OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.07.2016 - 13 C 30/16
Fundstelle
openJur 2019, 5808
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 6 Nc 111/15
Tenor

Die im Rubrum aufgeführten Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Beschwerden der Antragsteller gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Köln vom 14. März 2016 werden auf Kosten der jeweiligen Antragsteller zurückgewiesen.

Der Streitwert wird für das jeweilige Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Senat entscheidet über die auf dasselbe Ziel gerichteten Begehren der Antragsteller in gemeinsamer Entscheidung.

Die zulässigen Beschwerden, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von den Antragstellern dargelegten Gründe befindet, ist unbegründet.

1. Das Vorbringen, bei dem im Wintersemester 2003/2004 eingerichteten Modellstudiengang sei die Erprobungszeit spätestens seit dem Wintersemester 2015/2016 beendet, es dürfe deshalb keine Kapazitätsberechnung nach den Modalitäten des Regelstudiengangs mehr erfolgen, sondern es müsse eine Neuberechnung anhand des Modellstudiengangs vorgenommen werden, genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Berechnung sei vom Regel- auf den Modellstudiengang umgestellt worden. Nach der Studienordnung für den Modellstudiengang an der medizinischen Fakultät der Antragsgegnerin ergebe sich ein Curriculareigenanteil der vorklinischen Fächer Anatomie, Physiologie und Biochemie von 1,69. Die Antragsgegnerin habe aber gleichwohl kapazitätsfreundlich unter Hinweis auf die tatsächlich angebotenen Lehrveranstaltungsstunden - wie zuvor - einen Curriculareigenanteil von 1,59 zugrunde gelegt. Diesen Wert hat auch das Verwaltungsgericht in seine Berechnung eingestellt. Mit all diesen Erwägungen setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.

2. Es ist weiter rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht offen gelassen hat, ob die zu 50 % beschäftigte, auf einer Stelle für einen befristeten wissenschaftlichen Mitarbeiter geführte wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. E. nur mit 2 DS berücksichtigt werden durfte. Die Annahme, es könne im Umfang von 2 DS eine Verrechnung mit - unbestritten - nicht besetzten Stellen erfolgen, steht im Einklang mit der diesbezüglichen Senatsrechtsprechung, an der der Senat auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens festhält. Danach lässt das abstrakte Stellenprinzip zwar grundsätzlich unberücksichtigt, ob eine Stelle besetzt ist oder nicht. Verfügt aber eine Lehreinheit über eine vakante Lehrpersonalstelle mit einem Stellendeputat, das der individuellen Lehrverpflichtung einer nicht stellenkonform verwendeten Lehrperson entspricht, und kann auf dieser vakanten Stelle diese Lehrperson geführt werden, kann die individuelle Lehrverpflichtung dieser Person auf jene Stelle angerechnet werden. Ebenso kann die "überschießende" individuelle Lehrverpflichtung einer nicht stellenkonform verwendeten Lehrperson zur Abdeckung von unterbesetzten anderen Stellen verwendet werden.

Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 31. Juli 2012 - 13 B 589/12 -, juris, Rn. 5, m.w.N.

Durch die Verrechnung von zusätzlichen Deputatstunden mit den Deputaten von vakanten Stellen wird auch nicht etwa das Stellenprinzip ausgehebelt, sondern lediglich dem Umstand Rechnung getragen, dass solche Lehrleistungen der Lehreinheit nicht zusätzlich zum abstrakten Lehrangebot zur Verfügung stehen.

3. Die befristet aus Mitteln des Hochschulpakts angestellten Mitarbeiter sind zu Recht mit 4 DS in die Kapazitätsberechnung eingestellt worden. Dies entspricht der Regelung des § 3 Abs. 4 Satz 5 LVV, wonach die Lehrverpflichtung der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Universitäten in befristeten Arbeitsverhältnissen, soweit sie Lehraufgaben wahrnehmen, auf in der Regel 4 Lehrveranstaltungsstunden festzusetzen ist. Inwieweit sie Fort- und Weiterbildung betreiben, ist nicht zu prüfen. Weder das Stellenprinzip des § 8 Abs. 1 KapVO noch das Kapazitätserschöpfungsgebot verpflichten die Hochschule zum Nachweis, ob sich bestimmte Stelleninhaber im Einzelfall tatsächlich (noch) in der Weiterbildung befinden und deshalb die Befristung des Arbeitsvertrages gerechtfertigt ist. Die für den Regelfall erfolgte Widmung der befristet zu besetzenden Stellen der wissenschaftlichen Mitarbeiter zur wissenschaftlichen Fort- und Weiterbildung stellt ein Kriterium dar, das einen Bezug zum Umfang der Lehrverpflichtungen aufweist, da ihr nur Rechnung getragen werden kann, wenn dem Stelleninhaber neben seiner Verpflichtung zur Erbringung wissenschaftlicher Dienstleistungen auch eine angemessene Zeit zur eigenständigen wissenschaftlichen Fort- und Weiterbildung zur Verfügung gestellt wird. Diese Zweckbestimmung der Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter rechtfertigt danach die Bildung einer eigenen Stellengruppe. Insoweit ist von einer typisierenden Betrachtung auszugehen, sodass es auf eine ins Einzelne gehende Feststellung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die jeweiligen Stelleninhaber tatsächlich eigene Fort- und Weiterbildung betreiben, grundsätzlich nicht ankommt.

Vgl. zum Ganzen zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 19. April 2016 - 13 C 2/16 -, juris, Rn. 18 ff., m.w.N.

Wegen dieser Typisierung ist auch bei den Mitarbeitern, die aus Mitteln des Hochschulpakts befristet beschäftigt werden, keine höhere Stundenzahl in Ansatz zu bringen. Der Umstand, dass hier die Befristung primär aus haushaltsrechtlichen Gründen erfolgt, erfordert keine andere Betrachtung. Insbesondere kann bei den auf befristeten Stellen geführten, befristet beschäftigten Angestellten nicht kapazitätsrechtlich eine höhere Lehrverpflichtung in Ansatz gebracht werden, wenn diese - wie hier - der Lehrverpflichtungsverordnung entsprechend arbeitsvertraglich nur im Umfang von 4 DS besteht. Darauf, "was diese acht Angestellten außerhalb der 4 SWS Lehre, die sie zu erbringen haben, ansonsten getan haben", kommt es entgegen der Auffassung der Antragsteller für die hier maßgebliche Kapazitätsberechnung nicht an. Ferner bedarf es angesichts des Stellenprinzips und der gebotenen typisierenden Betrachtung keiner Aufklärung, welche Lehrveranstaltungen diese Mitarbeiter abgehalten haben.

4. Die Einwände gegen die Berücksichtigung eines Lehrdeputats von 4 DS bei den mit sonstigen befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern besetzten Stellen greifen nicht durch. Dass die Arbeitsverträge den Vorgaben des § 3 Abs. 4 Satz 5 LVV nicht entsprechen, behauptet die Antragstellerin nicht. Im Kapazitätsrechtsstreit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats,

vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. März 2016 - 13 C 20/16 -, juris, Rn. 3 ff., vom 12. Februar 2016 - 13 C 21/15 - , juris, Rn. 3 ff., und vom 5. Juli 2013 - 13 B 631/13 -, juris, Rn. 15, m. w. N.,

nicht zu prüfen, ob die rechtlichen Vorgaben des WissZeitVG eingehalten und die Befristungsabreden wirksam sind. Von dem Regellehrdeputat kann nach der Rechtsprechung des Senats zum Stellenprinzip nur abgewichen werden, wenn die Hochschule die Stelle bewusst dauerhaft mit einer Lehrperson besetzt, die individuell eine höhere Lehrverpflichtung als die der Stelle hat, und dadurch der Stelle faktisch einen anderen, dauerhaften, deputatmäßig höherwertigen Amtsinhalt vermittelt. Hierfür ist mit der Beschwerde nichts Substantiiertes dargetan worden.

5. Der Senat geht weiter aufgrund der glaubhaften Angaben der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen sowie im Beschwerdeverfahren davon aus, dass die Studienplätze in den ersten vier Fachsemestern wie vom Verwaltungsgericht angenommen besetzt sind und beurlaubte Studierende in den Zahlen nicht enthalten sind. Der Vorlage von Immatrikulationslisten bedarf es nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht.

Es fehlen auch jegliche Anhaltspunkte dafür, dass unter den Eingeschriebenen Studierende sind, die bereits andernorts das Physikum abgelegt oder anrechenbare Leistungen haben und deshalb die vorklinischen Lehrveranstaltungen nicht besuchen, obwohl sie sich in diesem Studienabschnitt befinden. Abgesehen davon kommt es für die Kapazitätsberechnung nicht darauf an, welches Lehrangebot von den im jeweiligen Semester Eingeschriebenen tatsächlich in Anspruch genommen wird. Dies hat auch das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in der von den Antragstellern angeführten Entscheidung angenommen (Beschluss vom 9. September 2015 - 2 NB 368/14 -). Soweit es ausgeführt hat, es erscheine nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine Hochschule in der Kapazitätsberechnung berücksichtigen müsse, wenn bei ihr regelmäßig in einem erheblichen Umfang Studierende zugelassen werden müssten, welche die für die Studienplätze vorgehaltenen Lehrleistungen nicht in Anspruch nähmen (Rn. 70), ist hier schon nichts für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.