforderung durch die Polizei, die Begehung von Straftaten zu unterbinden, nicht eingeschritten ist, sondern diese Parolen während des Aufzugs als rechtmäßig und strafrechtlich nicht relevant angesehen hat. Wie die Kammer in ihrem Beschluss vom 9. Mai 2014 ausgeführt hat, lagen daher zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Entscheidung des Beklagten Tatsachen vor, die es als hinreichend wahrscheinlich erscheinen ließen, dass auf der angemeldeten Versammlung in der Form eines Aufzugs nicht nur in einer dem Antragsteller zuzurechnenden Weise durch Teilnehmer gegen Strafgesetze, insbesondere § 130 StGB und damit gegen die öffentliche Sicherheit verstoßen würde, sondern auch die öffentliche Ordnung unmittelbar gefährdet wäre. Obwohl nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass es auf jeder Versammlung des Antragstellers zu Straftaten oder Verstößen gegen die öffentliche Ordnung kommen muss, nur weil dies in der Vergangenheit der Fall war, sprachen vorliegend jedoch tatsachengestützte Anhaltspunkte dafür, dass der von dem Antragsteller für den 10. Mai 2014 angemeldete Aufzug einen gleichartigen Verlauf nehmen würde.

Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 9. Mai 2014 - 14 L 741/14 -, Seite 3, juris Rdnr. 7ff und www.nrwe.de, Rdnr.8 ff.

Ob diese Gefahrenprognose des Beklagten zutraf, wofür hinsichtlich des zu erwartenden Verhaltens der Versammlungsteilnehmer überwiegendes spricht, und ob ein derartiges Verhalten der Versammlungsteilnehmer tatsächlich den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB erfüllt, kann vorliegend offen bleiben.

Zum einen handelt es sich um eine prognostische Einschätzung der Gefahrenlage durch den Beklagten, so dass nachtägliche Erkenntnisse - etwa zur Bewertung des Verhaltens durch die Strafverfolgungsbehörden - für die rechtliche Bewertung irrelevant sind. Das Gericht brauchte daher nicht weiter aufzuklären, ob das Verhalten der Versammlungsteilnehmer am 30. April 2014 und 1. Mai 2014 tatsächlich die Schwelle der Straftat überschritten hat, oder sich "lediglich" als eine Störung der öffentlichen Ordnung dargestellt hat.

Zum anderen kommt es für die hier zu prüfende Rechtmäßigkeit der allein im Streit stehenden Verbotsverfügung nicht darauf an, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersG erfüllt waren, auch wenn die Beteiligten möglicherwiese auch ein Interesse daran haben, diese Frage einer gerichtlichen Klärung zuzuführen, weil das Skandieren der hier in Rede stehenden Parolen in der Folgezeit regelmäßig vom Beklagten untersagt wurde und vom Kläger - wie sich aus der Klagebegründung ergibt - nach wie vor für rechtmäßig gehalten wird. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage lediglich geklärt werden, ob ein Verwaltungsakt rechtswidrig war. Es besteht mithin kein Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit aus einem bestimmten Grund.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. September 1984 - 1 WB 131.82 -, BVerwGE 76, 258, 260 f; OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2011 - 5 A 1374/10 -, juris.

Die hier streitgegenständliche Verbotsverfügung ist unabhängig davon, ob die Tatbestandsvoraussetzungen vorlagen, unverhältnismäßig und bereits deshalb rechtswidrig.

Auch wenn unterstellt wird, dass die Gefahrenprognose des Beklagten zutrifft, ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit jedenfalls zu klären, durch welche Maßnahmen die Gefahr abgewehrt werden kann. Dafür kommen in erster Linie Auflagen in Betracht. Erst wenn sie zur Gefahrenabwehr nicht ausreichen, kann die Versammlung verboten werden, denn ein Versammlungsverbot scheidet aus, solange mildere Mittel nicht ausgeschöpft sind,

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 - (Antikriegstag 2009), juris und 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 - (Brokdorf II), BVerfGE 69, 315ff und juris.

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass Umstände des Einzelfalls ein Höherrücken oder Absinken der Eingriffsschwelle bedingen können. Es hat insoweit sowohl auf bestimmte behördliche Pflichten als auch auf Obliegenheiten auf Veranstalterseite hingewiesen, deren Erfüllung oder Nichterfüllung die Eingriffsschwelle verschieben können.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - (Brokdorf II), BVerfGE 69, 315ff und juris.

Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit hat auch einen wesentlichen verfahrens- und organisationsrechtlichen Gehalt. Daraus folgt die Pflicht der staatlichen Behörden zu einer versammlungsfreundlichen Verfahrensweise, zu einem ernsthaften Einsatz für die friedliche Durchführung von Demonstrationen und zu einer fairen Kooperation. Hieraus folgt wiederum, dass die Behörde gehalten ist, die tatsächlichen Umstände, die ihrer Ansicht nach zu einem Versammlungsverbot führen könnten, grundsätzlich möglichst frühzeitig zur Sprache zu bringen und dem Veranstalter Gelegenheit zu geben, rechtzeitig Abhilfe zu schaffen.

Vgl. Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 12. April 2002 - 3 EO 261/02 -, juris.

Der Umfang dieser Kooperationspflicht der Behörde hängt vom Einzelfall ab.

Zu berücksichtigen ist hier insbesondere die Länge des Zeitraums zwischen der Anmeldung und der Durchführung der Versammlung. Im Hinblick auf die besondere Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit für den Umgang mit Minderheiten besteht die behördliche Pflicht, grundrechtsfreundlich zu verfahren, auch und gerade in Fällen, in denen Demonstrationen Themen zum Gegenstand haben, die der Mehrheit in der Bevölkerung, der Behörde oder ihrem Rechtsträger "unliebsam" sind oder "nicht gefallen". Dies gilt auch dann, wenn auf einer Demonstration voraussichtlich Positionen bezogen werden, die massiver Kritik und Ablehnung ausgesetzt sind, weil sie als ausländerfeindlich, verfassungsfeindlich, radikal oder extremempfunden werden, bezüglich deren sich Veranstalter und Demonstranten aber auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen können, das ebenso wie die Versammlungsfreiheit verfassungsrechtlich besonders geschützt ist. Andererseits ergeben sich - teilweise schon unmittelbar aus Art. 8 GG selbst - bestimmte Grenzen der Versammlungsfreiheit. Grundrechtlich geschützt ist nur das Recht, sich "friedlich und ohne Waffen" zu versammeln. Es stellt demgemäß keine unzulässige Einschränkung des Grundrechts dar, wenn von Veranstaltern und Teilnehmern verlangt wird, unfriedliches Verhalten zu unterlassen und die Beeinträchtigung von Drittinteressen zu minimalisieren; daher ist die Anordnung eines Versammlungsverbotes verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Gefahrenprognose mit hoher Wahrscheinlichkeit ergibt, dass der Veranstalter und sein Anhang Gewalttätigkeiten beabsichtigen oder ein solches Verhalten anderer zumindest billigen werden. In solchen Fällen wird eine Demonstration als unfriedlich von der Gewährleistung des Art. 8 GG überhaupt nicht erfasst.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - (Brokdorf II), C III. 3. der Gründe, juris Rdnr. 89ff.

Im Einzelfall kann ein Versammlungsverbot mithin bereits deswegen gerechtfertigt sein, weil der Veranstalter sich nicht von einem zu erwartenden größeren Kreis gewaltentschlossener Teilnehmer abgrenzt und deshalb die unmittelbare Gefahr eines unfriedlichen Verlaufs der Demonstration billigend in Kauf nimmt.

Vgl. Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. April 2000 - 3 ZEO 336/00 -, juris.

Jedoch ist bevorzugt eine nachträgliche Auflösung zu erwägen, die den friedlichen Teilnehmern die Chance einer Grundrechtsausübung nicht von vornherein abschneidet und dem Veranstalter den Vorrang bei der Isolierung unfriedlicher Teilnehmer belässt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - (Brokdorf II), C III. 3. der Gründe, juris Rdnr. 93.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu sog. Großdemonstrationen steht außerdem fest, dass - insbesondere bei komplexen Sachverhaltsgestaltungen - nicht nur die Behörden, sondern auch den Veranstalter die Obliegenheit zur Kooperation in dem Sinne trifft, gemeinsam auf das Ziel einer friedlichen und die Beeinträchtigung von Drittinteressen möglichst gering haltenden Durchführung von Demonstrationen hinzuwirken. Scheitert der behördliche Versuch einer solchen Kooperation aus Gründen, die von Seiten der Veranstalter und Demonstranten zu vertreten sind, kommt ein Versammlungsverbot in Betracht, dem nicht entgegen gehalten werden kann, die Versammlungsbehörde habe auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage entschieden.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 - (Brokdorf II), juris Rdnr. 93; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 12. April 2002 - 3 EO 261/02 -, juris.

Insbesondere kann von dem Anmelder einer Versammlung erwartet werden, dass er sich im Vorfeld der Versammlung von etwaigen Gewaltaufrufen anlässlich der Versammlung hinreichend distanziert und deutliche Signale setzt, die auf die friedliche Durchführung der Versammlung hinwirken.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 - (Antikriegstag 2009), juris.

Allerdings dürfen die Anforderungen an die Kooperation des Veranstalters angesichts der grundlegenden Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit in einer freiheitlichen parlamentarischen Demokratie nicht überhöht werden und nicht ein solches Ausmaß annehmen, dass der Charakter von Demonstrationen als prinzipiell staatsfreie unreglementierte Beiträge zur politischen Meinungs- und Willensbildung sowie die Selbstbestimmung der Veranstalter über Art und Inhalt der Demonstrationen ausgehöhlt würde. Auch widerspricht es dem Schutzgehalt des Art. 8 GG, aus dem Kooperationsgebot Verhaltenspflichten des Veranstalters herzuleiten, wenn auf diese Weise die grundsätzlich bei der Behörde liegende Beweislast für das Vorliegen von Verbotsgründen umgangen wird.

Vgl. Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 12. April 2002 - 3 EO 261/02 -, juris.

Zwar kann auch aus dem Verhalten des Versammlungsleiters, bzw. der Veranstalter der Versammlung aufgrund der Erfahrungen vorhergehender Versammlungen geschlossen werden, dass diese/r grundsätzlich nicht gewillt ist/sind, gegen die Verwirklichung solcher Gefahren vorzugehen. Allein das Verhalten des Versammlungsveranstalters bzw. -leiters bei vorhergehenden Versammlungen kann allerdings für die Frage der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Versammlungsfreiheit nicht ohne weiteres zu einer Verschiebung der Maßstäbe führen. Das Verhalten des Versammlungsleiters, bzw. des Veranstalters bei früheren Versammlungen kann durchaus - wie auch hier - eine Rolle bei der Erstellung der Gefahrenprognose spielen. Aus dem Verhalten bei vorhergehenden vergleichbaren Versammlungen lassen sich durchaus Rückschlüsse auf die drohende Verwirklichung von Gefahren bei der künftigen Versammlung ableiten, ebenso wie aber auch die Annahme, dass der Versammlungsleiter die Gewähr für einen friedlichen Verlauf der Versammlung bietet.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 - (Antikriegstag 2009), OVG NRW, Beschluss vom 7. Oktober 2016 - 15 B 1154/16 -, juris und www.nrwe.de.

Die aufgrund dieses Verhaltens prognostizierte Gefahr kann aber aufgrund des allgemein und - wie dargelegt - besonders im Versammlungsrecht -geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht jedwede Maßnahme der Versammlungsbehörde rechtfertigen, sondern nur die das Versammlungsrecht am wenigsten einschränkende aber noch effektive Maßnahme. Die Versammlungsbehörde hat dabei die prognostizierte Gefahr ins Verhältnis zur Bedeutung der durch die Gefahr gefährdeten Rechtsgüter zu setzen und zu berücksichtigen, dass ein Eingriff in die Versammlungsfreiheit den Schutz der Versammlungsfreiheit gleichrangiger Rechtsgüter erfordert.

Vgl. dazu BVerfG Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 - (Brokdorf II), BVerfGE 69, 315ff und juris; Kniesel in: Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Auflage, § 15 VersG Rdnr. 128.

Im Rahmen dieser Abwägung kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass die Schwelle für die Verhältnismäßigkeit eines Versammlungsverbots wegen des wiederholt unkooperativen Verhaltens des Klägers, bzw. des Versammlungsleiters bei den vorangegangenen Versammlungslagen herabgesetzt wäre.

Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Kläger und insbesondere seine Vertreter die Auffassung vertreten, die vom Beklagten beanstandeten Parolen seien nicht strafbar, dies jedenfalls auch bei der Versammlung am 30. April 2014 gegenüber den eingesetzten Beamten geäußert wurde und der Aufforderung der Polizei, das Skandieren dieser Parolen zu unterlassen, keine Folge geleistet wurde.

Es kann im hier zu prüfenden Zusammenhang offen gelassen werden, ob es sich bei dieser polizeilichen Aufforderung schon um eine (mündlich) erteilte Auflage i.S.d. § 15 Abs. 1 VersG gehandelt hat. Denn auch bloße Hinweise auf gesetzliche Verbote, die sich etwa in § 2 Abs. 3 VersG (Verbot des Mitführens von Waffen), § 3 VersG (Uniformverbot) oder § 17a Abs. 2 VersG (Vermummungsverbot) finden, stellen gesetzlich vertypte Auflagen dar, welche die Versammlungsbehörde erlassen würde, wenn sie nicht bereits im Gesetz geregelt wären. Hier reicht es aus, wenn die Versammlungsbehörde einen entsprechenden Hinweis erteilt, sei es in der Versammlungsbestätigung oder mündlich während der Versammlung.

Vgl. Braun/Keller in: Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Auflage, Teil III, Rdnr. 24.

Ob bloße Hinweise auf die strafrechtliche Bewertung von Verhaltensweisen sich von diesen Hinweisen auf die eindeutig versammlungsrechtlichen gesetzlichen Bestimmungen unterscheiden, oder im Einzelfall auch den Charakter einer Auflage erhalten können, kann vorliegend offen bleiben. Zwar spricht viel dafür, dass solchen Hinweisen kein Regelungscharakter mit Verwaltungsaktqualität und insoweit Eingriffsqualität zukommt. Solche, vom Beklagten auch zuvor bereits verwendeten, "rechtlichen Hinweise", geben in der Regel unter Würdigung der Sachlage lediglich die Rechtsauffassung der Versammlungsbehörde wieder.

Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 21. August 2014 - 14 L 1245/14 -, bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 22. August 2014 - 5 B 996/14 -, beide juris und www.nrwe.de, sowie den Beteiligten bekannt.

Mit Blick auf die Schwierigkeiten bei der Beurteilung, ob im Einzelfall ein Verstoß gegen strafrechtliche Bestimmungen, insbesondere des § 130 StGB gegeben ist, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Versammlungsbehörde solche Hinweise nicht in Form einer Auflage erteilt. Das gilt erst recht, wenn die rechtliche Bewertung- wie hier - von einer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls abhängt. Darin liegt weder willkürliches Verhalten noch die subtile Durchsetzung einer fehlerhaften Rechtsauffassung der Polizei,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. August 2014 - 5 B 996/14 - m.w.N, juris und www.nrwe.de,

auch wenn derartige Hinweise durch den Kläger im Vorfeld einer Versammlung einer gerichtlichen Überprüfung in der Regel nicht zugeführt werden können. Sofern der Verlauf der geplanten Versammlung dem Beklagten konkreten Anlass zu strafrechtlichen Ermittlungen oder einer Versammlungsauflösung gibt, etwa um einen Verstoß gegen § 130 StGB zu ahnden oder zu beenden, liegt darin die originäre Aufgabe der Polizei, hierauf angemessen zu reagieren. Sowohl dem Kläger als auch dem Beklagten ist es zumutbar, dass seine Einschätzung über die Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns erst nachträglich gerichtlich überprüfbar und auf Antrag zu überprüfen ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. August 2014 - 5 B 996/14 - m.w.N, juris und www.nrwe.de.

Vor diesem Hintergrund kann allein aus dem Verhalten des Versammlungsleiters am 30. April 2014 nicht geschlossen werden, der Kläger, bzw. die von diesem eingesetzten Versammlungsleiter hätten mehrfach die mangelnde Bereitschaft zur Beachtung von Auflagen unter Beweis gestellt und sich wiederholt unkooperativ verhalten.

Der Umstand, dass zwischen den Beteiligten konträre Auffassungen über die Strafbarkeit des zu erwartenden Verhaltens der Versammlungsteilnehmer besteht, führt somit im hier zu untersuchenden Vorfeld nicht zu einer Herabsetzung der Schwelle für die Verhältnismäßigkeit eines Versammlungsverbots.

Insoweit wäre vielmehr im Rahmen der gegenseitigen Kooperationspflichten, auch angesichts der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit zwischen Anmeldung und Termin der hier streitigen Versammlung, durch den Beklagten vor dem Erlass der hier streitigen Verbotsverfügung gerade auch in Betracht zu ziehen gewesen, ein Kooperationsgespräch durchzuführen, um die hier offenliegenden Differenzen bei der strafrechtlichen Bewertung der vom Kläger bei den vorhergehenden Versammlungen verwendeten Parolen zu erörtern und bereits im Vorfeld der Versammlung Möglichkeiten zur Vermeidung von Straftaten zu eruieren, bzw. die Rechtsansicht und die Absichten des Beklagten für den Fall der Wiederholung dieses Verhaltens deutlich zu machen. Ein solches Kooperationsgespräch hat offenbar jedoch nicht stattgefunden, obwohl es nach der Erfahrung der Kammer dem Beklagten in der Vergangenheit regelmäßig möglich war, auch bei deutlich größeren Demonstrationslagen als der hier streitigen, mit diversen Anmeldern von Demonstrationen und Gegendemonstrationen mit mehreren tausend Teilnehmern auch noch kurzfristig Kooperationsgespräche durchzuführen, um Bedenken wegen sich abzeichnender Gefahren anzusprechen und gegebenenfalls auszuräumen.

Das Nichtzustandekommen des Kooperationsgesprächs kann daher weder aus der exante-Perspektive noch nach dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung allein dem Kläger zugerechnet werden, so dass für eine Verschiebung der Verhältnismäßigkeitsschwelle aus diesem Grund kein Anlass bestand.

Gemessen an den oben dargestellten allgemein geltenden Grundsätzen, lassen sich weder der Begründung der Verbotsverfügung noch der Klageerwiderung oder dem Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung hinreichende Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass allein das hier streitige Versammlungsverbot geeignet - und damit verhältnismäßig - war, der angenommenen Gefahr wirkungsvoll zu begegnen.

Der Beklagte hat nach dem im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bestehenden Erkenntnisstand des Gerichts im vorliegenden Fall alternative Methoden der Rechtsgüterkonfliktbewältigung, wie beispielsweise versammlungsrechtliche Auflagen, nicht hinreichend in Betracht gezogen. Die Begründung der Verbotsverfügung stellt zwar die in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Zulässigkeit beschränkender Auflagen bis hin zum Verbot der Versammlung zutreffend dar. Die auf den Einzelfall bezogene Begründung trägt die Entscheidung, die Versammlung müsse wegen der Unmöglichkeit, die angenommene Gefahr durch Auflagen abzuwenden, verboten werden, jedoch nicht.

Sie stellt auf die fehlende Möglichkeit der Polizei zur Verhinderung der befürchteten Straftaten im Rahmen der laufenden Versammlung ab und begründet dies im Wesentlichen mit dem Verhalten nicht nur des Versammlungsleiters sondern auch der Mehrzahl der Versammlungsteilnehmer. Selbst bei stärkster polizeilicher Überwachung zur Unterbindung von Straftaten sei es unmöglich gewesen, die am 30. April 2014 und 1. Mai 2014 durch die Klägerin selbst betriebene kollektive Zielsetzung in Bezug auf das Skandieren der Parolen bei der Kundgebung durch polizeiliches Eingreifen gänzlich bzw. nur überwiegend zu verhindern.

Es ist für das Gericht ohne weiteres nachzuvollziehen, dass ein Aufzug mit mehreren hundert Teilnehmern wie am 1. Mai 2014, der zudem im Umfeld durch diverse Gegendemonstrationen mit ebenfalls mehreren hundert Teilnehmern begleitet wird, durch die Polizei nur sehr eingeschränkt zu beeinflussen ist, ohne Gefahren für Unbeteiligte zu verursachen. Allein dies rechtfertigt aber noch nicht das Verbot einer Versammlung. Dies gilt insbesondere, wenn davon auszugehen ist, dass sich die vorherige und die angemeldete Versammlung sowohl nach Anzahl als auch Zusammensetzung der Teilnehmer deutlich unterscheiden. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist mit Blick darauf, dass das Verbot einer Versammlung nur "ultima ratio" sein kann, abzuwägen, ob andere, weniger in das kommunikative Anliegen der Versammlung eingreifende Maßnahmen, wie etwa das Auswechseln eines als unzuverlässig angesehenen Versammlungsleiters, die Untersagung bestimmter Verhaltensweisen im Rahmen einer Auflage, die räumliche Trennung "feindlicher" Versammlungen oder im Einzelfall auch die Begrenzung auf eine Standkundgebung ausreichend sind.

Eine solche Abwägung lässt sich dem Vorbringen des Beklagten jedoch nicht entnehmen. Die Begründung erschöpft sich vielmehr in der Behauptung, eine Alternative zum Versammlungsverbot bestehe nicht. Dies ist - auch unter Beachtung des Grundsatzes, dass dem Beklagten als Fachbehörde bei der Bewertung der Gefahren einer Versammlung und der Möglichkeiten, diesen mit versammlungsrechtlichen und polizeilichen Mitteln zu begegnen, eine Einschätzungsprärogative einzuräumen ist - nicht nachvollziehbar begründet.

Unabhängig davon ergeben sich vorliegend auch keine offensichtlichen Anhaltspunkte dafür, dass die hier streitgegenständliche Versammlung insgesamt einen unfriedlichen Verlauf nehmen würde und eine Trennung von sich rechtswidrig verhaltenden Teilnehmern und anderen, bzw. gegebenenfalls eine Auflösung der Versammlung bei der Verwirklichung von Straftaten nicht möglich sein werde.

Bei der hier streitgegenständlichen Versammlung, deren Teilnehmerzahl in der Anmeldung mit 60 angegeben war, handelte es sich ersichtlich weder um eine Großdemonstration mit einem erheblichen Anteil gewaltbereiter Teilnehmer noch um einen Aufzug, der aufgrund seiner Teilnehmerzahl mit dem zur Begründung der Unmöglichkeit des polizeilichen Vorgehens gegen Straftaten aus der Versammlung heraus herangezogenen Aufzug am 1. Mai 2014 vergleichbar ist. Die Versammlung ist daher - was ihre Größe sowie die Zahl der zu erwartenden Gegendemonstranten angeht - eher mit der angemeldeten Versammlung vom 30. April 2014 zu vergleichen.

Die unsubstantiierte Behauptung des Beklagten, die Versammlung ließe sich bei der Begehung von Straftaten nicht auflösen, findet selbst aus der exante-Perspektive keine tatsachengestützte Grundlage. Wie der im Bericht des Beklagten an das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Beiakte Heft 2) dargestellte Ablauf der Versammlungen am 30. April 2014 zeigt, war es den eingesetzten Polizeikräften durchaus möglich, die Versammlungen, bzw. den in der Gruppe erfolgenden Abmarsch der Teilnehmer der vorherigen Versammlung, der vom Beklagten ebenfalls als Versammlung eingestuft wurde, aufzulösen und die Personalien der Teilnehmer festzustellen, nachdem es aus der Sicht der eingesetzten Polizeibeamten wegen der dort gerufenen Parolen durch die Verwirklichung des Straftatbestandes des § 130 StGB zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit gekommen war, welche der Versammlungsleiter negierte und nicht unterband. Unerheblich ist dabei, dass sich der Vorwurf der Begehung einer Straftat in der expost-Betrachtung offenbar nicht bestätigt hat, da nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers keiner der 47 Versammlungsteilnehmer, deren Personalien durch die Polizei festgestellt wurden, wegen des Verhaltens auf dieser Versammlung strafrechtlich belangt wurde.

Es ist auch aus der hier maßgeblichen exante Perspektive nicht ersichtlich, warum beschränkende Auflagen, z.B. in dem von der Kammer in dem Beschluss vom 9. Mai 2014 ausgesprochenen Umfang, zur Verhinderung der befürchteten Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht ausreichen sollten. Wie der Kläger bereits in der Begründung seines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ausführte, wurden bei zahlreichen Versammlungen, welche von dem Kläger seit dessen Gründung im Jahr 2012 in Dortmund bis zur Anmeldung der hier streitigen Versammlung durchgeführt wurden, Auflagen regelmäßig eingehalten, wenn auch - wie gerichtsbekannt ist - des öfteren nicht ohne gerichtliche Überprüfung akzeptiert. Wie die Kammer bereits im Beschluss vom 9. Mai 2014 ausführte, ist es bei drei Veranstaltungen des Klägers am 3. Mai 2014, die als Standkundgebungen durchgeführt wurden, unstreitig zu keinen Zwischenfällen der oben genannten Art gekommen.

Diese Annahme wird dadurch bestätigt, dass der Beklagte seitdem ca. 120 Versammlungen des Klägers - wie sich nicht nur aus der Klageerwiderung ergibt, sondern aus anderen Verfahren gleichen Rubrums auch gerichtsbekannt ist - unter Auflagen bestätigt hat, ohne dass es offenbar dazu gekommen wäre, dass insbesondere Auflagen zum Verbot der Verwendung fremdenfeindlicher oder einschüchternder Parolen durch den Kläger als Anmelder missachtet worden wären.

Dies zeigt, dass gerade der Kläger bei unklaren Rechtssituationen oder - wie hier - unterschiedlichen Rechtsauffassungen, auf Auflagen durchaus reagiert.

Schon angesichts dessen stellt sich die Entscheidung des Beklagten, die Versammlung gänzlich zu verbieten, im Licht der Bedeutung des Grundrechts aus Art 8 GG nach den oben dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als unverhältnismäßig dar.

Unabhängig davon ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung - was der Beklagte bei Erlass der hier streitigen Verfügung ausweislich der Begründung der Verfügung grundsätzlich gesehen hat - auch zu berücksichtigen, dass die Versammlung schon aus dem Motto heraus und aus den in der Anmeldung dargelegten Motiven der Klägerin eindeutig im Zusammenhang mit dem Wahlkampf stand. Das hier streitgegenständliche Verbot der Versammlung stellt sich daher nicht nur als erheblicher und unverhältnismäßiger Eingriff in den Schutzbereich des Art 8 GG, sondern auch in die aus Art 21 GG zu folgernden Rechte des Klägers dar.

Es steht außer Frage, dass das aus Artikel 21 GG folgende Parteienprivileg kein Freibrief für den Kläger oder andere politische Parteien ist und sie aufgrund des Parteienprivilegs jedweder Verantwortung für die Beachtung der Rechtsordnung und der öffentlichen Ordnung bei der Durchführung einer Versammlung entbunden wären. Aus der besonderen Stellung, welche die freiheitliche demokratische Grundordnung den Parteien nicht nur in Art 21 GG zuspricht, folgt aber eine Privilegierung der politischen Parteien gegenüber den übrigen Vereinigungen und Verbänden. Art 21 Abs. 1 GG erkennt an, dass die Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken und hebt sie damit aus dem Bereich des Politisch-Soziologischen in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution.

Ständige Rechtsprechung des BVerfG seit dem Urteil vom 23. Oktober 1952 - 1 BvB 1/51 -, BVerfGE 2, 1ff und juris.

Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schließt das aus Art 21 Abs. 2 Satz 2 GG folgende Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei schlechthin aus, mag sie sich gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung noch so feindlich verhalten. Die Partei kann zwar politisch bekämpft werden. Sie soll aber in ihrer politischen Aktivität von jeder rechtlichen Behinderung frei sein, soweit sie mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitet. Das Grundgesetz nimmt die Gefahr, die in der Tätigkeit einer Partei bis zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit besteht, um der politischen Freiheit willen in Kauf.

Vgl. z.B. BVerfG, Einstweilige Anordnungen vom 1. Mai 2001 - 1 BvQ 22/01 - und 8. Dezember 2001 - 1 BvQ 49/01, jeweils mit umfangreichen weiteren Nachweisen, sämtlich juris.

In Zusammenhang mit dem Parteiverbotsverfahren der NPD hat das Bundesverfassungsgericht jüngst diese grundlegende Auffassung im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Partei eine Atmosphäre der Angst oder Bedrohung herbeiführe, noch einmal gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Teilnahme an Demonstrationen bekräftigt. Soweit die bloße Teilnahme einer Partei am politischen Meinungskampf die Grenzen des im demokratischen Diskurs Zulässigen nicht überschreitet, führt dies - ungeachtet möglicher weitergehender Intentionen der Partei und subjektiver Gefühle einzelner Betroffener - nicht zu einer Einschränkung Dritter bei der Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte. Die bloße Durchführung eines angemeldeten Aufzuges auf einer gebilligten Route für sich genügt ebenso wie das bloße Zeigen von Transparenten mit fremdenfeindlichen Aufschriften und Sprechchöre mit entsprechendem Inhalt - auch, wenn sie im Einzelfall diffamierend sind - nicht, um einen Eingriff in den Prozess freier und gleichberechtigter Teilhabe an der politischen Willensbildung durch die Schaffung einer Atmosphäre der Angst anzunehmen.

BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 -, Rdnr. 983ff, www.bundesverfassungsgericht.de und juris.

Zutreffend hat der Beklagte ausgeführt, dass die Zulässigkeit der Beschränkung einer Versammlung eine Einzelfallentscheidung ist, die den konkreten Umständen Rechnung zu tragen hat. Dass aus dem Status des Klägers als nicht verbotener politischer Partei eine besondere Verantwortung für die Einhaltung der Rechtsordnung folgt, wie es der Beklagte in seiner Klageerwiderung vorgetragen hat, mit dem daraus entstehenden Eindruck, dass die Schwelle für Eingriffe in Versammlungen politischer Parteien, die diesem Anspruch nicht genügen, herabgesetzt wäre, lässt sich nach den oben dargestellten Grundsätzen allerdings nicht vertreten. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade im Rahmen des demokratischen Diskurses führt die Privilegierung der politischen Parteien gegenüber den übrigen Vereinigungen und Verbänden dazu, dass Äußerungen und Verhaltensweisen auf Versammlungen - unter Einhaltung der Grenzen der Strafgesetze - nur in sehr engen Grenzen dazu führen können, die Durchführung der Versammlung im Vorfeld zu beschränken. Auch dies gebietet es mit Blick darauf, dass sich die Kraft eines Rechtsstaats auch daran zeigt, dass er den Umgang mit seinen Gegnern den allgemein geltenden rechtsstaatlichen Grundsätzen unterwirft, das Verbot gerade einer Versammlung im Wahlkampf zur Verhinderung der Verwirklichung eines Straftatbestandes nur dann in Betracht zu ziehen, wenn zum einen die Gefahrenprognose sich so weit verdichtet hat, dass die Tatbestandsverwirklichung mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, die Straftat ein den Art 8 und 21 GG gleichrangiges Grundrecht bedroht,

vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 - (Brokdorf II), BVerfGE 69, 315ff und juris; Kniesel in: Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetze, 17. Auflage, § 15 VersG Rdnr. 128,

und feststeht, dass ein - auch repressives - Vorgehen der Polizei nicht ausreicht, um die bedrohten hochrangigen Rechtsgüter hinreichend zu schützen.

Dies dürfte insbesondere bei der Annahme des Straftatbestandes der Volksverhetzung nur selten der Fall sein und bedürfte einer entsprechenden tragfähigen Begründung, an der es hier fehlt. Denn für Verbote von Parteien oder die Verwirkung des Grundrechtsschutzes bestimmter Personen kennt das Grundgesetz formelle und materielle Grenzen in den Art 18 und 21 GG, die nicht deshalb außer Acht gelassen werden dürfen, weil eine Behörde oder auch ein Gericht deren Schutzwirkung nicht als ausreichend bewertet. Auch dürfen rechtsstaatliche Garantien nicht dadurch unterlaufen werden, dass bestimmten Parteien oder Personen grundsätzlich der Schutz eines Grundrechts wie Art 8 GG verwehrt wird. Dieses Grundrecht garantiert, wie bereits dargelegt, auch Minderheiten Äußerungsmöglichkeiten und unterwirft die Bestimmung der Grenzen dem Gesetz.

Vgl. BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 1. Mai 2001 - 1 BvQ 22/01 -, juris Rdnr. 17f.

Vorliegend kann dahinstehen, ob die von der Kammer in dem Beschluss vom 9. Mai 2014 - unter dem gegebenen Zeitdruck - angeordnete Beschränkung der Versammlung auf eine Standkundgebung zwingend erforderlich gewesen wäre oder ob eine Auflage zum Verbot des Skandierens einschüchternder Parolen ausgereicht hätte, da Gegenstand des vorliegenden Verfahrens allein das Versammlungsverbot ist.

Mit Blick auf die anstehenden Wahlen in diesem Jahr sieht die Kammer jedoch Anlass zu der Anmerkung, dass bei Versammlungen politischer Parteien im Wahlkampf besonders zu berücksichtigen ist, dass auch die Beschränkung auf eine Standkundgebung sich gemessen an den oben dargestellten Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als erheblicher Eingriff in den aus Art 21 GG zu folgernden Schutzbereich darstellt. Daraus folgt, dass auch die Anforderungen an den Erlass beschränkender Auflagen, insbesondere solcher, die sich erheblich auf das Kommunikationsziel einer Versammlung auswirken, strenger sind, als bei einer allein dem Schutzbereich des Art 8 GG unterfallenden Versammlung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Da die Klage aus den oben dargelegten Gründen nicht nur zulässig sondern auch begründet ist, ist gesetzlich vorgesehen, dass der Beklagte und damit letztlich die Landeskasse die Kosten dieses Rechtsstreits trägt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.