OLG Köln, Beschluss vom 07.03.2016 - 13 U 27/16
Fundstelle
openJur 2019, 6186
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 22 O 255/15
Tenor

weist der Senat darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung ist nach übereinstimmender Auffassung des Senats nach dem gegebenen Sachstand offensichtlich unbegründet. Da die zu Grunde liegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, eine Entscheidung durch Urteil auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist und eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 - 4 ZPO), soll über das Rechtsmittel durch Beschluss entschieden werden.

II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Widerruf des Klägers verfristet ist. Unstreitig hat der Kläger innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 355 BGB a.F. keinen Widerruf erklärt.

Im Jahr 2014 stand ihm kein Widerrufsrecht mehr zu, das er hätte ausüben können. § 355 BGB ist in seiner vom 08.12.2004 bis zu 10.06.2010 geltenden Fassung anwendbar Gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.?F. begann die 2-wöchige Widerrufsfrist zu dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm seine Rechte deutlich machte, erteilt wurde. Die an den Verbraucher gerichtete Belehrung muss vollständig und inhaltlich zutreffend sein. Sie hat, um ihren Zweck erreichen zu können, möglichst umfassend, unmissverständlich und aus der Sicht des Verbrauchers eindeutig zu sein (BGH, Urteil vom 13.01.2009, XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709, 710). Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (BGH, Urteil vom 23.06.2009, - XI ZR 156/08 -, juris - Tz. 17f).

Die dem Kläger von der Beklagten am 10.12.2009 erteilte Widerrufsbelehrung, der das Formular DSV 191 055.000 in der Fassung Juli 2008 zu Grunde liegt, genügt im konkreten Fall - entgegen der Auffassung des Klägers - diesen Anforderungen, so dass es auf die Frage, ob sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 BGB Info-V berufen kann, nicht ankommt. Im Einzelnen:

Gegen die konkrete Art der Ausgestaltung bestehen keine Bedenken. Die mit "Widerrufsbelehrung" überschriebene Erklärung vom 8.12.2009 (GA Bl. 8 und Anl. B2) enthält nur Informationen zum Widerrufsrecht. Die Belehrung genügt zunächst ohne weiteres den drucktechnischen Anforderungen. Sie ist gut lesbar und übersichtlich in die Bereiche "Widerrufsrecht", "Widerrufsfolgen" und "Finanzierte Geschäfte" gegliedert.

Die von der Beklagten verwendeten Fußnoten "1 Nicht für Fernabsatzgeschäfte" und "2 Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts: z.B. Darlehensvertrag" sind nicht geeignet, den Inhalt der Widerrufsbelehrung zu verfälschen oder unklar erscheinen zu lassen und einen durchschnittlichen, mit den Umständen vertrauten Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten. Dies gilt umso mehr, als in dem bei der Beklagten verbliebenen, vom Kläger unterzeichneten Exemplar - anders als in dem Kläger ausgehändigten Exemplar - vor dem Abdruck der Fußnoten fettgedruckt der Vermerk "Bearbeiterhinweise" steht.

Auch inhaltlich genügt die Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen. Sie belehrt zutreffend über den Beginn der Widerrufsfrist. § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. knüpft den Fristbeginn bei schriftlich abzuschließenden Verträgen daran, dass dem Verbraucher eine Vertragsurkunde oder eine Abschrift der Urkunde oder die eigene Vertragserklärung des Verbrauchers oder eine Abschrift hiervon zur Verfügung gestellten wurde (§ 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Verbraucher, der eine Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt, die ihm eingeräumte Überlegungsfrist nur sachgerecht wahrnehmen, wenn sich die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des Verbrauchers bezieht (BGH Urteil vom 04.07.2002 - I ZR 55/00, WM 2002, 1989, 1992). Dies ist in der Widerrrufsbelehrung, die im Übrigen nur den damaligen Gesetzestext wiederholt, durch die Formulierung "ihr Vertragsangebot" aus der Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers mit der erforderlichen Deutlichkeit klargestellt. Warum durch die Formulierung "oder" - mit der lediglich klargestellt wird, dass die jeweilige Urkunde dem Verbraucher nicht im Original vorliegen muss, sondern die Zurverfügungstellung einer Abschrift ausreicht - geeignet sein sollte, der Beginn der Widerrufsfrist für den Verbraucher unklar sein soll, erschließt sich dem Senat nicht.

Der Auffassung des Klägers, der Zusatz "Widerrufsfrist bitte im Einzelfall prüfen" führe dazu, dass der Verbraucher über die Widerrufsfrist im Unklaren gelassen werde, weil er diesen Zusatz dahingehend verstehen müsse, dass er selbst die Widerrufsfrist prüfen müsse, vermag sich der Senat in der vorliegenden Konstellation nicht anzuschließen. Anders als das für den Darlehensgeber bestimmte, von der Beklagten vorgelegte Exemplar der Widerrufsbelehrung enthält das für den Verbraucher bestimmte und vom Kläger vorgelegte Exemplar der Widerrufsbelehrung den vom Kläger beanstandeten Zusatz nicht. In dem vom Kläger unterzeichneten, bei der Beklagten verbliebenen Exemplar ist der Zusatz im Übrigen ausdrücklich durch das vorangestellte Wort "Bearbeiterhinweise" dahingehend gekennzeichnet, dass er sich gerade nicht an den Verbraucher, sondern nur an den Mitarbeiter ("Bearbeiter") des Darlehensgebers richtet. Bei einem verständigen Durchschnittsverbraucher konnte deshalb das Verständnis, er selbst habe die Frist zu prüfen, auch bei einer im Zuge der Unterschrift erfolgenden Kenntnisnahme des zum Verbleib beim Darlehensgeber bestimmten Exemplars der Widerrufsbelehrung nicht auftreten.

Soweit der Kläger die Aufnahme einer Belehrung über finanzierte Geschäfte vor dem Hintergrund rügt, dass kein finanziertes Geschäft vorlag, kann er auch hiermit nicht gehört werden. Die Belehrung über finanzierte Geschäfte war nicht geeignet, einen durchschnittlichen Verbraucher von der Ausübung eines ihm zustehenden Widerrufrechts abzuhalten. Sie gilt unmissverständlich nur, "wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden" und erläutert diesen Rechtsbegriff sodann der gesetzlichen Regelung in § 358 Abs. 3 BGB (a.F.) und der Musterbelehrung folgend. Die Belehrung geht somit weder davon aus noch erweckt sie den Eindruck, dass im streitgegenständlichen Fall tatsächlich ein verbundenes Geschäft vorliegt und ist mithin inhaltlich jedenfalls nicht unrichtig. Sie ist so transparent, dass die Gefahr eines Irrtums über den Umfang und die Folgen des Widerrufsrechts nicht besteht.

Mit der Rüge, die Widerrufsbelehrung werde den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht, weil es sich vorliegend um ein Fernabsatzgeschäft gehandelt habe und die Belehrung die in diesem Fall für den Fristbeginn erforderlichen Hinweise nicht enthalte, kann der Kläger nicht gehört werden. Darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass es sich um einen ausschließlich unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommenen Vertrag handelt, ist der Kläger, der hieraus für sich günstige Rechtsfolgen ableiten will. Den danach zu stellenden Anforderungen wird sein Vortrag nicht gerecht. Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich substantiiert vorgetragen und auch (gegenbeweislich) unter Beweis gestellt, dass es sich um ein sog. Präsenzgeschäft gehandelt, d.h. der Kläger die Widerrufsbelehrung am 10.12.2009 zusammen mit dem dazugehörigen Darlehensvertrag in einer Geschäftsstelle der Beklagten unterzeichnet habe und ihm anschließend ein Exemplar der Krediturkunde und der Widerrufsbelehrung ausgehändigt worden sei (GA Bl. 24). Dies hat der Kläger erstinstanzlich nur pauschal bestritten, ohne zu tatsächlichen Umständen eines Fernabsatzgeschäfts vorzutragen (GA 52). Auch der erstmalige - nicht unter Beweis gestellte - Vortrag in der Berufungsbegründung, die Verträge (gemeint wohl: der Vertragsentwurf) seien dem Kläger von der Beklagten auf dem Postweg zugeleitet und von ihm auch auf dem Postweg an die Beklagte zurückgereicht worden (GA 91), genügt den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag zum Vorliegen eines Fernabsatzgeschäftes nicht. Ein solches liegt nur dann vor, wenn Vertragsschluss unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen ist. Es mangelt an Vortrag dazu, auf welchem Weg der zur Vorbereitung der Vertragsentwürfe durch die Beklagte erforderliche Kontakt erfolgt sein soll.

Dass es sich um ein Fernabsatzgeschäft gehandelt hat, ergibt sich auch nicht aus den von den Parteien vorgelegten Unterlagen. Der Umstand, dass der Darlehensvertrag das Datum 08.12.2009 ausweist, lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass der Vertrag im Wege des Fernabsatzes zustande gekommen und nicht, wie die Beklagte behauptet, von dem Kläger zusammen mit der Widerrufsbelehrung am 10.12.2009 in einer Filiale der Beklagten unterzeichnet worden ist. Auch der Stempelaufdruck "Original bitte zurück an T L" lässt einen entsprechenden Rückschluss nicht zu, da diese Aufforderung sich auch an die Filiale richten kann, nach Vollzug der Unterschriften das Original der intern zuständigen Stelle zurückzusenden.

Im Übrigen handelt es sich bei der Behauptung eines Fernabsatzgeschäftes um neuen Vortrag, der gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen sein wird.

Soweit der Kläger darauf verweist, die Beklagte habe zwei Widerrufsbelehrungen vorgelegt, kann er hieraus nichts für sich Günstiges ableiten. Bei in Bezug genommenen der "weiteren" Widerrufsbelehrung handelt es sich um die dem Hinweisbeschluss des Senats in der Sache 13 U 81/14 zu Grunde liegende Widerrufserklärung, die keinen unmittelbaren Bezug zum Darlehensvertrag des Klägers aufweist.

III.

Der Kläger erhält Gelegenheit, zu den vorstehend erteilten Hinweisen innerhalb einer Frist von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses vorzutragen. Die Frist kann nur unter den Voraussetzungen des § 224 Abs. 2 ZPO oder mit Zustimmung des Gegners - durch Beschluss des Senats oder durch Verfügung des Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter - verlängert werden. Auf die Möglichkeit einer kostensparenden Rücknahme der Berufung (KV Nr. 1220, 1222 zu § 3 Abs. 2 GKG) wird hingewiesen