AG Arnsberg, Urteil vom 10.03.2016 - 14 C 213/15
Fundstelle
openJur 2019, 6352
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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Kraftfahrzeugsachverständiger und erstattete hinsichtlich des am 02.07.2015 verunfallten Fahrzeuges der Frau C I mit dem amtlichen Kennzeichen XXX-XX 000 ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Feststellung der Schadenshöhe. Hinsichtlich des Inhalts des erstellten Sachverständigengutachtens wird auf die Kopie des Gutachtens vom 15.07.2015, Blatt 75 ff. der Akte verwiesen. Zusammenfassend stellte der Sachverständige fest, dass sich am Fahrzeug ein Frontschaden links befand, bei dem die Stoßfängerverkleidung beschädigt und das amtliche Kennzeichen beschädigt wurden. Der Kläger führte insoweit auf Seite 3 des Gutachtens aus, dass die Besichtigung in undemontiertem Zustand erfolgt sei, so dass aufgrund des sich darstellenden Schadenbildes ein eventuelles Reparaturrisiko verbleibe. Der Kläger hielt insofern die Auswechslung des beschädigten Eurokennzeichens sowie die Auswechslung der Stoßfängerabdeckung nach entsprechender Lackierung für erforderlich und setzte insoweit voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von netto 827,52 € inklusive Verbringungskosten in Höhe von 97,75 € aus Sachverständigensicht für notwendig an.

Der Kläger begehrt nunmehr nach Abtretung ihrer Schadenersatzansprüche durch die Geschädigte Frau I an ihn als Sachverständigen den Ausgleich der Vergütung für seine Sachverständigentätigkeit gemäß Rechnung vom 15.07.2015 in Höhe von 345,10 €. Die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten als Haftpflichtversicherer für die der Frau I entstandenen Schäden ist dabei zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger beantragt insofern,

die beklagte Partei zu verurteilen, an den Kläger 345,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 345,10 € aus abgetretenem Recht gemäß §§ 823 BGB, 7, 8 StVG, § 115 VVG.

Denn die Kosten des erstatteten Sachverständigengutachtens stellen sich nicht als erstattungsfähiger Schaden im Rahmen des § 249 Abs. 1 BGB dar.

Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören nämlich zu den gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen dann, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, NJW 2005, 356 m. w. N.). Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt beim Geschädigten (BGH, a. a. O.).

Insoweit ist allgemein anerkannt, dass ein unfallgeschädigter Fahrzeugeigentümer beim Vorliegen eines sogenannten Bagatellschadens unter Schadenminderungsgesichtspunkten auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens jedenfalls zunächst zu verzichten hat, da dann andere kostengünstigere Schätzungen, wie beispielsweise ein Kostenvoranschlag eines qualifizierten Reparaturbetriebs, ausgereicht hätten. Es ist jedoch insoweit nicht alleine darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder nicht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt. Der später ermittelte Schadensumfang kann jedoch im Rahmen der Würdigung nach § 287 ZPO ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Beurteilung sein. Die betragsmäßige Grenze zur Annahme eines sogenannten Bagatellschadens wird unterschiedlich in der Rechtsprechung und Literatur angesiedelt. Der BGH hatte im Rahmen eines Rechtsstreits über einen Schadenfall im Jahr 2002 die Auffassung vertreten, dass die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bei einem Schaden in Höhe von 715,00 € die Bagatellgrenze nicht unterschritten sei, nicht zu beanstanden sei.

Nach Auffassung des Gerichtes dürfte die Grenze zu einem Bagatellschaden sich angesichts der eingetretenen Preissteigerungen und einer vergleichbaren Entwicklung in der strafgerichtlichen Rechtsprechung zu § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB erhöht haben, so dass von einem Betrag in Höhe von 1.000,00 € auszugehen sein dürfte. Dabei verbietet sich aber, wie bereits ausgeführt, eine pauschalierte Bewertung, vielmehr ist auf die Erkenntnismöglichkeiten im Einzelfall abzustellen.

Der hier ermittelte Schaden stellt sich auch unter Berücksichtigung dieser Umstände nach Auffassung des Gerichts als Bagatellschaden in diesem Sinne dar. Das geschädigte Fahrzeug erhielt einen Frontanstoß, durch den lediglich im Bereich der Stoßfängerverkleidung und des vorderen Kennzeichens Lackbeschädigungen eingetreten sind. Soweit tatsächlich auch Deformierungen im Bereich des Stoßfängers vorhanden sind, so sind diese ausweislich der vom Kläger getätigten Lichtbilder äußerst gering, die Stauchung der Stoßfängerverkleidung ist insoweit auf dem Foto 04 des Gutachtens leicht erkennbar. Insoweit war auch für die Geschädigte das Vorliegen eines Bagatellschadens nach Auffassung des Gerichtes ohne weiteres ersichtlich. Insoweit hätte die Einholung eines Kostenvoranschlages einer Werkstatt ausgereicht, um die Höhe des Schadens gegenüber der Beklagten darzustellen. Dabei geht der Hinweis des Klägers, aufgrund der Deformierung seien weitere Schäden bei bloßer Erstellung eines Kostenvoranschlages nicht hinreichend auszuschließen gewesen, ins Leere. Denn der Kläger hat selbst im Rahmen seines Sachverständigengutachtens ausgeführt, dass auch er lediglich eine Inaugenscheinnahme ohne Öffnung des Bauteils vorgenommen hat. Dazu wäre auch ohne Weiteres die Reparaturwerkstatt im Rahmen eines Kostenvoranschlages deutlich günstiger in der Lage gewesen.

Gegen die Einstufung als Bagatellschaden spricht insoweit auch nicht der ermittelte Schadensumfang in Höhe von 827,52 €, bei Herausrechnung der Verbringungskosten zum Lackierer in Höhe von 729,77 € netto. Denn wie bereits ausgeführt, dürfte die Bagatellgrenze aufgrund der allgemeinen Preissteigerung nunmehr in einem Wert um 1.000,00 € anzunehmen sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund des § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Das Gericht hat die Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zugelassen, da dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die grundsätzliche Höhe der Bagatellgrenze als erforderlich erscheint.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Arnsberg, Brückenplatz 7, 59821 Arnsberg, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Arnsberg zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Arnsberg durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

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